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Entscheidung L 15 SO 54/12


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 15. Senat Entscheidungsdatum 20.02.2014
Aktenzeichen L 15 SO 54/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. November 2011 und der Bescheid des Beklagten vom 25. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2008 werden geändert. Der Beklagte wird verpflichtet, an die Beigeladene für dem Kläger in der Zeit vom 15. September 2008 bis zum 31. März 2012 erbrachte Leistungen der Eingliederungshilfe in Gestalt einer persönlichen Assistenz weitere 1.487,90 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für den gesamten Rechtsstreit und der Beigeladenen für das Berufungsverfahren zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist im Berufungsverfahren noch die Gewährung einer Arbeitsassistenz im Umfang von 2 statt 1,5 Stunden an Arbeitstagen des Klägers in den E Werkstätten gGmbH in H (E) im Zeitraum 15. September 2008 bis 31. März 2012.

Der Kläger ist 1986 geboren worden. Er leidet am Asperger-Syndrom. Die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg stellte 2006 auf Ersuchen des Grundsicherungsamtes des Beklagten fest, dass er (seit Geburt) unabhängig von der Arbeitsmarktlage auf Dauer voll erwerbsgemindert sei.

Nach einer Arbeitserprobung im Berufsbildungswerk G im März 2006 durchlief der Kläger von September bis Dezember 2006 das Eingangsverfahren für Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) beim Träger seiner jetzigen Beschäftigungsstätte. In einem „Eingliederungsplan“ vom 27. November 2006 gelangte der Träger zu dem Ergebnis, dass der Kläger aufgrund seiner Behinderung nicht in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu werden. Ein weiterer Verbleib in der WfbM werde empfohlen. Wegen der psychischen Behinderung bestehe ein hoher Mehrbedarf im Rahmen der Maßnahme. Der Kläger wurde darauf hin in den Berufsbildungsbereich der WfbM übernommen (Druckerei). Seit 1. Juli 2008 ist er im Arbeitsbereich derselben WfbM tätig; hierbei gewährt ihm der Beklagte laufend Kosten für den Lebensunterhalt in Einrichtungen sowie als Leistung der Eingliederungshilfe den Aufenthalt in der WfbM durch Übernahme der vom Träger der WfbM entsprechend der zwischen ihr und dem Beklagten geschlossenen Vereinbarung angesetzten Kosten (im hier streitigen Zeitraum: Vereinbarung vom November/Dezember 2006 in der Fassung der vom 1. März bis 31. Dezember 2009 geltenden Vereinbarung vom April/Mai 2009 sowie Vereinbarung vom Januar/Februar 2010, gültig ab 1. Januar 2010, jeweils unter Einschluss der Rahmenleistungsvereinbarung zum Leistungstyp 9 - WfbM Arbeitsbereich -).

Während des Eingangsverfahrens und der Tätigkeit im Berufsbildungsbereich erhielt der Kläger in Kostenträgerschaft der Bundesagentur für Arbeit und auf entsprechende Empfehlungen in den Entwicklungsberichten des Trägers eine persönliche Assistenz im Umfang von zuletzt zwei Stunden arbeitstäglich.

Im März 2008 beantragte der Kläger beim Beklagten Eingliederungshilfe ab Aufnahme der Beschäftigung im Arbeitsbereich in Gestalt einer arbeitstäglichen Assistenz für die individuelle Förderung im Umfang von (weiterhin) zwei Stunden. Hierzu reichte die Beigeladene - die bislang die Assistenzleistungen erbracht hatte - im April 2008 einen eigenen Antrag sowie eine Stellungnahme der Leiterin ihres Familienentlastenden Dienstes (FeD) ein.

Im Rahmen der Erstellung eines Eingliederungsplans fertigte das Gesundheitsamt des Beklagten im Juni 2008 eine Sozialanamnese sowie eine fachärztliche Stellungnahme durch den Leiter des Amtsärztlichen und sozialmedizinischen Dienstes, des Facharztes für Innere Medizin Dipl.-Med. L. Er gelangte unter anderem zu dem Ergebnis, dass sich der Kläger gut in den Arbeitsbereich eingliedern werde, aber wegen der Art der Behinderung/Erkrankung weiterhin zeitintensive Hilfen am Arbeitsplatz erforderlich sein würden.

