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(Eingruppierung einer Medizincontrollerin)


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 13. Kammer Entscheidungsdatum 21.05.2010
Aktenzeichen 13 Sa 1/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 1 TVG, § 4 TVG, TVöD

Leitsatz

Eine Medizincontrollerin, die Widersprüche des MDK selbstständig bearbeitet, ist in Vergütungsgruppe EG 8 TVöD einzugruppieren

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 19. August 2009 - 6 Ca 2220/08 – teilweise abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.04.2006 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe EG 8 TVöD und auf die jeweiligen Differenzbeträge Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.11.2008 und sodann ab jeweiliger Fälligkeit zu zahlen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/36, die Beklagte 35/36.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin, die als Sachbearbeiterin im Medizincontrolling und Qualitätsmanagements eines Krankenhauses beschäftigt ist, begehrt eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 TVöD und damit inzident nach der Vergütungsgruppe V c BAT-O. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft einzel-vertraglicher Vereinbarung der BAT-O bzw. der TVöD Anwendung (vgl. den 1. Änderungsvertrag vom 29.12.1994/04.01.1995, Bl. 8 d. A. in Kopie [Vgr. V c] und den 2. Änderungsvertrag vom 07.03.2006/09.03.2006, Bl. 9 d. A. [Entgeltgruppe 6]).

Das Arbeitsgericht Potsdam hat der Eingruppierungsklage der Klägerin stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die arbeitsvertragliche Bezugnahme die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (VKA) Anwendung fänden. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVÜ VKA werde für die Überleitung der Beschäftigten ihre Vergütungsgruppe nach der Anlage 1 zum TVÜ VKA den Entgeltgruppen des TVöD zugeordnet. Dieser Anlage gemäß entspreche die überkommene Vergütungsgruppe VI b der Anlage 1 a zum BAT-O der Entgeltgruppe 6 TVöD und die überkommene Vergütungsgruppe V c BAT-O der Entgeltgruppe 8 TVöD.

Gemäß § 22 BAT-O erhalte der Angestellte eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe, in die er eingruppiert sei. Die Eingruppierung richte sich dabei nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung. Deshalb komme es entscheidend darauf an, dass bei der auszuübenden Tätigkeit zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfielen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllten. Unter einem Arbeitsvorgang im Sinne des § 22 Abs. 2 BAT sei unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer vernünftigen, sinnvollen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen. Bei der Prüfung, welche Arbeitsvorgänge in einer Tätigkeit anfielen, komme es entscheidend auf die jeweiligen Arbeitsergebnisse an.

Der für die Bewertung der vorliegend maßgeblichen Arbeitsvorgänge und für die Eingruppierung der Klägerin bedeutsamen und damit für die Auslegung des Antrags maßgebenden Tätigkeitsmerkmale des Teils 1 (Allgemeiner Teil) der Anlage 1 a zum BAT lauteten:

„Vergütungsgruppe V c

1 a

Angestellte im Büro-, Buchhalterei, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert.

(Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung (des Betriebes), bei der der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muss aber so gestaltet sein, dass er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann. Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anwendung nicht erfüllen.)

1 b

Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und mindestens zu einem Drittel selbständige Leistungen erfordert.

(Die Klammerzusätze zu Fallgruppe 1 a geltend.)

Vergütungsgruppe VI b“

Es müssten regelmäßig die Anforderungen des tariflichen Tätigkeitsmerkmals durch mindestens die Hälfte der die gesamte Arbeitszeit des Angestellten ausführenden Arbeitsvorgänge erfüllt sein. Bei Fallgruppen, die – wie die vorliegende – in der Weise aufeinander aufbauten, dass eine Anforderung des niedrigeren bewerteten Tätigkeitsmerkmals von dem höher bewerteten in einem quantitativ höheren Maße gegeben sein müsse oder dass allein eine zusätzliche Anforderung gestellt werde, sei zunächst zu prüfen, ob der Angestellte die allgemeinen Anforderungen der niedrigeren Vergütungsgruppe – hier der Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 1 a – erfülle, und anschließend, ob die Merkmale der darauf aufbauenden höheren Vergütungsgruppen – hier der Vergütungsgruppe VI b (Fallgruppe 1 a) und Vergütungsgruppe V c (Fallgruppe 1 b und 1 a) vorlägen. Bei der Prüfung sei von dem Begriff des Arbeitsvorgangs im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BAG auszugehen, der als eine unter Heranziehung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten definiert sei. Bei der Prüfung, welche Arbeitsvorgänge in einer Tätigkeit anfielen, komme es entscheidend auf die jeweiligen Arbeitsergebnisse an.

