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(Sittenwidrigkeit einer vertraglichen Vereinbarung zu Lasten Dritter - kollusives Zusammenwirken - wichtiger Grund i.S.d. § 626 BGB)


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 10. Kammer Entscheidungsdatum 22.01.2010
Aktenzeichen 10 Sa 1851/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 138 Abs 1 BGB, § 626 Abs 1 BGB

Leitsatz

Die Sittenwidrigkeit einer vertraglichen Vereinbarung zu Lasten Dritter setzt voraus, dass beide Vertragsparteien die Tatsachen, die die Sittenwidrigkeit begründen, kennen. Für einen Dritten nachteilige Vereinbarungen sind erst dann sittenwidrig, wenn Inhalt, Beweggrund und Zweck zu missbilligen sind. Kollusives Handeln kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. Juli 2009 - 31 Ca 16773/08 - wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 31.538,00 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 25. September 2008, Vergütungsansprüche in Höhe von 1.008,-- EUR für Schulungstätigkeiten sowie die Vergütung für die Monate Oktober 2008 bis April 2009, wobei die Monate im Jahre 2009 mit Klageerweiterung vom 26. Januar 2009 (Bl. 214 d.A.) und 28. April 2009 (Bl. 244 d.A.) geltend gemacht wurden und nicht Bestandteil des Teilurteils und deshalb auch nicht Gegenstand der Berufung sind.

Der Kläger ist 51 Jahre alt (….. 1958) und unverheiratet. Er ist seit dem 1. Oktober 1997 bei der Beklagten beschäftigt Der Kläger ist ausgebildeter Arzt. Er war bei der Beklagten vom 1. Oktober 1997 bis 15. August 2003 als Copilot und seit dem 16. August 2003 als Kapitän beschäftigt. Während er bis 31. Oktober 2007 als Kapitän auf dem Flugmuster Fokker 100 eingesetzt war, war er seit dem 1. November 2007 als Kapitän einer Boing 737 eingesetzt. Er bezog zuletzt eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe CP 15 in Höhe von 4.600,-- EUR zzgl. einer Flugzulage von 2.500,-- EUR brutto. Bei der Beklagten lagen im Sommer 2008 Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gegen den Kläger im Umfang von mehr als 100.000,-- EUR vor (Bl. 92 d.A.).

Neben seiner Tätigkeit als Copilot bzw. Kapitän war der Kläger für die Beklagte mit Ausbildungsaufgaben beschäftigt. Seit dem 1. Dezember 1998 führte der Kläger First Aid Lehrgänge durch und war für das First Aid Manual verantwortlich. Dafür erhielt er eine monatliche Leistungszulage von 600,-- DM (Bl. 116 d.A.).

Zusätzlich führte der Kläger seit dem 1. Januar 2000 Flight Safety Lehrgänge durch und war für das Flight Safety Manual verantwortlich. Hierfür erhielt er zusätzlich eine monatliche Leistungszulage von zunächst 1.500,-- DM, später 760,-- EUR (Bl. 116 d.A.). Mit Wirkung vom 1. Januar 2006 entfiel die pauschale Vergütung und wurde durch eine stundenbezogene Vergütung entsprechend den tatsächlichen Stunden mit zuletzt 31,50 EUR/Std. entlohnt.

Zusätzlich führte der Kläger Grundschulungen für neue Piloten sowie Flugbegleiter durch. Flight Safety Lehrgänge umfassten ca. 5 Stunden pro Tag, die Grundschulungen dauerten für Flugbegleiter 5 Tage und für Piloten 12 Unterrichtsstunden. Bis 2002 rechnete der Kläger die Grundschulungen jedenfalls mit nicht bei der Beklagten beschäftigten Piloten direkt mit diesen mit einer Pauschalvergütung von 800,-- DM je Pilot ab. Im Sommer 2003 rechnete der Kläger gegenüber der Beklagten für die Durchführung des Flight Safety Lehrgangs F 100 gegenüber der Beklagten für 13 Teilnehmer einmalig insgesamt 2.600,-- EUR ab (Bl. 178 d.A.).

