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Einbürgerung; Einbürgerungsbewerber mit zehnköpfiger Familie; mangelnde Unterhaltsfähigkeit; auf Einreise folgender langjähriger Bezug von Sozialleistungen; Vertretenmüssen; erstmalige Arbeitsaufnahme nach Klageerhebung; Prognose der künftigen wirtschaftlichen Eigenständigkeit ungesichert


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 05.03.2010
Aktenzeichen OVG 5 M 40.09 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 10 Abs 1 S 1 Nr 3 RuStAG, § 166 VwGO, § 114 ZPO

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren hat keinen Erfolg. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die auf Verpflichtung des Beklagten zur Einbürgerung des Klägers gerichtete Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung - ZPO - biete, ist nicht zu beanstanden.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass es für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG erfüllt sind, nicht lediglich auf den Zeitpunkt der Entscheidung ankommt, sondern die positive Prognose zu verlangen ist, dass der Eintritt einer nach den Vorschriften des SGB II oder des SGB XII relevanten Hilfebedürftigkeit für einen überschaubaren Zeitraum in der Zukunft nicht zu erwarten ist. Es hat ferner zu Recht angenommen, dass eine hinreichende wirtschaftliche Integration des Klägers, der trotz Einreise im Jahre 1995 erstmals im April 2008 eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und bereits zum Juli 2008 den Arbeitgeber gewechselt hat, nicht festgestellt werden kann, weil weder der seither vergangene Zeitraum noch die nachgewiesene tägliche Arbeitszeit von im Schnitt 3 bis 4,8 Stunden ausreichen, um von einer nachhaltigen Unterhaltssicherung auszugehen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Die Beschwerde macht geltend, dass § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG im Falle des Klägers nicht einschlägig sei, weil er selbst seinen Unterhalt ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII bestreiten könne. Seiner Ehefrau und seinen neun Kindern gegenüber sei er mangels Leistungsfähigkeit allenfalls abstrakt unterhaltspflichtig, was ihm nicht entgegen gehalten werden könne und seine Einbürgerung nicht hindere. Im Übrigen habe er den Leistungsbezug seiner Familienangehörigen auch nicht zu vertreten, denn er habe sich seit 2005 zunächst um die Verbesserung seiner Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch Besserung seiner Sprachkenntnisse gekümmert und sich sodann jahrelang und intensiv um Arbeit bemüht. Diese Bemühungen seien schließlich erfolgreich gewesen; er habe zuerst eine Teilzeitarbeit aufgenommen und sei nun seit Juli 2009 wegen seiner zufriedenstellenden Arbeitsleistungen vollzeitbeschäftigt. Der vom Verwaltungsgericht herangezogene Prognosemaßstab, der als Maßstab zur Beurteilung der Regelerteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG diene, sei auf die Einbürgerungsanforderungen nicht übertragbar. Vielmehr habe der Gesetzgeber hier die pekuniären Interessen im gesamtgesellschaftlichen Interesse und im Interesse des Einzelnen an der Einbürgerung deutlich zurückgestellt. Auch könne dem Kläger weder ein langjähriger Leistungsbezug noch der Umstand vorgeworfen werden, dass er „erst“ 2005 Sprachkurse belegt habe, da es für die Beurteilung der Unterhaltsfähigkeit und der Integrationsleistungen maßgeblich auf den Zeitpunkt der Einbürgerung ankomme.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass weder die bisherige Dauer der Erwerbstätigkeit des Klägers noch deren Umfang die Prognose einer nachhaltigen Unterhaltssicherung erlaubten, ernsthaft in Frage zu stellen. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass seit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts einige Zeit vergangen ist, in deren Verlauf der Kläger weitere Lohnbescheinigungen zum Beleg dafür vorgelegt hat, dass er seit Juli 2009 in Vollzeit beschäftigt ist.

