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Insolvenzgeld - Geschäftsführer einer insolventen GmbH - Insolvenz der Alleingesellschafterin - Geschäftsführer nicht Arbeitnehmer des Insolvenzverwalters


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 8. Senat Entscheidungsdatum 19.06.2012
Aktenzeichen L 8 AL 211/11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 183 SGB 3, § 35 InsO, § 80 InsO

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 1. März bis zum 31. Mai 2008.

Der im Jahr 1976 geborene Kläger war für die A GmbH seit 2005 und auch noch in dem Zeitraum vom 1. März 2008 bis zum 31. Mai 2008 zum Geschäftsführer bestellt, zuletzt seit dem 1. November 2007 aufgrund eines Anstellungsvertrags vom 30. Oktober 2007, den der Kläger mit sich selbst als Vertreter der mbH abgeschlossen hatte. Beiträge zur Sozialversicherung wurden für die Tätigkeit nicht abgeführt. Alleingesellschafterin der A GmbH war die BSC Entsorgung und Beteiligungs GmbH i.L. (im Folgenden BSC GmbH i.L.), über deren Vermögen durch Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 20. Februar 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war (35 IN 1095/07). Die BSC GmbH i. L., an deren Stammkapital der Kläger neben seinem Vater mit 50 % beteiligt war und dessen alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer er vor deren Auflösung war, war durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 30. Oktober 2007 aufgelöst worden, der Kläger war zum Liquidator bestellt worden. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A GmbH wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 2. September 2008 mangels Masse abgelehnt.

Der Kläger beantragte am 28. August 2008 die Gewährung von Insolvenzgeld bei der Beklagten, da er in den Monaten März bis Mai 2008 jeweils Arbeitsentgelt in Höhe von (brutto) 4616,66 EUR von der A GmbH nicht erhalten habe. Mit Bescheid vom 5. Januar 2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil der Kläger nicht Arbeitnehmer der A GmbH gewesen sei und die Anspruchsvoraussetzungen des § 183 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) daher nicht erfüllt seien. Der Kläger sei Liquidator der BSC GmbH i.L. gewesen, welche Alleingesellschafterin der A GmbH gewesen sei. Es könne daher nicht von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen werden. Er habe die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich beeinflussen können und sei in der Gestaltung der Arbeitszeit frei gewesen. Beiträge seien nicht abgeführt worden. Der Widerspruch des Klägers hiergegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2009).

Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, er sei auf Weisung der BSC GmbH i.L. tätig gewesen. Über deren Vermögen sei mit Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 20. Februar 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt worden, der somit die Verwaltungsbefugnis über das Vermögen der BSC GmbH innegehabt habe und auch die Weisungsbefugnis als Gesellschafter der A GmbH besessen habe. Die Rechtsprechung des LAG Rheinland Pfalz (Urteil vom 25. September 2008 - 10 Sa 162/08, Fundstelle Juris), auf die sich die Beklagte augenscheinlich stütze, sei nicht anwendbar, da er, der Kläger, zu keinem Zeitpunkt Alleingesellschafter der A GmbH gewesen sei. Die Beklagte hat im Sozialgerichtsverfahren dagegen weiterhin die Auffassung vertreten, dass der Kläger mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht Arbeitnehmer des Insolvenzverwalters geworden ist.

Mit Urteil vom 12. Mai 2011 hat das Sozialgericht Potsdam die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Voraussetzung für einen Anspruch auf Insolvenzgeld nach § 183 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sei die Arbeitnehmereigenschaft. Arbeitnehmer sei nach § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) und § 25 SGB III, wer zur Erwerbstätigkeit in persönlicher Abhängigkeit zum Arbeitgeber verpflichtet sei, das heißt in einen fremden Betrieb eingegliedert sei und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung unterliege. Diese Voraussetzung sei beim Kläger nicht erfüllt. Es sei schon zweifelhaft, ob der Kläger den Anstellungsvertrag vom 30. Oktober 2007, den er mit sich selbst (als Liquidator der BSC GmbH und damit Vertreter der A GmbH) geschlossen habe, überhaupt zulässig und wirksam geschlossen habe. Jedenfalls sei er nicht dadurch zum Arbeitnehmer der A GmbH geworden, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen der BSC GmbH eröffnet worden sei. In Übereinstimmung mit dem Urteil des LAG Rheinland Pfalz vom 29. September 2008 (10 Sa 162/08) werde ein Geschäftsführer nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum Arbeitnehmer des Insolvenzverwalters. Es gehe zwar das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Die Stellung des Alleingeschäftsführers bleibe jedoch unberührt. Auch in dem vorliegenden Fall könne nichts anderes geltend. Denn der Geschäftsführer würde nicht in den Dienst eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde zwar die unternehmerische Handlungsfähigkeit beschränkt, er leiste jedoch keine fremdnützige, sondern eigennützige Arbeit.

Mit der am 18. Juli 2011 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangenen Berufung wiederholt der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen und führt vertiefend aus, er habe nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 20. Februar 2008 und auch bereits für den Zeitraum der vorherigen vorläufigen Insolvenzverwalterbestellung über die Geschicke der BSC GmbH i.L. nicht mehr bestimmen können. Er habe fremdnützige Arbeit geleistet und sei dazu durch den Anstellungsvertrag verpflichtet gewesen. Der Arbeitsvertrag halte auch einem Fremdvergleich stand. Er sei als Fremdgeschäftsführer, der nicht am Kapital der A GmbH beteiligt gewesen sei, nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung als Arbeitnehmer einzustufen. Er habe den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterlegen. Das Sozialgericht verkenne zudem, dass das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz nicht übertragbar sei, da vorliegend gerade keine Personenidentität zwischen Gesellschafter und Geschäftsführer bestehe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. Mai 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 5. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm auf seinen Antrag vom 28. August 2008 Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 1. März 2008 bis zum 31. Mai 2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie beruft sich zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und im angegriffenen Urteil.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Kläger hatte Gelegenheit zur Wahrnehmung einer mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht. Neue rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte sind im Berufungsverfahren nicht vorgetragen worden.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Insolvenzgeld nach § 183 Abs. 1 SGB III in der maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I, 2742). Danach haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei 1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.

Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger bereits deshalb nicht, weil er nicht Arbeitnehmer der A GmbH im Sinne des Gesetzes war. Der Arbeitnehmerbegriff des § 183 SGB III ist der gleiche wie in den anderen Bereichen des SGB III und richtet sich maßgeblich nach den zu § 25 SGB III und § 7 SGB IV entwickelten Abgrenzungskriterien. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Nach § 7 Abs. 1 SGB IV, der gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auch für den Bereich der Arbeitsförderung anwendbar ist, ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Arbeitnehmer im Sinne des § 183 SGB III ist, wer zur Erwerbstätigkeit in persönlicher Abhängigkeit zum Arbeitgeber verpflichtet ist, das heißt in einem fremden Betrieb eingegliedert ist und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung unterliegt. Dieses ist bei dem Kläger nicht gegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zur Begründung insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Bezug genommen.

Aus dem Berufungsvorbringen des Klägers ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Er beruft sich zunächst zu Unrecht auf die Rechtsprechung des BSG (stellvertretend BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 – B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20), nach der eine Tätigkeit als Fremdgeschäftsführer regelmäßig im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erfolgt. Der Kläger war – anders als in den der genannten Rechtsprechung zugrunde liegenden Fällen – alleinvertretungsberechtigter Liquidator und mit einem Anteil von 50% am Stammkapital Mitgesellschafter der BSC GmbH i.L., welche Alleingesellschafterin der A GmbH war, so dass er dadurch einen herrschenden Einfluss auch in der A GmbH ausüben konnte. Einer zu seiner persönlichen Abhängigkeit führenden Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung der AREA GmbH unterlag er als der Geschäftsführer bzw. Liquidator der Alleingesellschafterin bereits aus diesem Grund nicht.

Daran hat sich auch nichts dadurch geändert, dass über das Vermögen der BSC GmbH i.L. am 20. Februar 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und - nach dem Vorbringen des Klägers - zuvor bereits eine vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet war. Wie das Sozialgericht zu Recht unter Bezugnahme auf das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz (a. a. O.) ausgeführt hat, führt die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (und erst Recht auch eine vorläufige Insolvenzverwaltung) nicht dazu, dass eine Bestellung zum Geschäftsführer im eigenen Unternehmen zu einer fremdbestimmten Beschäftigung mutieren würde. Dieses ist – entgegen der Auffassung des Klägers – auch auf die Stellung eines die Muttergesellschaft maßgeblich als Gesellschafter bestimmenden Geschäftsführers einer Tochtergesellschaft zu übertragen, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Muttergesellschaft eröffnet wird. Der Geschäftsanteil an der Tochtergesellschaft gehört mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Muttergesellschaft nach § 35 der Insolvenzordnung (InsO) zur Masse. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird nach § 80 Abs. 1 InsO die Handlungsfähigkeit des Schuldners, hier der BSC GmbH i. L., beschränkt und übt der Insolvenzverwalter (auch) die aus dem Geschäftsanteil (dessen Inhaber weiterhin der insolvente Gesellschafter ist) resultierenden Mitgliedschaftsrechte aus. Die Stellung des Insolvenzverwalters ist dabei bestimmt durch den Zweck der Durchführung des Insolvenzverfahrens, für das er kraft Amtes die Rechte des Schuldners ausübt. Eine inhaltliche Erweiterung oder Veränderung der Rechtsstellung des Schuldners durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergibt sich daraus nicht. Der Insolvenzverwalter tritt in die Rechte und Pflichten des Schuldners ein und kann deshalb für die Masse nicht mehr und keine anderen Rechte ausüben als dem Schuldner zustehen. Die Rechtsstellung eines zuvor nicht abhängig tätigen Geschäftsführers eines Tochtergesellschaft der insolventen GmbH wird durch den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters über den Geschäftsanteil mithin nicht in der Weise geändert, dass er nunmehr unter fremdem Direktionsrecht stehen und fremdbestimmt und -nützig als Arbeitnehmer tätig würde. Die Wahrnehmung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auch über den Geschäftsanteil an der AREA GmbH durch den Insolvenzverwalter der BSC GmbH bewirkt damit nicht, dass der Kläger seitdem nicht mehr weisungsfrei im „eigenen“ Unternehmen tätig war und lässt kein neues Rechtsverhältnis in Form eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses entstehen.

Einer Vernehmung des Rechtsanwalts und Insolvenzverwalters H als Zeugen bedurfte es nicht, wobei der Kläger bereits in keiner Weise dargelegt hat, zu welchen Tatsachen der benannte Zeuge hätte Angaben machen können. Dafür, dass die Alleingesellschafterin durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auch über ihren Geschäftsanteil an der A GmbH verloren hat, bedarf es offensichtlich keiner Beweiserhebung, da sich dieses bereits aus § 80 InsO selbst ergibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis der Hauptsache.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestanden nicht.