Gericht | FG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 18.04.2018 | |
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Aktenzeichen | 1 K 1252/15 | ECLI | ECLI:DE:FGBEBB:2018:0418.1K1252.15.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Klägerin, welche die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, erzielte im Streitjahr 2012 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Auslandsmitarbeiterin (Leiterin des Büros) der B…-Stiftung e.V., die ihren Sitz in C… hat. Dienstort der Klägerin war D… (Italien) (Italien). Der Ehemann der Klägerin war als Diplomat an der Deutschen Botschaft in D… (Italien) tätig.
Mit ihrer elektronisch an das Finanzamt E… übermittelten Einkommensteuererklärung für 2012 beantragte die Klägerin getrennte Veranlagung und erklärte, der ausländische Arbeitslohn in Höhe von 84.929,00 € sei nach Doppelbesteuerungsabkommen -DBA- steuerfrei. Dem folgte das Finanzamt mit Einkommensteuerbescheid 2012 vom 26.11.2013 nicht, sondern setzte die Einkommensteuer 2012 unter Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auf 26.384,00 € fest.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch und machte geltend, dass bei der Prüfung der Steuerpflicht der Vorrang des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18.04.1961 (Gesetz vom 06.08.1964, BGBl II 1964, 957) [WÜD] und nachfolgend des DBA zu berücksichtigen sei, bevor das nationale Recht Anwendung finde. Auf sie, die Klägerin, sei Art. 37 Abs. 1 WÜD anwendbar. Zu beachten sei auch Art. 28 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 18.10.1989 (BGBl II 1990, 743) [DBA Deutschland-Italien], aus dem klar hervorgehe, dass das Abkommen nicht die steuerlichen Vorrechte von Mitgliedern konsularischer Vertretungen berühre. Damit verbleibe es in Deutschland bei der Steuerfreiheit. Zu beachten sei auch, dass es sich bei der B…-Stiftung nicht um eine „öffentliche Kasse“ handle, da der Arbeitgeber ein eingetragener Verein sei. Somit sei § 1 Abs. 2 Nr. 2 Einkommensteuergesetz -EStG- nicht anwendbar. Zum Nachweis der in § 50d Abs. 8 EStG geforderten Steuerfreistellung im Ausland legte die Klägerin ein von der Anwalts- und Steuerberatungskanzlei F... ausgestelltes Zertifikat über die steuerliche Freistellung des Einkommens auf der Grundlage des Art. 34 WÜD vor (Bl. 000092 der Aktenheftung).
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 05.11.2015 als unbegründet zurück. Das Finanzamt habe die Einkünfte zutreffend der Besteuerung unterworfen. Die Klägerin habe die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie erfülle somit eine der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 2. Teilsatz EStG und unterliege demnach der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht. Der Einkommensteuer unterlägen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die der Steuerpflichtige während seiner unbeschränkten Einkommensteuerpflicht erziele. Es greife auch kein Steuerbefreiungstatbestand. Eine Steuerbefreiung für die Einkünfte nach § 3 Nr. 29 Buchst. a EStG greife nicht, da es sich nicht um das Gehalt eines Diplomaten handle und die Klägerin deutsche Staatsangehörige sei. Die Einkünfte seien auch nicht wegen eines DBA in Deutschland nicht zu besteuern. Das DBA Deutschland-Italien sei nicht anzuwenden, da das WÜD vorrangig anzuwenden sei (siehe auch Art. 28 DBA). Gemäß Art. 34 WÜD sei der Diplomat von allen staatlichen, regionalen und kommunalen Personal- und Realsteuern oder -abgaben im Empfangsstaat befreit; ausgenommen hiervon seien unter anderem Steuern und sonstige Einkünfte, deren Quelle sich im Empfangsstaat befinde. Die in Art. 34 WÜD bezeichneten Vorrechte würden gemäß Art. 37 WÜD auch die zum Haushalt des Diplomaten gehörenden Familienmitglieder genießen. Die Einkünfte seien in Italien daher nach Art. 34 WÜD steuerbefreit. Das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte liege somit in Deutschland, da weder nach DBA noch nach WÜD ein Besteuerungsrecht in Italien vorliege.
