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AVTI-Zeiten - VEB BMK Ost - Betrieb Projektierung - Betriebsteil Schönefeld


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 16. Senat Entscheidungsdatum 16.02.2013
Aktenzeichen L 16 R 355/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 5 AAÜG

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin im gesamten Verfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist noch, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für den Zeitraum vom 1. Mai 1973 bis 15. März 1985 Zeiten der Zugehörigkeit der Klägerin zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVTI) sowie die entsprechenden Arbeitsentgelte einschließlich gezahlter Jahresendprämien festzustellen.

Die 1947 geborene Klägerin erwarb nach Besuch der Ingenieurschule für Bauwesen in der Fachrichtung Tiefbau die Berechtigung, die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ (Urkunde vom 31. Juli 1970), und nach postgradualem Weiterbildungsstudium an der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik B die Berechtigung, die Bezeichnung „Fachingenieur für Datenverarbeitung“ zu führen (Urkunde vom 25. Juni 1974). Die Klägerin war ab 1. Juni 1970 bei dem Volkseigenen (VE) Bau- und Montagekombinat (BMK) Ost, Betrieb Projektierung, Betriebsteil (BT) Industrieprojektierung (Ipro) Schönefeld, der am 14. Januar 1971 als Volkseigener Betrieb (VEB) BMK Ost, Betrieb Projektierung Frankfurt (Oder) mit dem Betriebsteil Ipro Schönefeld in das Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen wurde und ab 1. Januar 1981 als VEB BMK Ost, Betrieb Forschung, Projektierung, Technologie Frankfurt (Oder), BT Schönefeld firmierte (im Folgenden: VEB BMK Ost Ipro Schönefeld) als „Organisator III“, „Organisator I“, „Problem-Analytiker I“, „Koordinierungsingenieur“, „Problemanalytiker“ bzw „Leitingenieur Wissenschaft und Technik“ bis 15. März 1985 beschäftigt; auf den Arbeitsvertrag vom 25. Mai 1970 und die (13) Änderungsverträge wird Bezug genommen. Durch Überleitungsvertrag zwischen dem VEB BMK Ost Kombinatsleitung, dem VEB BMK Ost Ipro Schönefeld Betrieb und der Klägerin wurde der bisherige Arbeitsvertrag aufgelöst; die Klägerin war ab 16. März 1985 bei dem VEB BMK Ost Kombinatsleitung als „Leitingenieur EDV“ tätig. In die freiwillige Zusatzrentenversicherung (FZR) der DDR war die Klägerin nicht einbezogen. Sie hatte auch keine Versorgungszusage erhalten.

Die Beklagte hatte den Antrag der Klägerin zur Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften zunächst mit Bescheid vom 2. Juni 2008, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 25. August 2008, abgelehnt.

Im Klageverfahren bei dem Sozialgericht (SG) Berlin hat die Beklagte die Anwendbarkeit des AAÜG, die Zeit vom 16. März 1985 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit der Klägerin zur AVTI sowie die entsprechenden Arbeitsentgelte festgestellt (Bescheid vom 27. Juli 2011). Mit ihrer Klage hat die Klägerin zuletzt die Berücksichtigung von AVTI-Zugehörigkeitszeiten nebst den erzielten Arbeitsentgelten einschließlich gezahlter Jahresendprämien vom 1. Juni 1970 bis 15. März 1985 festgestellt. Sie sei berechtigt gewesen, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen und erfülle somit sowohl die persönlichen als auch die sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in die AVTI. Bei dem VEB BMK Ost habe es sich um einen zentral geleiteten einheitlichen Konzern gehandelt, der nicht in rechtlich selbständige Betriebsteile aufgespalten gewesen sei. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 23. Februar 2012). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Eine Vormerkung der in Rede stehenden Zeiten als AVTI-Zeiten gemäß § 5 Abs. 1 AAÜG scheide schon deshalb aus, weil die betriebliche Voraussetzung hierfür nicht vorliege. Bei dem Beschäftigungsbetrieb der Klägerin habe es sich nicht um einen VEB der Industrie oder des Bauwesens gehandelt, sondern um einen – auch nicht gleichgestellten – Projektierungsbetrieb (Bezugnahme auf LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Januar 2007 – L 22 R 742/06 – juris).

