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soziales Entschädigungsrecht - SED-Unrechtsbescheinigung - Minderung der Erwerbsfähigkeit - besondere berufliche Betroffenheit - Berufsschadensausgleich - Rücknahme eines befristigenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Zukunft - Vertrauensschutz


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 11. Senat Entscheidungsdatum 28.07.2011
Aktenzeichen L 11 VU 55/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 30 Abs 2 BVG, § 30 Abs 3 BVG, § 45 Abs 2 S 3 SGB 10, § 45 Abs 3 SGB 10

Tenor

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen und der in der Sache formulierte Tenor des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 14. Mai 2009 wie folgt neu gefasst:

Die Bescheide vom 2. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2006 werden aufgehoben, soweit der Beklagte den mit Bescheid vom 3. September 2003 zuerkannten höheren Grad einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 v. H. aufgrund einer besonderen beruflichen Betroffenheit nach § 30 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2005 zurückgenommen hat. Der Bescheid vom 4. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2006 wird aufgehoben.

Die Bescheide vom 2. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2006 werden aufgehoben, soweit der Beklagte die mit Bescheid vom 3. September 2003 dem Grunde nach verfügte Bewilligung eines Berufsschadensausgleichs mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2005 zurückgenommen hat.

Der Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten für den gesamten Rechtsstreit zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Absenkung des ihr zuerkannten Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 10 infolge der Aberkennung einer zuvor festgestellten besonderen beruflichen Betroffenheit sowie die Rücknahme eines ihr dem Grunde nach zuerkannten Berufsschadensausgleichs (BSA).

Die 1959 geborene Klägerin besuchte von 1965 bis 1975 in der ehemaligen DDR die polytechnische Oberschule (POS). Die Abschlussprüfung dort bestand sie mit der Gesamtnote „gut“. Das entsprechende Zeugnis vom 4. Juli 1975 wurde mit Bescheinigung vom 11. August 1981 vom Senator für Schulwesen, Jugend und Sport, B, als mit dem Abschlusszeugnis der Realschule gleichwertig anerkannt. Die Klägerin wurde von der Schulleitung der POS S-Oberschule bei der Einrichtung von Abiturlehrgängen nicht zugelassen, weil das gesellschaftliche und politische Engagement der Klägerin nicht ausreichend sei. Diese Entscheidung wurde von dem Beklagten mit Rehabilitierungsbescheid vom 12. März 1998 nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) als mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar festgestellt.

Im Anschluss an die Schulzeit absolvierte die Klägerin eine Ausbildung zum Baufacharbeiter (Spezialisierung: Montagebau). Die Facharbeiterprüfung bestand sie mit der Gesamtnote „befriedigend“ (Facharbeiterzeugnis vom 31. August 1977). Diese Prüfung wurde mit Bescheid des Senators für Arbeit und Betriebe, B, vom 11. August 1981 als gleichwertig mit der Facharbeiterprüfung in dem anerkannten Ausbildungsberuf Hochbaufacharbeiter anerkannt. Im Anschluss an diese Ausbildung nahm die Klägerin am 1. Juli 1977 ein Grundstudium zur Bauingenieurin auf. Am 30. September 1979 – ein Jahr vor Abschluss des Studiums – wurde die Klägerin exmatrikuliert, weil sie gegenüber ihrem Philosophiedozenten eine bürgerlich-liberale Auffassung vertreten hatte. Diese Zwangsexmatrikulation wurde von dem Beklagten mit Rehabilitierungsbescheinigung vom 29. Februar 1996 nach dem VwRehaG als mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar festgestellt. Zum 15. Oktober 1979 nahm die Klägerin eine Tätigkeit als wissenschaftlich-technische Assistentin bei dem Institut für Theorie, Geschichte und Organisation der Wissenschaft der Akademie der Wissenschaften der DDR auf.

Nach einem fehlgeschlagenen Fluchtversuch in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1980 wurde die Klägerin mit Urteil des Bezirksgerichts R vom 30. September 1980 (Az.: ) wegen landesverräterischer Agententätigkeit in Tateinheit mit versuchtem ungesetzlichen Grenzübertritt im schweren Fall und Vergehen gegen die Verordnung zum Schutze der Staatsgrenze der DDR zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Einschließlich einer Untersuchungshaft war die Klägerin vom 11. April 1980 bis zum 7. April 1981 unter anderem in Gefängnissen in RundH inhaftiert. Das Urteil des Bezirksgerichts R wurde durch Beschluss des Landgerichts R vom 2. Dezember 1992 (Az. ) für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben. Es wurde zudem festgestellt, dass die Klägerin in der Zeit vom 11. April 1980 bis 7. April 1981 zu Unrecht eine Freiheitsentziehung erlitten habe. Am 7. April 1981 reiste die Klägerin aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland aus. Mit zwei Rehabilitierungsbescheinigungen nach § 17 in Verbindung mit § 22 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (BerRehaG) vom 29. Februar 1996 und vom 12. März 1998 stellte der Beklagte unter anderem fest, dass die Klägerin politisch Verfolgte im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BerRehaG ist, wobei die Verfolgungszeit vom 1. Oktober 1979 bis zum 7. April 1981 gedauert habe (Bescheid vom 29. Februar 1996) und dass die Klägerin politisch verfolgte Schülerin ist, wobei die verfolgungsbedingte Unterbrechung vom 1. September 1975 bis zum 1. Februar 1982 gedauert habe (Bescheid vom 12. März 1981).

Von 1982 bis 1985 holte die Klägerin am Volkshochschul-Kolleg C das Abitur nach (Zeugnis vom 28. Juni 1985, Gesamtnote 2,2). Mit Urkunde vom 18. Februar 1991 wurde der Klägerin durch den Fachbereich Kommunikationswissenschaften der F U B der Grad einer Magistra Artium (M. A.) verliehen (Gesamtnote „gut“). Im Anschluss daran promovierte die Klägerin im Hauptfach Theaterwissenschaft. Die Promotionskommission stellte am 30. Juni 1995 die Gesamtnote „rite“ fest.