Im Rahmen des Klageverfahrens wendet sich die Klägerin weiterhin gegen die Besteuerung der in D… (Italien) erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 EStG sei auf sie nicht anwendbar. Die Steuerbefreiung nach Art. 37 Abs. 1 WÜD habe zur Folge, dass die Diplomaten und ihre Angehörigen mit ihren inländischen (vorliegend: deutschen!) Einkünften im Sinne des § 49 EStG der deutschen Einkommensteuerpflicht unterliegen würden und damit selbst dann die Stellung wie beschränkt Steuerpflichtige hätten, wenn sie in der Bundesrepublik Deutschland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hätten. Die Einspruchsentscheidung des Beklagten lasse außer Betracht, dass § 1 Abs. 2 EStG aus zwei Sätzen bestehe. Soweit das Finanzamt zu der Auffassung gelange, dass die Klägerin deswegen der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland unterliege, da sie eine zum Haushalt gehörende Angehörige ihres Ehemannes sei, der ein mit einem diplomatischen Status versehener deutscher Staatsangehöriger sei, träfen zwar die Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 2 Satz 1 EStG auf sie, die Klägerin, zu. Das Finanzamt habe jedoch den zweiten Teilsatz des § 1 Abs. 2 EStG, der aufgrund seiner Einleitung „Dies gilt nur“ mit dem vorangestellten Satz mit zu prüfen sei, ganz offensichtlich nicht in Betracht gezogen. § 1 Abs. 2 Satz 2 EStG schränke die Regelungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 EStG ein und solle verhindern, dass ein Steuerpflichtiger sowohl im Wohnsitzstaat (hier Italien) als auch über Abs. 2 Satz 1 EStG in der Bundesrepublik Deutschland die persönlichen Vergünstigungen erfahre, welche die unbeschränkte Steuerpflicht mit sich bringe. Demnach solle die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht nur dann gelten, wenn die Besteuerung im Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaat in einem der beschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang stattfinde. Diese Frage sei grundsätzlich nach den Vorschriften des maßgebenden ausländischen Steuerrechts zu klären. Sie, die Klägerin, sei jedoch aufgrund des Umstands, dass sie den Regelungen des Art. 34 i.V.m. Art. 37 WÜD unterfalle, in Italien gerade nicht in einem der beschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen herangezogen worden. Das einschränkende Tatbestandsmerkmal „lediglich“ sei daher gewissermaßen als „mindestens“ zu lesen. Sie, die Klägerin, werde in Italien aufgrund ihrer Privilegierung als im Haushalt eines Diplomaten lebende Angehörige gerade nicht zur Besteuerung herangezogen. Es liege keine unbeschränkte Steuerpflicht in Italien vor. Der Wohnsitz sei im Streitjahr unzweifelhaft Italien gewesen. Auf die Quelle der Einkünfte komme es erkennbar weder in § 1 Abs. 1 EStG noch in §§ 8, 9 Abgabenordnung -AO- an, weshalb auch keine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland vorliege. Aufgrund der Einschränkung des Besteuerungsrechts Italiens durch das WÜD liege aber auch keine beschränkte Steuerpflicht in Italien vor.
Soweit der Beklagte seine Auslegung des § 1 Abs. 2 Satz 2 EStG und hier insbesondere des Tatbestandsmerkmals „lediglich“ auf das BFH-Urteil vom 19.09.2013 (V R 9/12, BStBl II 2014, 715) stütze, könne dem nicht gefolgt werden. Die teleologische Auslegung der Vorschrift durch den BFH (Textziffer 16 und 17 - juris) betreffe gerade Fälle, die anders gelagert seien als der hier vorliegende. Sie, die Klägerin, habe unstreitig ihren Wohnsitz in Italien unterhalten und würde daher in Italien zur unbeschränkten Steuerpflicht heranzuziehen gewesen sein. Sofern sie nicht mit ihrem Mann verheiratet sein würde, würde hier der Steuerfall zu Ende sein. Die unbeschränkte Steuerpflicht gelte nur deshalb für sie nicht, weil sie nach den Regelungen des WÜD als Ehefrau eines Diplomaten von der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat oder im Wohnsitzstaat befreit sei. Neben dem hier fraglichen Tatbestandsmerkmal, in welchem Umfang die Besteuerung im Wohnsitzstaat stattzufinden habe („lediglich“), sei ebenfalls zu entscheiden, wie das Tatbestandsmerkmal des zu einer Steuer Herangezogen-Werdens auszulegen sei. Nach den Erläuterungen des BFH könne es auf die tatsächliche Besteuerung der betreffenden Person im ausländischen Staat nicht ankommen. Vielmehr sei allein zu prüfen, ob diese Person dem Grunde nach im ausländischen Staat steuerpflichtig sein würde. Sodann seien persönliche Merkmale zu prüfen, die zu einer Verminderung oder gar Befreiung von der Steuerpflicht führten. Das Tatbestandsmerkmal in § 1 Abs. 2 Satz 2 EStG „…zu einer Steuer vom Einkommen herangezogen werden“, könne daher nur so verstanden werden, dass dem Grunde nach in dem ausländischen Staat für die fraglichen Einkünfte eine entsprechende Besteuerung stattfinde. Soweit jedoch persönliche Merkmale des Steuerpflichtigen vorlägen, die auch in dem ausländischen Staat nicht zu einer Besteuerung führen könnten, solle die Eingrenzung des § 1 Abs. 2 Satz 2 EStG greifen. Hieraus folge die Nichtbesteuerung in Deutschland.
