Gericht | FG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 28.11.2013 | |
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Aktenzeichen | 1 K 1045/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Bescheid vom 6. Juni 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2009 sowie der Bescheid vom 7. Juni 2006 in der Fassung des Bescheides vom 30. Juli 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2009 werden aufgehoben.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Beteiligten streiten, ob der aus der Verbrennung von Klärschlamm gewonnene Strom steuerbefreit ist.
Die Klägerin nutzt den in dem von ihr betriebenen Klärwerk C… bei der Abwasserbehandlung anfallenden Klärschlamm zur Stromerzeugung, indem sie den zuvor getrockneten Schlamm unter Zufuhr von Heizöl („Zünd- und Stützfeuer“) verbrennt, mit der so gewonnenen Wärme Dampf erzeugt und damit wiederum eine Turbine antreibt. Der auf diese Weise erzeugte Strom wird ausschließlich zum Betrieb der Kläranlage verwendet. Das in C… entsorgte Abwasser besteht aus Kommunalabwasser aus Haushalten sowie kleineren Gewerbebetrieben, Industrieabwasser, soweit es den Allgemeinen Bedingungen für die Entwässerung in C… -ABE- entspricht und in die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage eingeleitet werden darf, sowie Regenwasser. Der Klärschlamm entsteht im Klärwerk C… zum einen in den Vorklärbecken, in denen sich im Abwasser ungelöste oder grobe Stoffe, die nicht bereits zuvor abgefiltert worden waren, bei der Durchleitung mit geringer Fließgeschwindigkeit absetzen („Primärschlamm“). Zum anderen entsteht Schlamm bei der sich daran anschließenden biologischen Reinigung des vorgeklärten Abwassers, wenn die im Wasser gelösten organischen Verbindungen durch Mikroorganismen abgebaut werden, dabei jedoch zugleich neues Zellmaterial entsteht. Um die Zellproduktion nicht unkontrolliert zunehmen zu lassen, wird ein Teil dieses als „Sekundärschlamm“ bezeichneten Abbauprodukts entnommen. Der Sekundärschlamm wird wiederum der Vorklärung zugeführt und dort mit dem Primärschlamm abgezogen. Der Mischschlamm wird mit einem Flockungsmittel angereichert und nachfolgend entwässert. Es entsteht der sodann verfeuerte „Schlammkuchen“.
Die Klägerin meldete am 30. Mai 2006 für das Jahr 2005 8.926 MWh auf die vorgenannte Weise im Wasserwerk selbst erzeugte Menge Strom an, für die eine Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Stromsteuergesetz -StrStG- zu gewähren sei. Gleichzeitig sei die für 2006 geschuldete Stromsteuervorauszahlung zu reduzieren. Der Beklagte lehnte mit Verfügung vom 6. Juni 2006 die Anerkennung einer Steuerbefreiung ab, denn der Klärschlamm sei im Hinblick auf § 3 Nr. 6 Biomasseverordnung -BioMV- keine Biomasse. Die Vorauszahlung für 2006 könne demzufolge nicht reduziert werden. Mit weiterer Verfügung vom 7. Juni 2006 setzte der Beklagte die Stromsteuer 2005 ausgehend von der angemeldeten Strommenge auf nunmehr 182.983 € fest, so dass sich abzüglich der bereits geleisteten Vorauszahlung eine Zahllast von 59.983 € ergab.
Die Klägerin legte am 28. Juni 2006 gegen beide Verfügungen Einspruch ein. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens reduzierte der Beklagte die für 2005 festgesetzte Stromsteuer um 28.144,45 €, denn für Teilmengen komme die Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG zur Anwendung.
Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidungen vom 20. und 22 Januar 2009 zurück. Zur Begründung führte er jeweils aus, der von der Klägerin verbrannte Klärschlamm sei keine Biomasse. Zwar gebe es weder im Stromsteuergesetz noch in der Stromsteuer-Durchführungsverordnung eine Definition des Begriffs Biomasse, doch finde sich ein solcher in der Biomasseverordnung. Diese sei zur Konkretisierung des Begriffs im Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energie -EEG- ergangen und könne auch vorliegend zur Begriffsdefinition herangezogen werden. Danach sei Klärschlamm keine Biomasse.