Unter dem 11. Februar 2008 (Bl. 148 d.A.), 17. März 2008 (Bl. 149 d.A) und 8. April 2008 (Bl. 150 d.A.) schlossen die Parteien insgesamt drei Darlehensverträge über jeweils 1.600,-- EUR. Diese Verträge beinhalten eine Rückzahlungsvereinbarung in Raten á 100,-- EUR sowie eine Verzinsung mit 4,5% pro Jahr. Tatsächlich erfolgten die entsprechenden Auszahlungen in Teilbeträgen von jeweils 1.001,75 EUR an eine Hausverwaltung und in Höhe von 598,25 EUR an Frau G. P. (Bl. 83 d.A.). Vom Gehalt des Klägers wurden vereinbarungsgemäß Raten einbehalten. Diese beliefen sich bis Juni auf insgesamt 600,-- EUR.

Im Sommer 2008 stellte der Kläger die Rechnung 02/2008 unter dem 15. Februar 2008 über 5.000,-- EUR (Bl. 115 d.A.) und die Rechnung 01/2008 unter dem 28. Mai 2008 über 20.000,-- EUR (Bl. 114 d.A.). Die Rechnung 02/2008 bezog sich auf Grundschulungen für insgesamt 25 Piloten nach JAR-OPS im Fachgebiet FLIGHT SAFETY im Zeitraum 18. Juni 2003 bis 11. August 2003 und die Rechnung 01/2008 auf Grundschulungen für insgesamt 244 Piloten nach JAR-OPS im Fachgebiet FLIGHT SAFETY im Zeitraum 11. August 2003 bis 24. Oktober 2006, jeweils für das Einsatzmuster Fokker 100. Beide Rechnungen wurden am 9. Juni 2008 vom damaligen Geschäftsführer der Beklagten Dr. K. S. freigegeben und ein Betrag von 20.800,-- EUR für den Kläger auf ein Rechtsanwaltsanderkonto gezahlt.

Für die Monate Juli und August 2008 rechnete der Kläger 32 Stunden Schulungen mit einer Gesamtsumme von 1.008,-- EUR ab (Bl. 50 d.A.).

Am 1. Juli 2008 wurden die beiden ehemaligen Geschäftsführer M. und Dr. S. abberufen, weil die Beklagte erhebliche Pflichtverletzungen annahm. Gegen diese läuft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren zum Geschäftszeichen Wi Js 545/08.

Am 22. August 2008 erschien der Kläger im Personalbüro der Beklagten und fragte nach dem Grund der Weigerung der Bezahlung seiner Trainerstunden in Höhe von 1.008,-- EUR. Da das Arbeitsverhältnis mit der bis dahin faktischen Leiterin der Personalabteilung Frau W. im August 2008 beendet wurde, nahm sich die Personalsachbearbeiterin A. des Vorgangs an. Sie stellte bei der entsprechenden Recherche die in einem Schreiben vom 12. September 2008 aufgeführten Sachverhalte fest.

Mit Schreiben vom 12. September 2008 (Bl. 88-91 d.A.) teilte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten dem Kläger mit, dass man zwei unberechtigte Rechnungen über insgesamt 25.000,-- EUR in den Unterlagen der Beklagten gefunden habe und die Zahlung dieser Rechnungsbeträge rechtsgrundlos erfolgt sei. Im Übrigen seien etwaige Zahlungsansprüche zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt gewesen. Weiter ist in diesem Schreiben aufgeführt, dass es drei Darlehensverträge über jeweils 1.600,-- EUR vom 11. Februar 2008, 17. März 2008 und 8. April 2008 gebe, die in Raten zu je 100,-- EUR einzubehalten vom Gehalt zurückgezahlt werden sollten. Alle Zahlungen seien aufgrund der vorliegenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse ungerechtfertigt gewesen. Die Darlehen seien bislang nicht zurückgeführt worden. Die Beklagte behalte sich arbeitsrechtliche Schritte vor. Der Kläger wurde zur Stellungnahme bis zum 24. September 2008 aufgefordert.

Nachdem eine Stellungnahme des Klägers nicht erfolgte, kündigte die Beklagte am 25. September 2008 fristlos, hilfsweise fristgemäß (Bl. 49 d.A.).

Der Kläger trägt vor, dass ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung ebenso wenig gegeben sei wie eine sachliche Rechtfertigung der ordentlichen Kündigung. Die Leistungszulage von 760,-- EUR sei ausschließlich für die Ausbildung der Stewardessen, den allg. administrativen Aufwand dieses Aufgabenbereiches, für die Erstellung der Trainingshandbücher sowie für die jährlichen Wiederholungskurse aller Piloten, Stewardessen und sonstigen Mitarbeiter gezahlt worden.