Auf Nachfrage des Gerichts, ob sie im Streitjahr neben ihrem Wohnsitz in D… (Italien) auch über einen Wohnsitz in Deutschland verfügt habe, hat die Klägerin mitgeteilt, sie und ihr Ehemann hätten nach der Definition des § 8 AO im Streitjahr 2012 ihren Wohnsitz in D… (Italien) gehabt, da sie dort in einer von der Deutschen Botschaft dienstlich genehmigten Wohnung gelebt und diese auch durchgängig benutzt hätten. Ein weiterer Wohnsitz in Deutschland habe während dieser Zeit nicht bestanden. Ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland nach § 9 AO sei ebenfalls nicht gegeben gewesen. Sie, die Klägerin, habe sich im Streitjahr 2012 – bis auf kurze Unterbrechungen für einen Jahresurlaub in der Heimat – in D… (Italien) aufgehalten.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid für 2012 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 26.11.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.11.2015 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 0,00 € herabgesetzt wird,
sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
hilfsweise,
die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.
Die Klägerin sei als Diplomatengattin mit ihren Einkünften aufgrund der Regelungen in Art. 34, 37 des WÜD in Italien nicht steuerpflichtig. Die Regelung in § 1 Abs. 2 EStG wolle bezwecken, dass diplomatische Vertreter und die ihnen hinsichtlich der Exterritorialität gleichgestellten Personen in Deutschland der unbeschränkten Steuerpflicht unterlägen, weil diese Personen grundsätzlich nicht unter die Steuerhoheit des Empfangsstaates fallen würden.
Die Klägerin sei unstreitig eine zum Haushalt eines Diplomaten gehörende Angehörige, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitze. Sie sei demnach nach § 1 Abs. 2 Satz EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 EStG gelte diese unbeschränkte Steuerpflicht nur für natürliche Personen, die in dem Staat, in dem sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hätten, lediglich in einem der beschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommensteuer herangezogen würden. Das in § 1 Abs. 2 Satz 2 EStG enthaltene Tatbestandsmerkmal „lediglich“ sei nicht, wie die Klägerin behaupte, als mindestens zu lesen, sondern als höchstens. Dies ergebe sich auch aus dem Urteil des BFH vom 19.09.2013 (V R 9/12, BStBl II 2014, 715, Tz. 17 der juris-Fassung). Die Voraussetzung des § 1 Abs. 2 Satz 2 EStG sei somit für die Klägerin erfüllt, da sie im Wohnsitzstaat nicht der Einkommensteuer unterliege und somit höchstens in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen herangezogen werde.
Die Klägerin habe auch nachgewiesen, dass im Streitjahr ein Wohnsitz in Deutschland nicht bestanden habe. Die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Steuerpflicht seien somit erfüllt.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze und den Akteninhalt Bezug genommen. Dem Gericht hat bei seiner Entscheidung der vom Beklagten geführte Aktenband zur Steuernummer … vorgelegen.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid für 2012 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 26.11.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.11.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die von der Klägerin erzielten Einkünfte aus der Tätigkeit als Leiterin des Büros der B…-Stiftung e.V. in D… (Italien) der Besteuerung in Deutschland zu unterwerfen sind.
