Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes; Polizeibeamter; besondere...

Vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes; Polizeibeamter; besondere Altersgrenze; Antrag auf Neufestsetzung; Wiederaufgreifen; (keine) Bestandskraft; Zweitbescheid; maßgeblicher Zeitpunkt Eintritt in den Ruhestand; Föderalismusreform; Ersetzungsbefugnis; statische Verweisung; amtsabhängiger Mindestruhegehaltssatz als berechneter Ruhegehaltssatz


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 4. Senat Entscheidungsdatum 29.06.2012
Aktenzeichen OVG 4 B 2.10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 51 Abs 5 VwVfG, § 48 Abs 1 VwVfG, § 4 Abs 2 BeamtVG, § 14 Abs 1 BeamtVG, § 14 Abs 4 S 1 BeamtVG, § 14 Abs 4 S 2 BeamtVG, § 14a Abs 1 BeamtVG, BeamtVEBestG BB 2007, Art 125a Abs 1 S 1 GG

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 17. Dezember 2009 geändert.

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides der Zentralen Bezügestelle des Landes Brandenburg vom 15. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 24. April 2007 verpflichtet, die Versorgungsbezüge des Klägers für den Zeitraum vom 1. November 2005 bis zum 31. Oktober 2010 vorübergehend mit einem Ruhegehaltssatz von 61,08 v.H. festzusetzen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v.H. des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine erneute Entscheidung über die vorübergehende Erhöhung seines Ruhegehaltssatzes nach § 14 a Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) für den Zeitraum vom 1. November 2005 bis zum 31. Oktober 2010.

Der … 1945 geborene Kläger stand zuletzt als Erster Kriminalhauptkommissar (Besoldungsgruppe A 13) im Dienst des beklagten Landes. Mit Ablauf des 31. Oktober 2005 trat er wegen Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand.

Bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge mit Bescheid vom 17. Oktober 2005 errechnete die Zentrale Bezügestelle des Landes Brandenburg einen erdienten Ruhegehaltssatz von 27,60 v.H.. Diesen erhöhte der Beklagte auf Antrag des Klägers mit weiterem Bescheid vom 17. Oktober 2005 ab dem 1. November 2005 gemäß § 14 a BeamtVG vorübergehend um 26,08 v.H. auf 53,68 v.H.

Mit am 3. März 2006 bei der Zentralen Bezügestelle eingegangenem Schreiben beantragte der Kläger unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 – BVerwG 2 C 25.04 – den Ruhegehaltssatz auf der Grundlage des Mindestruhegehaltssatzes von 35,00 v.H. neu zu berechnen und ihm rückwirkend zum 1. November 2005 den Differenzbetrag nachzuzahlen. Mit Bescheid vom 15. Januar 2007 lehnte die Zentrale Bezügestelle die Erhöhung des Ruhegehaltssatzes mit der Begründung ab, die bisherige Berechnung entspreche § 14 a Abs. 1 BeamtVG. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Zentrale Bezügestelle mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2007 zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach § 14 a Abs. 1 BeamtVG sei der nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz zu erhöhen. Dies sei der nach § 14 Abs. 1 BeamtVG anhand der ruhegehaltfähigen Dienstzeit ermittelte Ruhegehaltssatz.

Mit seiner am 23. Mai 2007 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. Zur Begründung hat er geltend gemacht, im Hinblick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei die Festsetzung rechtswidrig. Ihm stehe ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Neubescheidung zu.