Die Vergütung für die Grundschulungen der Piloten sei davon nicht umfasst gewesen. Diese habe er wie sein Vorgänger Herr Kr. damals mit 800,-- DM je Pilot direkt abgerechnet. Dieses habe einer Absprache des Klägers mit dem damaligen Alleingesellschafter Dr. B. sowie einem Herrn Sch. entsprochen. Das sei bis zur Einführung der Fokker-100-Flotte so erfolgt. Danach sei das wegen der erheblichen Zahl der ca. 300 Neueinstellungen nicht mehr durchführbar gewesen, so dass dem Kläger in einem Gespräch mit dem Flugbetriebsleiter Dr. Schu. und einem bei der Beklagten im Flugbetrieb beschäftigten Herrn L. Ko. von Herrn Dr. Schu. erklärt worden sei, er solle zukünftig 200,-- EUR pro Pilot in Rechnung stellen. Das habe er im Juli 2003 auch entsprechend getan. Er habe sich dieser Vorgabe gebeugt, weil er gehofft habe, bei der Beklagten zukünftig als Kapitän eingesetzt zu werden. Von 2003 bis 2006 habe er 293 Piloten im Rahmen der Grundschulung ausgebildet. In den Folgejahren sei die Abrechnung aber „mit Rücksicht auf den Bestand seines Arbeitsverhältnisses“ unterblieben. Nach dem Tod von Herrn Dr. B. am 11. November 2005 habe sich niemand mehr an die Vereinbarung erinnert. Die seinerzeitigen Geschäftsführer M. und Dr. S. hätten dann mit dem Kläger aufgrund der früheren Absprache vereinbart, dass er für die 280 noch nicht abgerechneten Piloten grundsätzlich 56.000,-- EUR beanspruchen könne. Aufgrund der teilweisen Verjährung habe man sich dann auf eine Zahlung von 33.000,-- EUR geeinigt. Die gesonderte Abrechnung von 5.000,-- EUR stehe im Zusammenhang mit den drei Darlehen über je 1.600,-- EUR, die damit verrechnet worden seien. Diese Verfahrensweise sei mit Herrn Dr. S. so besprochen worden. Hintergrund dieser Gespräche sei gewesen, dass der Kläger im Frühjahr 2008 angestrebt habe, sich mit seinen Gläubigern insgesamt zu verständigen. Dazu seien erhebliche Geldsummen erforderlich gewesen.

Eine Gläubigerbenachteiligung sei bei den Vorgängen nicht zu verzeichnen gewesen, da der Kläger im Rahmen eines Vergleiches sämtliche Forderungen der Gläubiger in der Zeit vom 27. Mai 2008 bis 26. Juni 2008 beglichen habe.

Der Kläger habe auch die Geschäftsführer der Beklagten nach einem Berliner Rechtsanwalt gefragt, der ihm bei der Bereinigung der Schulden behilflich sein könne. Denn der Kläger habe seinen Lebensmittelpunkt eher in Baden-Württemberg gehabt und nicht in Berlin. Dass es sich um einen Rechtsanwalt gehandelt habe, der auch für die Beklagte tätig geworden sei, habe er nicht gewusst, sei aber auch unerheblich.

Die Beklagte erwidert, dass der Kläger keinen Anspruch auf die 25.000,-- EUR besessen habe. Es sei vereinbart gewesen, dass der Kläger für die Grundschulungen keine weitere Vergütung erhalte, sondern diese mit der monatlichen Pauschale von 760,-- EUR bzw. später mit der Stundenvergütung zu begleichen seien. Und diese Beträge seien beglichen worden. Für die Schulung der „eigenen“ Piloten habe der Kläger nie 800,-- DM je Person abgerechnet. Demgegenüber habe der Kläger die Auszahlung der Darlehensbeträge unter Verstoß gegen die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse veranlasst. Auch die vom Kläger behauptete Anzahl der geschulten Piloten sei falsch. Sie sei deutlich überhöht.

Nach der mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2009 vor dem Arbeitsgericht Berlin führte die Beklagte weiter aus, dass die Beklagte auch noch eine mit angeblichen Leistungen für die Beklagte (Beratungsleistungen zur Konzernrechnungslegung und damit verbundenen diversen steuerlichen und gesellschaftsrechtlichen Problemen) begründete Anwaltsrechnung vom 29. Mai 2008 für anwaltliche Leistungen zu Gunsten des Klägers im eigenen Namen beglichen habe. Hierbei habe es sich um einen Betrag von 7.400,-- EUR zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von 1.406,-- EUR gehandelt (Bl. 279 d.A.).

Entweder habe der Kläger in kollusivem Zusammenwirken mit den damaligen Geschäftsführern die Beklagte geschädigt oder er habe diese durch unzutreffende Äußerungen getäuscht. Beides sei als Straftat (entweder nach § 266 StGB oder nach § 263 StGB) als wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB anzusehen. Die Missachtung der Pfändungen stelle einen weiteren Straftatbestand (§ 288 StGB) dar. Denn am 9. Juni 2008 und bei Auszahlung der drei Darlehen hätten die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse noch vorgelegen.

Hinsichtlich der Forderung von 1.008,-- EUR rechne die Beklagte mit Gegenansprüchen auf. Der Kläger müsse 20.800,-- EUR an die Beklagte zurückzahlen.

Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 15. Juli 2009 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger die Grundschulungen der Piloten erbracht habe. Zwar habe der Kläger im Kammertermin erklärt, dass ihm eine Zusage, diese mit 200,-- EUR je Pilot abzurechnen, nicht gemacht worden sei, das schließe jedoch nicht aus, eine Vergütung nach §§ 675, 612 BGB dafür verlangen zu können. Da der Kläger bis Ende 2002 diese Schulungen nicht im Rahmen der Leistungszulage abgewickelt und die Beklagte im Jahre 2003 eine Rechnung des Klägers für die Grundschulungen bezahlt habe, sei die Rechtslage offen gewesen. Im Sommer 2008 habe der Kläger mit den damaligen Geschäftsführern der Beklagten über seine offenen Forderungen verhandelt und sich auf eine Zahlung von 33.000,-- EUR verständigt. Ein kollusives Handeln zum Nachteil der Beklagten sei darin nicht zu erkennen. Jedenfalls sei für den Kläger ein vorsätzliches und treuwidriges Verhalten der Geschäftsführer zum Nachteil der Beklagten nicht erkennbar gewesen, zumal ein Motiv der Geschäftsführer für ein unzulässiges Geschäft zum Nachteil der Beklagten hier nicht erkennbar sei. Soweit die Forderung des Klägers bereits verjährt gewesen sei, stehe das diesem Ergebnis auch nicht entgegen, weil auf die Einrede der Verjährung verzichtet werden könne. Der Vorwurf der Gläubigerbenachteiligung im Zusammenhang mit den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen sei ebenfalls kein wichtiger Grund für die Kündigung, denn zum Einen seien die Darlehenszahlungen davon nicht eindeutig umfasst gewesen und zum Anderen sei das der Machtbereich der Beklagten gewesen. Die Aufrechnung der Beklagten mit den 1.008,-- EUR sei unbegründet, weil nur im Nettobereich aufgerechnet werden könne. Da die Kündigung unwirksam sei, stehe dem Kläger auch seine Vergütung für die Zeit nach Zugang der Kündigung zu. Da er aber ab Januar 2009 Arbeitslosengeld bezogen habe, ohne dieses bereits näher anzugeben, könne insoweit noch nicht entschieden werden.