In einem vom Beklagten am 27. Juni 2008 unterzeichneten Formular-Protokoll über die Fachausschusssitzung beim Träger der WfbM am 9. Juni 2008 wird unter „Bemerkungen“ aufgeführt, dass beim Kläger eine psychische Behinderung vorliege und begleitende Arbeitsassistenz erforderlich sei.

Der Beklagte gelangte in der Folge intern zunächst zu der Auffassung, dass der Kläger nach den vorliegenden Unterlagen allenfalls geringfügige Kontrollen und teilweise Motivation zur Weiterarbeit benötige. Dies müsse die WfbM im Rahmen ihres Auftrags leisten, die entsprechende Assistenz sei in deren Kostensatz enthalten.

Nachdem die Beigeladene mit Datum des 5. September 2008 eine Dokumentation zur Förderarbeit vorgelegt hatte, bewilligte der Beklagte dem Kläger durch einen Bescheid vom 15. September 2008 eine begleitende Arbeitsassistenz - erbracht durch die Beigeladene - im Umfang von zwei Stunden je Anwesenheitstag vom 1. Juli bis zum 12. September 2008 (Freitag), einer Stunde vom 15. September bis zum 31. Oktober 2008 sowie einer halben Stunde vom 1. November bis zum 31. Dezember 2008. Ab 1. Januar 2009 werde die Kostenübernahme eingestellt. Die Auswertung der vorhandenen Unterlagen habe ergeben, dass eine Arbeitsassistenz zur Stabilisierung der Teilhabe am Arbeitsleben nur noch vorübergehend erforderlich sei, um ihm seine Bezugsperson nicht abrupt zu entziehen.

Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass seine Defizite nicht nur im arbeitstechnischen Bereich lägen, sondern im weiten Umfang auch im sozialen. Deshalb brauche er eine Bezugsperson, die Arbeitsabläufe strukturiere, ihn motiviere und in Konfliktsituationen mit Arbeitskollegen helfend eingreife. Durch Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Kosten der Eingliederungshilfe für den Besuch des Arbeitsbereichs, die der Beklagte übernehme, beinhalteten nach den Vereinbarungen mit dem Träger der WfbM auch die Betreuung und Versorgung des Klägers in vollem Umfang. Die für eine Übergangsphase von insgesamt 27 Monaten (d.h. ab Beginn des Eingangsverfahrens) gewährte Einzelfallhilfe sei als ausreichend anzusehen, um die Eingliederung in das Werkstattleben zu gewährleisten. In diesem Sinn sei das amtsärztliche Gutachten vom 25. Juni 2008 zu werten. Im Übrigen sei die Beschäftigung in der WfbM nicht die einzige Möglichkeit der Förderung, wobei zu berücksichtigen sei, dass sie nach den Fähigkeiten und Fertigkeiten des Klägers nicht die für ihn optimale Entwicklung biete.

Mit der Klage hat der Kläger sein Anliegen weiterverfolgt. Entgegen der Auffassung des Beklagten habe er zu keiner Zeit ohne umfangreiche Einzelfallhilfe und Nachteilsausgleich arbeiten können. Eine Ausbildung oder Berufstätigkeit außerhalb einer WfbM sei ihm nicht möglich, dies habe er ohne Erfolg mehrmals versucht. Er müsse wegen seines Kontrollzwangs ständig motiviert werden. Benötigt werde weniger eine Betreuung im Block als bei Bedarf. Zur Unterstützung seiner Auffassung hat er unter anderem eine Stellungnahme der ihn behandelnden Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie D vom 5. Januar 2009, Unterlagen zu Eingliederungsbemühungen vor 2006 und Dokumentationen über durchgeführte Zusatzbetreuungen eingereicht.