Das Verwaltungsgericht Cottbus hat die Klage mit Urteil vom 17. Dezember 2009 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Kläger kein Anspruch auf einen über den ursprünglichen Bescheid vom 17. Oktober 2005 hinausgehenden Ruhegehaltssatz zustehe. Es fehle an einer gesetzlichen Grundlage für den geltend gemachten Anspruch. Gemäß § 14 a BeamtVG in der durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz (DNeuG) geänderten Fassung sei Ausgangspunkt für eine vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes allein der erdiente Ruhegehaltssatz im Sinne von § 14 Abs. 1 BeamtVG. Die Änderung des § 14 a BeamtVG gelte auch für Brandenburger Landesbeamte. Die Regelung sei nicht verfassungswidrig und stelle insbesondere keinen Fall einer unzulässigen sog. „echten“ Rückwirkung dar. Eine Ersetzung des BeamtVG sei von dem beklagten Land bisher nicht vorgenommen worden. Daran ändere auch die Änderung einzelner Vorschriften durch das Brandenburger Gesetz zur Änderung besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 21. November 2007 (GVBl. I S. 158) nichts.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung, zu deren Begründung er im Wesentlichen ausführt: Der Bundesgesetzgeber habe in § 108 Abs. 1 BeamtVG mit Blick auf den Wegfall der Gesetzgebungskompetenz für Landesbeamte ausdrücklich normiert, dass das Beamtenversorgungsrecht für Landesbeamte in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung fortgelte. Es sei nicht ersichtlich, dass der Bundesgesetzgeber über seinen eigenen Kompetenzbereich auch Regelungen mit Wirkung für und gegen Landesbeamte habe treffen wollen. Jedenfalls sei die Änderung des § 14 a BeamtVG wegen unzulässiger Rückwirkung verfassungswidrig.

Seit dem 1. November 2010 erhält der Kläger eine gesetzliche Altersrente, mit Bescheid vom 28. September 2010 setzte die Zentrale Bezügestelle den Ruhegehaltssatz auf 27,60 v.H. fest.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 17. Dezember 2009 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Zentralen Bezügestelle des Landes Brandenburg vom 15. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 24. April 2007 zu verpflichten, die Versorgungsbezüge des Klägers für den Zeitraum vom 1. November 2005 bis zum 31. Oktober 2010 vorübergehend mit einem Ruhegehaltssatz von 61,08 v.H. festzusetzen,

sowie festzustellen, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren notwendig war.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung beruft sich der Beklagte auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils. Die rückwirkende Änderung des § 14 a Abs. 1 BeamtVG durch das DNeuG sei auf den Kläger anwendbar. Eine Ersetzung des BeamtVG sei durch das beklagte Land bisher nicht vorgenommen worden. Das Gesetz zur Änderung besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 21. November 2007 habe nur zu einer isolierten Änderung einzelner Vorschriften und damit nur zu einer partiellen Änderung des als Bundesrecht fortgeltenden BeamtVG geführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Streitakte sowie die Versorgungsakte des Klägers verwiesen, die vorgelegen haben und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid der Zentralen Bezügestelle des Landes Brandenburg vom 15. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 24. April 2007, mit dem der Antrag des Klägers auf Neufestsetzung seines Ruhegehaltssatzes für die Zeit ab dem 1. November 2005 abgelehnt wurde, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Er hat Anspruch auf eine über den ursprünglichen Bescheid vom 17. Oktober 2005 hinausgehende Erhöhung seines Ruhegehaltssatzes für den Zeitraum ab dem 1. November 2005 bis zum Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Zwar liegen keine Gründe im Sinne von § 51 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg (VwVfG Bbg) vor, die einen Anspruch des Klägers auf Wiederaufgreifen des Verfahrens (im engeren Sinne) begründen könnten. Der Kläger hat jedoch für den Zeitraum von Antragstellung bis zum Wegfall des erhöhten Ruhegehaltssatzes mit Beginn einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 48 Abs. 1 i.V.m. § 51 Abs. 5 VwVfG Bbg Anspruch auf Neufestsetzung des erhöhten Ruhegehaltssatzes. Denn auf dieser Rechtsgrundlage kann die Behörde nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – auch wenn die in § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG normierten Voraussetzungen nicht vorliegen – ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Betroffenen wieder aufgreifen und eine neue – der gerichtlichen Überprüfung zugängliche – Sachentscheidung treffen (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne; vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 1 C 15.08 -, juris Rn. 24 und Beschluss vom 23. Februar 2004 - BVerwG 5 B 104.03 -, juris Rn. 8, jeweils mwN). So liegt der Fall hier. Die Behörde hat sich vorliegend dazu entschieden, das Verfahren des Klägers in vollem Umfang (im weiteren Sinne) wiederaufzugreifen. Sie hat das ihr insoweit zustehende Ermessen, sich nicht auf die Bestandskraft des Ausgangsbescheides vom 17. Oktober 2005 zu berufen und im Wege des Wiederaufgreifens in eine erneute Sachentscheidung einzutreten, konkludent zu Gunsten des Klägers ausgeübt. Durch den den Antrag des Klägers auf Neufestsetzung des Ruhegehaltssatzes in der Sache erneut ablehnenden Bescheid der Zentralen Bezügestelle vom 15. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 24. April 2007 hat sie ihm damit den Weg zu einer gerichtlichen Sachprüfung eröffnet.

Dem Anspruch des Klägers auf Neufestsetzung des Ruhegehaltssatzes für den Zeitraum ab dem 1. November 2005 steht insbesondere die Bestandskraft des Ausgangsbescheides vom 17. Oktober 2005 nicht entgegen.Soweit der Beklagte meint, die Behörde habe das Verfahren nicht wieder aufgegriffen, sondern nur im Wege einer wiederholenden Verfügung eine inhaltliche (Neu-)Befassung abgelehnt, ergibt sich dies aus den angegriffenen Bescheiden nicht. Für die Beurteilung, welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, ist der objektive Erklärungswert maßgeblich: Es kommt darauf an, wie der Empfänger die Erklärung der Behörde unter Berücksichtigung aller ihm bekannten oder erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben bei objektiver Auslegung verstehen durfte bzw. musste (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1983 - BVerwG 7 C 70.80 -, juris Rn. 15; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Auflage 2011, § 35 Rn. 55 mwN). Unter Beachtung dieser Auslegungsregel durfte der Kläger den Bescheid vom 15. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 24. April 2007 als neue Sachentscheidung verstehen. Dafür sprechen sowohl Inhalt als auch Form der beiden Bescheide. Weder in dem Bescheid vom 15. Januar 2007 noch in dem Widerspruchsbescheid vom 24. April 2007 wird auf die Bestandskraft des Ausgangsbescheides vom 17. Oktober 2005 Bezug genommen, geschweige denn, dass sich die Behörde hierauf ausdrücklich berufen hätte. Zudem hat die Behörde nur die für eine Sachentscheidung relevanten Rechtsgrundlagen genannt (§ 14 Abs. 1, § 14 a BeamtVG), die für ein Wiederaufgreifen heranzuziehenden Normen (§ 51 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG Bbg) hingegen nicht. Auch aus dem Wortlaut des Bescheides vom 15. Januar 2007 folgt, dass die Behörde sich mit dem Anspruch aus §§ 14, 14 a BeamtVG inhaltlich beschäftigen wollte und nicht etwa mit einem Antrag nach § 51 Abs. 1 bzw. Abs. 5 VwVfG Bbg. Denn der Bescheid formuliert: „Ihren o.a. Antrag auf vorübergehende Erhöhung des amtsabhängigen Mindestruhegehaltssatzes …. gem. § 14 a Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 4 BeamtVG lehne ich ab“. Soweit der Ausgangsbescheid vom 17. Oktober 2005 in beiden Bescheiden in Bezug genommen wird, erfolgt dies nach dem objektiven Empfängerhorizont lediglich mit dem Ziel, die in diesem Bescheid enthaltene Berechnung und Festsetzung des Ruhegehaltssatzes mit 27,60 v.H. nach § 14 Abs. 1 BeamtVG quasi nachrichtlich zu übernehmen und zur Grundlage der neu angestellten Erwägungen zu machen. Der Charakter eines Zweitbescheides wird letztlich durch die gewählte Form bestätigt. Denn die Behörde hat den Antrag des Klägers auf Wiederaufgreifen durch mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Verwaltungsakt sachlich beschieden.