Die Annahme der Beschwerde, § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG sei im Falle des Klägers ohnehin nicht einschlägig, entbehrt der Grundlage. Nach dieser Vorschrift setzt der Einbürgerungsanspruch voraus, dass der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen bestreiten kann. Selbst wenn das Einkommen des Klägers ausreichte, seinen eigenen Bedarf - gemessen an den Maßstäben des SGB II - zu decken, so erhalten doch seine Ehefrau und fünf seiner Kinder, denen gegenüber er familienrechtlich unterhaltsverpflichtet ist (§§ 1601, 1602 BGB), weiterhin in vollem Umfang Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dass der Kläger nach § 1603 BGB nicht oder zumindest nicht in Gänze zur Leistung angemessenen Unterhalts imstande wäre, ist entgegen der Ansicht der Beschwerde für die Frage, ob die einbürgerungsrechtlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG erfüllt sind, ohne Belang (so zu Recht auch Berlit in GK-StAR IV-2 § 10 StAG Rz. 224 ff.). Im Übrigen lebt er, wie sich aus dem Bescheid des JobCenters vom 28. Juli 2009 ergibt, wieder bei seiner Familie und ist seit 1. August 2009 gemäß § 7 Abs. 3 SGB II erneut in den Leistungsbezug der Bedarfsgemeinschaft einbezogen.

Dem Verwaltungsgericht ist ferner darin zuzustimmen, dass der Kläger den Leistungsbezug zu vertreten hat. Soweit die Beschwerde einwendet, er habe sich ab 2005 zunächst um die Verbesserung seiner Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch Verbesserung seiner Sprachkenntnisse bemüht, ist dem entgegenzuhalten, dass sich der Kläger trotz des Besuchs zahlreicher Sprachkurse von 1998 an noch Ende des Jahres 2007 sowohl der Einbürgerungsbehörde als auch dem JobCenter gegenüber zu einer Verständigung kaum in der Lage gezeigt hat. Anders als die Beschwerde vorträgt, hat sich der Kläger nach Aktenlage auch keineswegs „jahrelang und intensiv“ um Arbeit bemüht. Vielmehr hat der Kläger für den zwölf Jahre umfassenden Zeitraum nach seiner bestandskräftigen Anerkennung als Asylberechtigter im August 1995, in dem er keinerlei Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, keine Eigenbemühungen um Arbeit nachgewiesen. Erst auf die Ankündigung hin, dass sein Einbürgerungsantrag mangels hinreichender Arbeitsbemühungen abgelehnt werden würde, hat er der Einbürgerungsbehörde ab November 2007 Bewerbungsschreiben vorgelegt, die der Anzahl nach für den Nachweis intensiver Bemühungen um Arbeit ausreichend gewesen sein mögen, inhaltlich allerdings in nicht unerheblichem Umfang - insbesondere im Falle des offenkundigen Nichterfüllens der Einstellungsvoraussetzungen - potentiellen Arbeitgebern den Eindruck vermitteln konnten, dass hinter der Bewerbung kein ernsthaftes Interesse an einer Erwerbstätigkeit stand.