Einen Antrag der Klägerin vom 14. April 1981 auf Beschädigtenversorgung nach dem Häftlingshilfegesetz lehnte der Beklagte nach Einholung eines fachchirurgischen Gutachtens der Fachärztin für Chirurgie M vom 21. September 1981 und eines internistischen Gutachtens des Arztes K vom 16. Oktober 1981 mit Bescheid vom 27. Oktober 1981 bestandskräftig ab, weil die Voraussetzungen für die Anerkennung von Körperschäden nicht vorlägen.

Am 14. Oktober 1999 beantragte die Klägerin die „Anerkennung eines Haftschadens“. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens erklärte die Klägerin am 24. August 2001, früher als Referentin und wissenschaftlich-technische Assistentin und jetzt als Publizistin beruflich tätig zu sein. Der Beklagte behandelte den Antrag nach Maßgabe des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (StrRehaG) und erkannte nach Einholung einer versorgungsärztlich-internistischen Stellungnahme des Arztes für Innere Medizin Dr. D vom 24. Juli 2000, einer versorgungsärztlich-chirurgischen Stellungnahme des Facharztes für Chirurgie Dr. O vom 21. August 2000 und eines nervenfachärztlichen Gutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. D vom 25. September 2001 mit Bescheid vom 26. November 2001 als Schädigungsfolge eine posttraumatische Belastungsstörung mit psychosomatischen Funktionsstörungen an, durch den der Grad der MdE nach § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) 40 v. H. betrage und nicht nach § 30 Abs. 2 BVG höher zu bewerten sei. Versorgungsbezüge wurden rückwirkend ab dem 1. Oktober 1999 zuerkannt. Im Übrigen lehnte der Beklagte die Gewährung eines BSA, einer Ausgleichsrente sowie eines Ehegattenzuschlags ab. Gegen den Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein unter anderem mit dem Begehren, neben einer höheren MdE eine besondere berufliche Betroffenheit nach § 30 Abs. 2 BVG sowie einen BSA nach § 30 Abs. 3 BVG zuzuerkennen. Insbesondere Einschränkungen auf internistisch-kardiologischem Gebiet seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Nach Einholung einer versorgungsärztlich-internistischen Stellungnahme beim Arzt für Innere Medizin Dr. D vom 11. September 2002 sowie einer nervenfachärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. D vom 18. September 2002 half der Beklagte dem Widerspruch der Klägerin, die mittlerweile von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) seit dem 1. Juli 2003 eine Witwenrente bezog (Bescheid vom 30. Juli 2003), mit Bescheid vom 3. September 2003 teilweise ab, als er den Grad der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG mit 10 v. H. höher bewertete, insgesamt also den Grad einer MdE ab dem 1. Oktober 1999 von 50 v. H. zuerkannte. Zur Begründung führte der Beklagte unter anderem aus, seine Prüfung habe ergeben, dass die Klägerin sowohl ihren vor der Schädigung ausgeübten Beruf als auch den nach der Schädigung erreichten Ausweichberuf nicht oder nur sehr eingeschränkt ausüben könne. Grundsätzlich bestehe auch ein Anspruch auf BSA. Ob ein Anspruch auf eine Ausgleichsrente und einen Ehegattenzuschlag bestehe, werde noch geprüft. Der Bescheid wurde laut internem Absendevermerk am 24. September 2003 abgesandt.

Nunmehr prüfte der Beklagte, ob der Klägerin aus dem BSA auch eine Geldleistung zustand. Im Rahmen dieser Prüfung teilte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 11. August 2004 auf Anfrage mit, seit Februar 1998 arbeitslos gemeldet zu sein. Bei der Arbeitslosmeldung habe sie angegeben, sich für Voll- und Teilzeittätigkeiten zu interessieren und dass sie auch Tätigkeiten zu Hause am PC ausführen könne. Einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente habe sie nicht gestellt. Aufgrund dieser Mitteilung prüfte der Beklagte die Rechtmäßigkeit der Feststellung einer besonderen beruflichen Betroffenheit nach Maßgabe des § 30 Abs. 2 BVG. Nach zwischenzeitlicher Erklärung der Klägerin, der BfA läge offenbar doch ein Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente vor, wobei es sich insoweit aber um ein Missverständnis handele, und Einholung nervenfachärztlicher Stellungnahmen beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D vom 23. September 2004 und vom 10. Januar 2005, der insbesondere in der erstgenannten Stellungnahme an seiner Einschätzung, bei der Klägerin liege eine besondere berufliche Betroffenheit vor, festhielt, holte der Beklagte ein psychiatrisches Kausalitätsgutachten bei der Ärztin für Psychiatrie S vom 11. August 2005 ein, die einen schädigungsbedingten Grad der Behinderung (GdB) aufgrund eines seelischen Leidens von 30 als angemessen erachtete und das Vorliegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit verneinte. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und Sozialmedizinerin Dr. W erachtete in ihrer prüfärztlichen Stellungnahme vom 23. August 2005 einen Gesamt-GdB von 60 als angemessen, wobei schädigungsunabhängig eine psychische Krankheit vorliege, die einen Einzel-GdB von 50 rechtfertige. Als Schädigungsfolge sei nur die Teilsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung mit dem Grad einer MdE von 25 v. H. = 30 v. H. anzuerkennen.