Die Klägerin hat am 24. Februar 2009 Klage erhoben. Sie macht geltend, bei dem von ihr eingesetzten Klärschlamm handele es sich um Biomasse im Sinne von § 2 Nr. 7 StromStG. Insofern lägen die Voraussetzungen von § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG vor. Eine spezifisch stromsteuerliche Definition des Biomassebegriffs gebe es nicht, so dass der Begriff nach dem allgemeinen Sprachverständnis auszulegen sei. Demnach handele es sich um eine Masse an organischem Material und organischen Stoffwechselprodukten. Dazu gehöre auch der Klärschlamm. Diese Auslegung entspreche auch Art. 16 Abs. 1 UAbs. 3 Richtlinie (EG) 2003/96 des Rates zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom -EnergiesteuerRL-, wonach zur Biomasse auch biologisch abbaubare Anteile von Abfällen aus Industrie und Haushaltungen rechneten. Demzufolge sei im Weißbuch der Kommission auch der Klärschlamm als Biomasse behandelt worden. Zudem erfasse auch das Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien im Wärmebereich ausdrücklich den Klärschlamm (§ 2 Abs. 1 Nr. 4e) EEWärmeG). Sinn und Zweck der stromsteuerlichen Vorschriften stehe der Berücksichtigung des Klärschlamms nicht entgegen. Auch bei historischer Auslegung ergebe sich nichts anderes. Bei Inkrafttreten des Stromsteuergesetzes 1999 sei noch das Stromeinspeisungsgesetz gültig gewesen, auf dessen Regelung in der Gesetzesbegründung zu § 2 Nr. 7 StromStG ausdrücklich verwiesen worden sei. Nach § 1 Stromeinspeisungsgesetz in der damals geltenden Fassung habe aber Klärschlamm als Biomasse gegolten. Ein Rückgriff auf die später in Kraft getretene Biomasseverordnung komme nicht in Betracht. Zum einen bestimme § 1 BioMV, dass sie ausschließlich für den Regelungsbereich des EEG gelte. Anders als etwa im früheren Mineralölsteuerrecht oder im Energiesteuergesetz gebe es im Stromsteuergesetz keine Verweisung auf die Biomasseverordnung. Zudem handele es sich bei Klärschlamm nach der Systematik der Biomasseverordnung um Biomasse, die nur aufgrund der Fiktion in § 3 Nr. 6 BioMV nicht als solche behandelt werde. Auf die konkrete Zusammensetzung des Klärschlamms komme es im Hinblick auf diese gesetzlichen Regelungen nicht an. Zudem beruhe der Heizwert des Klärschlamms letztlich ausschließlich auf dessen organischen Inhaltsstoffen. Die anorganischen Bestandteile blieben nach Verbrennung im Wesentlichen unverändert zurück. Allerdings sei es im Hinblick auf die Schwankungsbreiten nicht möglich, alle eingeleiteten Stoffe vollständig zu ermitteln. Der Klärschlamm enthalte letztlich Kleinstmengen, die nicht Biomasse seien. Diese ließen sich jedoch nicht mit den üblichen Analysemethoden feststellen. Die üblichen Verunreinigungen bzw. Restbestandteile von Fremdstoffen seien stromsteuerlich unschädlich. Insofern müsse davon ausgegangen werden, dass ein gewisser Toleranzbereich eröffnet sei, wie dies auch in anderem Zusammenhang in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt werde. Die ABE sorgten für eine annähernd konstante Qualität der Abwässer und damit des Klärschlamms. Soweit der Verordnungsgeber nunmehr am 24. Juli 2013 in der Stromsteuer-Durchführungsverordnung einen Verweis auf die Biomasseverordnung aufgenommen habe, handele es sich nicht um eine schlichte Klarstellung. Vielmehr werde dadurch erstmals geregelt, dass Klärschlamm nicht mehr als Biomasse behandelt werden dürfe. Die Anwendung des neuen § 1b StromStV führe vorliegend zu einer echten Rückwirkung. Überhaupt überzeuge die Neuregelung nicht, denn die Intention des Stromsteuergesetzes weiche von derjenigen der Biomasseverordnung ab, wie sich schon daran zeige, dass die Stromerzeugung aus Deponie- oder Klärgas steuerbefreit möglich sei, obwohl es sich gerade nicht um Biomasse im Sinne der Verordnung handele.