Die Beklagte gehe von der durch eine externe Prüfung vorgenommenen Bewertung aus dem Jahre 2006 davon aus, dass bei den damals zugrunde gelegten Arbeitsvorgängen gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erforderlich seien. Mit der Gewährung des Bewährungsaufstiegs für die Klägerin in Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 1 b (wohl im Änderungsvertrag vom 07.03.2006/09.03.2006 durch die Veränderung der Eingruppierung in die Entgeltgruppe 6 [§ 17 TVÜ-VKA] zum Ausdruck gebracht), zeige die Beklagte, dass sie von der Erfüllung des Tätigkeitsmerkmals der Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 1 a ausgehe.

Zwischen den Parteien sei allerdings streitig, ob die Klägerin „selbständige Leistungen“ in einem eingruppierungsrelevanten Umfang erfülle. Das Erfordernis der selbständigen Leistung sei ein unbestimmter Rechtsbegriff. Nach dem Begriff „selbständigen Leistung“ im Sinne des Satzes 3 des Klammerzusatzes zur Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT, ebenso auch für die Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 b BAT gelte, dass selbständige Leistungen ein den vorgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative voraussetze. Eine leichte geistige Arbeit könne diese Anforderungen nicht erfüllen. Das Merkmal „selbständige Leistung“ dürfe nicht mit dem Begriff „selbständig arbeiten“ verwechselt werden, worunter man eine Tätigkeit ohne direkte Aufsicht oder Leitung verstehe. Eine selbständige Leistung im Tarifsinne sei dann anzunehmen, wenn eine Gedankenarbeit erbracht werde, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges, insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordere. Kennzeichnend für selbständige Leistungen im tariflichen Sinne sei ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung eines Arbeitsergebnisses.

Die Kammer sei der Überzeugung, dass die Klägerin nach diesen Maßstäben selbständige Leistungen erbracht habe. Die Klägerin prüfe die Gutachten des Medizinischen Dienstes zusammen mit den Schreiben der Krankenkasse. Sie prüfe die medizinischen Argumente für die vorgenommene Codierung durch Abchecken der Patientenakte, führe Fallgespräche mit den behandelnden Ärzten und betreibe Internetrecherchen. Es sei Aufgabe der Klägerin zu entscheiden, ob oder ob nicht Widerspruch gegen die Krankenkassen – MdK eingelegt werde. Die Klägerin formuliert das Widerspruchsschreiben.

Der Umstand, dass das Widerspruchsschreiben neben der Klägerin auch von ihrem Vorgesetzten mitunterschrieben werde, sei unbeachtlich für die Frage der Beurteilung, ob selbständige Leistungen im tariflichen Sinne vorlägen oder nicht. Da die auszuübende Tätigkeit der Klägerin darin bestehe, zu prüfen, ob Widerspruchsschreiben gefertigt werden sollten und diese dann tatsächlich zu fertigen, sei insgesamt von einem Arbeitsvorgang auszugehen. Da zwischen den Parteien unstreitig geworden sei, dass der Klägerin entgegen der vorgenommenen Arbeitsbewertung im Jahre 2005/2006 nicht mehr das Mahnwesen obliege, gehe die Kammer davon aus, das einzige Aufgabe der Klägerin sei, zu prüfen, ob Widerspruch eingelegt werde oder nicht und diesen zu formulieren. Zur Bewältigung dieser auszuübenden Tätigkeit sei erforderlich, dass eine Gedankenarbeit erbracht werde, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges, insbesondere hinsichtlich der zu findenden Ergebnisse eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erforderlich mache.

Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts und des Vortrags der Parteien erster Instanz wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 19. August 2006 (Bl. 115 ff. d. A.) verwiesen.

Gegen dieses ihr am 02. Dezember 2009 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am Montag, dem 04. Januar 2010, eingegangene und am 02. März 2010 nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 02. März 2010 begründete Berufung der Beklagten. Sie meint, dass die Tätigkeit der Klägerin zu Recht nach einer Überprüfung der Tätigkeit und der Eingruppierung mit der Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 1 b mit der Folge des Bewährungsaufstiegs nach sechs Jahren in die Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 1 b bewertet und deshalb zwischen den Parteien einverständlich auch der Arbeitsvertrag im März 2006 geändert worden sei. Zwar habe sich die Tätigkeit nach dem Änderungsvertrag von März 2006 schleichend zu der dem Antrag der Klägerin zugrunde liegenden Inhalten gewandelt, dies jedoch erst ca. ab Ende des 2. Quartals 2007. Vorher sei die Tätigkeit der Klägerin insbesondere nicht mindestens zur Hälfte „selbständig“ gewesen, was Voraussetzung für eine Eingruppierung nach Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts Potsdam vom 19. August 2009 – 6 Ca 2220/08 – die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch die Klägerin ist der Auffassung, dass sie, die sie seit August 2004 die MdK-prüfungsfälle bearbeitet hätte, ab Juni 2006 aufgrund der wirtschaftlichen Zwänge, die sich daraus ergeben hätten, dass das ärztliche Personal wenig Neigung gezeigt hätte, sich permanent mit abrechnungstechnischen Problemen zu befassen, weitgehend selbständig gearbeitet hätte, da sie Widerspruchsschreiben gegenüber den Kassen weitgehend eigenständig geführt habe und das diesbezügliche notwendige medizinische Wissen auf effizienter Art und Weise von den Medizinern aus dem Haus oder gegebenenfalls extern eingeholt habe.

Wegen des weiteren konkreten Sachvortrags der Parteien in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 02. März 2010 (Bl. 156 ff. d. A.), 15. April 2010 (Bl. 187 ff. d. A.) und 06. Mai 2010 (Bl. 203 ff. d. A.) sowie den Schriftsatz der Klägerin vom 06. April 2010 (Bl. 171 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 b, Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 ArbGG; §§ 222 Abs. 2; 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung der Beklagten jedoch nur zu einem Bruchteil Erfolg. Grundsätzlich sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht hat das Arbeitsgericht Potsdam der Eingruppierungsklage der Klägerin in die Vergütungsgruppe V c bzw. Entgeltgruppe 8 TVöD stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg folgt dem Arbeitsgericht Potsdam und sieht von einer nur wiederholenden Begründung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab. Nur im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit der ersten Instanz sowie den zweitinstanzlichen Vortrag der Parteien wird auf Folgendes hingewiesen:

1. Bereits nach dem von der Beklagten zur Überprüfung der früheren Tätigkeit der Klägerin mit der Vergütungsgruppe V c gefertigten Gutachten (vgl. das Gutachten betreffend die Klägerin der W., Bl. 43 bis 45 d. A. in Kopie) lagen zu 100 % gründliche und vielseitige Fachkenntnisse der Klägerin vor. Zum Merkmal „selbständige Leistungen“ verhält sich das Gutachten nicht, führt allerdings auch aus, dass bei dem vom Gutachter bewerteten Arbeitsvorgang 1 (inhaltliche Anforderungen der Krankenkasse) sogar eine Steigerung der gründlichen Fachkenntnis von der Klägerin benötigt werde, weil eine ordnungsgemäße Bearbeitung aller Anfragen der Krankenkassen zur Abrechnung von Leistungen der Beklagten nur unter Beobachtung und Zusammenführung vieler verschiedener Informationen aus den Abrechnungssystemen möglich sei, was insofern sogar für eine höhere Eingruppierung der Klägerin als Vergütungsgruppe V c spricht.