Den vorgelegten Lohnabrechnungen zufolge geht der Kläger nun zwar seit April 2008 einer Erwerbstätigkeit nach. In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht jedoch bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger zum einen seine erste Beschäftigung bei einer Eisenflechterei schon nach drei Monaten wieder aufgegeben oder verloren hat und dass er mit der Tätigkeit bei einem Unternehmen des Holz- und Bautenschutzes, die er unmittelbar im Anschluss an die Beendigung des ersten Beschäftigungsverhältnisses aufgenommen hat, seine Arbeitskraft mit zunächst durchschnittlich 3 bis 4,8 Stunden nur etwa zur Hälfte ausschöpft. Soweit die Beschwerde darauf verweist, dass der Kläger seit Juli 2009 auf sein ständiges Drängen hin von seinem Arbeitgeber in Vollzeit beschäftigt werde, ist dies weder durch Vorlage eines entsprechenden Arbeitsvertrages noch durch die vorgelegten Lohnabrechnungen belegt. Denn danach hat er im Juli 2009 - wenn entsprechend den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts unter „bezahlte Menge“ tatsächlich die geleistete Stundenzahl und unter „Faktor“ die Höhe des Stundenlohns zu verstehen ist (was allerdings die Lohnbescheinigungen für August und September 2008 mit einem „Faktor“ von 79,00 und 75,00 unerklärlich machte) - 132 Stunden, im darauffolgenden Monat 135 und im Oktober 2009 150 Stunden gearbeitet, was einer täglichen Arbeitszeit von zwischen 5,74 und 6,82 Stunden entspricht. Die vorgelegten Lohnabrechnungen sind nebenbei bemerkt in sich nicht immer stimmig (so etwa entspricht der für den Monat Oktober 2009 ausgewiesene Bruttolohn trotz sozialversicherungsrechtlicher Abzüge dem Nettoverdienst, der seinerseits auch unter Berücksichtigung der Abzüge nicht mit dem angegebenen Auszahlungsbetrag in Einklang zu bringen ist) und sprechen im Übrigen angesichts schwankender monatlicher Arbeitszeiten und fehlenden Urlaubsanspruchs dafür, dass der Kläger jedenfalls in keinem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht.

Selbst wenn man allerdings zugunsten des Klägers von einer Vollzeitbeschäftigung seit Juli 2009 ausginge, reichte der Zeitraum, der seitdem vergangen ist, angesichts seiner bisherigen Erwerbsbiographie für die Prognose einer künftigen eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts bzw. des nachhaltigen Bemühens um wirtschaftliche Eigenständigkeit auch weiterhin nicht aus. Soweit die Beschwerde bemängelt, das Verwaltungsgericht habe dabei auf einen Prognosemaßstab abgestellt, der für die Beurteilung der Regelerteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG bestimmt, auf die Einbürgerungsanforderungen jedoch nicht übertragbar sei, kann sich dieser Einwand - wie sich aus der Erwähnung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - ergibt, nur auf diejenigen Ausführungen der Vorinstanz beziehen, die im Zusammenhang mit der möglichen Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen nach der angeblichen Trennung des Klägers von seiner Ehefrau stehen; sie aber hätten sich, wenn sie denn tatsächlich so zu verstehen gewesen wären, wie die Beschwerde meint, durch die Rückkehr des Klägers in den Familienhaushalt erledigt. Soweit das Verwaltungsgericht unabhängig davon ausgeführt hat, dass es für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG erfüllt sind, nicht lediglich auf den Zeitpunkt der Entscheidung ankomme, sondern die positive Prognose zu fordern sei, dass der Eintritt einer nach den Vorschriften des SGB II oder des SGB XII relevanten Hilfebedürftigkeit auch für einen überschaubaren Zeitraum in der Zukunft nicht zu erwarten sei, hat die Beschwerde dem ersichtlich nichts als ihre gegenteilige Auffassung entgegenzusetzen. Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend. Das Erfordernis der eigenständigen wirtschaftlichen Sicherung des Lebensunterhalts als Beleg auch wirtschaftlicher Integration ist nach - soweit ersichtlich - einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur zukunftsgerichtet, erfordert mithin die prognostische Einschätzung künftiger wirtschaftlicher Eigenständigkeit. Prognosesicherheit aber lässt sich nicht erzielen, wenn - wie im Falle des Klägers - der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ein langjähriger, zu vertretender Leistungsbezug vorangegangen ist und das im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt unter zumutbarem Arbeitseinsatz erst seit wenigen Monaten erzielte Erwerbseinkommen aus keinem festen, d.h. ungekündigten und vor allem unbefristeten Arbeitsverhältnis herrührt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der gesetzlich bestimmten Festgebühr nicht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).