Mit Schreiben vom 2. September 2005 hörte der Beklagte die Klägerin, deren Witwenrente seit dem 1. Juli 2005 monatlich 1.101,77 Euro – Zahlbetrag 989,54 Euro – betrug und die daneben eine Betriebsrente für Hinterbliebene von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) in Höhe von monatlich 525,67 Euro – ab dem 1. Juli 2005, Zahlbetrag monatlich 433,94 Euro – bezog, über seine Absicht an, einen Bescheid nach § 48 Abs. 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zu erlassen. Es sei festzustellen, dass der Bescheid vom 26. November 2001 zugunsten der Klägerin unrichtig sei, weil nur der Grad einer MdE von 30 v. H. vorliege. Wegen Fristablaufs nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X könne der Bescheid vom 26. November 2001 aber nicht mehr aufgehoben werden. Die zu Unrecht auf der Grundlage eines Grades einer MdE von 40 v. H. gezahlte Rente werde daher zwar weitergezahlt, nehme aber nach Erlass eines Bescheides nach § 48 Abs. 3 SGB X nicht mehr an künftigen Anpassungen teil.

Mit Bescheid „Nr. 1“ vom 2. September 2005 nahm der Beklagte auf der Grundlage des § 45 SGB X den Bescheid vom 3. September 2003 mit Wirkung für die Zukunft insoweit zurück, „als durch den beiliegenden Bescheid vom heutigen Tage eine neue Entscheidung getroffen“ werde. Der Bescheid vom 3. September 2003 sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, denn eine besondere berufliche Betroffenheit liege nicht vor. Bei Bescheiderteilung sei von einer unrichtigen medizinischen Bewertung ausgegangen worden. Sie, die Klägerin, habe nach der Haft erfolgreich das Abitur nachholen, studieren und promovieren können. Dass sie eine dauerhafte Anstellung bisher nicht habe erlangen können, sei im Wesentlichen der Arbeitsmarktsituation anzulasten und stehe in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis. Ein schutzwürdiges Vertrauen nach § 45 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB X liege für die Zukunft nicht vor, weil anzunehmen sei, dass die Klägerin keine Vermögensdisposition getroffen habe, die sie nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könne. Das öffentliche Interesse an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns sei höher zu bewerten als das persönliche Interesse der Klägerin am Bestand des rechtswidrigen Verwaltungsaktes. Die Zweijahresfrist nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X sei eingehalten worden, weil der Bescheid vom 3. September 2003 erst am 24. September 2003 abgesandt worden sei. Gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 2 SGB X habe von einer Anhörung abgesehen werden können, weil durch eine solche die für die Entscheidung maßgebliche Frist in Frage gestellt gewesen wäre.

Mit Bescheid „Nr. 2“ vom 2. September 2005 stellte der Beklagte „im Anschluss an den Bescheid gemäß § 45 SGB X vom selben Tage“ ab dem 1. Oktober 2005 den Versorgungsanspruch neu fest. Die Versorgungsbezüge wurden auf der Grundlage des Grades einer MdE von 40 v. H. bemessen. Der Anspruch auf Erhöhung des Grades der MdE wegen „beruflicher Betroffenheit, auf Berufsschadensausgleich, Ausgleichsrente und Ehegattenzuschlag“ werde abgelehnt.

Mit „Feststellungsbescheid“ vom 4. November 2005 stellte der Beklagte fest, dass der Bescheid vom 26. November 2001 unrichtig sei und die darin zuerkannten Leistungen der Klägerin dem Grunde nach nicht zustünden. Da der Bescheid vom 26. November 2001 wegen Fristablaufs nicht mehr zurückgenommen werden könne, würden die mit Bescheid vom 26. November 2001 zu Unrecht bewilligte Grundrente für die Zeit vom 1. Oktober 1999 nach dem Grad einer MdE von 40 v. H. und die mit dem letzten Bescheid vom 3. September 2003 festgestellten Leistungen in Höhe von 218,- Euro monatlich weitergezahlt. Die vorgenannte Versorgungsleistung nehme aber nicht an künftigen Anpassungen teil.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis zum 30. September 2005 einen BSA und eine Ausgleichsrente sowie für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis zum 30. Juni 2003 für den am 28. Juni 2003 verstorbenen Ehemann der Klägerin einen Ehegattenzuschlag. Der BSA betrug ab dem 1. Juli 2003 1.368,- Euro monatlich. Ein Zahlbetrag für die Ausgleichsrente, die grundsätzlich monatlich 381,- Euro betragen sollte, ergab sich aufgrund angerechneten Einkommens nicht. Gegen die Befristung der jeweiligen Leistungen legte die Klägerin Widerspruch ein. Hinsichtlich der Einstellung des BSA und der Ausgleichsrente zum 30. September 2005 beantragte die Klägerin, das Widerspruchsverfahren im Hinblick auf das Widerspruchsverfahren gegen die Bescheide vom 2. September 2005 ruhen zu lassen.

Die Klägerin übermittelte dem Beklagten ein Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B vom 28. September 2004, das diese für die BfA erstellt hatte. Zu diesem Gutachten und zu weiteren von der Klägerin vorgelegten medizinischen Unterlagen holte der Beklagte eine psychiatrisch-neurologische Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und Sozialmedizinerin Dr. W vom 9. Mai 2006 ein, die an ihren Einschätzungen (schädigungsbedingter Grad der MdE von 25 v. H. = 30 v. H. und keine besondere berufliche Betroffenheit) festhielt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2006 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 26. November 2001 sowie gegen die Bescheide vom 3. September 2003, 2. September 2005 und 4. November 2005 zurück. Die Schädigungsfolge nach dem StrRehaG in Verbindung mit dem BVG laute nunmehr Teilsymptomatik der posttraumatischen Belastungsstörung. Der Grad der MdE betrage ab dem 1. Oktober 2005 25 v. H. gemäß § 30 Abs. 1 BVG. Nach § 31 Abs. 1 und 2 BVG wären Versorgungsbezüge nach dem Grad einer MdE von 30 v. H. zu gewähren. Aus Rechtsgründen werde die monatliche Grundrente in Höhe von 161,- Euro monatlich belassen. Bei künftigen Änderungen sei § 48 Abs. 3 SGB X zu beachten. Eine besondere berufliche Betroffenheit nach § 30 Abs. 2 BVG liege nicht vor. Gleiches gelte für die Voraussetzungen für die Gewährung eines BSA. Ausführungen zur Ausgleichsrente und zum Ehegattenzuschlag enthält der Widerspruchsbescheid nicht.