Der Träger der WfbM reichte auf Anforderung des Sozialgerichts, jedoch über die Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit Datum des 14. Juli 2009 eine „Darstellung zur Klärung des gerechtfertigten Anspruchs auf Kostenübernahme von Leistungen für die Arbeitsassistenz“ ein.

Der Beklagte hat weiter die Auffassung vertreten, dass ein Anspruch auf die geltend gemachte Leistung nicht bestehe. Gerade die eingereichte Dokumentation zeige, dass gleichartige Assistenzleistungen vom Beigeladenen wie von der WfbM erbracht würden, die hierzu bei einem Betreuungsschlüssel von 1:12 auch in der Lage und verpflichtet sei.

Die Beigeladene hat Leistungsaufstellungen und -abrechnungen eingereicht, aus denen sich Assistenzleistungen von teils 1,5, teils zwei Stunden je Einsatztag ergeben.

Durch Urteil vom 29. November 2011 hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid geändert und den Beklagten zur Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe zur persönlichen Assistenz im Umfang von 1,5 Stunden je Anwesenheitstag für den Zeitraum 15. September 2008 bis 31. März 2012 verurteilt. Grundsätzlich müssten zwar die WfbM von den Rehabilitationsträgern angemessene Vergütungen zur Wahrung ihrer Aufgaben erhalten und, falls die Vergütungshöhe dem Betreuungsaufwand nicht entsprechen sollte, gegenüber dem Sozialhilfeträger auf den Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung hinwirken. Sie seien nicht berechtigt, quasi eine Erhöhung der Vergütung durch Ausgestaltung des zivilrechtlichen Verhältnisses zum Hilfeberechtigten zu verlangen. Hier habe der Beklagte aber selbst einen zusätzlichen Hilfebedarf anerkannt und damit einen Vertrauenstatbestand gegenüber dem Kläger geschaffen. Auch Vereinbarungen mit dem „Hilfeträger“ hinderten ihn nicht daran, eine zusätzliche Leistung zu erbringen. Ermessensfehlerhaft habe der Beklagte die persönliche Assistenz eingeschränkt. Es ergebe sich, dass dem Kläger diese Leistung in dem ausgeurteilten Umfang zustehe. Dauer und Länge der Assistenz ergäben sich aufgrund des vom Beklagten selbst erstellten Gutachtens vom 25. Juni 2008, den Schilderungen der Betreuerin des Klägers, der pädagogischen Betreuerin der WfbM Frau M und der Betreuungskraft Frau K in den mündlichen Verhandlungen sowie der schriftlichen Stellungnahmen der „WfbM“ vom Juli 2009 und der behandelnden Ärztin vom Januar 2009.

Mit seiner Berufung macht der Kläger weiter geltend, Anspruch auf persönliche Assistenz im Umfang von 2 Stunden je Anwesenheitstag zu haben. Aus dem Urteil des Sozialgerichts ergebe sich nicht, warum das Gericht lediglich von einem Bedarf von 1,5 Stunden je Arbeitstag ausgegangen sei.

Im März 2012 hat der Kläger beim Beklagten erneut die Gewährung einer persönlichen Assistenz im Umfang von 2 Stunden je Kalendertag beantragt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. November 2011 und den Bescheid des Beklagten vom 25. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2008 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, an die Beigeladene für dem Kläger in der Zeit vom 15. September 2008 bis zum 31. März 2012 erbrachte Leistungen der Eingliederungshilfe in Gestalt einer persönlichen Assistenz weitere 1.487,90 Euro zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung und seine Bescheide für zutreffend.

Die Beigeladene hat sich in der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2014 geäußert.

Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte des Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat Erfolg. Der Kläger hat im streitigen Zeitraum Anspruch auf die geltend gemachte Zahlung über die bereits vom Sozialgericht zuerkannte Leistung hinaus.

Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten ursprünglich Leistungen zur Teilhabe geltend gemacht. Für diese Leistungen gelten gemäß § 53 Abs. 4 SGB XII die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch (SGB IX), soweit sich nicht aus dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) und den auf Grund des SGB XII erlassenen Rechtsverordnungen etwas anderes ergibt (Satz 1); die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen richten sich dabei nach dem SGB XII (Satz 2). Da die begehrte Leistung inzwischen vollständig in der Vergangenheit liegt, kann sich der Anspruch jedoch - weil der Kläger die von der Beigeladenen in Rechnung gestellten Aufwendungen noch nicht beglichen hat - nur auf Freistellung von der Verbindlichkeit gegenüber der Beigeladenen richten.

Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX besteht – für Träger der Sozialhilfe ausschließlich nach dieser Vorschrift (§ 15 Abs. 1 Satz 5 SGB IX) – die Pflicht zur Erstattung der Aufwendungen unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Rechtliche Grundlage für die streitigen Aufwendungen kann nur eine Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Beigeladenen über die Erbringung der Arbeitsassistenz sein - also über die Ersatzbeschaffung einer Leistung, für die der Beklagte seine Leistungspflicht verneint hat.

Der Beklagte ist nach § 14 SGB IX der zuständige Rehabilitationsträger. Er hat die vom Kläger begehrte Leistung zu Unrecht abgelehnt.

Es steht außer Frage, dass der Kläger als Behinderter zum Kreis der Leistungsberechtigten der Eingliederungshilfe gehört (§ 53 Abs. 1 SGB XII i. V. mit § 2 Abs. 1 SGB IX). Unstreitig ist auch, dass der Kläger Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Gestalt der vom Beklagten als zuständigem Träger (§ 42 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX) bestandskräftig bewilligten Leistungen im Arbeitsbereich einer anerkannten WfbM hat (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V. mit § 41 SGB IX). Zu den Pflichtaufgaben der WfbM gehört nach § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB IX, ein möglichst breites Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen zur Verfügung zu stellen und qualifiziertes Personal und einen begleitenden Dienst vorzuhalten. Die Zahl der Fachkräfte zur Arbeits- und Berufsförderung im Berufsbildungs- und Arbeitsbereich richtet sich gemäß § 9 Abs. 3 Werkstättenverordnung (WVO) nach der Zahl und der Zusammensetzung der behinderten Menschen sowie der Art der Beschäftigung und der technischen Ausstattung des Arbeitsbereichs, wobei das Zahlenverhältnis von Fachkräften zu behinderten Menschen im Arbeitsbereich 1:12 betragen soll. Betreffend die begleitenden Dienste schreibt § 10 Abs. 1 WVO vor, dass die Werkstatt zur pädagogischen, sozialen und medizinischen Betreuung der behinderten Menschen über begleitende Dienste verfügen muss, die den Bedürfnissen der behinderten Menschen gerecht werden. Eine erforderliche psychologische Betreuung ist sicherzustellen. Gemäß § 9 Abs. 2 WVO sollen für je 120 behinderte Menschen in der Regel ein Sozialpädagoge oder ein Sozialarbeiter zur Verfügung stehen, darüber hinaus im Einvernehmen mit den zuständigen Rehabilitationsträgern pflegerische, therapeutische und nach Art und Schwere der Behinderung sonst erforderliche Fachkräfte.

