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Entscheidung 23 Kls 13/14


Metadaten

Gericht LG Frankfurt (Oder) 3. Strafkammer Entscheidungsdatum 06.08.2014
Aktenzeichen 23 Kls 13/14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 339 StGB

Leitsatz

Zur Reichweite der Sperrwirkung der Rechtsbeugung

Tenor

Das Hauptverfahren wird nicht eröffnet.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

Mit Anklageschrift vom 17. März 2014 legt die Staatsanwaltschaft Cottbus dem Angeschuldigten die Begehung einer Nötigung (in einem besonders schweren Fall) gemäß § 240 Abs. 1, 2 und 4 Satz 2 Nr. 3 StGB zur Last. Der Angeschuldigte soll unter Missbrauch seiner Befugnisse als Amtsträger einen Menschen rechtswidrig durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung genötigt haben.

Der konkrete Anklagesatz lautet wie folgt:

Am 21.08.2011, gegen 11.30 Uhr, unterzogen die Zeugen POM G. und PK K. im Rahmen ihrer Tätigkeit als Polizeibeamte den Zeugen W. einer Verkehrskontrolle. Der freiwillig durchgeführte Atemalkoholtest des Zeugen W. ergab einen Atemalkoholwert von 1,41 Promille, womit der Verdacht einer Trunkenheitsfahrt gemäß § 316 StGB bestand. Zum Beleg dieses Verdachts sollte eine Blutprobe entnommen werden. Der Entnahme einer freiwilligen Blutprobe widersprach der Zeuge W. jedoch, so dass der die Kontrolle durchführende Polizeibeamte, der Zeuge G., fernmündlich Kontakt mit seinem Dienstgruppenleiter in der Polizeiwache Bernau, dem Zeugen PK D., zwecks Herbeiführung einer richterlichen Anordnung gemäß § 81 a StPO aufnahm.

Nach Schilderung des Sachverhalts wandte sich der Zeuge D. sodann fernmündlich an den Angeschuldigten, der zu diesem Zeitpunkt als Bereitschafts- bzw. Eildienststaatsanwalt eingesetzt und somit der zuständige Ansprechpartner für die Polizeibeamten zur Einholung richterlicher Eilentscheidungen war. Nach Darstellung des Sachverhalts und der daher gegebenen Notwendigkeit der Einholung einer richterlichen Entscheidung gemäß § 81 a StPO, äußerte der Angeschuldigte dem Zeugen gegenüber, dass er mit dem Richter M., dem zu diesem Zeitpunkt für die Anordnung eilbedürftiger richterlicher Beschlüsse zuständigen Bereitschaftsrichter, bereits am Vortag wegen eines gleichgelagerten Sachverhalts gesprochen habe. Richter M. habe ihn daraufhin gefragt, ob man dem Beschuldigten mitgeteilt habe, dass eine richterliche Anordnung eine Erhöhung der Tagessätze um 20 bei der Strafzumessung zur Folge habe. Die Nachfrage des Zeugen D., ob dies nicht eine Bedrohung oder Nötigung darstelle, verneinte der Angeschuldigte und begründete dies damit, dass es sich um einen rechtlichen Hinweis handele. Ursächlich für die Erhöhung der Tagessätze, erklärte er weiter, sei das unkooperative Nachtatverhalten, da der Beschuldigte nicht zur Aufklärung der ihm zur Last gelegten Tat beitrage. Diese Verfahrensweise sei in Eisenhüttenstadt schon länger der Fall und solle nun auch eine Regel am Amtsgericht Bernau sein. Daraufhin informierte der Zeuge D. den Zeugen G. und gab ihm das seitens des Angeschuldigten Gesagte weiter. Die auch durch den Zeugen G. geäußerten Bedenken zur Rechtsmäßigkeit dieses Vorgehens, zerstreute der Zeuge D., indem er das ihm durch den Angeschuldigten diesbezüglich Mitgeteilte darlegte.