Hiergegen hat die Klägerin am 25. Juli 2006 Klage erhoben, mit der sie beantragt hat, die Bescheide vom 2. September 2005 und den Bescheid vom 4. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2006 aufzuheben. Sie hat ein ärztliches Attest des Facharztes für Innere Medizin, Diabetologie und Ernährungsmedizin Dr. S vom 5. März 2007, eine ärztliche Bescheinigung des Arztes für Orthopädie – Sportmedizin – Chirotherapie – Dr. M vom 3. September 2007 und Kopien von von diesem angefertigten Röntgenbildern, eine gutachtliche Stellungnahme des Facharztes für Innere Krankheiten Dr. P vom 5. August 2007 sowie eine eigene eingehende Stellungnahme vom 25. Februar 2007 zu dem Gutachten der Ärztin S vom 11. August 2005 vorgelegt.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrisch-neurologischen Gutachtens von Dr. B vom 26. November 2007. In diesem aufgrund ambulanter Untersuchung erstellten Gutachten hat die Sachverständige eine chronifizierte partielle posttraumatische Belastungsstörung, eine andere somatische Störung, eine Essstörung (nicht näher bezeichnet) sowie eine wahnhaft-querulatorische Persönlichkeitsstörung bei zwanghaft-hysterischer Persönlichkeitsstruktur diagnostiziert. Die chronifizierte partielle posttraumatische Belastungsstörung und die andere somatische Störung seien auf die Haftzeit in der ehemaligen DDR zurückzuführen. Auch für die Essstörung stelle die Haftzeit eine conditio sine qua non dar. Für die genannte Persönlichkeitsstörung sei die Haftzeit wesentliche Teilursache. Die MdE schätze sie mit einem Grad von 60 v. H. ein. Dabei sei die partielle posttraumatische Belastungsstörung, die seit 1995 bestehe, mit dem Grad einer MdE von 40 v. H. zu bewerten, während die andere somatische Störung und die Essstörung keine eigenständige MdE begründeten. Die Persönlichkeitsstörung sei insgesamt mit dem Grad einer MdE von 80 v. H., die haftbedingte MdE mit einem Grad von 40 v. H. zu bewerten. Sie habe sich dergestalt verstärkt, als sie im Jahr 2001 20 v. H., im Jahr 2005 50 v. H. (haftbedingt 30 v. H.) betragen habe und aktuell – wie beschrieben – 80 v. H. (haftbedingt 40 v. H.) betrage.

Der Beklagte hat eine gutachtliche Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S vom 13. März 2008 vorgelegt und dem Klagebegehren mit Bescheid vom 13. Mai 2008 teilweise insoweit abgeholfen, als er die Schädigungsfolge als „partielle chronische posttraumatische Belastungsstörung mit psychosomatischen Funktionsstörungen“ neu formuliert und hierfür einen Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 40 zuerkannt hat. In den Gründen des Bescheides heißt es, der GdS sei „von Anfang an mit 40 zu bewerten“. Nach § 30 Abs. 2 BVG sei der GdS nicht höher zu bewerten.

Zu der Stellungnahme von Dr. S hat die Sachverständige Dr. B unter dem 2. Juli 2008 ergänzend Stellung genommen, an ihrer Bewertung aber im Wesentlichen festgehalten. Lediglich die von ihr letztgenannte Diagnose hat sie näher umschrieben mit „posttraumatische wahnhaft-querulatorische Persönlichkeitsstörung/-änderung bei zwanghaft hysterischer Persönlichkeitsstruktur“. Zu dieser ergänzenden Stellungnahme und zu weiteren Schreiben der Klägerin hat der Beklagte nervenfachärztliche Stellungnahmen der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie und Psychotherapeutin Dr. W vom 21. August 2008 und vom 28. Oktober 2008 übermittelt.

Auf Klarstellung des Sozialgerichts, dass es nach der teilweisen Abhilfe des Klagebegehrens durch den Beklagten nur noch um die Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG gehen dürfte, hat die Klägerin ausgeführt:

Sie habe ihre berufliche Laufbahn zum Doktortitel nur mit großer Mühe vollbringen und nur mit erheblicher Verspätung erringen können, was im Vergleich zu gesunden Kollegen unverhältnismäßig sei. Sie sei zurzeit nur in der Lage, gelegentlich kleinere Aufsätze zu schreiben - oftmals ehrenamtlich -, womit sie sich kaum ihren laufenden Unterhalt verdienen könne. Nach Absolvierung des Studiums habe sie nur Hilfstätigkeiten verrichten können. Nach einem Kündigungsverfahren sei sie seit Februar 1998 arbeitslos. In der Folgezeit sei sie immer auf Arbeitslosengeld und später auf die Unterstützung ihres Ehemanns angewiesen gewesen. Von seiner Rente und später der Witwenrente habe sie ihren eigenen Lebensunterhalt bestritten. Die gesamten gesundheitlichen Einschränkungen erlaubten es ihr nicht, eine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert zu verrichten, so dass sie nach wie vor eine „Rente wegen voller Erwerbsminderung“ beziehe.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 14. Mai 2009 hat die Klägerin ausweislich des Sitzungsprotokolls Folgendes erklärt:

Sie habe (in dem Antrag auf BSA) als angestrebte Berufe Hochschuldozentin, höhere Archivarin und Museumsleiterin angegeben. Jedoch habe sie einen Magister in Theaterwissenschaften, Germanistik und Kunstgeschichte/Bereich Kommunikationswissenschaften abgelegt. Die Promotion habe sie zusätzlich abgeschlossen, weil ihr dies weite Möglichkeiten des Einsatzes in der Verwaltung, in Unternehmensberatungen und Verlagen, Museen und Ähnlichem im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit eröffnet habe. Sie habe studiert, weil ihr dies die Möglichkeit gegeben habe, zu Hause zu arbeiten und sich bei Bedarf auszuruhen. Außerdem habe sie in einem Museum nur studentische Hilfstätigkeiten ausgeübt. Während der Tätigkeit hätten die Probleme mit der Atmung und dem Herzen begonnen. Auch in der ehemaligen DDR hätte sie bereits einen Beruf in der Öffentlichkeitsarbeit angestrebt. Ein Abitur abzulegen sei ihr aber nicht möglich gewesen. Sie habe die Ingenieurschule besucht, weil sie gehofft habe, danach mit dem dort erworbenen Abschluss ein Studium der Geisteswissenschaften beginnen zu können. Sie hätte nach Erwerb des Abschlusses als Bauingenieurin (Fachabitur) dann an der Universität ein Studium aufnehmen können. Sie sei jedoch exmatrikuliert worden, bevor sie den Bauingenieur abgeschlossen habe. An der Akademie der Wissenschaften habe sie ausschließlich Hilfsarbeiten verrichtet.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Urteil vom 14. Mai 2009 die Bescheide des Beklagten vom 2. September 2005 und vom 4. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2006 aufgehoben, dabei aber vorab ausgeführt, dass die weitere Gewährung des BSA nicht Verfahrensgegenstand sei, da das Verwaltungsverfahren insoweit ausgesetzt worden sei. Der Bescheid vom 4. November 2005 sei aufzuheben, weil er rechtswidrig und nicht durch den Bescheid vom 13. Mai 2008 aufgehoben worden sei. Denn der Bescheid vom 26. November 2001, auf den er sich beziehe, sei seinerseits nicht rechtswidrig, weil die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung einer chronischen posttraumatischen Belastungsstörung als Schädigungsfolge mit einem GdS von 40 und eine entsprechende Beschädigtenrente habe. Die Bescheide vom 2. September 2005 seien ebenfalls aufzuheben, weil der Bescheid vom 3. September 2003 nicht rechtswidrig sei, da die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung der besonderen beruflichen Betroffenheit und daraus folgend Anspruch auf einen höheren GdS nach § 30 Abs. 2 BVG habe. Nach Aktenlage und Angaben der Klägerin habe diese schon in der ehemaligen DDR einen Beruf in der Öffentlichkeitsarbeit angestrebt. Die Angaben der Klägerin zum Antrag auf Gewährung eines BSA, in dem sie als angestrebte Berufe die einer Hochschuldozentin, höheren Archivarin und Museumsleiterin angegeben habe, gäben die Berufsziele nicht hinreichend wieder. Denn die Angabe dieser höheren Tätigkeiten, die am Ende einer beruflichen Laufbahn angestrebt worden seien, würde nicht der Tatsache entgegenstehen, dass die Klägerin zunächst einen Beruf in der Öffentlichkeitsarbeit habe ausüben wollen. Vielmehr sei es lebensfremd, wenn der Beklagte annehme, dass jemand studiere, um ganz bestimmte Stellen auf dem Arbeitsmarkt zu erhalten. Es entspreche den Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt und damit auch den realistischen Vorstellungen der Klägerin, dass nach dem Hochschulstudium eine Bandbreite von Arbeitsmöglichkeiten bestehe. Eine Tätigkeit im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit habe die Klägerin insoweit begonnen, als sie 1997 bis 1998 13 Stunden in der Woche im Museum der Arge 13. August Hilfstätigkeiten ausgeübt habe. Die besondere berufliche Betroffenheit im demnach angestrebten und auch begonnenen Beruf sei gegeben. Denn die berufliche Erfolglosigkeit der Klägerin beruhe nicht auf allgemeinen arbeitsmarktpolitischen Gründen. Vielmehr bringe die psychische Schädigung der Klägerin in Berufen der Öffentlichkeitsarbeit besondere Nachteile mit sich. Denn die angestrebten Tätigkeiten beinhalteten eine geistige Tätigkeit, die den Umgang mit anderen Menschen erfordere, wozu die Klägerin aufgrund der Schädigungsfolgen aber nur erheblich eingeschränkt in der Lage sei. Dass die Klägerin ihr Hochschulstudium abgeschlossen und promoviert habe, stehe der besonderen beruflichen Betroffenheit nicht entgegen, zumal die Klägerin – dies gehe aus den Stellungnahmen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. D und den Unterlagen in der Verwaltungsakte hervor – bereits während der Ausbildung einen Leistungsabfall zu erleiden gehabt habe, was sich auch darin dokumentiere, dass sie die Promotion mit der Gesamtnote „rite“ erheblich schlechter als Abitur und Studium abgeschlossen habe. Soweit die Klägerin angegeben habe, sich für Voll- oder Teilzeittätigkeiten zu interessieren, stehe dies der besonderen beruflichen Betroffenheit nicht entgegen, weil diese Selbstaussagen nicht bedeuteten, dass sich die Klägerin im angestrebten Beruf für voll arbeitsfähig halte und zudem die Selbsteinschätzung von psychisch kranken Menschen nicht zur Beurteilung des objektiven Leistungsvermögens dienen könne.