Vor diesem Hintergrund kann grundsätzlich nur in Ausnahmefällen Anspruch auf weitere Leistungen bestehen, die sicherstellen, dass der behinderte Mensch in der WfbM seiner Behinderung entsprechend ausreichend versorgt wird, im Besonderen sichergestellt ist, dass er die angestrebte Arbeitsleistung bestmöglich erbringen kann. Die hier geltend gemachte persönliche Assistenz kommt dann als sonstige Hilfe nach § 33 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX in Betracht (s. in diesem Zusammenhang BSG, Urteil vom 4. Juni 2013 - B 11 AL 8/12 R - SozR 4-3250 § 33 Nr. 6).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Der Kläger bedurfte aufgrund seines Krankheitsbildes jedenfalls im hier streitigen Zeitraum einer Assistenz, um die von ihm verlangte Arbeitsleistung bestmöglich erbringen zu können. Das folgt aus dem bereits vom Sozialgericht zur Begründung seiner Entscheidung herangezogenen Äußerungen des Dipl.-Med. L sowie der Mitarbeiterinnen M und K der Beigeladenen. Es kann zur Beurteilung des hier geltend gemachten Anspruchs dahingestellt bleiben, ob diese Assistenz von der WfbM dem Grunde nach durch das von ihr nach §§ 9 Abs. 3 und 10 Abs. 1 WVO vorzuhaltenden Personal hätte erbracht werden müssen, beziehungsweise ob die WfbM verpflichtet gewesen wäre, das Verfahren zur Ermittlung eines erhöhten individuellen Betreuungsaufwands einzuleiten, wenn sie einen derartigen Aufwand erkannt hätte. In jedem Fall trifft die Verpflichtung, dem behinderten Menschen eine bedarfsdeckende Leistung zu gewähren, den Träger der Sozialhilfe. Soweit die Einrichtungen und Dienste, derer sich der Träger der Sozialhilfe zur Ausführung der Leistung bedient, diese tatsächlich nicht erbringen, hat er deshalb für den Aufwand aufzukommen, der dem Leistungsberechtigten dadurch entsteht, dass er sich eine Leistung, die aus Sicht des Leistungsträgers zum bewilligten Leistungsangebot eines Leistungserbringers gehört, selbst beschafft (zum sogenannten „Systemversagen“ stellvertretend BSG, Urteil vom 21. August 2008 - B 13 R 33/07 R - SozR 4-3250 § 14 Nr. 7 und vom 9. Dezember 2008 - B 8/9b SO 10/07 R - SozR 4-3500 § 54 Nr. 3).

Im vorliegenden Fall ist weder etwas dafür erkennbar, dass die WfbM die von der Beigeladenen geleistete Assistenz als von ihr zu leistende Aufgabe im Rahmen der im streitigen Zeitraum geltenden Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen mit dem entsprechenden Personalschlüssel ansah, noch dass der Beklagte seinerseits Anstrengungen unternommen hätte, die WfbM beziehungsweise deren Vertragspartner dazu anzuhalten, die aus seiner Sicht bestehenden vertraglichen Pflichten einzuhalten.

Dass der Kläger grundsätzlich eine „zeitintensive“ persönliche Assistenz benötigte, um seine Arbeitsleistung regelmäßig erbringen zu können, ergibt sich im Besonderen aus dem Gutachten des Dipl.-Med. L vom 25. Juni 2008, welches das Sozialgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sieht der Senat jedoch keine Grundlage dafür, die Leistungspflicht des Beklagten zur Befriedigung dieses Bedarfs im streitigen Zeitraum auf durchgehend 1,5 Stunden zu begrenzen. Es ist nicht zu erkennen, dass die Beigeladene in dieser Zeit Assistenzleistungen erbracht hätte, die nicht erforderlich gewesen wären. Dies wird zum einen bereits dadurch indiziert, dass sie entgegen dem vom Kläger zunächst verfolgten Klageantrag nicht etwa durchgängig zwei Stunden Assistenz je Arbeitstag geleistet hat, sondern häufig auch nur 1,5 Stunden. Zum anderen ist den eingereichten Aufstellungen - bestätigt im besonderen durch die Ausführungen der Vertreterin der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlungen vor dem Senat am 20. Februar 2014 - in diesem Zusammenhang zu entnehmen, dass es zu einer zeitlichen Arbeitsteilung zwischen der Beigeladenen und der WfbM gekommen war, indem die Beigeladene in der Zeit seiner Anwesenheit blockweise die anfallenden Assistenzaufgaben übernommen hatte. Dies indiziert, dass die Beigeladene letztlich in der Zeit ihrer Anwesenheit die Aufgaben übernommen hatte, die anderenfalls von der WfbM wahrzunehmen gewesen wären.

Gegen die Angemessenheit der von der Beigeladenen angesetzten Kosten bestehen keine Bedenken, auch der Beklagte hat solche nicht geäußert.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).