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens ihr Begehren weiter. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 2013 weitere Zugehörigkeitszeiten der Klägerin zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG vom 1. August 1970 bis 30. April 1973 nebst Vormerkung der insoweit erzielten tatsächlichen Entgelte anerkannt. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 23. Februar 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 2. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2008 und in der Fassung des Bescheides vom 27. Juli 2011 zu verpflichten, auch die Zeit vom 1. Mai 1973 bis 15. März 1985 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte einschließlich gezahlter Jahresendprämien festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Die von der Klägerin erhobene Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.

Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 , Abs. 1 und 2 AAÜG in Verbindung mit § 5 AAÜG den Zeitraum vom 1. Mai 1973 bis 15. März 1985 sowie die während dieser Zeit erzielten Entgelte als Zeit der Zugehörigkeit zur AVTI feststellt.

Im Verfahren nach § 8 AAÜG, das einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) ähnelt und außerhalb des Rentenverfahrens durchzuführen ist (vgl. Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 18. Juli 1996 - 4 RA 7/95 - juris), ist die Beklagte nur dann zu den von der Klägerin begehrten Feststellungen verpflichtet, wenn diese dem persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG nach § 1 Abs. 1 unterfällt und Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, die einem Zusatzversorgungssystem, hier der AVTI, zuzuordnen sind (§ 5 AAÜG).

Die Beklagte hat zwar mit Feststellungsbescheid vom 27. Juli 2011 das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 AAÜG anerkannt. Die von der Klägerin nun noch geltend gemachte Beschäftigungszeit vom 1. Mai 1973 bis 15. März 1985 ist jedoch nicht der AVTI gemäß § 5 AAÜG zuzuordnen, denn diese Beschäftigung erfüllt nicht die Voraussetzungen der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (VO-AVTI) sowie der 2. Durchführungsbestimmung zur AVTI vom 24. Mai 1951 (2. DB). Danach liegt eine Zeit der Zugehörigkeit zu dem Versorgungssystem der AVTI nur vor, wenn die Klägerin 1. die Berechtigung hatte, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und 2. eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat (sachliche Voraussetzung), und zwar 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung; vgl. hierzu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 6 S. 40 und Nr. 8 S. 74; Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 32/01 R – juris). Dabei sind die jeweiligen Versorgungsordnungen iVm den einschlägigen Durchführungsbestimmungen sowie den sonstigen, sie ergänzenden bzw. ausfüllenden abstrakt-generellen Regelungen lediglich faktische Anknüpfungspunkte dafür, ob in der DDR nach dem Stand der Versorgungssysteme am 30. Juni 1990 (vgl. § 5 Abs. 2 AAÜG) eine Beschäftigung ihrer Art nach von einem Versorgungssystem erfasst war. Es kommt insoweit weder auf die Auslegung der Versorgungsordnungen durch die Staatsorgane der DDR noch auf deren Verwaltungspraxis an (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 3 S. 22; BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R – juris).

Mit ihrer Beschäftigung in der Zeit vom 1. Mai 1973 bis 15. März 1985 erfüllte die Klägerin, die seit dem 31. Juli 1970 berechtigt ist, die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ zu führen, jedenfalls nicht die betriebliche Voraussetzung für eine Zeit der Zugehörigkeit zur AVTI. Denn sie war im streitbefangenen Zeitraum weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB) noch in einem gleichgestellten Betrieb (§ 1 Abs. 2 der 2. DB) beschäftigt, sondern in einem Projektierungsbetrieb.