Gegen dieses der Beklagtenvertreterin am 14. August 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24. August 2009 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit am 28. Oktober 2009 per Telefax eingegangenem Schriftsatz begründet.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass das Arbeitsgericht die Darlegungs- und Beweislast verkannt habe. Die Beklagte habe dargelegt, dass der Kläger keinen Anspruch auf die 33.000,-- EUR gehabt und sich diesen im kollusiven Zusammenwirken mit den ehemaligen Geschäftsführern der Beklagten erschlichen habe. Dass dem Kläger diese Beträge nicht zugestanden hätten, habe auf der Hand gelegen. Sämtliche Umstände sprächen gegen das Vorliegen einer Absprache der Parteien für eine gesonderte Vergütung für die Grundschulungen. Die Aufrechnung erfolge mit dem sich aus 1.008,-- EUR ergebenden Nettobetrag. Der Kläger habe auch nicht 800,-- DM je Schulung für bei der Beklagten beschäftigten Piloten abgerechnet.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. Juli 2009, Az. 31 Ca 16773/08 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit über sie durch das Teilurteil entschieden worden war.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er weist darauf hin, dass die Beklagte nicht hinreichend zwischen den verschiedenen Schulungen differenziert habe. Der Kläger habe die Grundschulungen auch mit den neu eingestellten Piloten mit 800,-- DM je Pilot direkt abgerechnet. Ein Kündigungsgrund, insbesondere ein kollusives Zusammenwirken mit den ehemaligen Geschäftsführern habe es nicht gegeben. Er habe einen Anspruch auf Vergütung für die Schulungen auch ohne ausdrückliche schriftliche oder mündliche Vereinbarung entsprechend §§ 675, 612 BGB besessen. Aufgrund der Begleichung der Rechnung des Klägers im Jahre 2003 sei stillschweigend eine Vergütung von 200,-- EUR je Pilot vereinbart worden. Im Frühjahr 2008 habe er sich an die damaligen Geschäftsführer der Beklagten gewandt, um an Geld zu kommen, um sich mit seinen Gläubigern zu verständigen. Zuvor habe er die Forderungen nicht geltend gemacht, weil er in dem patriarchisch geführten Unternehmen seine Karriere nicht habe gefährden wollen. Er habe nach Beginn der Tätigkeit als Kapitän einer Fokker 100 auf eine Tätigkeit als Kapitän einer Boeing gehofft. Dass die ihm zustehende Forderung teilweise verjährt gewesen sei, sei mit der Reduzierung von 56.000,-- EUR auf 33.000,-- EUR hinreichend berücksichtigt worden. Die seinerzeitigen Teilnehmerlisten seien den Rechnungen beigefügt gewesen. Die Gespräche mit den Geschäftsführern hätten sich fast ein halbes Jahr hingezogen. Die etwaige Zahlung unter Missachtung der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse liege allein im Machtbereich der Beklagten. Sofern die Anwaltsrechnung falsch deklariert worden sei, stehe das auch in keinem Zusammenhang mit dem Kläger, sondern betreffe allein das Verhältnis der Beklagten und des Anwalts. Die Aufrechnung gehe ins Leere, da es sich nicht um gleichartige Forderungen handele. Die Darlegungs- und Beweislast habe das Arbeitsgericht zutreffend bewertet, eine - notwendige - vorherige Abmahnung des Klägers sei nicht erfolgt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung der Beklagten vom 28. Oktober 2009, den Schriftsatz der Beklagten vom 15. Januar 2010 sowie auf die Berufungsbeantwortung des Klägers vom 16. Dezember 2009 und das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht der Klage im Umfang des Teilurteils stattgegeben.

1.

Die ordentliche Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 1, 2 KSchG sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam. Sie ist nicht durch ein Fehlverhalten des Klägers bedingt, das einer Weiterbeschäftigung des Klägers in dem Betrieb der Beklagten entgegensteht. Auch ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB liegt nicht vor.

1.1

Nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer es dem Kündigenden unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen (§ 626 Abs. 1 BGB). Dabei ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht (vgl. etwa BAG, Urteil vom 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07; Urteil vom 27. April 2006 – 2 AZR 386/05; Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04).

1.1.1

Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Vereinbarungen, welche Angestellte, Bevollmächtigte oder sonstige Vertreter einer Partei im Einverständnis mit dem Vertragsgegner zum eigenen Vorteil „hinter dem Rücken“ des Geschäftsherrn und zu dessen Schaden treffen, gegen die guten Sitten verstoßen und nichtig sind (vgl. etwa LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. August 2009 - 11 Sa 147/09; BAG, Urteil vom 29. Januar 1997, 2 AZR 472/96; OLG Hamm, Urteil vom 18. November 1996 - 31 U 42/96; BGH, Urteil vom 25. Juni 1986 - IVa ZR 234/84). Die gleiche Folge gilt, wenn der Vertreter zum ungerechtfertigten Vorteil naher Angehöriger oder sonstiger mit ihm verbundener Dritter handelt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Drittschädigung „Hauptzweck“ des Vertrages ist (BGH, Urteil vom 25. Januar 1973 - II ZR 139/71). Unerheblich ist auch, ob die kolludierenden Beteiligten miteinander einen Vertrag geschlossen haben oder ob ihr Zusammenwirken unterhalb der rechtsgeschäftlichen Ebene liegt und beispielsweise auf das Zustandekommen eines Vertrages gerichtet ist, durch dessen Abschluss der benachteiligte Dritte sich selbst schädigt (BGH, Urteil vom 18. Februar 2003 - X ZR 245/00).