Daraufhin erklärte der Zeuge G. dem Zeugen W., dass, wenn er darauf bestehe, dass Richter M. beim Amtsgerichts Bernau als zuständiger Bereitschaftsrichter konsultiert werden solle, zu der üblichen in Aussicht stehenden Strafe 20 Tagessätze extra dazukämen, da dieses Beharren auf die Richterentscheidung als unkooperatives Verhalten gewertet werde.

Daraufhin stimmte der Zeuge W. einer freiwilligen Blutentnahme zu.

Die Blutprobeentnahme ergab einen Blutalkoholwert von 1,33 Promille, womit sich der Verdacht der Trunkenheitsfahrt gemäß § 316 StGB gegen Zeugen W. bestätigte.

II.

Die Eröffnung des Hauptverfahrens ist aus rechtlichen Gründen abzulehnen, weil der angeklagte Sachverhalt nicht strafbar ist (§ 204 Abs. 1 StPO). Einer Strafbarkeit wegen Nötigung gemäß § 240 StGB steht hier die Sperrwirkung des Tatbestandes der Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB entgegen, weil der Angeschuldigte bei der Leitung einer Rechtssache gehandelt hat, der Tatbestand der Rechtsbeugung aber nicht erfüllt ist.

1.a. Nach allgemeiner Ansicht kommt dem Tatbestand der Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB zum Schutz der Unabhängigkeit der Rechtspflege eine Sperrwirkung in dem Sinne zu, dass eine Verurteilung wegen einer Tätigkeit bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache nach anderen Vorschriften nur möglich ist, wenn die Voraussetzungen des § 339 StGB gegeben sind (BGHSt 10, 294f; 32, 357f sowie Fischer, StGB, 61. Auflage, § 339 Rn. 21 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Etwas anderes gilt nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber, wenn sich das Handeln des Täters in jedem Fall, gleich wie er seine eigene Stellung dabei gesehen hat, so weit von einer Maßnahme der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache entfernt, dass sie rechtlich nicht als eine solche gewertet werden kann (BGHSt 32, 357f, dort Rn 27 in der Zitierung nach juris, Strafbarkeit wegen Körperverletzung im Amt bejaht, wenn ein Staatsanwalt Betroffene in einem Ermittlungsverfahren mit deren Einverständnis körperlich züchtigt, wobei es sich lediglich um eine Hilfserwägung für den Fall handelt, dass dem Angeklagten der Rechtsbeugungsvorsatz nicht nachgewiesen werden kann; im Ergebnis auch BGHSt 38, 381f, Strafbarkeit wegen Unterschlagung in Tateinheit mit Verwahrungsbruch bejaht, wenn ein Staatsanwalt einen Scheck, den ihm der Beschuldigte zur Zahlung einer Geldauflage zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung übergeben hat, nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens zur Erfüllung eigener Verbindlichkeiten verwendet, wobei Strafbarkeit wegen Rechtsbeugung ausdrücklich verneint wird).

b. Vorliegend hat der Angeschuldigte bei der Leitung einer Rechtssache gehandelt. Mit der telefonischen Kontaktaufnahme durch den Zeugen PK D. zwecks Herbeiführung einer richterlichen Anordnung gemäß § 81 a StPO war ihm als zuständigen Bereitschaftsstaatsanwalt die vorübergehende Leitung des Ermittlungsverfahrens gegen den Zeugen W. übertragen (vgl. zur Möglichkeit der Rechtsbeugung durch Staatsanwälte Fischer, aaO, Rn. 6 und 7 mit weiteren Nachweisen).

c. Der Tatbestand der Rechtsbeugung ist jedoch nicht erfüllt:

Tathandlung im Sinne von § 339 StGB ist eine Verletzung von Recht und Gesetz. Dies setzt eine Rechtsanwendung voraus, die im Ergebnis nicht vertretbar ist. Der Tatbestand der Rechtsbeugung bedarf darüber hinaus nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insoweit einer Einschränkung, als eine „Beugung des Rechts“ nicht schon durch jede (bedingt) vorsätzlich begangene Rechtsverletzung verwirklicht wird (BGH NJW 2014, 1192f.; BGHSt 41, 247f; 47, 105f; BGH NStZ - RR 2010, 310f). Vielmehr wird vorausgesetzt, dass der Richter (oder Staatsanwalt) „sich bewusst in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt“ (BGHSt 38, 381f; 40, 169f; 40, 272f; 42, 343f; 43, 183f).

Dabei kann auch die Verletzung prozessualer Normen genügen (BGHSt 32, 357f; 38, 381f; 42, 343f; 47, 105f). Erforderlich ist aber, dass durch die Verfahrensverletzung die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung begründet wird, ohne dass ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss (BGHSt 42, 343f; NStZ-RR 01, 243f).

Danach fehlt es vorliegend bereits an der Verwirklichung des objektiven Tatbestands des § 339 StGB. Angesichts der im Tatzeitpunkt vorliegenden Atemalkoholmessung bei dem Zeugen W. mit einem Wert von 1,41 Promille steht außer Frage, dass der zuständige Bereitschaftsrichter - wäre er kontaktiert worden - die Entnahme einer Blutprobe bei dem Zeugen W. gemäß § 81 a StPO angeordnet hätte. Zu keinem Zeitpunkt bestand danach die Gefahr, dass die dem Angeschuldigten zur Last gelegte Verfahrensverletzung zu einer falschen Entscheidung in dem gegen den Zeugen W. geführten Ermittlungsverfahren hätte führen können.

Im Übrigen fehlte es dem Angeschuldigten bei Begehung der ihm zur Last gelegten Handlung am Rechtsbeugungsvorsatz, was auch die Staatsanwaltschaft Cottbus in einem Vermerk vom 12. Juni 2013, Bl. 118 f., 128 der Akte, zutreffend dargelegt hat.

2.a. Die Staatsanwaltschaft Cottbus ist jedoch der Auffassung, dass vorliegend die Sperrwirkung des § 339 StGB nicht greife. Sie hat hierzu in einem Vermerk vom 17. März 2014 (Bl. 149 - 150 der Akte) das Folgende ausgeführt:

„§ 339 StGB kommt zum Schutz der Unabhängigkeit der Rechtspflege eine Sperrwirkung in dem Sinne zu, dass eine Verurteilung wegen einer Tätigkeit bei der Leitung einer Rechtssache nach anderen Vorschriften als § 339 StGB nur dann möglich ist, wenn die Voraussetzungen des § 339 StGB gegeben sind. Das dem Beschuldigten (X) vorgeworfene Verhalten steht zwar im Zusammenhang mit der Leitung einer Rechtssache, allerdings stehen die rechtlichen Erwägungen zur Reichweite der Sperrwirkung in den aktuellen Entscheidungen des OLG Naumburg (NStZ 2013, S. 533 ff.; s. auch Bl. 134 ff. d. A.) und des Bundesgerichtshofes in derselben Sache (BGH, Urteil vom 18.07.2013 - 4 StR 84/13 LG Halle -; StV 2014, S. 16, 19, s. auch Bl. 139 ff. d. A.) der Annahme der Sperrwirkung bei vorliegender Fallkonstellation entgegen.

Das OLG Naumburg hat hierzu nämlich wie folgt ausgeführt:

„Die Sperrwirkung des Rechtsbeugungstatbestands greift nur dann ein, wenn die den anderweitigen strafrechtlichen Vorwurf begründende Verhaltensweise mit der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache derart in einem inneren funktionalen Zusammenhang steht, dass es objektiv als ein auf der Leitungs- oder Entscheidungskompetenz des Amtsträgers beruhendes Tun oder Unterlassen erscheint. Stellt sich das Verhalten eines Richters bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache unabhängig von der Beantwortung der Frage, ob es als Rechtsbeugung, d. h. als elementarer Rechtsverstoß zugunsten oder zum Nachteil einer Partei, zu werten ist, auch isoliert als eine Straftat dar, greift der Schutz der Sperrwirkung nicht ein. Die vom Angeschuldigten vorgenommenen Änderungen der Urteile stellen sich auch isoliert betrachtet als Urkundenfälschung dar und stehen in keinem inneren funktionalen Zusammenhang mit der Leitung und Entscheidung einer Rechtssache, sondern entfernen sich hiervon so erheblich, dass es nicht als ein auf der Leitungs- oder Entscheidungskompetenz des Richters beruhendes Tun oder Unterlassen anzusehen ist.“

Dem ist der Bundesgerichtshof in der bereits zitierten Entscheidung beigetreten und hat ausgeführt:

„Der Senat neigt im Übrigen zu der Auffassung, dass der Tatbestand der Urkundenfälschung (im Anlassfall) bei der vorliegenden Sachverhaltskonstellation nicht von der Sperrwirkung des § 339 StGB erfasst wäre.“

Hieraus muss gefolgert werden, dass Handlungsweisen, die fern der Regelungen in der Strafprozessordnung liegen, mit dem im Gesetz verankerten prozessordnungsgemäßen Verhalten nichts mehr gemein haben, und für sich selber Straftaten darstellen, keine Sperrwirkung entfalten.

Dies übertragen auf vorliegende Sache kann daher nur zu einer Verneinung des Sperrwirkung führen, da die Einflussnahme des Beschuldigten (X) auf die Polizeibeamten und in der Folge auf den Zeugen W. im Lichte des Richtervorbehaltes gänzlich unvertretbar, irreführend und nötigend war.

Vor diesem Hintergrund wird also die Verfolgung der weiteren im Raume stehenden Vorwürfe der Nötigung im besonders schweren Fall gemäß § 240 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 Ziff. 3 StGB sowie wegen Körperverletzung im Amt gemäß §§ 223 Abs. 1, 340 Abs. 1 StGB nicht gehindert.“

b. Diese Argumentation der Staatsanwaltschaft vermag nicht zu überzeugen.

aa. Den von der Staatsanwaltschaft benannten Entscheidungen des OLG Naumburg vom 23.04.2012 - 1 Ws 48/12 - und des Bundesgerichtshofs vom 18.07.2013 - 4 StR 84/13 - (Fundstellen siehe oben) liegt der Fall eines Vorsitzenden einer kleinen Strafkammer zu Grunde, der in fünf Fällen jeweils nach Einlegung der Revision, Ablauf der Urteilsabsetzungsfrist und Anbringung des Eingangsvermerks der Geschäftsstelle gemäß § 275 Abs. 1 StPO die Urteile nachträglich mit Feststellungen zur Sache, der Beweiswürdigung und Strafzumessungserwägungen ergänzt, bzw. diese verändert hatte. Das OLG Naumburg hat mit seiner vorgenannten Entscheidung die wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Urkundenfälschung, in einem Fall auch in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt, erhobene Anklage nur unter dem Gesichtspunkt der Urkundenfälschung und in einem Fall auch in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt zur Hauptverhandlung zugelassen, nachdem das Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt hatte. Der Bundesgerichtshof hat mit seiner vorgenannten Entscheidung das in der Folge ergangene freisprechende Urteil des Landgerichts aufgehoben.

Die Entscheidung des OLG Naumburg enthält zur Frage der Sperrwirkung des Rechtsbeugungstatbestands die folgenden Ausführungen:

„Die Sperrwirkung des Rechtsbeugungstatbestands greift nur dann ein, wenn die den anderweitigen strafrechtlichen Vorwurf begründende Verhaltensweise mit der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache derart in einem inneren funktionalen Zusammenhang steht, dass es objektiv als ein auf der Leitungs- oder Entscheidungskompetenz des Amtsträgers beruhendes Tun oder Unterlassen erscheint (vgl. hierzu BGH Urt. v. 23.5.1984 - 3 StR 102/84; OLG Karlsruhe aaO (zuvor zitiert mit Beschluss vom 9.12. 2003 - 2 Ws 174/03)).

Stellt sich das Verhalten eines Richters bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache unabhängig von der Beantwortung der Frage, ob es als Rechtsbeugung, d. h. als elementarer Rechtsverstoß zugunsten oder zum Nachteil einer Partei, zu werten ist, auch isoliert als eine Straftat dar, greift der Schutz der Sperrwirkung nicht ein.

Die Anwendung der Sperrwirkung hätte sonst zur Folge, dass ein Richter bei Ausübung seiner Tätigkeit, die nicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache steht, Straftaten begehen kann, ohne dafür aufgrund der Sperrwirkung strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden zu können.

Die vom Angesch. vorgenommenen Änderungen der Urteile stellen sich auch isoliert betrachtet als Urkundenfälschung dar und stehen in keinem inneren funktionalen Zusammenhang mit der Leitung und Entscheidung einer Rechtssache, sondern entfernen sich hiervon so erheblich, dass es nicht als ein auf der Leitungs- oder Entscheidungskompetenz des Richters beruhendes Tun oder Unterlassen anzusehen ist.“

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die vom OLG Naumburg verwendete Formulierung, die Sperrwirkung des Rechtsbeugungstatbestands greife nur dann ein, wenn die den anderweitigen strafrechtlichen Vorwurf begründende Verhaltensweise mit der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache derart in einem inneren funktionalen Zusammenhang steht, dass es objektiv als ein auf der Leitungs- oder Entscheidungskompetenz des Amtsträgers beruhendes Tun oder auch Unterlassen erscheine, zwar vom zitierten Beschluss des OLG Karlruhe vom 9.12.2003 - 3 Ws 174/03 -, NJW 2004, 1469, in dieser Form aber nicht durch die dazu als Fundstelle angegebene Entscheidung des Bundesgerichtshofs gedeckt wird. Das vom OLG Naumburg zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.5.1984 - 3 StR 102/84 - ist dasjenige, dessen Fundstelle BGHSt 32, Seite 357 f., lautet und oben bereits zitiert ist. Es betrifft - wie bereits angeführt - Fragen der Rechtsbeugung, wenn ein Jugendstaatsanwalt Ermittlungsverfahren einstellt, nachdem er die Betroffenen mit ihrem Einverständnis körperlich gezüchtigt hat. Die dort zur Sperrwirkung der Rechtsbeugung enthaltenen Ausführungen lauten tatsächlich wie folgt:

„Eine Sperrwirkung des § 336 StPO (vgl. BGHSt 10, 294, 298) steht der Verurteilung wegen Körperverletzung im Amt in keinem Fall entgegen.

Hat der Angeklagte sich der Rechtsbeugung schuldig gemacht, so entfällt eine solche Sperrwirkung ohnehin. Aber auch falls sich ergeben sollte, die subjektiven Voraussetzungen einer Verurteilung wegen Rechtsbeugung lägen nicht vor, ändert sich an der Rechtmäßigkeit der Verurteilung wegen Körperverletzung im Amt nichts. Die hier vom Angeklagten vorgenommene eigenhändige Züchtigung entfernt sich in jedem Fall, gleich wie er seine eigene Stellung dabei gesehen hat, so weit von einer Maßnahme der „Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache“, dass sie rechtlich nicht als eine solche gewertet werden kann. Gegen eine solche Wertung des eigenhändigen Prügelns spricht auch der Umstand, dass selbst eine in den äußeren Formen justizgemäßen Verfahrens zu den Akten getroffene Anordnung einer Prügelstrafe unter dem im Rechtsleben der Bundesrepublik Deutschland herrschenden rechtsstaatlichen Verhältnissen nicht mit der Gefahr verbunden gewesen wäre, von den Vollstreckungsorganen der Justiz vollstreckt zu werden.“