Die Klägerin unterliegt der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 EStG. Unbeschränkt steuerpflichtig sind gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 EStG auch deutsche Staatsangehörige, die
1. im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und
2. zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen,
sowie zu ihrem Haushalt gehörende Angehörige, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder keine Einkünfte oder nur Einkünfte beziehen, die ausschließlich im Inland einkommensteuerpflichtig sind. Dies gilt nach § 1 Abs. 2 Satz 2 EStG nur für natürliche Personen, die in dem Staat, in dem sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, lediglich in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen herangezogen werden.
Die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 2 EStG erfasst damit öffentliche Auslandsbedienstete im Ausland, die nicht gemäß § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig sind, wozu insbesondere auch aktive Staatsbedienstete mit diplomatischem Status gehören. Der Ehemann der Klägerin ist Diplomat und war im Streitjahr nach § 1 Abs. 2 Satz 1 EStG grundsätzlich unbeschränkt steuerpflichtig, da er im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Die Klägerin unterfällt der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht daher als zum Haushalt eines Diplomaten gehörende Angehörige, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Soweit die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 Satz 2 EStG nur für natürliche Personen gilt, die in dem Staat, in dem sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, – hier also Italien – lediglich in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen herangezogen werden, erfüllt die Klägerin auch diese Voraussetzung. Die Klägerin kann hieraus also nichts für sich herleiten. Sinn und Zweck dieser Einschränkung ist es, den Auslandsbediensteten deutscher staatlicher Stellen die Vorteile der unbeschränkten Steuerpflicht für sich und ihre Haushaltsangehörigen zu erhalten, die sie nach ihrer Entsendung wegen des durch ihre berufliche Stellung bedingten fehlenden Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland nicht erlangen können, denn bei nur beschränkter Steuerpflicht werden die besonderen persönlichen Merkmale und die damit verbundenen Steuervorteile nicht berücksichtigt. Zudem soll verhindert werden, dass ein Steuerpflichtiger sowohl im Wohnsitzstaat als auch über § 1 Abs. 2 Satz 1 EStG in Deutschland die persönlichen Vergünstigungen erfährt, die die unbeschränkte Steuerpflicht mit sich bringt (BFH-Urteil vom 19.09.2013 V R 9/12, BFHE 242, 504, BStBl II 2014, 715; so auch Blümich/Rauch, 140. EL, Dokumentstand März 2016, EStG § 1 Rz. 230, und Tiede in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR-, EStG/KStG, Lfg. 283, Dokumentstand Juni 2016, EStG § 1 Anm. 174). Dieser erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht bedarf es jedoch dann nicht, wenn die Person bereits im Ausland nicht nur höchstens „zu einem der beschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang herangezogen“ wird, sondern nach den Regeln des ausländischen Steuerrechts unbeschränkt steuerpflichtig ist und dadurch im Ausland die Berücksichtigung der persönlichen Merkmale gesichert ist (BFH-Urteil vom 19.09.2013 V R 9/12, BFHE 242, 504, BStBl II 2014, 715; vgl. auch BFH-Urteil vom 05.09.2001 I R 88/00, BFH/NV 2002, 623).
Ob der Auslandsbedienstete und seine Angehörigen im Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaat in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang besteuert werden, ist nach den Vorschriften des maßgebenden ausländischen Steuerrechts zu prüfen (Blümich/Rauch, 140. EL, Dokumentstand März 2016, EStG § 1 Rz. 231; Tiede in HHR, Lfg. 283, Dokumentstand Juni 2016, EStG § 1 Anm. 174). Dabei ist das Bestehen einer der deutschen beschränkten Steuerpflicht ähnlichen Einkommensteuerpflicht im Ausland nicht anhand einer Bescheinigung des ausländischen Fiskus, sondern vom Gericht unter Berücksichtigung der ausländischen steuerrechtlichen Regelungen und durch Vergleiche desselben mit der Vorschrift des § 49 EStG festzustellen (vgl. FG Köln, Urteil vom 02.10.2009 5 K 1023/06, EFG 2010, 435). Maßgebend ist dabei die abstrakte Regelung (siehe hierzu auch Blümich/Rauch, 140. EL, Dokumentstand März 2016, EStG § 1 Rz. 231). Es kommt also nicht darauf an, ob und ggf. in welchem Umfang die Klägerin tatsächlich zur italienischen Einkommensteuer herangezogen worden ist, sondern darauf, ob es nach dem maßgebenden italienischen Recht möglich war, die Klägerin in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen heranzuziehen. Dies ergibt eine sinnentsprechende Auslegung der Vorschrift (vgl. BFH-Urteil vom 09.10.1985 I R 271/81, BFHE 145, 44, HFR 1986, 287).