Gegen das ihm am 27. Mai 2009 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 22. Juni 2009 Berufung eingelegt, die sich nach Angaben im Schriftsatz vom 13. August 2009 „gegen die Verurteilung auf Feststellung einer besonderen beruflichen Betroffenheit nach § 30 Abs. 2 BVG und daraus folgend eines Grades der Schädigungsfolgen (GdS) von 50 sowie die Zahlung einer entsprechend höheren Beschädigtenrente“ richtet. Das Nichterreichen der angestrebten beruflichen Tätigkeit sei auf die Situation des Arbeitsmarktes und auf die sich Mitte der 90er Jahre manifestierende nichtschädigungsbedingte paranoide Symptomatik zurückzuführen. Eine haftbedingte Einschränkung der intellektuellen Fähigkeiten bestehe nicht. Die Klägerin wäre aufgrund der Schädigungsfolge in jedem Beruf gleichermaßen betroffen. Der Beklagte nimmt im Übrigen Bezug auf die bereits genannten gutachtlichen Stellungnahmen sowie die dem Senat übermittelte gutachtliche Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie und Psychotherapeutin Dr. W vom 6. Juli 2009.

Der Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2011 den Bescheid vom 13. Mai 2008 klarstellend insoweit aufgehoben, als damit die Höherbewertung wegen besonderer beruflicher Betroffenheit für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis zum 30. September 2005 aufgehoben worden sein sollte. Er hat klargestellt, sich gegen das Urteil des Sozialgerichts nur insoweit zu wenden, als dieses sich zu der besonderen beruflichen Betroffenheit ab dem 1. Oktober 2005 verhält.

Die Beteiligten haben im Termin zur mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt, dass im hiesigen Verfahren vor dem Landessozialgericht erstinstanzlich über die Bescheide vom 2. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2006 auch insoweit entschieden werden soll, als mit ihnen die Bewilligung eines BSA für die Zeit ab dem 1. Oktober 2005 aufgehoben worden ist.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Mai 2009 zu ändern, soweit mit diesem die Bescheide vom 2. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2006 aufgehoben worden sind, soweit sie sich auf die besondere berufliche Betroffenheit für die Zeit ab dem 1. Oktober 2005 beziehen, und die sich hierauf beziehende Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Bescheide vom 2. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2006 aufzuheben, soweit sie sich auf den Berufsschadensausgleich für die Zeit ab dem 1. Oktober 2005 beziehen.

Der Beklagte beantragt,

die sich auf den Berufsschadensausgleich beziehende Klage abzuweisen.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist in seinem angegriffenen Umfang - der Beklagte wendet sich gegen dieses nur insoweit, als damit die von ihm für die Zeit ab dem 1. Oktober 2005 verfügte Aufhebung der Höherbewertung des Grades der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit um 10 aufgehoben worden ist - zutreffend. Zu Recht hat es die Bescheide vom 2. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2006 insoweit aufgehoben.

Gegenstand des Verfahrens vor dem Landessozialgericht ist aber neben der Kürzung des Grades der MdE im Umfang von 10 v. H. wegen Aberkennung der besonderen beruflichen Betroffenheit nach § 30 Abs. 2 BVG auch die Frage, ob der Beklagte mit den Bescheiden vom 2. September 2005 zu Recht den mit Bescheid vom 3. September 2003 dem Grunde nach zuerkannten BSA wieder aberkannt hat. Denn über die Aberkennung des BSA hat nicht nur der Beklagte sowohl in den Bescheiden vom 2. September 2005 - besonders deutlich im Bescheid „Nr. 2“ - als auch im Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2006 entschieden. Die Klägerin hat auch ihr Klagebegehren nicht eindeutig entsprechend begrenzt. Soweit das Sozialgericht in seinem Urteil ausgeführt hat, der BSA sei nicht Verfahrensgegenstand, weil das Verwaltungsverfahren insoweit ausgesetzt worden sei, geht es fehl. Denn ruhen sollte das Widerspruchsverfahren in Bezug auf die mit Bescheid vom 13. Februar 2006 gegebenenfalls verfügte zeitliche Befristung des BSA bis zum 30. September 2005. Nicht ruhen sollte das die hier streitigen Bescheide vom 2. September 2005 betreffende Widerspruchsverfahren, das ja – wie die entsprechenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2006 erhellen – tatsächlich auch nicht geruht hat, da der Beklagte in diesem auch über den Widerspruch den BSA betreffend entschieden hat.

Obwohl das Sozialgericht also nicht über die Bescheide vom 2. September 2005 befunden hat, soweit mit ihm auch der BSA zum 1. Oktober 2005 aberkannt worden ist, kann der Senat auch insoweit entscheiden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließt, ist der Verfahrensgegenstand, über den die erste Instanz zu Unrecht nicht entschieden hat, über ein Rechtsmittel in die nächste Instanz "heraufholbar". Voraussetzung dafür ist, dass dies dem Willen der Beteiligten entspricht; dieser kann durch rügeloses Einlassen eines Beteiligten auf den entsprechenden Antrag eines anderen Beteiligten oder durch übereinstimmende Anträge bekundet werden (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2007 - B 7/7a AL 10/06 R - juris). Hier haben die Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2011 ihren Willen, den BSA in das Berufungsverfahren mit aufzunehmen, übereinstimmend bekundet. Insoweit entscheidet der Senat nicht über eine Berufung, sondern über eine Klage, die hier auch zulässig und begründet ist.

Nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Landessozialgericht ist und auch nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Klageverfahrens war der Bescheid vom 13. Mai 2008, soweit es darin heißt, nach § 30 Abs. 2 BVG sei der GdS nicht höher zu bewerten. Denn insoweit liegt kein Verwaltungsakt vor. Denn er enthält nicht - wie dies § 31 Satz 1 SGB X voraussetzt - eine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Er wiederholt für die Zeit ab dem 1. Oktober 2005 lediglich die Verfügungssätze der Bescheide vom 2. September 2005. Die Wiederholung eines Verwaltungsakts ist aber selbst dann kein Verwaltungsakt, wenn sie in der Form eines Bescheides mit Rechtsbehelfsbelehrung und Gründen erfolgt (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 1991 - 1 RR 2/89 - juris). Soweit der Bescheid so ausgelegt werden konnte, dass die Gewährung eines höheren Grades einer MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit auch für den Zeitraum vom 1. Oktober 1999 bis zum 30. September 2005 rückwirkend aufgehoben werden sollte, hat der Beklagte den Bescheid vom 13. Mai 2008 im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2011 zur Klarstellung insoweit aufgehoben.

Die Bescheide „Nr. 1“ und „Nr. 2“, mit denen der Beklagte den Bescheid vom 3. September 2003 insoweit mit Wirkung für die Zukunft - ab dem 1. Oktober 2005 - zurückgenommen hat, als dieser eine besondere berufliche Betroffenheit nach § 30 Abs. 2 BVG festgestellt und dementsprechend eine Höherbewertung der Schädigungsfolge von 40 v. H. auf 50 v. H. sowie das Bestehen des Anspruchs auf BSA dem Grunde nach verfügt hat, sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

Die Bescheide vom 2. September 2005 verstoßen im hier streitigen Umfang gegen § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Ob der begünstigende Verwaltungsakt vom 3. September 2003 rechtswidrig ist, kann dahinstehen. Denn auch in diesem Fall erweist sich das Vertrauen der Klägerin bei einer Interessenabwägung als schutzwürdig.

Die nach § 45 SGB X zugelassene Durchbrechung der Bindungswirkung von Verwaltungsakten (§ 77 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>) geht von dem Gedanken der Recht- und Gesetzmäßigkeit jeden Verwaltungshandelns aus, der es grundsätzlich verlangt, rechtswidrige Verwaltungsakte zu beseitigen (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 5. November 1997 - 9 RV 20/96 - vgl. auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. August 2009 - L 13 VH 15/06 - beide bei juris). Dem steht allerdings gegenüber, dass der für die Rechtswidrigkeit nicht verantwortliche Betroffene grundsätzlich auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns vertrauen darf und vor der Rücknahme geschützt sein soll. Um den Widerstreit zwischen diesen beiden Grundsätzen zu lösen, muss im Einzelfall eine Abwägung darüber erfolgen, welches Interesse überwiegt, das der Allgemeinheit auf Herstellung eines gesetzmäßigen Zustandes oder das des gutgläubigen Begünstigten an der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes. Bei Verwaltungsakten, mit denen Dauerleistungen bewilligt worden sind, ist das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes in der Regel höher einzuschätzen als bei der Gewährung einmaliger Leistungen, weil eine Dauerleistung die Allgemeinheit regelmäßig stärker belastet als eine einmalige Leistung. Das gilt jedenfalls für Dauerleistungen, die für sehr lange Zeit gewährt werden müssten.

Diese gewichtigen öffentlichen Interessen schließen es im Einzelfall jedoch nicht aus, das Individualinteresse des rechtswidrig Begünstigten als bedeutsamer anzusehen und einen Ausschluss der Rücknahme nach § 45 Abs. 2 SGB X zu bejahen. Das setzt zunächst voraus, dass der Betroffene auf den Bestand der Leistungsbewilligung vertraut hat. Für das Vorliegen von Vertrauen spricht eine Vermutung. Das Vertrauen ist - wie sich aus § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X ergibt - in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Aber selbst wenn der Betroffene nicht schon nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X Vertrauensschutz genießt, können andere Umstände für die Annahme seiner Schutzwürdigkeit sprechen. So ist beispielsweise zugunsten des Betroffenen zu berücksichtigen, wenn die Unrichtigkeit des begünstigenden Verwaltungsaktes allein in den Verantwortungsbereich des Beklagten fällt oder durch grobe Fehler der Verwaltung bei Erlass des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts das Vertrauen des Begünstigten in die Bestandskraft der Leistungsbewilligung nachhaltig gestärkt wird, wobei dieser Umstand allein noch nicht die Annahme eines schutzwürdigen Vertrauens des Begünstigten in den Fortbestand der rechtswidrigen Entscheidung rechtfertigt (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juni 2001 - B 7 AL 6/00 R - juris). Von Bedeutung können ferner die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen sein. Schließlich ist gegebenenfalls zu berücksichtigen, wenn der begünstigende Bescheid nach einem lang dauernden Verwaltungsverfahren ergangen ist, in dessen Verlauf die Behörde den Sachverhalt aufgeklärt und geprüft hat, und wenn der zeitliche Abstand zwischen Erlass des Bescheides und Erlass des Rücknahmebescheides ins Gewicht fällt, denn mit zunehmendem zeitlichen Abstand vom Zeitpunkt der begünstigenden Verfügung wird die Stellung des rechtswidrig Begünstigten gestärkt. Bereits mit Ablauf der Zweijahresfrist des § 45 Abs. 3 SGB X verlieren angesichts der gesetzgeberischen Entscheidung die öffentlichen Belange gegenüber dem Vertrauen des Berechtigten jegliche Bedeutung (vgl. BSG, Urteil vom 5. November 1997 - 9 RV 20/96 - Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. August 2009 - L 13 VH 15/06 - beide bei juris).