Soweit der Beklagte dagegen meint, er habe sich in den angefochtenen Bescheiden im Rahmen des § 48 VwVfG Bbg mit der Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheides auf der Tatbestandsseite befasst und das Ermessen gemäß § 48 VwVfG Bbg (bisher) nicht ausgeübt, weil die Behörde der Auffassung gewesen sei, es lägen schon gar nicht die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bescheide vor, verhilft ihm dies nicht zum Erfolg. Er verkennt, dass es nicht auf den inneren Willen der Behörde, sondern auf den objektiven Erklärungsgehalt der angefochtenen Bescheide ankommt, die bei einer Gesamtschau – wie ausgeführt – den Charakter eines Zweitbescheides aufweisen.

An dem in den angefochtenen Bescheiden konkludent zugunsten des Klägers nach §§ 48, 49 VwVfG Bbg ausgeübten Ermessen der Behörde, eine neue Sachprüfung in vollem Umfang vorzunehmen, muss sich der Beklagte daher festhalten lassen. Wie die Behörde ihr Ermessen ausüben würde, wenn sie erst jetzt über das Wiederaufgreifen entscheiden müsste, ist daher unerheblich.

Die in den angefochtenen Bescheiden getroffene Entscheidung der Behörde, den Antrag des Klägers auf vorübergehende Erhöhung des festgesetzten Ruhegehaltssatzes nach § 14 a BeamtVG (erneut) in vollem Umfang abzulehnen, war rechtswidrig, ebenso wie die Festsetzung des (vorübergehenden) Ruhegehaltssatzes im ursprünglichen Bescheid vom 17. Oktober 2005. Bei zutreffender Auslegung des § 14 a Abs. 1 BeamtVG in der zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand am 1. November 2005 maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl. I S. 322) hätte die vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes nicht auf der Grundlage des erdienten Ruhegehaltssatzes nach § 14 Abs. 1 BeamtVG in Höhe von 27,60 v.H. errechnet werden dürfen, sondern an die amtsabhängige Mindestversorgung in Höhe von 35 v.H. gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG anknüpfen müssen.

Abzustellen ist für einen Antrag auf vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes nach § 4 Abs. 2 BeamtVG in der damals wie heute geltenden Fassung auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Juni 2005 - BVerwG 2 C 25.04 -, juris Rn. 11 und vom 12. November 2009 - BVerwG 2 C 29.08 -, juris Rn. 9; Vorlagebeschluss vom 19. August 2010 - BVerwG 2 C 34.09 -, juris Rn. 17; wohl ebenso BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 2012 - 2 BvL 5/10 -, juris Rn. 65; Urteil des Senats vom 17. November 2011 - OVG 4 B 71.09 -, juris, Rn. 16; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. März 2012 - OVG 6 N 12.11 -, juris Rn. 8), hier den 1. November 2005. Soweit der Beklagte der Auffassung ist, aus der Regelung des § 52 Abs. 1 BeamtVG, der Rechtsfolgen von rückwirkend gesetzlich verringerten Versorgungsbezügen für den Versorgungsempfänger festlege, ergebe sich, dass es für die Berechnung der Höhe von Versorgungsbezügen nicht immer nur auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand ankomme, verkennt er den Anwendungsbereich dieser Norm. Diese Vorschrift greift nur ein, wenn die gesetzliche Änderung unmittelbar eine rückwirkende Verminderung der Versorgungsbezüge – und damit eine Überzahlung – zur Folge hat. Ist die Rechtsgrundlage für die Zahlung hingegen ein Verwaltungsakt (Festsetzungsbescheid) – wie hier –, der durch eine gesetzliche Änderung rechtswidrig wird, ist dieser zunächst zurückzunehmen (vgl. Weinbrenner/Bauer in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, § 52 BeamtVG, Stand Januar 2011, Rn. 3). Hieran ändert auch der Charakter eines Versorgungsfestsetzungsbescheides als Dauerverwaltungsakt nichts, der für einen längeren Zeitraum und für eine Vielzahl von monatlichen Versorgungsbezügezahlungen Wirksamkeit entfaltet. Zwar ist die Rechtmäßigkeit eines Dauerverwaltungsaktes regelmäßig nach der Sach- und Rechtslage zu beurteilen, wie sie im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung besteht (st. Rspr., vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 -, juris Rn. 18 mwN). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn – wie hier mit § 4 Abs. 2 BeamtVG – eine abweichende gesetzliche Bestimmung vorliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 2012 – BVerwG 8 B 62.11 -, juris Rn. 13 mwN).

Die Änderung des § 14 a BeamtVG durch § 3 des Gesetzes über ergänzende Bestimmungen zur Beamtenversorgung im Land Brandenburg (Beamtenversorgungsergänzungsgesetz - BbgBBeamtVG -) vom 21. November 2007 (GVBl. I S. 158, 161) mit Wirkung ab 27. November 2007 reicht auf den Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand nicht zurück, so dass es im Fall des Klägers auf die in § 3 BbgBBeamtVG vorgesehene Änderung der Berechnungsmodalitäten nicht ankommt.

Auf die mit Rückwirkung versehene Änderung des § 14 a BeamtVG durch Bundesgesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160, 230) mit Wirkung ab 24. Juni 2005 kommt es entgegen der Auffassung des Beklagten ebenfalls nicht an, weil diese im Land Brandenburg keine Wirkung mehr entfalten konnte. Denn § 14 a BeamtVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl. I S. 322), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 19. Juli 2006 (BGBl. I S. 1652), galt zunächst ab 1. September 2006 als Bundesrecht fort. Mit Wirkung vom 27. November 2007 hat der brandenburgische Landesgesetzgeber das BeamtVG jedoch durch Landesrecht ersetzt.

Im Zuge der sog. Föderalismusreform (vgl. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006, BGBl. I S. 2034), die am 1. September 2006 in Kraft getreten ist, ist unter anderem die Regelung der Besoldung und Versorgung der Landesbeamten Ländersache geworden. Das Beamtenversorgungsgesetz wurde zwar vor Inkrafttreten der geänderten Fassung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG erlassen, könnte nunmehr aber nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden. Denn nach der neu geschaffenen Zuständigkeitsregelung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes (Art. 72 Abs. 1 GG) nicht mehr auf Regelungen zur Besoldung und Versorgung u. a. der Beamten der Länder; diese fällt nunmehr in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder. Auf der Grundlage des Art. 125 a Abs. 1 Satz 1 GG gelten die bis dahin vom Bundesgesetzgeber verabschiedeten Regelungen zum Laufbahn-, Besoldungs- und Versorgungsrecht – wie hier das BeamtVG – jedoch als Bundesrecht fort; dieses kann aber gemäß Art. 125 a Abs. 1 Satz 2 GG durch Landesrecht ersetzt werden. Die Fortgeltungsklausel in Satz 1 verlängert nicht die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers, sondern soll lediglich eine Regelungslücke bis zum Inkrafttreten des jeweiligen Landesrechts vermeiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2008 - BVerwG 2 C 49.07 -, juris Rn. 32 mwN). Auf Grundlage des Art. 125 a Abs. 1 Satz 2 GG sind die Länder aber ermächtigt, eine landesrechtliche Neuregelung des Rechts der Beamtenversorgung durch Ersetzung des Beamtenversorgungsgesetzes des Bundes vorzunehmen. Ob es zu einer Ersetzung von Bundesrecht durch Landesrecht kommt, steht im Ermessen des jeweiligen Landes, da dieses ausweislich des eindeutigen Wortlautes der Norm („kann“) grundsätzlich nicht verpflichtet ist, von der Ersetzungsbefugnis Gebrauch zu machen. Die im Laufe der Gesetzgebungsgeschichte erfolgten Veränderungen im Wortlaut des Art. 125 a Abs. 1 Satz 1 GG zeigen, dass das Wort „ersetzt“ mit Bedacht gewählt worden ist, zumal die andernfalls entstehende Mischlage von Bundes- und Landesrecht für ein und denselben Regelungsgegenstand im bestehenden System der Gesetzgebung einen „Fremdkörper“ dargestellt und zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen würde (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Juni 2004 zu Art. 125 a Abs. 2 GG - 1 BvR 636/02 -, juris Rn. 103 - 105 mit weiteren Ausführungen zur Gesetzgebungsgeschichte; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Januar 2012 - 3 A 555/10 -, juris Rn. 16 ff.).