Bei der Beurteilung der Frage, ob es nach dem maßgebenden italienischen Recht möglich war, die Klägerin in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen heranzuziehen, sind auch völkerrechtliche Vereinbarungen wie das WÜD und das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (Gesetz vom 26.08.1969, BGBl II 1969, 1585) [WÜK] sowie bilaterale Verträge wie das DBA Deutschland-Italien zu berücksichtigen.
Hiervon ausgehend ist die Voraussetzung, dass lediglich ein Heranziehen zur Steuer „in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang“ vorliegt, insbesondere bei Auslandsbediensteten des Bundes oder eines Landes mit diplomatischem oder konsularischem Status gegeben, die in Länder entsandt sind, die dem WÜD bzw. WÜK beigetreten sind, und insoweit im Empfangsstaat als nicht ständig ansässig behandelt werden (Blümich/Rauch, 140. EL, Dokumentstand März 2016, EStG § 1 Rz. 232). Nach den Regelungen des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen und des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen werden Diplomaten und Konsularbeamte im Tätigkeitsstaat (Empfangsstaat) wie beschränkt Steuerpflichtige behandelt. Nach Art. 34 1. Halbsatz WÜD i.V.m. Art. 37 WÜD sind Diplomaten sowie die mit diesen im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder grundsätzlich von allen staatlichen, regionalen und kommunalen Personal- und Realsteuern oder -abgaben befreit. Dies gilt jedoch nicht u.a. für die normalerweise im Preis von Waren oder Dienstleistungen enthaltenen indirekten Steuern, Steuern und sonstige Abgaben von privatem, im Hoheitsgebiet des Empfangsstaats gelegenem unbeweglichen Vermögen, Erbschaftsteuern, die der Empfangsstaat erhebt, Steuern, Gebühren und sonstige Abgaben, die als Vergütung für bestimmte Dienstleistungen erhoben werden, sowie Steuern und sonstige Abgaben von privaten Einkünften, deren Quelle sich im Empfangsstaat befindet, vgl. Art. 34 2. Halbsatz Buchstaben a bis f.
Sofern die Voraussetzungen des WÜD vorliegen, sind damit für die deutschen Auslandsbediensteten und ihre Angehörigen im Sinne von Satz 1 die Voraussetzungen der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 2 EStG gegeben, da Diplomaten nach den Regelungen des WÜD im Tätigkeitstaat wie beschränkt Steuerpflichtige behandelt werden (Tiede in HHR, Lfg. 283, Dokumentstand Juni 2016, EStG § 1 Anm. 174). Die Voraussetzungen für die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht der Klägerin liegen somit vor.
Dem stehen auch die Regelungen des DBA Deutschland-Italien nicht entgegen. Gemäß Art. 28 DBA Deutschland-Italien berührt dieses Abkommen nicht die steuerlichen Vorrechte, die den Mitgliedern diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts oder auf Grund besonderer Übereinkünfte zustehen. Die steuerrechtlichen Vorrechte aufgrund des WÜD gehen daher den Bestimmungen des DBA vor (Weggemann in Wassermeyer, EL 140, Dokumentstand Juli 2017, Italien Art. 28 Rz 1; siehe hierzu auch im Einzelnen Wassermeyer in Wassermeyer, 140. EL, Dokumentstand März 2003, MA Art. 28 Rz. 10).
Da das WÜD auf der Exterritorialität der dadurch begünstigten Personen aufbaut, wandelt es die an sich bestehende unbeschränkte Steuerpflicht im Empfangsstaat – d.h. hier in Italien – in eine allenfalls bestehende beschränkte Steuerpflicht um (vgl. BFH-Urteil vom 13.11.1996 I R 119/95, BFH/NV 1997, 664) – mit der Folge, dass im Streitfall die Regelung der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 EStG zur Anwendung kommt.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Anwendbarkeit und Auslegung des § 1 Abs. 2 Satz 2 EStG ist höchstrichterlich nicht abschließend geklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.