Die Sittenwidrigkeit einer vertraglichen Vereinbarung zu Lasten Dritter setzt aber stets voraus, dass beide Vertragsparteien die Tatsachen, die die Sittenwidrigkeit begründen, gekannt haben (BGH, Versäumnisurteil vom 10. Januar 2007 - XII ZR 72/04). Dass sich eine zwischen zwei Parteien vereinbarte Regelung für einen Dritten wirtschaftlich nachteilig auswirkt, macht die Vereinbarung allein nicht zu einem Vertrag zulasten Dritter im Rechtssinne (BGH, Urteil vom 6. Februar 2009 - V ZR 130/08). Die Frage der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB beurteilt sich vielmehr danach, ob die nachteilige Wirkung nach Inhalt, Beweggrund und Zweck in einer Weise zu missbilligen ist, dass es dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht (BGH, Urteil vom 6. Februar 2009 - V ZR 130/08). Das ist erst anzunehmen, wenn Absprachen hinter dem Rücken und zu Lasten des Vertretenen, dessen Interessen der Vertretungsberechtigte wahrzunehmen hat, einfachsten und grundlegenden Regeln geschäftlichen Anstandes und kaufmännischer guter Sitte widersprechen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1988 - VI ZR 233/87).

1.1.2

Ein kollusives Handeln im vorstehenden Sinne stellt in der Regel einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gegenüber den an der Kollusion Beteiligten jedenfalls dann dar, wenn dieses zu einer erheblichen Schädigung des Vertretenen führt. Darlegungs- und beweispflichtig für die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände ist der kündigende Arbeitgeber (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2008 - XII ZR 157/06). Selbst wenn die objektiven Gegebenheiten eines Geschäfts einen Rückschluss auf die subjektive Einstellung vermuten lassen sollten, macht es die Darlegung der näheren Umstände, aus denen sich die subjektive Sittenwidrigkeit ergibt nicht entbehrlich.

1.1.3

Die Vereinbarung der ehemaligen Geschäftsführer der Beklagten mit dem Kläger als Arbeitnehmer der Beklagten ist - bei vorläufiger Unterstellung des Sachvortrags der Beklagten - objektiv nachteilig für die Beklagte. Denn dann haben die Geschäftsführer der Beklagten die Beklagte zu Zahlungen veranlasst, für die kein Grund bestand. Der Inhalt des Geschäftes wäre danach zu missbilligen. Objektiv kam - bei vorläufiger Unterstellung des Sachvortrags des Klägers - ein langjährig beschäftigter und erheblich überschuldeter Arbeitnehmer, der seit vielen Jahren zusätzliche Leistungen für die Beklagte in erheblichem Umfang erbrachte, zu den damaligen Geschäftsführern der Beklagten, um Unterstützung bei seiner wirtschaftlichen Sanierung zu erbitten. Es mag zwar üblich sein, dass in einem solchen Fall nur ein Darlehen des Arbeitgebers zur Verfügung gestellt wird, aber die Unterstützung eines Arbeitnehmers in dieser Situation an sich ist kein ungewöhnlicher und erst recht kein einfachsten und grundlegenden Regeln geschäftlichen Anstandes widersprechendes Verhalten, auch nicht bei Zahlung eines erheblichen Geldbetrages. Es ist vielmehr im Rahmen eines langjährigen Arbeitsverhältnisses durchaus anständig, einen Arbeitnehmer bei der Entschuldung zu unterstützen.

Da es sich aber um eine - zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits - streitige und teilweise verjährte Forderung handelte, mag der Inhalt des Geschäfts dennoch auf eine Sittenwidrigkeit der Zahlung hindeuten. Das gilt jedenfalls im Zusammenhang mit der verschleiernd beglichenen Anwaltsrechnung für den Kläger durch die Beklagte. Damit dieses Geschäft aber dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht, kommt es auf die Beweggründe und den Zweck der Vereinbarung an. Dazu fehlt jedoch näherer Vortrag der Beklagten. Es ist bis zum Schluss unklar geblieben, welches - gegebenenfalls zu missbilligende - Interesse die ehemaligen Geschäftsführer mit der zugesagten Zahlung an den Kläger über die Unterstützung eines hoch verschuldeten Arbeitnehmers hinaus verfolgt haben sollen.

1.1.4

Selbst wenn die damaligen Geschäftsführer der Beklagten das Geschäft mit dem Kläger aus missbilligenden Beweggründen und zu einem missbilligenden Zweck durchgeführt haben sollten, bedarf die Wirksamkeit der Kündigung des Klägers eines erheblichen Tatbeitrags des Klägers, um bei ihm eine Kollusion anzunehmen.