2. Anders als das Gutachten und die Beklagte geht die erkennende Kammer allerdings mit dem Arbeitsgericht Potsdam nicht von drei Arbeitsvorgängen der Klägerin (inhaltliche Anfragen der Krankenkassen sowohl bei der Erteilung der KÜ als auch nach der Abrechnung 30 %, Mahnwesen und Schriftwechsel 65 % sowie Fristen 5 %) aus, sondern von einem Arbeitsvorgang.

a)

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die erkennende Kammer folgt, ist ein Arbeitsvorgang eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten. Rechtlich zulässig ist es, dass eine gesamte Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmacht. Nur wenn es tatsächlich möglich ist, Tätigkeiten von unterschiedlicher Wertigkeit abzutrennen, werden diese nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. etwa zuletzt BAG 23.09.2009 – 4 AZR 309/08 – veröffentlicht in JURIS, Rz. 22 m.w.N.).

b)

Bei der Bestimmung von Arbeitsvorgängen können wiederkehrende gleichartige und gleichwertige Arbeitsleistungen zusammengefasst werden. Bei der Bearbeitung von Anträgen und Widersprüchen bildet nicht jeder einzelne Antrag einen eigenen Arbeitsvorgang, sondern erst die Befassung mit allen Anträgen oder Widersprüchen füllt diesen Rechtsbegriff aus. Nicht zusammengefasst werden können allerdings Bearbeitungen, die tariflich unterschiedlich zu bewerten sind. Dies gilt jedoch nur, wenn die unterschiedlich wertigen Arbeitsleistungen von vornherein – sei es aufgrund der Schwierigkeit oder anderer Umstände – auseinander gehalten werden können und voneinander zu trennen sind. Alleine die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte isoliert auf andere Angestellte übertragen zu können, ergibt hierfür keinen entscheidenden Anhalt. Es kommt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die tarifliche Bewertung nicht darauf an, ob und inwieweit Einzelaufgaben verwaltungstechnisch verschiedenen Angestellten zugewiesen werden könnten, solange sie im Zusammenhang als eine einheitliche Arbeitsaufgabe noch einer Person übertragen sind. Tatsächlich trennbar sind Arbeitsschritte nicht, wenn sich erst im Laufe der Bearbeitung herausstellt, welchen tariflich erheblichen Schwierigkeitsgrad der einzelne Fall aufweist (BAG 23.09.2009, a.a.O., Rz. 26 m.w.N. aus der Rechtsprechung).

c)

Nach diesen Grundsätzen bildet die Tätigkeit der Klägerin sowohl nach dem von der Beklagten zur Bestätigung ihrer Auffassung eingereichten Gutachten der W. als auch nach ihrem eigenen Vortrag bei der Tätigkeit als Sachbearbeiterin im Medizincontrolling und Qualitätsmanagement einen Arbeitsvorgang. Grundlage und materieller Kern dieses Arbeitsvorgangs ist dabei der im Gutachten der W. mit 30 % bewertete Tätigkeitsvorgang 1, wonach die Klägerin inhaltliche Anfragen der Krankenkassen bearbeiten musste. Der dazu nachgeordnete Tätigkeitsvorgang 2, der mit Mahnwesen und Schriftwechsel beschrieben ist, ist kein separater Arbeitsvorgang, sondern beweist nur, wie die Klägerin anhand der inhaltlichen Kernfragen ihre Tätigkeiten durchführt, nämlich von der schriftlichen Ablehnung von sinnlosen oder inhaltlich falschen Anfragen an die Krankenkassen/dem medizinischen Dienst der Krankenkassen ohne Heranziehung eines Arztes bei Vermeidung von unnötigen Verwaltungsaufgaben für die Ärzte über die schriftlichen Anforderungen von medizinischen Begründungen durch Ärzte des Klinikums, wenn in strittigen Fällen ausnahmsweise eine eindeutige Stellungnahme des Arztes notwendig sei, über die Kontrolle des MDK-Gutachtens und gegebenenfalls einer Rücksprache mit dem verantwortlichen Arzt bis hin zur schriftlichen Mitteilung an die Kostensicherung mit der Mitteilung des Ergebnisses unter Beifügung aller Originalunterlagen und der Führung einer Datenbank zum Nachweis aller Anfragen. Schließlich ist der im Gutachten als dritter Arbeitsvorgang gewertete Punkt 3 (Fristen) ebenfalls mit in diesem einheitlichen Arbeitsvorgang enthalten, da für die Kostensicherung die noch offenen Fälle mit dem aktuellen Bearbeitungsstand aufbereitet werden.

