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Begutachtung; Mitwirkung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 27. Senat Entscheidungsdatum 22.03.2011
Aktenzeichen L 27 P 20/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 14 SGB 11, § 37 SGB 11

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. März 2009 wird zurückgewiesen, soweit das Verfahren nicht abgetrennt ist.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung.

Bei dem 1933 geborenen und bei der Beklagten pflegeversicherten Kläger wurde im April 2005 ein Prostatakarzinom diagnostiziert. Aufgrund seines Zustandes nach Bestrahlung und regionärer Lymphknotenentfernung sowie weiterer Erkrankungen wie u.a. Harn- und Stuhlinkontinenz, arterieller Hypertonie, links vertikuläre Hypertrophie, Thalassämia minor (Mittelmeeranämie), Niereninsuffizienz, Leberzellschaden und reaktive Depressionen beantragte der Kläger unter dem 25. Oktober 2005 bei der Beklagten die Gewährung von Pflegegeld. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Der ärztliche Gutachter P verneinte in seinem Gutachten vom 4. November 2005 das Vorliegen einer Pflegebedürftigkeit: Der tägliche Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege umfasse 0 Minuten; der Zeitbedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung betrage täglich 60 Minuten. Mit Bescheid vom 07. Dezember 2005 lehnte die Beklagte gestützt auf die Feststellungen des MDK den Antrag auf Gewährung von Pflegegeld ab. Den dagegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2006 zurück.

Mit der am 28. April 2006 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat das Gutachten der Ärztin für Chirurgie Dr. H vom 9. August 2007 nebst ergänzender Stellungnahme vom 25. Oktober 2007 sowie das Gutachten des Pflegesachverständigen A vom 21. Juni 2008 eingeholt. Beide Sachverständigen kamen zu dem Ergebnis, dass Pflegebedürftigkeit nicht vorliegt, wobei die Sachverständige Dr. H weder einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege noch der hauswirtschaftlichen Versorgung ermittelte, während der Sachverständige A bei Verneinung eines Pflegebedarfs im Bereich der Hauswirtschaft für die Grundpflege einen täglichen Hilfebedarf von 6 Minuten ansetzte. Nachdem der Kläger zur Begründung seiner Pflegebedürftigkeit auf ein forensisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten des Landesinstituts für gerichtliche und soziale Medizin Berlin vom 22. November 2007 zur Frage der Schuldfähigkeit in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren verwies, ordnete das Sozialgericht die Einholung eines weiteren Gutachtens von Prof. Dr. Z an. Die Begutachtung wurde nicht durchgeführt, da der Kläger eine weitere ambulante Untersuchung in seiner Wohnung ablehnte.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil im schriftlichen Verfahren am 12. März 2009 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Zuordnung zu einer Pflegestufe nach den übereinstimmenden und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen H und A nicht erfülle. Die beabsichtigte weitere Begutachtung durch Prof. Dr. Z sei an der fehlenden Mitwirkung des Klägers gescheitert, welches zu seinen Lasten gehe.

Gegen das am 18. April 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Mai 2009 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt, mit der er sich gegen die Feststellungen des MDK sowie der Sachverständigen Dr. H und A wendet. Diese enthielten Unwahrheiten und Entstellungen.

Zur weiteren Sachaufklärung betreffend die Gewährung von Pflegegeld für die Zeit ab 3. Februar 2010 wurde das Verfahren abgetrennt und unter dem Aktenzeichen L 27 P 17/11 fortgeführt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. März 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 7. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 2. Februar 2010 Pflegegeld mindestens der Pflegestufe I zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der Senat hat im Berufungsverfahren Befundberichte des Facharztes für Innere Medizin/ Hämatologie und internistische Onkologie Dr. S vom 25. August 2009, des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M vom 6. September 2009, des Arztes für Orthopädie Dr. S vom 18. September 2009, des Hautarztes Dr. M vom 18. Dezember 2009 und des Arztes für Orthopädie Dr. K vom 28. April 2010 eingeholt.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz – SGG – zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben, jedoch unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage für den vorliegend streitbefangenen Zeitraum vom 1.10.2005 bis zum 2.2.2010 abgewiesen. Der Leistungen der Pflegeversicherung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 7. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2007 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger kann das begehrte Pflegegeld der Pflegestufe I (oder höher) für diesen Zeitraum nicht beanspruchen.