Nach der unwiderlegten Behauptung des Klägers hat dieser sich in einer hoch verschuldeten Lage an die Geschäftsführer seines Arbeitgebers gewandt und unter Berufung auf - zumindest im Grundsatz - unstreitig über Jahre erbrachte Sonderleistungen eine gesonderte Vergütung zu erlangen, wie sie ihm bis 2003 unstreitig gewährt worden war. Die Geschäftsführer der Beklagten haben sich auf die diesbezüglichen Verhandlungen mit dem Kläger eingelassen und zum Abschluss gebracht. Dabei haben sie dem Kläger nicht nur die von ihm verlangte Summe von zunächst 56.000,-- EUR nicht vollständig zugesagt. Sie haben vielmehr selbst die dann vereinbarte Summe von 33.000,-- EUR nicht vollständig an den Kläger ausgezahlt, sondern die Rückzahlungsverpflichtungen des Klägers an die Beklagte aus drei Darlehensvereinbarungen verrechnet. Auch haben sie die Anwaltskosten für den auch für die Beklagte tätigen und von den Geschäftsführern der Beklagten empfohlenen Anwalt des Klägers direkt beglichen, so dass dort jedenfalls keine weitere offene Schuld des Klägers entstand. Bei dieser Sachlage konnte die Kammer nicht annehmen, dass die Vereinbarung für den Kläger ersichtlich „hinter dem Rücken“ der Beklagten und zu deren Schaden getroffen worden war und damit gegen die guten Sitten verstieß und nichtig wäre.

1.2

Ist schon die außerordentliche Kündigung mangels des Vorliegens eines wichtigen Grundes unwirksam, ergibt sich aus den gleichen Gründen eine Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung. Denn ein - erhebliches - Fehlverhalten des Klägers, dass eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung sozial rechtfertigen könnte, konnte die Kammer danach nicht feststellen.

2.

Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung kann der Kläger die regelmäßige Vergütung für die Zeit nach Ausspruch der Kündigung verlangen. Gesonderte Angriffe dagegen enthält die Berufungsbegründung nicht.

3.

Auch die Aufrechnung der Beklagten mit der im Grundsatz unstreitigen Forderung des Klägers über 1.008,-- EUR für unstreitig geleistete Schulungen geht nach wie vor ins Leere.

Eine zulässige Aufrechnungserklärung liegt nicht im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 21. Januar 2009. Die formelle Zulässigkeit der Aufrechnung erfordert nämlich die genaue Individualisierung sowohl der Aktivforderung, mit der aufgerechnet wird (LAG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2007 - 12 Sa 306/07; OLG Köln, Urteil vom 10. November 2004 - 2 U 168/03) als auch der Passivforderung, gegen die aufgerechnet wird (OLG Köln, Urteil vom 10. November 2004 - 2 U 168/03). Dies folgt daraus, dass bei einer Geltendmachung der Aufrechnung einer Entscheidung des Gerichts, dass die Gegenforderung nicht bestehe, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht wurde, nach § 322 Abs. 2 ZPO Rechtskraft zukommt (Hessisches LAG, Urteil vom 11. September 2008 - 20 Sa 1616/07). Es muss also bestimmt oder zumindest im Wege der Auslegung zweifelsfrei bestimmbar sein, mit welcher von ihm in Anspruch genommenen Forderung der Aufrechnende die Aufrechnung erklären will. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.

Während der Aufrechnungserklärung der Beklagten erstinstanzlich schon nicht zu entnehmen war, ob sie mit den Bruttovergütungsansprüchen oder mit den hierauf entfallenden Nettovergütungsansprüchen aufrechnen will und es damit an der Gegenseitigkeit der Forderungen fehlte, ergab sich auch aus der Klarstellung in der Berufungsbegründung zwar jetzt die Gegenseitigkeit zweier Nettoforderungen, aber nicht die Höhe des aufgerechneten Betrages. Aus den Angaben der Aufrechnungserklärung ist nach wie vor nicht erkennbar, in welcher Höhe die Beklagte hier eine Forderung für sich in Anspruch nimmt. Hierzu hätte es einer Abrechnung bedurft, aus der das Gericht den konkreten aus 1.008,-- EUR brutto sich ergebenden Nettobetrag hätte erkennen können.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs.2 ArbGG kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.