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 6. Juni 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2009 aufzuheben sowie den Bescheid vom 7. Juni 2006 in der Fassung des Bescheides vom 30. Juli 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Klärschlamm sei keine Biomasse. Nach einem Erlass des Bundesministers der Finanzen seien Biomasse nur solche Substanzen, die nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 - 8 1. BImSchV in Verbrennungsanlagen verbrannt werden dürften. Der zu verbrennende Schlammkuchen erfülle die Anforderungen nicht. Mangels eigener stromsteuerlicher Definition müsse für die Auslegung des Begriffs Biomasse auf Art. 16 Abs. 1 EnergiesteuerRL zurückgegriffen werden. Danach sei Biomasse u.a. der biologisch abbaubare Anteil an Abfällen. Da der Schlammkuchen jedoch auch nicht biologisch abbaubare Produkte enthalte, unterfalle er dieser Regelung nicht, zumal er zudem mangels anderer Möglichkeiten auch aus abfallrechtlichen Gründen verbrannt werden müsse. Allenfalls der Anteil des Klärschlamms, der biologisch abbaubar sei, könne Biomasse sein. Tatsächlich enthalte der Klärschlamm nach Darstellung des Umweltbundesamtes auch Bestandteile nicht biogenen Ursprungs, die gleichfalls brennbar seien. Soweit auf der Kläranlage C… auch Industrieabwässer behandelt würden, sei unklar, welche Qualität die Abwässer hätten. Dies habe jedoch unter Umständen Auswirkungen auf den Brennwert. Insofern trage die Klägerin die Beweislast. Hinzu komme, dass der Strom mit Rücksicht auf die Zusammensetzung des Klärschlamms entgegen dem Wortlaut des Gesetzes nicht ausschließlich aus Biomasse erzeugt worden sein könne. § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG setze voraus, dass der steuerbefreite Strom ausschließlich aus Biomasse erzeugt worden sei, also das eingesetzte Material ausschließlich Biomasse sei. Daran fehle es. Der Klärschlamm enthalte auch nicht biogene brennbare Bestandteile, wie die Klägerin selbst einräume. Zudem gebe es im Anwendungsbereich von § 9 StromStG keine Toleranzregelung. Die von der Klägerin gezogene Parallele etwa zu den Biokraftstoffvorschriften verkenne, dass die dortigen Regelungen vor dem Hintergrund getroffen worden seien, dass der Kraftstoff in jedem Fall biogenen Ursprung sei, jedoch Verunreinigungen durch tierische Fette teilweise unvermeidlich seien und die Privilegierung nicht ausschließen sollten. Dass die Auslegung des Begriffs Biomasse unter Anwendung der Biomasseverordnung zutreffend sei, zeige schließlich die zum 1. August 2013 in Kraft getretenen Neuregelung in § 1b StromStV, die nunmehr ausdrücklich auf die Biomasseverordnung verweise.
Dem Senat haben sechs Hefte Akten des Beklagten vorgelegen.
Die Klage hat Erfolg.
Die angefochtenen Bescheide vom 6. und 7. Juni 2006 und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 20. und 22. Juni 2009 sind aufzuheben, denn sie sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-. Der von der Klägerin auf dem Gelände der Kläranlage C… durch die Verbrennung von Klärschlamm erzeugte und verbrauchte Strom ist von der Steuer befreit.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG ist Strom von der Steuer befreit, wenn er aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt und aus einem ausschließlich aus solchen Energieträgern gespeisten Netz oder einer entsprechenden Leitung entnommen wird. Aus erneuerbaren Energieträgern ist nach § 2 Nr. 7 StromStG solcher Strom, der ausschließlich aus Biomasse erzeugt wird. Der vorliegend zur Stromerzeugung eingesetzte Klärschlamm ist in diesem Sinne Biomasse.
1. Der Begriff der Biomasse ist weder im Stromsteuergesetz noch in der Stromsteuer-Durchführungsverordnung näher definiert. Soweit für den Regelungsbereich des EEG mit der Biomasseverordnung eine Vorschrift existiert, die den Begriff der Biomasse im Zusammenhang mit der Erzeugung von Strom näher konkretisiert und in § 3 Nr. 6 BioMV Klärschlamm ausdrücklich ausschließt, kann im Streitjahr für die Zwecke des Stromsteuerrechts auf diese Vorschrift nicht zurückgegriffen werden. Dass der Verordnungsgeber nunmehr in § 1b Abs. 2 StromStV eine Verweisung auf die Biomasseverordnung aufgenommen hat, ist unerheblich, denn die am 1. August 2013 in Kraft getretene Vorschrift ist auf den hier zur Entscheidung gestellten Fall, der sich nach dem Rechtsstand des Jahres 2005 beurteilt, (noch) nicht anwendbar. Entgegen der noch im Vorverfahren vertretenen Auffassung des Beklagten fand die Biomasseverordnung seinerzeit auch sonst keine (entsprechende) Anwendung.