Nach § 37 Sozialgesetzbuch/ Elftes Buch (SGB XI) setzt der Anspruch auf Gewährung von Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfe nach der Pflegestufe I unter anderem voraus, dass der Anspruchssteller pflegebedürftig ist und der Pflegestufe I zugeordnet werden kann. Pflegebedürftigkeit liegt hierbei nach § 14 Abs. 1 SGB XI vor, wenn der Betroffene wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichen oder höheren Maße der Hilfe bedarf, die nach § 14 Abs. 3 SGB XI in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in der Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen besteht. Als außergewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im vorgenannten Sinne gelten nach § 14 Abs. 4 SGB XI im Bereich der Körperpflege, der neben den Bereichen der Ernährung und der Mobilität zur Grundpflege gehört, das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren und die Darm- oder Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, im Bereich der Mobilität das selbstständige Aufstehen und das Zu-Bett-Gehen, das An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sowie im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung, das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen.

Die Zuordnung zur Pflegestufe I setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XI voraus, dass der Betroffene bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, hat hierbei wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten zu betragen, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Grundpflegebedarf des Klägers in der streitgegenständlichen Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 2. Februar 2010 wöchentlich im Tagesdurchschnitt mehr als 45 Minuten betrug. Das Sozialgericht ist mit Recht und mit zutreffender Begründung den übereinstimmenden und überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen Dr. H und A gefolgt, welche zudem die Feststellungen des Gutachters P im Verwaltungsverfahren bestätigt haben. Auf die insoweit zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils vom 12. März 2009 wird nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Soweit sich aus dem Sturz des Klägers am 3. Februar 2010 und der daraus resultierenden Wirbelfraktur mit erheblich schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen sowie der erneuten Krebsoperation Mitte Januar 2011 eine geänderte Sachlage ergeben haben sollte, so hat der Senat dem durch Abtrennung des Verfahrens ab 3. Februar 2010 im Hinblick auf beabsichtigte weitere Ermittlungen zum etwaigen Pflegebedarf des Klägers Rechnung getragen. Über den die Vergangenheit betreffenden und hier noch streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis 2. Februar 2010 konnte hingegen aufgrund der aktenkundigen medizinischen Ermittlungen entschieden werden. Der Sachverhalt ist insoweit zur Überzeugung des Senats hinreichend aufgeklärt. Eine weitere Begutachtung auf psychiatrischem Gebiet, wie vom Sozialgericht angestrengt und wegen mangelnder Mitwirkung des Klägers nicht durchgeführt, ist aus jetziger Sicht nicht mehr tunlich. Der hier noch zu beurteilende Zeitraum ab 1. Oktober 2005 liegt Jahre zurück, sodass angesichts der bereits vorliegenden gutachterlichen Feststellungen eine weitere (rückwirkende) Begutachtung nicht mehr sinnvoll erscheint. Zur Ermittlung des konkreten Gesundheitszustandes des Klägers ab 3. Februar 2010 und eines sich daraus ggf. ergebenen Pflegebedarfs hat der Senat das Verfahren abgetrennt. Für die Zeit vor dem 3. Februar 2010 berücksichtigen die überdies auch zeitnah zum forensisch-psychiatrischen Sachverständigengutachten des Landessinstituts für gerichtliche und soziale Medizin Berlin vom 22. November 2007 ergangenen Pflegegutachten von Dr. H sowie des Pflegesachverständigen A die gesamte gesundheitliche Situation des Klägers und somit auch die bereits damals aktenkundige psychiatrische Beeinträchtigung. Unter Berücksichtigung dessen konnte die Sachverständige H jedoch keinen Pflegebedarf feststellen, während der Pflegesachverständige Aden festgestellten (geringfügigen) Grundpflegebedarf von sechs Minuten gerade mit der psychischen Situation des Klägers und einer daraus resultierenden nachvollziehbaren Impulsgabe im Bereich der Körperpflege beim Waschen und Duschen sowie Kämmen und Rasieren sowie im Bereich der Mobilität beim Verlassen des Bettes begründete. Anlass für weitere Ermittlungen bestand danach nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision war mangels Vorliegen der Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.