Auch nach der Änderung der Arbeitsaufgaben der Klägerin hin zu den MDK-Widersprüchen, die qualitativ schwieriger sind als die bisherige Tätigkeit, hat sich ab März 2006 an diesem einheitlichen Arbeitsvorgang nichts geändert.

3. Die Klägerin hat auch „selbständige Leistungen“ im Sinne des Eingruppierungsmerkmals erbracht.

a)

Nach Satz 3 des Klammerzusatzes zur Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 1 a bzw. V c Fallgruppe 1 a und 1 b erfordern selbständige Leistungen ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative. Eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen. Unter selbständigen Leistungen verstehen die Tarifvertragsparteien eine Gedankenarbeit, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses eine eigene Beurteilung und eine eigene Entscheidung verlangt. Kennzeichnend hierfür können – ohne Bindung an die verwaltungsrechtlichen Fachbegriffe – wie auch immer geartete Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielräume bei der Erarbeitung des Arbeitsergebnisses sein. Vom Angestellten erwartet werden Abwägungsprozesse; er muss unterschiedliche Informationen verknüpfen, gegeneinander abwägen und zu einer Entschließung kommen. Zur Erfüllung der tariflichen Anforderung genügt es allerdings, wenn selbständige Leistungen innerhalb des Arbeitsvorgangs in rechtlich erheblichem Ausmaß vorliegen. Nicht erforderlich ist, dass die selbständigen Leistungen innerhalb eines Arbeitsvorgangs in dem von § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 und 4 BAT/BAT-O bestimmten Maß anfallen (BAG 23.09.2009, a.a.O., Rz. 33 m.w.N. aus der Rechtsprechung).

b)

Schon nach dem W.-Gutachten erfüllen die dort genannten Tätigkeiten das Merkmal der „selbständigen Leistungen“. Die Klägerin muss das medizinische Gutachten bzw. die Meinungsäußerung des MDK prüfen. Anschließend muss sie den Prüffall in der Datenbank erfassen. Gleichzeitig muss sie den Verlust ermitteln, der bei Anerkennung des MDK-Gutachtens eintreten würde. Danach fällt die selbständige Entscheidung, ob eine Akteneinsicht notwendig ist oder ob die Informationen des Patientenfalles ausreichen, die die computergesteuerte Patientenfallerfassung zur Verfügung stellt durch Arztbriefe, OP-Berichte, Laborbefunde, Mikrobiologie, Histologie, Röntgenbefunde u.a.. Schließlich muss die Entscheidung gefällt werden, ob ärztliche Fachkompetenz notwendig und herbeizuziehen ist. Wenn es danach möglich ist, muss die Erstellung eines Widerspruchsschreibens durch die Klägerin selbständig durchgeführt werden. Sollte kein Widerspruch möglich sein, muss die Klägerin die Patientendokumentation korrigieren.

Dies ist durchgängig eine „selbständige Leistung“ im Sinne des Klammerzusatzes der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a.

4. Die Klägerin hat, obwohl sie nach Auffassung der Kammer einen durchgehenden Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe V c hat bzw. Entgeltgruppe 8 TVöD – unstreitig ist ihr die Vergütung bis März 2006 nach der Vergütungsgruppe V c gezahlt worden – erst ab April 2006 einen durchsetzbaren arbeitsrechtlichen Anspruch, weil im Geltungsschreiben ihres damaligen Rechtsanwalts vom 09. August 2006 (Bl. 10 bis 12 d. A.) eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V c erst ab April 2006 gefordert worden ist (Seite 3 des Schreibens, Bl. 12 d. A.).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1; 92 Abs. 1 und 97 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 42 Abs. 3 Satz 2 GKG bei einem Streitwert von 7.200,00 EUR (dreijähriger Unterschiedsbetrag von 200,00 EUR).

IV.

Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass.