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Entscheidung 9 UF 212/19


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 17.06.2020
Aktenzeichen 9 UF 212/19 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2020:0617.9UF212.19.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Pflegemutter wird der Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 13. September 2019 - Az. 36 F 85/19 – teilweise abgeändert und wie folgt neugefasst:

Der Verbleib bzw. die Rückführung des am... Oktober 2014 geborenen E... N... in den Haushalt der bisherigen Pflegemutter K... D... wird angeordnet.

Die Pflegemutter K... D... wird beauflagt sicherzustellen, dass jegliche Kontaktaufnahme E... und dem Pflegevater A... D... ausschließlich nach Maßgabe der Anordnungen des Amtsvormunds stattfindet.

Der weitergehende Antrag der Pflegeeltern D... wird zurückgewiesen.

II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; die dem Antragsteller aus der Wahrnehmung des Termins am 4. Juni 2020 entstandenen Auslagen hat dieser selbst zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

III. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1.

Gegenstand des Verfahrens ist die Rückführung des Pflegekindes in den Haushalt der (früheren) Pflegemutter im Rahmen einer Verbleibensanordnung. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Beteiligten zu 1. und 2. sind bzw. waren die Pflegeeltern des am.... Oktober 2014 geborenen „E...“ (Namensgebung noch offen) N.... Das Kind lebt bereits seit …. Oktober 2014 bei den Antragstellern; es handelte sich seit jeher um eine auf Dauer angelegte, nämlich mit dem Ziel der Adoption des Kindes eingerichtete Pflege.

In dem gesondert anhängigen Adoptionsverfahren (Az. 37 F 16/16 des Amtsgerichts Oranienburg) wurde im September 2018 bekannt, dass der Antragsteller am 18. Mai 2017 vom Amtsgericht Oranienburg wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften in 7 Fällen, wegen des Unternehmens der Besitzverschaffung kinderpornografischer Schriften in fünf Fällen und wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften in einem Fall zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung bis zum 17. Mai 2020, verurteilt worden ist (Az. 14 Ds 1950 Js 28171/12 (252/16)). Den Pflegeeltern war das Ermittlungsverfahren jedenfalls seit einer bei ihnen durchgeführten Hausdurchsuchung am ... Januar 2013 bekannt; sie haben das – mindestens ahnend, dass das nachteilig für ihr Adoptionsvorhaben sein könnte - gegenüber der Adoptionsvermittlungsstelle zu keiner Zeit offenbart. Der Pflegevater hat „Neugier“ für die Internetrecherchen angegeben; er habe ausprobieren wollen, was alles gehe; man wisse auch nicht wirklich, was man alles runterlade; eine Erklärung für die unterlassene Löschung der Dateien habe er nicht; er habe diese dann schlicht vergessen. Er hat seine Handlungen als „Fehltritt, der niemandem geschadet habe“ eingeordnet. Beide Pflegeeltern haben in den Gesprächen mit dem Jugendamt letztlich kein Verständnis dafür entwickeln können, dass diese Strafbarkeit des Pflegevaters Sorge um das Wohlergehen E...s zu begründen geeignet ist, auch wenn im Zuge eines Clearingverfahrens - einschließlich von Untersuchungen des Kindes in der Kinderschutzambulanz der C... und dem Gesundheitsamt in O... - festgestellt worden ist, dass keinerlei belastbare Hinweise auf einen Missbrauch E...s durch den Pflegevater vorliegen. In (auch unangekündigt beobachteten) Interaktionen mit den Eltern zeigte der Junge keinerlei Unsicherheiten oder Angst; beide Pflegeeltern sind als Bindungspersonen fest verankert; E... erhält viel Förderung, positives Feedback, elterliche Wärme und Zuwendung. Einen Anlass für eine therapeutische Intervention bei dem Kind hat niemand erkennen können. Der Clearingbericht schließt mit der Einschätzung, dass die Herausnahme E...s aus dem elterlichen Haushalt die Gefahr der Traumatisierung berge und die weitere Entwicklung des Kindes negativ beeinflussen könnte; die Trennung des Kindes von seinen Pflegeeltern sei unter bindungsdynamischen Aspekten sehr genau abzuwägen.