1.1 Die Biomasseverordnung verfolgt ausweislich ihres § 1 ausschließlich das Ziel, für den Anwendungsbereich des EEG die danach begünstigten Stoffe festzulegen. Einen darüber hinausgehenden Anwendungsbereich hat ihr der Verordnungsgeber nicht beigelegt. Zudem ging der Verordnungsgeber grundsätzlich davon aus, dass die in § 3 BioMV genannten, von der Berücksichtigung als Biomasse im Sinne des EEG ausgeschlossenen, Stoffe als Biomasse in Betracht kamen. Das folgt zum einen aus dem Wortlaut von § 3 BioMV, der nur fingiert, dass es sich bei einem Stoff nicht um Biomasse handelt. Zum anderen ergibt es sich aus der amtlichen Begründung zur Biomasseverordnung (BR-Drs. 209/01 vom 16. März 2001, S. 25). Danach sollte die Verbrennung von Klärschlamm im Rahmen des EEG allein deshalb nicht begünstigt werden, weil damit – so der Verordnungsgeber – bei Betrachtung des Gesamtprozesses kein wesentlicher Energiegewinn verbunden sei, weshalb eine Förderung über das EEG nicht als sinnvoll erachtet wurde. Die Eigenschaft als Biomasse im engeren Sinne stand für den Verordnungsgeber hingegen nicht in Frage.
1.2 Im Übrigen ergibt sich die Unanwendbarkeit der Biomasseverordnung mittelbar auch daraus, dass auf sie im Bereich des Stromsteuerrechts – anders als etwa in § 1a Nr. 13a Satz 1 (früher § 50 Abs. 3) Energiesteuergesetz – nicht verwiesen wurde. Das lässt erkennen, dass der Gesetzgeber seinerzeit im Bereich des Stromsteuerrechts von einem anderen Begriffsverständnis als nach der Biomasseverordnung ausgegangen war. Soweit in der Kommentarliteratur anderes vertreten wird (etwa Wundrack in: Bongartz, EnergieStG, StromStG, - Kommentar - § 2 StromStG Rn. 50 ff., aber auch Rn. 54; Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 2. A., Rn. J 46; Meißner in: Friedrich/Meißner, Energiesteuern, § 2 StromStG Rn. 158a, 158b; Milewski in: Möhlenkamp/Milewski, EnergieStG, StromStG, § 2 StromStG Rn. 77), wird dies nicht näher begründet.
2. Scheidet die Anwendung der Biomasseverordnung demnach aus, kann der Begriff der Biomasse unter Rückgriff auf die in Art. 16 Abs. 1 UAbs. 3 EnergiesteuerRL enthaltene europarechtliche Definition ausgelegt werden. Danach ist unter Biomasse der biologisch abbaubare Anteil von Erzeugnissen, Abfällen und Rückständen der Land- und Forstwirtschaft und damit verbundener Industriezweige sowie der biologisch abbaubare Anteil von Abfällen aus Industrie und Haushalten zu verstehen. Diese Begriffsdefinition entspricht Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/77/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt. Unter biologischer Abbaubarkeit kann der Prozess der Zersetzung organischer Stoffe durch Lebewesen bzw. ihre Enzyme bis hin zu ihrer Mineralisierung verstanden werden, mithin die Zerlegung der organischen Verbindungen bis hin zu ihren anorganischen Inhaltsstoffen (Wikipedia, Eintrag zum Stichwort „Biologische Abbaubarkeit“, http://de.wikipedia.org). Legt man dies zu Grunde, ergibt sich auf der Basis der vom Beklagten nicht angezweifelten Angaben der Klägerin zur Zusammensetzung des Klärschlamms (Blatt 114 der Gerichtsakte), dass es sich dabei um ein Stoffgemisch handelt, das hinsichtlich der Trockensubstanz zu großen Teilen (ca. 70%) aus organischen Bestandteilen besteht, die als Biomasse anzusehen sind. Die weiteren Bestandteile – etwa Sande und (Schwer-) Metalle – sind anorganischen Charakters. Die Angaben der Klägerin werden durch allgemein zugängliche Quellen bestätigt. So geht auch das Umweltbundesamt von einem organischen Anteil von 45 bis 90 % in der Trockensubstanz von Klärschlämmen aus (Wiechmann u.a., Klärschlammentsorgung in der Bundesrepublik Deutschland, 2012, S. 13, abrufbar unter http://www.umweltbundes- amt.de/publikationen/klaerschlammentsorgung-in-bundesrepublik).