Anders als eine nur teilweise Änderung bei Fortbestand der bundesrechtlichen Regelung erfordert die Ersetzung des Bundesrechts i.S.d. Art. 125 a Abs. 1 Satz 2 GG, dass der Landesgesetzgeber die Materie, gegebenenfalls auch einen abgrenzbaren Teilbereich hiervon, in eigener Verantwortung regelt. Dabei ist er nicht gehindert, ein weitgehend mit dem bisherigen Bundesrecht gleichlautendes Landesrecht zu erlassen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Juni 2004, a.a.O., juris Rn. 105). „Ersetzen“ bedeutet nicht, dass ein Land ein bundesrechtliches Regelungswerk vollumfänglich durch landesrechtliche Bestimmungen ersetzen muss (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Januar 2012, a.a.O., Rn. 18 f. mwN).

Hiervon ausgehend hat der brandenburgische Gesetzgeber das Beamtenversorgungsgesetz des Bundes ab dem 27. November 2007 durch das BbgBBeamtVG vom 21. November 2007 und mithin durch Landesrecht im Sinn des Art. 125 a GG ersetzt. § 1 BbgBBeamtVG bestimmt, dass für die Versorgung der Beamten des Landes, der Gemeinden, Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und der Richter des Landes das Beamtenversorgungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl. I S. 322), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 19. Juli 2006 (BGBl. I S. 1652) gilt - mit Ausnahme der §§ 5 und 14 a BeamtVG, die durch § 2 bzw. § 3 BbgBBeamtVG ersetzt werden.

Durch diese Bezugnahme auf das BeamtVG in § 1 BbgBBeamtVG ist dieses Bestandteil der Regelung geworden. Die Verweisung bezieht sich ihrem Wortlaut nach allein auf die im Gesetz ausdrücklich unter Angabe der Fundstelle und der am 1. September 2006 maßgeblich letzten Änderung benannte Fassung. Hierbei handelt es sich um eine klassische statische Verweisung. Dagegen läge eine dynamische Verweisung mit der Folge, dass das BeamtVG mit der rückwirkend ab 24. Juni 2005 vorgenommenen Änderung anwendbar wäre, dann vor, wenn die in Bezug genommene Rechtsnorm ohne Datum der Ausfertigung oder Bekanntmachung, Fundstelle und letzten Änderung angegeben wäre. Sind diese Angaben jedoch aus Gründen etwa der Verständlichkeit erforderlich, kann dies durch den Zusatz „in der jeweils geltenden Fassung“ erfolgen. Bei einer dynamischen Verweisung wäre das Beamtenversorgungsgesetz, das allgemein bekannt ist, daher nur als solches mit der amtlichen Kurzbezeichnung – ohne Fundstelle – angeführt worden; bei Angabe der Fundstelle hätte der Zusatz, das Beamtenversorgungsgesetz sei in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden, aufgenommen werden müssen (vgl. Sächsisches OVG, Urteil vom 14. Oktober 2010 - 2 A 438/09 -, juris Rn. 14 zu der vergleichbaren Gesetzeslage durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Sächsischen Besoldungsgesetzes vom 17. Januar 2008, SächsGVBl. S. 3). Mit der vorliegenden statischen Verweisung wollte der Gesetzgeber erkennbar den Bereich der Beamtenversorgung unter weitgehender Übernahme der Regelungen des BeamtVG bei partieller Neuregelung (vgl. §§ 1 a – 3 BbgBBeamtVG) in eigener Verantwortung regeln. Aus der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung besoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften 2007 (LT-Drs. 4/5154) ergibt sich nichts anderes.