Die Pflegeeltern haben – vor dem Hintergrund, dass seitens des Jugendamts eine Herausnahme des Kindes zu dessen Schutz in den Raum gestellt worden ist – im März 2019 den Erlass einer Verbleibensanordnung beantragt. Sie haben betont, dass der Vater nicht pädophil sei und sich mit seiner Straftat auseinandergesetzt habe; eine Trennung der Pflegeeltern nach 27 Jahren (davon neun Jahre Ehe) sei nicht beabsichtigt oder veranlasst; an ihrer Erziehungseignung im Übrigen bestünden – unstreitig - keine Zweifel. Sie sehen für E... keinerlei Kindeswohlgefährdung bei Verbleib (bzw. Rückkehr) in ihrer Familie.

Der Verfahrensbeistand und das Jugendamt haben – anknüpfend an ihren Eindruck unzureichender Auseinandersetzung beider Pflegeeltern mit der Straftat des Antragstellers und unter Betonung der nicht sicher auszuschließenden Risiken für die weitere Entwicklung des Kindes - die Zurückweisung des Antrages begehrt.

Mit Beschluss vom 13. September 2019 hat das Amtsgericht den Antrag der Eltern zurückgewiesen. Es könne mit Blick auf die strafrechtliche Verurteilung des Vaters nicht verantwortet werden, dass Kind im väterlichen Haushalt zu belassen. Die Delinquenz des Vaters schließe ihn kraft Gesetzes als Pflegeperson aus und trage den Schluss auf eine entsprechende Gefährdungslage des Kindes; der Nachweis der Pädophilie müsse nicht geführt werden. Da eine umfassende Überwachung des elterlichen Haushalts nicht möglich sei, könne dem Schutzbedürfnis des Kindes nur durch Herausnahme aus dem Haushalt der Antragsteller wirksam Rechnung getragen werden. Ein Verbleiben allein bei der Antragstellerin zu 1. scheide wegen der gemeinsamen Lebensführung mit dem Pflegevater aus.

Gegen diese Entscheidung haben zunächst beide Pflegeeltern Beschwerde eingelegt, die der Antragsteller allerdings zurückgenommen hat. Die Antragstellerin hat angegeben, sie habe sich nunmehr vom Vater (räumlich und in Scheidungsabsicht) getrennt; dieser lebe seit …. Oktober 2019 in Be… . Sie selbst stelle unbestritten keine Gefahr für das Kind dar, so dass nunmehr in ihrer Person eine Verbleibensanordnung veranlasst sei.

Der Verfahrensbeistand verteidigt die angefochtene Entscheidung und begründet dies mit durchgreifenden Bedenken gegen eine wirkliche Trennung der Pflegeeltern und auch vor dem Hintergrund, dass E... erklärtermaßen keinerlei Heimweh nach der Pflegemutter habe und ausdrücklich in der Einrichtung bleiben wolle; er wolle allerdings von ihr und den Großeltern in der Einrichtung besucht werden.

Auch die Beteiligten zu 3. und 4. gehen von einer „Scheintrennung“ der Pflegeeltern aus und halten mit näherer Darlegung an ihrer bisherigen Risikoeinschätzung fest.

Das Kind wurde am ... Oktober 2019 aus dem Haushalt der Antragsteller herausgenommen und in die Obhut einer neuen Adoptionspflegefamilie in Al... gegeben. E... konnte in der neuen Familie allerdings nicht bleiben. Seit dem ... November 2019 lebt er als jüngstes Kind in einer Wohngruppe.

Der Senat hat die Beteiligten und auch den Antragsteller (als Auskunftsperson) am 4. Juni 2020 persönlich angehört, dabei allerdings auf eine neuerliche Anhörung des durch die wechselvollen Ereignisse seit der Herausnahme bei den Antragstellern psychisch erheblich belasteten Kindes verzichtet. Die aktuelle Wunsch- und Willenshaltung E...s nach einer Rückkehr zur Pflegemutter hat der Amtsvormund tragfähig vermittelt; diese zieht auch keiner der übrigen Beteiligten in Zweifel. Für die die Beschwerdeentscheidung letztlich tragende Risikoabwägung waren von einer Kindesanhörung weitergehende Erkenntnisse nicht zu erwarten.