Ob die betriebliche Voraussetzung erfüllt ist, bestimmt sich danach, wer Arbeitgeber im rechtlichen Sinne war (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 20/03 R = SozR 4-8570 § 5 Nr. 3). Beschäftigungsbetrieb der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum war nach dem Arbeitsvertrag vom 25. Mai 1970 und den nachfolgenden Änderungsverträgen der VEB BMK Ost Ipro Schönefeld. Die VEB waren, auch wenn sie wie der VEB BMK Ost Ipro Schönefeld einem Kombinat angehörten, jedenfalls nach der zum 1. Mai 1973 in Kraft getretenen Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der VEB, Kombinate und Vereinigungen Volkseigener Betriebe vom 28. März 1973 (GBl. I S. 129) rechtsfähig geworden, führten einen eigenen Betriebsnamen und traten unter diesem Namen im Rechtsverkehr auf (vgl. § 9 Abs. 1). Dementsprechend konnte der VEB BMK Ost Ipro Schönefeld jedenfalls ab 1. Mai 1973 als Arbeitgeber im Rechtssinne auftreten und ist als solcher auch gegenüber der Klägerin in Erscheinung getreten. Angesichts des zwischen dem VEB BMK Ost Ipro Schönefeld und der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum unterhaltenen Arbeitsverhältnisses ist es nicht entscheidungserheblich, ob es sich bei dem VEB BMK Ost um einen zentral geleiteten einheitlichen Konzern gehandelt hatte. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass der als Arbeitgeber der Klägerin fungierende VEB BMK Ost Ipro Schönefeld Betrieb wegen der ihm sein Gepräge gebenden Projektierungstätigkeit kein Produktionsbetrieb des Bauwesens war. Dieser Betrieb stellte nicht in „fordistischer“ Weise massenhaft baulichen Anlagen her, sondern befasste sich im Wesentlichen, was der Begriff Projektierung hinreichend erhellt, mit der Planung und Vorbereitung baulicher Maßnahmen oder sonstiger Investitionsaufgaben. Dass beim Arbeitgeber der Klägerin - anders als in anderen dem VEB BMK Ost angehörenden Betrieben - keine nennenswerte Bautätigkeit ausgeübt wurde, ergibt sich ferner mit aller Deutlichkeit aus der von der Klägerin bei Gericht eingereichten und 1989 unter der Überschrift „ 20 Jahre unserer Arbeit im Büro für Projektierung des Bauwesens“ verfassten Festzeitschrift des VEB BMK Ost Ipro Schönefeld. In dieser Publikation wird daraufhin gewiesen, dass die Mitarbeiter dieses Betriebes zunächst mit der Projektierung des „Luftkreuzes Europas“ befasst waren und im weiteren Verlauf auf „20 Jahre Projektierungsleben“ zurückblicken konnten. Der Auffassung der Klägerin, Bauprojektierung und Ausführung könnten nicht getrennt werden, ist das BSG mit Urteil vom 28. September 2011 - B 5 RS 8/10 R - juris) in einer zu einem Projektierungsbetrieb eines Kombinats ergangenen Entscheidung entgegen getreten und hat ausgeführt, es entspreche seiner ständigen Rechtsprechung, dass nur solche Betriebe die betriebliche Voraussetzung erfüllen, denen unmittelbar industrielle Massenproduktion – und nicht bloße Vorbereitungshandlungen - das Gepräge geben. Dieser Rechtsprechung folgt der erkennende Senat.

Bei dem VEB BMK Ost Ipro Schönefeld handelte es sich schließlich auch nicht um einen nach § 1 Abs. 2 der 2. DB den volkseigenen Produktionsbetrieben gleichgestellten Betrieb (ebenso: LSG Berlin Brandenburg, Urteile vom 23. September 2009 – L 22 R 540/08 -, vom 3. Juni 2010 – L 30 R 294/06 -, Beschluss vom 16. Oktober 2009 – L 12 R 1138/05 - ). Insbesondere kommt eine Einstufung als Konstruktionsbüro oder als Forschungsinstitut bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Hauptzweck des Beschäftigungsbetriebs der Klägerin die Projektierung im oben dargestellten Sinne und damit nicht ausschließlich oder zumindest hauptsächlich die Forschung oder die – im staatlichen Sprachgebrauch der DDR von der Projektierung deutlich abgegrenzte (vgl. Definitionen im „Ökonomischen Lexikon“ der DDR, 3. Aufl. 1979) -Konstruktion war. Die in der Versorgungsordnung nicht genannten Projektierungsbetriebe waren in der DDR nicht identisch mit den ausdrücklich gleichgestellten Konstruktionsbüros. Einer Einbeziehung von Projektierungsbetrieben durch eine den Text der Versorgungsordnung erweiternde Auslegung steht das aus dem Neueinbeziehungsverbot des Einigungsvertrages folgende Analogieverbot entgegen (vgl zu einem Projektierungsbüro BSG, Urteil vom 7. September 2006 – B 4 RA 41/05 R = SozR 4-8570 § 1 Nr 11).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Absatz 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.