Gemäß § 14 a BeamtVG in der am 1. November 2005 geltenden Fassung erhöht sich der nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz vorübergehend, wenn der Beamte – neben weiteren Voraussetzungen – vor der Vollendung des 65. Lebensjahres wegen Erreichens einer besonderen Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist und bis zum Beginn des Ruhestandes die Wartezeit von 60 Kalendermonaten für eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt. Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger unstreitig vor. Während die Verwaltungspraxis lange Zeit davon ausging, dass sich der nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz auf den entsprechend der Dauer der ruhegehaltfähigen Dienstzeit erdienten Ruhegehaltssatz bezieht, entschied das Bundesverwaltungsgericht in dem zitierten Urteil vom 23. Juni 2005, dass auch die Mindestruhegehaltssätze nach § 14 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 BeamtVG „berechnete“ Ruhegehaltssätze sind. Für diese Auslegung, der der Senat folgt (vgl. hierzu und zum Folgenden Urteil des Senats vom 17. November 2011 - OVG 4 B 71.09 -, juris, Rn. 17 ff.), sprechen der Wortlaut, die Systematik sowie Sinn und Zweck des § 14 a BeamtVG (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2005, a.a.O., Rn. 13 ff.). Danach gilt folgende Prüfungsreihenfolge: Zunächst wird der erdiente Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 1 BeamtVG auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit errechnet – im vorliegenden Fall 27,60 v.H.. Sodann wird das amtsbezogene Mindestruhegehalt gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG auf der Grundlage des feststehenden Ruhegehaltssatzes von 35 v.H. bestimmt. Da die Bemessungsgrundlagen nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 BeamtVG identisch sind, ergibt sich bereits aus einem Vergleich der beiden Ruhegehaltssätze, welcher für die Festsetzung des Ruhegehalts maßgeblich sein soll. Im vorliegenden Fall liegt der erdiente Ruhegehaltssatz unter dem amtsabhängigen Mindestruhegehaltssatz von 35 v.H., so dass letzterer maßgeblich ist. Sodann ist das sog. amtsunabhängige Mindestruhegehalt nach § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG zu berechnen, das sich aus einem Ruhegehaltssatz von 65 v.H. aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4 und einem Erhöhungsbetrag nach § 14 Abs. 4 Satz 3 BeamtVG zusammensetzt. Da dem amtsunabhängigen Mindestruhegehalt eine andere Bemessungsgrundlage zugrunde liegt, wird das Ruhegehalt nach den Vorgaben dieser Bestimmung ausgerechnet. Übersteigt es den zuvor ermittelten Wert, so ist der Satz von 65 v.H. nach dieser Bestimmung der gemäß § 14 a Abs. 1 BeamtVG „berechnete“ Ruhegehaltssatz (ebenda Rn. 13). Auf den Kläger bezogen beträgt die amtsabhängige Mindestversorgung entsprechend der dem Bescheid vom 17. Oktober 2005 beigefügten Berechnung 1.367,67 Euro und liegt damit über der amtsunabhängigen Mindestversorgung in Höhe von 1.196,44 Euro. Damit ist der amtsabhängige Mindestruhegehaltssatz in Höhe von 35 v.H. der berechnete Ruhegehaltssatz im Sinne von § 14 a Abs. 1 BeamtVG, so dass dieser Betrag wegen der Rentenanwartschaften des Klägers unstreitig um 26,08 v.H. zu erhöhen ist. Im Ergebnis hatte der Kläger für den betreffenden Zeitraum Anspruch auf Versorgungsbezüge auf der Grundlage eines Ruhegehaltssatzes in Höhe von 61,08 v.H..

Der Beklagte ist nach alledem verpflichtet, dem Kläger die nach der zutreffenden Auslegung des Gesetzes durch das Bundesverwaltungsgericht zustehende Versorgung zukommen zu lassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe der § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG vorliegt.