Die Klägerin, bei der Vertrauensausschlusstatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht erfüllt sind, hat auf den Bestand des Bescheides vom 3. September 2003 vertraut. Vermögensverfügungen, welche ein besonderes Vertrauen vermuten lassen würden (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X), sind von ihr zwar nicht getroffen worden. Die nach Absatz 2 Satz 1 vorzunehmende Abwägung hat deshalb im vorliegenden Fall insbesondere zu berücksichtigen, dass die begünstigende Entscheidung erst nach einem mehrjährigen Verwaltungsverfahren (Beginn am 14. Oktober 1999) und zudem im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 26. November 2001 nach Einholung einer versorgungsärztlich-internistischen Stellungnahme beim Arzt für Innere Medizin Dr. D vom 11. September 2002 und einer nervenfachärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. D vom 18. September 2002 im Wege der Abhilfe getroffen worden ist. Die Klägerin hatte keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Abhilfeentscheidung vom 3. September 2003 rechtswidrig gewesen sein könnte. Dies gilt umso mehr, als dem Beklagten die von ihm für die Annahme, dass eine besondere berufliche Betroffenheit sowie die Voraussetzungen für die Zuerkennung des BSA nicht vorlägen, als wesentlich empfundenen Tatsachen (vgl. interner Vermerk vom 28. Oktober 2003) – Nachholung des Abiturs, Abschluss eines Studiums, Abschluss einer Promotion – nicht erst mit der Beantragung eines BSA, sondern bereits mit dem Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. D vom 25. September 2001 bekannt waren oder jedenfalls bekannt gewesen sein mussten. Auch der Hinweis im Vermerk vom 8./13. September 2004, es sei „nun festgestellt“ worden, dass sich die Klägerin für voll arbeitsfähig halte und sich dem Arbeitsmarkt durch regelmäßige Vorsprachen beim Arbeitsamt zur Verfügung stelle, mindert das schutzwürdige Vertrauen der Klägerin in die Rechtmäßigkeit der Entscheidung vom 3. September 2003 nicht. Denn dass die Klägerin arbeitslos war, hatte sie schon in einem am 1. September 1999 unterschriebenen Formantrag mitgeteilt. Dass sie sich selbst für arbeits- oder erwerbsunfähig hält, hatte die Klägerin vor der Entscheidung vom 3. September 2003 nie erklärt. Im Gegenteil hatte sie in einem Fragebogen am 24. August 2001 erklärt, als Publizistin beruflich tätig zu sein. Auch im Rahmen der Begutachtung durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D hatte sie diesem gegenüber erklärt, seit 1998 frei zu arbeiten, Vorträge zu halten und publizistisch für Zeitungen tätig zu sein. In Kenntnis aller relevanten Tatsachen erkannte der Beklagte, was intern sehr umstritten war (vgl. Vermerke vom 1. Oktober 2002 einerseits und vom 16. Juni 2003 andererseits), die besondere berufliche Betroffenheit an und bewilligte den BSA dem Grunde nach. Sollte diese Verwaltungsentscheidung rechtswidrig gewesen sein, ist also nur der Beklagte allein dafür verantwortlich. Er hat die Entscheidung auch in Kenntnis aller maßgeblichen Tatsachen getroffen und dies darüber hinaus nach einem internen Abwägungsprozess, in dessen Verlauf die gegen die Zuerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit sowie eines BSA sprechenden Tatsachen eingehend erörtert worden waren. Daneben liegt auch eine Vertiefung oder Perpetuierung des ursprünglich gemachten Fehlers durch zusätzliches Verwaltungshandeln im Sinne des bereits genannten Urteils des BSG vom 21. Juni 2001 vor (vgl. die vom BSG genannten Beispiele: die Erteilung zusätzlicher falscher Auskünfte, weiterer Bescheide oder die Anforderung weiterer Unterlagen ohne Hinweis auf die Rechtswidrigkeit der Bewilligung). Denn obgleich ausweislich eines internen Vermerks vom 28. Oktober 2003 jedenfalls ab diesem Zeitpunkt - also kurz nach Erlass des am 24. September 2003 abgesandten Bewilligungsbescheides vom 3. September 2003 - bei dem Beklagten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zuerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit sowie des BSA aufgekommen waren, hat der Beklagte diese Zweifel gegenüber der Klägerin einerseits nicht geäußert und andererseits mit Schreiben vom 17. März 2004 weitere Mitteilungen zur Berechnung des BSA angefordert. Diesem Schreiben musste die Klägerin entnehmen, dass die Zuerkennung des BSA dem Grunde nach außer Zweifel stand, es also nur um die Berechnung seiner Höhe ging. Im Übrigen musste die Klägerin annehmen, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zuerkennung der besonderen beruflichen Betroffenheit seitens des Beklagten nicht einmal ansatzweise bestanden. Die mit Schreiben des Beklagten vom 5. August 2004 erbetenen Auskünfte dienten zwar - rückwirkend betrachtet - offenkundig der Prüfung der Rechtmäßigkeit der zuerkannten besonderen beruflichen Betroffenheit und des BSA. Die Klägerin konnte dies ohne eine entsprechende Mitteilung des Beklagten aber nicht erkennen. Auch auf eine entsprechende Sachstandsanfrage des Bevollmächtigten der Klägerin vom 27. April 2005 antwortete der Beklagte mit Schreiben vom 13. Mai 2005 nur vage und teilte insbesondere weiterhin nicht mit, dass mittlerweile eine umfassende interne Prüfung der Rechtmäßigkeit der zuerkannten Leistungen erfolgte. Eine entsprechende Mitteilung unterblieb auch in dem Schreiben von der Gutachterin S an die Klägerin vom 13. Juni 2005, mit dem dieser mitgeteilt worden war, dass im Hinblick auf den „Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem StrRehaG“ eine Begutachtung erfolgen solle. Berücksichtigt man schließlich, dass der Beklagte die Zweijahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X – noch dazu ohne vorherige Anhörung der Klägerin – praktisch voll ausgeschöpft hat, muss mit der Rechtsprechung des BSG angesichts der Umstände des hiesigen Einzelfalles ein erhebliches Vertrauen der Klägerin angenommen werden, das das öffentliche Interesse an der Rücknahme einer – eventuell – rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung überwiegt.

Soweit die Berufung des Beklagten zurückgewiesen wird, ist der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung zu berichtigen. Denn das Sozialgericht hat die Bescheide vom 2. September 2005 ohne Einschränkung aufgehoben, obwohl mit diesen auch die Bewilligung einer Ausgleichsrente und eines Ehegattenzuschlags zurückgenommen wurden. Diese Verfügungsbestandteile waren aber nicht Gegenstand des Klage- und des Berufungsverfahrens.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben sind.