Die vorgenannte Entscheidung wählt damit ein negatives Abgrenzungskriterium für das Entfallen der Sperrwirkung der Rechtsbeugung in dem Sinne, dass sich das Handeln des Täters soweit von einer Maßnahme der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache entfernen muss, dass es rechtlich nicht als eine solche gewertet werden kann.

Die Entscheidungen des OLG Naumburg und des von diesem zitierten OLG Karlsruhe formulieren ein positives Abgrenzungskriterium für das Bestehen der Sperrwirkung der Rechtsbeugung in dem Sinne, dass ein innerer funktionaler Zusammenhang zwischen dem den anderweitigen strafrechtlichen Vorwurf begründenden Verhalten mit der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache bestehen muss, so dass es objektiv als ein auf der Leitungs- oder Entscheidungskompetenz des Amtsträgers beruhendes Tun oder Unterlassen erscheint.

bb. Beides widerspricht sich nicht; die gewählten Formulierungen ergänzen sich sinnvoll:

Voraussetzung für das Eingreifen der Sperrwirkung der Rechtsbeugung ist danach, dass ein innerer funktionaler Zusammenhang zwischen dem den anderweitigen strafrechtlichen Vorwurf begründenden Verhalten einerseits und der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache andererseits bestehen muss, so dass es objektiv als ein auf der Leitungs- oder Entscheidungskompetenz des Amtsträgers beruhendes Tun oder Unterlassen erscheint (OLG Karlsruhe a.a.O., OLG Naumburg a.a.O.). Die Sperrwirkung der Rechtsbeugung entfällt erst dann, wenn sich das Verhalten des Täters, gleich wie er seine eigene Stellung dabei gesehen hat, so weit von einer Maßnahme der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache entfernt, dass es rechtlich nicht (mehr) als solche gewertet werden kann (BGH a.a.O.).

Für das Bestehen der Sperrwirkung der Rechtsbeugung ist danach zu fragen, ob sich das zu beurteilende Verhalten bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls noch als Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache bewerten lässt oder schon etwas anderes ist. Die Vorschrift des § 339 StGB markiert so die Grenze, an welcher der Bereich der Strafbarkeit für Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Erledigung von Rechtssachen beginnt (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.).

cc. Legt man diese Kriterien an die dem Angeschuldigten vorliegend vorgeworfenen Äußerungen gegenüber dem Zeugen PK D. an, ergibt sich, dass sehr wohl ein innerer funktionaler Zusammenhang zwischen diesen und der Leitung des dem Angeschuldigten zu diesem Zeitpunkt übertragenen Ermittlungsverfahrens bestanden hat. Der Angeschuldigte mag eine völlig unvertretbare Rechtsauffassung geäußert und damit im Ergebnis auch Zwang auf den Zeugen W. hinsichtlich dessen Einwilligung in die Entnahme einer Blutprobe ohne vorherige Einholung einer richterlichen Anordnung gemäß § 81 a StPO bewirkt haben. Er hat dies aber gerade auf die Leitung des Ermittlungsverfahrens bezogen getan, weil er damit die Frage der Einholung einer richterlichen Anordnung zur Entnahme der Blutprobe einer für ihn vermeintlich einfachen Lösung zuführen wollte.

Der Angeschuldigte hat sich dabei auch nicht soweit von der Leitung des Ermittlungsverfahrens entfernt, dass die angeklagten Äußerungen rechtlich nicht mehr als Maßnahme zu dessen Leitung gewertet werden können. Er hat nichts getan, was über die auf die Sache bezogenen Anweisungen hinausging.

III.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.