2.1 Dass Klärschlamm neben organischen Bestandteilen auch anorganische Inhaltsstoffe aufweist, hindert seine Einordnung als Biomasse nicht, denn es ist aus stromsteuerlicher Sicht unerheblich. Nach § 2 Nr. 7 StromStG ist allein maßgeblich, dass der Strom ausschließlich aus Biomasse hergestellt worden ist. Demzufolge kommt es allein darauf an, auf welchem Brennstoff die Stromerzeugung technisch beruht. Im Hinblick darauf, dass die anorganischen Bestandteile des Schlamms nicht brennbar sind, wie die zugänglichen Werte zu den Glühverlusten des Klärschlamms belegen (Wiechmann u.a., Klärschlammentsorgung, 2012, S. 10), tragen sie zur Stromerzeugung nicht bei und können deshalb außer Betracht bleiben. Die gegenteilige Ansicht des Beklagten knüpft an den verfeuerten Mengen des Schlammkuchens an, übersieht dabei aber, dass die steuerliche Begünstigung nicht an der verwendeten Menge des Einsatzstoffs anknüpft, sondern allein an den für den Brennwert des Materials ursächlichen Inhaltsstoffen.
2.2 Die organischen Inhaltsstoffe des Klärschlamms sind im Sinne von Art. 16 Abs. 1 UAbs. 3 EnergiesteuerRL biologisch abbaubar und deshalb als Biomasse einzuordnen. Der organische Teil des Klärschlamms besteht zum weit überwiegenden Teil aus Bakterienmasse (Wiechmann u.a., Klärschlammentsorgung, 2012, S. 13), die ohne Weiteres als Biomasse einzuordnen ist, denn sie kann durch mikrobielle Prozesse etwa zu humöser Erde werden. Das zeigt sich letztlich auch an der unter weiteren Voraussetzungen in der Klärschlammverordnung zugelassen Verwendung des Klärschlamms zur Bodenverbesserung. Dementsprechend geht auch die Europäische Kommission davon aus, dass es sich bei Klärschlamm um Biomasse im Sinne der europarechtlichen Regelungen handelt (Kommission, Energie für die Zukunft: Erneuerbare Energieträger – Weißbuch für eine Gemeinschaftsstrategie und Aktionsplan, 1997, S. 45), worauf die Klägerin schon vorgerichtlich dezidiert hingewiesen hat.
2.3 Soweit die organischen Inhaltsstoffe des Klärschlamms in geringsten Konzentrationen persistente – also nicht abbaubare – organische Bestandteile enthalten, hindert das nicht, Klärschlamm als Biomasse im Sinne von § 2 Nr. 7 StromStG anzusehen. Es handelt sich dabei um unvermeidbare Verunreinigungen, wie sie etwa auch in anderen typischerweise als Biomasse angesehenen Stoffen beispielsweise infolge von Pestizideinsatz vorkommen können. Der Gehalt solcher nicht biologisch abbaubarer organischer Bestandteile im Klärschlamm bewegt sich auf einem Niveau weit unterhalb des Promillebereichs und kann in stromsteuerlicher Hinsicht vernachlässigt werden. Nach einer umfangreichen, öffentlich zugänglichen Studie des österreichischen Umweltbundesamtes enthält Klärschlamm bis zu 300 organische Schadstoffe, die im Einzelnen quantitativ schwer zu erfassen sind. Von diesen Schadstoffen sind wiederum einzelne biologisch schwer abbaubar (UBA AT, Klärschlamm – Materialien zur Abfallwirtschaft, 2009, S. 19f., abrufbar über www.uba.at). Bei diesen Stoffen handelt es sich vor allem um Organochlorverbindungen (dazu Verordnung (EG) Nr. 850/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über persistente organische Schadstoffe und zur Änderung der Richtlinie 79/117/EWG, ABl. L 158, 7) einschließlich der Chlorphenole, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, aber auch perfluorierte Tenside und polybromierte Diphenylether, die als Holzschutzmittel, Flammschutzmittel oder in der Textilienproduktion Anwendung finden (UBA AT, Klärschlamm, 2009, S. 20). Legt man die in der Publikation des deutschen Umweltbundesamtes angegebenen Durchschnittsmengen in 1 kg Trockensubstanz zugrunde, so beträgt der Anteil derartiger Bestandteile ca. 12-15 mg/kg Trockensubstanz (Wiechmann u.a., Klärschlammentsorgung, 2012, S. 13/14), mithin etwa 0,000015 % in der Trockensubstanz. Bezieht man diese Verunreinigung allein auf den energetisch relevanten organischen Stoffanteil der Trockensubstanz des Klärschlamms (hier 70%), ergibt sich ein etwas erhöhter Anteil von 0,0000214%, der gleichwohl verschwindend gering ist und letztlich als zu vernachlässigende Verunreinigung am Charakter des organischen Materials als Biomasse nichts zu ändern vermag.
Soweit der Beklagte hingegen die Auffassung vertreten hat, jede Verunreinigung des verwendeten Einsatzstoffes sei im Hinblick auf dessen Eignung als Biomasse intolerabel, überzeugt das nicht. Abgesehen davon, dass auch „typische“ Energiepflanzen, deren Biomasseeigenschaft nicht in Frage steht, regelmäßig Spuren von Verunreinigungen aufweisen werden, zeigt auch die Erlasslage, dass Verunreinigungen als unproblematisch angesehen werden. So hat der Bundesminister der Finanzen mit Schreiben vom 22. Dezember 1999 (III A 1 – V 4250 – 14/99, Bl. 66 der Gerichtsakte) Stoffe als Biomasse eingeordnet, bei denen ganz offenkundig schwer abbaubare organische Schadstoffe in durchaus messbarer Größenordnung vorkommen können. Nach dem Schreiben soll nämlich auch Altholz als Biomasse anzusehen sein, wobei es sich explizit um Altmöbel, Bauholz und Paletten handeln sollte. Altholz war auch in den Altfassungen der – an sich unanwendbaren – Biomasseverordnung als Biomasse zugelassen (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BioMV a. F.; seit 2011 weggefallen). Dass die genannten Hölzer häufig durch Lacke oder Holzschutzmittel erhebliche Verunreinigungen aufwiesen, sollte ihrer Biomassequalität nicht entgegenstehen. Dahinter kann nur der Gedanke stehen, dass es für die Biomasseeigenschaft etwa eines Holzabfalls maßgeblich auf den Schwerpunkt der Inhaltsstoffe ankommt. In dieser Hinsicht erscheint die teilweise geäußerte Ansicht, hinter dem Ausschluss des Klärschlamms stehe die Überlegung, dass darin unvermeidlich Fremdstoffe enthalten seien (so Wundrack in: Bongartz, EnergieStG, StromStG, - Kommentar - § 2 StromStG Rn. 52), nicht recht überzeugend.
2.4 Der Einwand des Beklagten, wegen der Entsorgung von Industrieabwässern im Klärwerk C… müsse mit einer anderen Zusammensetzung des Klärschlamms gerechnet werden, trifft so nicht zu. Die Klägerin hat wiederholt auf die ABE hingewiesen, deren Vorgaben von allen Einleitern zu berücksichtigen sind und die letztlich innerhalb einer durch die Anlagentechnik vorgegebenen Bandbreite zu einer relativ homogenen Struktur der zu entsorgenden Abwässer und damit des entstehenden Klärschlamms führt, dessen Zusammensetzung eher durch den regenfallabhängigen Anteil des Straßenabwassers beeinflusst wird.
