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ZRBG - Rückwirkung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 27. Senat Entscheidungsdatum 18.12.2013
Aktenzeichen L 27 R 302/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 44 Abs 4 SGB 10

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. März 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die rückwirkende Gewährung einer höheren Rente unter Berücksichtigung weiterer Zeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) bereits zum 1. Januar 1997 statt, wie zwischenzeitlich anerkannt, zum 1. Januar 2005.

Der 1927 geborene Kläger ist israelischer Staatsangehöriger und Verfolgter im Sinne des Bundesgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung - Bundesentschädigungsgesetz (BEG) -.

Er bezieht aufgrund Bescheides der Beklagten vom 13. November 1992 eine Regelaltersrente seit dem 1. November 1992. Mit Bescheid vom 12. Februar 2002 stellte die Beklagte die Rente wegen Hinzutretens einer Ersatzzeit vom 1. Januar 1947 bis zum 31. Dezember 1949 neu fest.

Mit Antrag vom 26. März 2010 machte der Kläger unter Berücksichtigung weiterer Zeiten auf der Grundlage des ZRBG die Neufeststellung seiner Rente geltend und trug vor, dass er in der Zeit ab dem 15. April 1944 in U in einem Ghetto gearbeitet habe.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2010 stellte die Beklagte die Rente unter Berücksichtigung der Zeit vom 16. April bis zum 1. Juni 1944 als Zeiten einer Beschäftigung in einem Ghetto mit der Gewährung eines höheren Zahlbetrages ab dem 1. Januar 2005 neu fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 18. Januar 2011, mit dem er die Gewährung einer höheren Rente bereits ab dem 1. Januar 1997 unter Verweis auf das ZRBG geltend machte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2012 zurück. Mit Blick auf § 44 Abs. 4 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) komme eine rückwirkende Feststellung längstens für einen Zeitraum von 4 Jahren in Betracht. Als Zeitpunkt der Stellung eines Überprüfungsantrages gelte hier der Tag der Verkündung der Entscheidung des Bundessozialgerichts, mit der eine erweiternde Auslegung des ZRBG erfolgt sei, mithin der 4. Juni 2009. Die Rente sei daher ab dem 1. Januar 2005 neu festzustellen gewesen. Eine mögliche Rückwirkung der Neufeststellung auf den 1. Juni 1997 sei nur in den Fällen möglich, in denen ein Rentenantrag noch nicht bestandskräftig geworden sei.

Die hiergegen am 17. September 2012 erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 28. März 2013 unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheides abgewiesen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X bestünden nicht. Aus diesem Grund sei auch kein Raum für ein Ruhen oder Aussetzen des Verfahrens.

Gegen den ihm am 9. April 2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25. April 2013 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Zur Begründung trägt er vor, dass gegen Entscheidungen des Bundessozialgerichts, mit denen die Begrenzung einer Rückwirkung auf den Zeitraum von 4 Jahren für rechtmäßig erachtet worden sei, Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht anhängig seien. Auch gäbe es gesetzgeberische Bestrebungen die Rechtslage abzuändern, so dass das Verfahren ruhend gestellt werden sollte.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. März 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2012 zu verurteilen, die Rentenbescheide vom 13. November 1992 und vom 12. Februar 2002 zu ändern und dem Kläger eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom 16. April bis zum 1. Juni 1944 als Ghetto-Beschäftigungszeiten auch für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezognene Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger weder zum Termin zur mündlichen Verhandlung selbst erschienen noch vertreten war. Denn der Kläger ist ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist zutreffend. Denn der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom 16. April bis zum 1. Juni 1944 als Ghetto-Beschäftigungszeiten auch für die Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2004.

Dem Anspruch des Klägers steht die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X entgegen. Danach werden Sozialleistungen nach den Vorschriften des besonderen Teils dieses Gesetzbuches in Fällen, in denen ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor Beginn des Jahres der erfolgten Rücknahme des Verwaltungsaktes erbracht. Dies zu Grunde gelegt, kann der Kläger nicht erfolgreich die Berücksichtigung der festgestellten Ghetto-Beschäftigungszeiten für die Zeit der Rentengewährung vor dem 1. Januar 2005 verlangen.