2.

Die Beschwerde der Pflegemutter ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 FamFG statthaft und nach §§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2, 65 Abs. 1 FamFG in zulässiger Weise eingelegt worden.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Auf den Antrag allein noch der Antragstellerin war der (unbefristete) Verbleib und damit die letztlich Rückkehr E...s zu seiner Pflegemutter anzuordnen; dies war allerdings mit der Auflage zu versehen, dass die Pflegemutter jegliche Kontaktgestaltung zwischen E... und dem Antragsteller nur nach näherer Konkretisierung durch den Amtsvormund gestatten darf.

2.1.

Gemäß § 1632 Abs. 4 BGB kann das Familiengericht, wenn die Eltern oder – wie im vorliegenden Fall – der Vormund das Kind von der Pflegeperson wegnehmen wollen, von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson anordnen, dass das Kind, das seit längerer Zeit in der Familienpflege lebt, bei der Pflegeperson verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde. Diese Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass bei einem länger andauernden Pflegeverhältnis und der daraus erwachsenen Bindung zwischen den Pflegeeltern und dem Pflegekind sich auch die Pflegefamilie auf den Grundrechtsschutz aus Art. 6 Abs. 1 GG berufen kann, so dass Art. 6 Abs. 3 GG bei der Entscheidung über die Herausnahme des Kindes aus seiner „sozialen Familie“ zu beachten ist (gefestigte verfassungsgerichtliche Rechtsprechung, vgl. nur BVerfG FamRZ 1989, 31 – Rdnr. 28 bei juris; FamRZ 1999, 1417 – Rdnr. 13).

Im Rahmen der erforderlichen Abwägung bildet das Kindeswohl den Richtpunkt und ist bei Interessenkonflikten maßgeblich. Dies bedeutet, dass eine mögliche Kindeswohlgefährdung durch Herausnahme aus der Pflegefamilie gegenüber einer anderen erheblicheren Gefährdung zurückzutreten hat, die dem betroffenen Kind bei einem dortigen Verbleiben drohen würde (vgl. OLG Braunschweig ZKJ 2018, 270 – Rdnr. 14).

Das Gesetz will damit das Kind vor einer Herausnahme aus einer Pflegefamilie zur Unzeit schützen (BT-Drucks. 8/2788 S. 40, 52). Ein zwischen Kind und Pflegeeltern seit längerer Zeit bestehendes Familienpflegeverhältnis soll nicht zum Schaden des Kindes zerstört werden (BVerfG FamRZ 1989, 31 – Rdnr. 29 bei juris; BGH FamRZ 2014, 543 – Rdnr. 21; FamRZ 2017, 208 – Rdnr. 20).

Nach dem Wortlaut erfasst diese Vorschrift (nur) einen Verbleib des Kindes, also einen der Sache nach ununterbrochenen Aufenthalt bei den Pflegeeltern. Allerdings ermöglicht § 1632 Abs. 4 BGB auch die Anordnung einer Rückführung des Kindes zu seinen Pflegeeltern, wenn die Beendigung des Aufenthalts des Kindes bei der Pflegeperson in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Verfahren über die Verbleibensanordnung steht. Denn eine in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang erfolgte und damit bezogen auf die Antragstellung nach § 1632 Abs. 4 BGB nur kurzfristige bzw. vorübergehende Herausnahme des Kindes stellt dessen Verbleib bei den Pflegeeltern - vorausgesetzt der Antrag hat auch in der Sache Erfolg - nicht in Frage (BGH FamRZ 2017, 208 - Rdnr. 17 ff).

2.2

Die formalen Voraussetzungen für den Erlass der begehrten Verbleibensanordnung liegen im Streitfall vor. Ein Fall länger dauernder Familienpflege ist unzweifelhaft gegeben. E... lebt seit seinem 2. Lebenstag, hier seit dem …. Oktober 2014 und bis zur Herausnahme am …. Oktober 2020, also fast sechs Jahre in der Familie D.... Der dortige Aufenthalt war seit jeher mit dem Ziel der Adoption verbunden, also auch von vornherein auf Dauer angelegt. Im Streitfall sind auch nicht allein die zeitlichen Maßstäbe des § 1632 Abs. 4 BGB eingehalten. Vielmehr war E... selbstverständlicher Teil der Familie, sozial-emotional gut und sicher angebunden; er hat bei den Antragstellern Versorgung, Förderung und Zuwendung erfahren und dort seine Beziehungswelt und „soziale Familie“ gefunden. Es gab zu keiner Zeit konkrete Hinweise auf irgendwelche Versäumnisse oder Nachlässigkeiten in der Betreuung, Versorgung und Erziehung des – altersgerecht entwickelten – Kindes.

Der Antrag auf Verbleibensanordnung war auch bereits im März 2019 und damit vor der tatsächlich erfolgten Herausnahme des Kindes am …. Oktober 2019 gestellt worden, so dass auch der für eine mögliche Rückführung erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang vorliegt. Der Zeitfortschritt im Beschwerdeverfahren kann deshalb nicht dazu führen, dass dem Rückforderungsbegehren schon aus formalen Gründen kein Erfolg beschieden sein kann. Allerdings wird im Rahmen der Risikoabwägung im Einzelfall zu prüfen sein, welche Folgen der damit erforderliche neuerliche Wechsel des Lebensmittelpunktes für das Wohl des Kindes haben wird.

2.3

Im Ergebnis der am Wohl E...s ausgerichteten Gefahrenabwägung ist unter Berücksichtigung des Ist-Zustandes, wie er sich nach Erlass der angefochtenen Entscheidung darstellt, festzustellen, dass bei Aufrechterhaltung der derzeitigen Trennung von seiner Pflegemutter die konkrete Gefahr erheblicher sozial-emotionaler Beeinträchtigungen E...s erwächst, während umgekehrt bei der Rückführung in den Haushalt der Antragstellerin keine konkreten Risiken für die weitere Entwicklung des Kindes zu erwarten sind.

Es stand seit jeher außer Frage, dass in der Person der Antragstellerin keine Gründe vorliegen, die Zweifel an ihrer individuellen Fähigkeit zur kindgerechten Betreuung, Versorgung und Erziehung E...s aufkommen ließen. Die von dem Verfahrensbeistand und den Beteiligten zu 3. und 4. unterbreitete und vom Amtsgericht geteilte Risikoeinschätzung knüpft insoweit allein an eine unzureichende Distanzierung von dem wegen Konsums und Verbreitung kinderpornografischen Bildmaterials schuldigen Antragsteller; dies wiederum berge das Risiko sexuell übergriffigen Verhaltens auf den heute noch nicht sechs Jahre alten Pflegesohn, dem bei einem Zusammenleben im gemeinsamen Haushalt nicht mit letzter Sicherheit wirksam begegnet werden könne.

Die tatsächlichen Verhältnisse haben sich allerdings zwischenzeitlich erheblich verändert. Nach dem im Anhörungstermin gewonnenen Eindruck des Senates haben sich die Antragsteller nach Abschluss des Verfahrens erster Instanz und unter dem Eindruck des angefochtenen Beschlusses und der daraufhin erfolgten Herausnahme des Kindes aus ihrem Haushalt tatsächlich räumlich getrennt; der Antragsteller hat in B... ein kleines Häuschen angemietet. Diese Trennung ist – das lässt sich aus den Angaben beider Antragsteller deutlich ablesen - allerdings ganz offensichtlich nicht aus der Überzeugung erfolgt, dass in Ansehung des strafbaren Fehlverhaltens des Antragstellers eine gemeinsame Lebensführung nicht mehr möglich sein würde. Die Trennung hat seinen Grund vielmehr ausschließlich in dem Verlust des Kindes. Jedenfalls mit dem Unterliegen vor dem Familiengericht und spätestens mit der tatsächlichen anderweitigen Unterbringung E...s fühlte sich die Mutter – quasi ultimativ – vor die Wahl gestellt, ob sie die eheliche Lebensgemeinschaft fortsetzen oder diese aufgeben würde, um damit die Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Kindes zu erreichen. Im Grunde musste dies der Antragstellerin nach den Gesprächen im Jugendamt schon seit dem Herbst 2018 und im Rahmen des Verfahrens erster Instanz lange bewusst sein; sie hat sich der geforderten Entscheidung jedoch – gefangen in der vagen Hoffnung auf eine doch irgendwie mögliche Alternativlösung, die die Aufrechterhaltung des Familienlebens zu dritt gestattet hätte - nicht stellen wollen. Tatsächlich konfrontiert mit einem Leben ohne E... („Ich bin die letzten Monate durch die Hölle gegangen“) und nach neuerlicher Überlegung, ob sie den Alltag als alleinerziehende Mutter würde stemmen können, hat sich die Antragstellerin dann jedoch – wenn auch schweren Herzens - eindeutig für das Kind entschieden. Diese Entscheidung trägt der Antragsteller – wie beide Eheleute D... glaubhaft vermittelt haben – aus eigener Einsicht mit; seinen Bekundungen zufolge, sollen nicht auch noch seine Frau und das Kind unter dem „Bockmist“ leiden, den er zu verantworten habe. Er wolle seine Frau glücklich sehen und sei bereit, dafür auch die bestehende Lebensgemeinschaft endgültig aufzugeben; er habe gleichwohl angeboten, für seine Frau da zu sein und sie zu unterstützen.

Beide Eheleute D... haben glaubhaft bekundet, sie seien uneingeschränkt bereit, die bekundete Trennung jederzeit – etwa auch durch unangekündigte Hausbesuche - kontrollieren zu lassen und jede für erforderlich gehaltene Auflage erfüllen zu wollen. Die Pflegemutter hat zudem ausdrücklich ihre Bereitschaft erklärt, sich jeglicher Kontaktgestaltung E... und ihrem Ehemann zu enthalten, wenn und soweit nicht der Amtsvormund (als Inhaber des Umgangsbestimmungsrechts) einen solchen im Einzelfall oder in der weiteren Zukunft abstrakt-generell geregelt und erlaubt hat.

Die Anhörung der Eheleute D... hat dem Senat einen anschaulichen Eindruck darüber gewährt, weshalb die übrigen Verfahrensbeteiligten dieser lange vermiedenen Trennung mit einem berechtigtem Maß an Skepsis begegnet sind bzw. noch begegnen. Für die hier zu treffende Entscheidung bleibt aber festzuhalten, dass das - abstrakt nie restlos auszuschließende - Risiko eines sexuellen Übergriffs des Antragstellers auf E... bei Rückführung in den Haushalt allein der Pflegemutter und unter der – als ständige Mahnung ausdrücklich aufgenommenen - Auflage eines Verbots eigenmächtiger Kontaktgestaltung jedenfalls inzwischen so weitgehend herabgesetzt ist, dass von einer konkreten Gefährdung des Kindeswohls nicht die Rede sein kann.

Umgekehrt allerdings führt die fortgesetzte Trennung E...s von seiner Pflegemutter ganz offensichtlich zu ganz erheblichen tatsächlichen Beeinträchtigungen des Kindeswohls, die hinzunehmen nicht gerechtfertigt sind. E... ist aus für ihn nicht ansatzweise verständlichen Gründen aus seiner (sozialen) „Familie“, in der er seit seinem zweiten Lebenstag und ohne jede konkrete Perspektive eines Aufenthaltswechsel (und möglicherweise auch ohne Kenntnis von dem fehlenden biologischen Band) gelebt hat, sicher und vertrauensvoll angebunden war, Zuwendung erfahren und sich rundum gut entwickelt hat, herausgerissen worden. Er wurde sinngemäß dahin informiert, „ … dass der Papa eine große Dummheit begangen und die Mama nichts dagegen getan hat, er dort nicht mehr wohnen kann und deshalb jetzt bei K. und K. (Vornamen der neuen Adoptiveltern) zu Besuch ist“ (so die Darstellung in der Stellungnahme der Adoptionsvermittlungsstelle vom 27. November 2019, dort Seite 2 Mitte). Für E... ist Anfang Oktober 2019 seine Welt zusammengebrochen; es gab für ihn keinerlei Hoffnung auf Rückkehr in gewohnte Lebensverhältnisse; er wurde einfach in eine neue Familie weitergereicht. Diese Art der Trennung war traumatisch für das Kind; dies wurde weiter dadurch potenziert, dass die auf Dauer angelegte Aufnahme in den Haushalt der neuen Pflegeeltern auch gescheitert ist und E... nach wenigen Wochen in die noch jetzt bewohnte Einrichtung wechseln musste. Erschwerend kam hinzu, dass der Kontakt zu seinen primären Bindungspersonen (den Antragstellern) mit der Herausnahme über Monate komplett abgebrochen war, selbst die Pflegemutter über Monate keinen persönlichen Kontakt zu E... herstellen konnte und der inzwischen dann doch eingeleitete Umgang in der jüngsten Vergangenheit durch die Kontaktsperren wegen der Covid19-Pandemie gestört wurde. E... ist mit diesen dramatischen und traumatischen Veränderungen seines noch jungen Lebens emotional sichtlich überfordert; es geht ihm offenkundig nicht gut. Bei E... sind in der Einrichtung auffällige Verhaltensweisen zu beobachten, die auf ein entsprechendes Belastungstrauma hindeuten: er verschließt sich weiterhin jedem Versuch eines Gesprächs über die Mama (wechselt sofort das Thema); E... ist auffällig angepasst, verliert sich in Schaukelbewegungen und ist wiederholt nachts weinend angetroffen worden; er konnte zwar für den Moment getröstet werden, war aber nicht bereit, seine Ängste oder sonst den Grund für sein Weinen mitzuteilen. Dass E... dringend einer Unterstützung zur Verarbeitung seiner belastenden Erlebnisse in der jüngeren Vergangenheit (die gerade nicht in einem Zusammenhang mit einem etwaigen Missbrauchsgeschehen in der Familie stehen, sondern zeitlich und kausal an die Veränderungen in seiner Lebensgestaltung schlechthin anknüpfen), wird von keinem der Beteiligten in Zweifel gezogen.

Es muss danach konstatiert werden, dass sich in der Gesamtbetrachtung der bestehenden Gefährdungsabwägung die Situation des Kindes durch die Herausnahme aus dem Haushalt der Pflegeeltern keineswegs verbessert, sondern spürbar verschlechtert hat. Das Leiden des Kindes wird nicht durch Erlebnisse in der Familie D..., sondern durch die jeglicher Perspektive beraubte Trennung von „seinen Eltern“ verursacht (auch wenn diese durch das lange Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft für die erfolgte Herausnahme einen eigenen wesentlichen Ursachenbeitrag gesetzt haben).

Die aus einer Rückführung in den Haushalt der Pflegemutter und dem damit notwendig verbundenen neuerlichen Bruch seiner Lebenswirklichkeit wird prognostisch nicht mit weiteren nennenswerten Risiken für das Wohl des Kindes verbunden sein. E... sehnt sich nach „seiner Mama“ und wird – trotz der Trennung der Eltern – hoffentlich schnell an bekannte Bindungsmuster anknüpfen können; er kehrt räumlich-sozial in seine „Heimat“ zurück. In der Einrichtung hat er noch keine tragfähigen Beziehungen geknüpft, die zu verlieren ihm schwerfallen könnte. Erstes zartes Vertrauen hatte er in die Betreuerin seiner (Kinder-)Tagesgruppe gesetzt; diese Beziehung war den Kontaktbeschränkungen in der Covid19-Pandemie geschuldet und ist schon seit Ende März nicht mehr mit Leben erfüllt. E... wird in der Einrichtung nichts und niemanden „verlieren“, sondern mit der Verbleibens-/Rückkehranordnung in erster Linie und für ihn von herausgehobener Bedeutung „seine Mama“ zurückgewinnen.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FamFG. Die zurückgenommeine Beschwerde des Pflegevaters hat keine besonderen (Gerichts-)Kosten verursacht, zu denen dieser – jenseits der Verpflichtung zur Übernahme der ihm selbst entstandenen Auslagen – heranzuziehen wäre.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.