3. Vorliegend kommt es auch nicht darauf an, ob der Strom im Klärwerk ausschließlich aus Biomasse erzeugt worden ist. Der Einsatz des heizölgespeisten Stützfeuers steht der Berücksichtigung des erzeugten Stroms im Rahmen von § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG nicht entgegen. Dass deshalb das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der Ausschließlichkeit in § 2 Nr. 7 StromStG nicht eingehalten werden kann, ist unschädlich. Zwar hat der Verordnungsgeber die insoweit in § 11 Nr. 10 Satz 1 StromStG in der damals geltenden Fassung -a. F.- (nunmehr Nr. 9) eröffnete Ermächtigung, im Verordnungswege auf das Erfordernis der Ausschließlichkeit zu verzichten, wenn die Zuführung anderer Energieträger zwingend erforderlich ist, erst mit Einführung des § 1b StromStV im Jahr 2011 genutzt. Allerdings entspricht die neu eingeführte Verordnungsregelung der schon zuvor bestehenden Erlasslage, war doch bereits mit dem erwähnten Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 22. Dezember 1999 und ausdrücklich mit dem Schreiben vom 13. August 2001 (III A 1- V 4250 – 7/01; abgedruckt in Friedrich/Meißner, Energiesteuern, Band 2, B.2.17) auf das Erfordernis der Ausschließlichkeit bei der Stromerzeugung aus Biomasse verzichtet worden. Insofern darf der Klägerin die begehrte Vergünstigung aus Gründen der Gleichbehandlung nicht wegen des vorliegend aus technischen Gründen erforderlichen Zünd- und Stützfeuers versagt werden. Das ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.
Die Steuerfreiheit erstreckt sich auch auf den Teil des in der Anlage erzeugten Stroms, der letztlich auf die Zufeuerung zurückzuführen ist. Nach dem Wortlaut der Verordnungsermächtigung ist im Falle des Verzichts auf das Ausschließlichkeitskriterium grundsätzlich keine Aufteilung des in der Anlage erzeugten Stroms erforderlich. Vielmehr ergibt sich aus § 11 Nr. 10 Satz 1 StromStG a. F., dass der Verzicht auf die Ausschließlichkeit dazu führt, dass der gesamte in der Anlage erzeugte Strom begünstigt ist. Dafür spricht auch, dass die in § 11 Nr. 10 Satz 2 StromStG a. F. enthaltene Ermächtigung nach Art einer Rückausnahme formuliert ist, die dem Verordnungsgeber die Befugnis einräumt, die steuerfreie Entnahme des unter Zufeuerung erzeugten Stroms für die aus den zugeführten anderen Energieträgern resultierende Strommenge auszuschließen und entsprechende Vorgaben zu Ermittlung und Nachweis dieser Mengen zu machen. Weder der Verordnungsgeber 2011 noch die bisherige Erlasslage sahen jedoch eine solche Rückausnahme für Teilmengen des unter Nutzung eines Zünd- und Stützfeuers erzeugten Stroms aus Biomasse vor, so dass eine Aufteilung nicht geboten war. Das insoweit maßgebliche Schreiben des Bundesministers vom 13. August 2001 (III A 1- V 4250 – 7/01; abgedruckt in Friedrich/Meißner, Energiesteuern, Band 2, B.2.17) erschöpfte sich in dem Verzicht auf das Ausschließlichkeitskriterium und sah keine Mengenaufteilung und Nachweisführung vor. Demnach ist auch nach der damaligen Rechtslage mit dem Verzicht auf die Ausschließlichkeit der gesamte in der Anlage in C… produzierte Strom begünstigt, obwohl ein gewisser Prozentsatz letztlich aus Mineralöl gewonnen wurde.
4. Die weiteren Voraussetzungen der Steuerbefreiung aus § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG liegen ebenfalls vor. Die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG knüpft daran an, dass der Strom aus einem ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energieträgern gespeisten Netz oder einer entsprechenden Leitung entnommen wird. Mit Blick auf die dadurch bewirkte Netzbindung und die nach Sinn und Zweck der Norm beabsichtigte Begünstigung des Stroms aus erneuerbaren Energieträgern, ohne zugleich eingeführten Strom fördern zu müssen, genügt es zur Erfüllung dieses Kriteriums, wenn der in der Verbrennungsanlage auf dem Klärwerk C… erzeugte Strom vollständig im Eigennetz des Klärwerks verbraucht wird. Nicht schädlich ist es, dass die Klägerin aufgrund eines höheren Energiebedarfs der Gesamtanlage Teilmengen aus dem öffentlichen Stromnetz entnommen und mit dem aus Biomasse erzeugten Eigenstrom im eigenen Netz vermischt hat (Wundrack in: Bongartz, EnergieStG, StromStG, - Kommentar - § 9 StromStG Rn. 8; Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 2. A., Rn. J 49; Möhlenkamp in: Möhlenkamp/Milewski, EnergieStG, StromStG, § 9 StromStG Rn. 4, 5). Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.