Bei dem Antrag des Klägers vom 26. März 2010 handelt es sich um einen Überprüfungsantrag im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X. Denn der Kläger begehrt mit ihm die Überprüfung bestandskräftiger Rentenbescheide des Beklagten für die Vergangenheit, weil rechtsfehlerhaft Ghetto-Beitragszeiten auf der Grundlage des ZRBG nicht berücksichtigt und deswegen Sozialleistungen – hier in Form einer höheren Regelaltersrente – nicht erbracht worden seien. Soweit die Beklagte diesem Antrag mit Blick auf die geänderte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu einer erweiternden Auslegung des ZRBG im Sinne der betroffenen Opfer des Nationalsozialismus (vgl. Urteile des BSG u. a. vom 2. Juni 2009 - B 13 R 81/08 R - und vom 3. Juni 2009 - B 5 R 26/08 R -) entsprochen hat, ist die rückwirkende Neuberechnung der dem Kläger zustehende Rente unter Berücksichtigung der Ghettozeiten zu Recht aufgrund des § 44 Abs. 4 SGB X zeitlich befristet worden. Da die Beklagte von einem mit Verkündung vorgenannter Entscheidungen eingeleiteten Überprüfungsverfahrens von Amts wegen bereits im Jahre 2009 ausgeht - und nicht erst aufgrund des von dem Kläger selbst gestellten Antrages im Jahre 2010 -, scheidet die Gewährung einer höheren Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten jedenfalls für die Zeit vor dem 1.Januar 2005 aus.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in Überprüfungsfällen auch der vorliegenden Art geltende Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X bestehen nicht. Insbesondere liegt keine gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoßende Ungleichbehandlung mit der Personengruppe vor, deren Rentenverfahren im Zeitpunkt der Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 2./3. Juni 2009 noch nicht abgeschlossen waren und die mit Blick auf eine Antragstellung bis zum 30. Juni 2003 nach § 3 ZRBG eine rückwirkende Berücksichtigung der Ghetto-Beitragszeiten im Falle einer Rentengewährung bereits mit Inkrafttreten des ZRBG am 1. Juli 1997 erfolgreich geltend machen kann. Die Ungleichbehandlung mit der Personengruppe des Klägers, deren Rentenverfahren vor dem 2./3. Juni 2009 bestands- bzw. rechtskräftig abgeschlossen war, rechtfertigt sich durch das Vorliegen einer bestandskräftigen bzw. rechtskräftigen Entscheidung (vgl. hierzu: BSG, Urteile vom 8. Februar 2012 - B 5 R 38/11 R - und vom 7. Februar 2012 - B 13 R 40/11 R -). Soweit der Kläger darauf verweist, dass gegen die vorgenannte Auffassung bestätigende, gleichgelagerte Entscheidungen des Bundessozialgerichts Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgerichts anhängig seien, sieht der Senat keine Veranlassung das Verfahren auszusetzen oder ruhend zustellen. Denn mit Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juni 2013 - 1 BvR 1008/12 - und vom 2. Juli 2013 - 1 BvR 1444/12 – sind Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen des Bundessozialgerichts in gleichgelagerten Fällen nicht zur Entscheidung angenommen worden.

Ist es mithin allein Sache des Gesetzgebers, die Nichtanwendbarkeit des § 44 Abs. 4 SGB X im hier maßgeblichen Zusammenhang nachträglich anordnen zu können, liegen dem Senat keinerlei Erkenntnisse vor, dass der Gesetzgeber gegenwärtig oder zumindest in absehbarer Zeit beabsichtigt, eine Änderung der Rechtslage herbeizuführen. Anlass, das Verfahren auszusetzen oder ruhend zustellen, besteht daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht.

Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten, § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs.2 SGG nicht gegeben sind.