Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 29.04.2019 | |
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Aktenzeichen | 13 WF 91/19 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Das für die Verwirkung eines Unterhaltsanspruchs vorauszusetzende Zeitmoment erfor-dert eine Passivität des Unterhaltsgläubigers für mehr als ein Jahr (vgl. zuletzt BGH FamRZ 2018, 589 Rn. 13 m.w.N.). Hierbei stehen nicht nur eine Aufforderung zur Auskunftserteilung, eine Bezifferung des Unterhaltsanspruchs oder eine Zahlungsaufforderung einer Passivität entgegen, sondern auch Vorgänge, die zwar nicht unmittelbar der Durchsetzung des Anspruchs, aber ihrer Vorbereitung dienen, wie etwa das Einräumen von Stellungnahmefristen, die eine weitere Sachverhaltsaufklärung ermöglichen sollen (vgl. BGH FamRZ 2010, 1888 Rn. 28).
2. Das bloße Unterlassen der Geltendmachung des Unterhalts oder der Fortsetzung einer begonnenen Geltendmachung kann das Umstandsmoment der Verwirkung nicht begründen (vgl. BGH FamRZ 2018, 589 Rn. 15 m.w.N.). Zur Annahme der Verwirkung muss für den Schuldner ein vom Gläubiger gesetzter besonderer Vertrauenstatbestand vorliegen, der vom Schuldner konkret darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen ist (BGH FamRZ 2018, 589 Rn. 17). Vertrauensbegründende Umstände können vorliegen bei einem konkreten Verhalten des Gläubigers, das Grund zu der Annahme geben kann, er werde seinen Unterhaltsanspruch nicht mehr geltend machen, insbesondere weil er seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben habe.
3. Die Geltendmachung einer zivilprozessualen Scheidungsfolgensache außerhalb des Verbundverfahrens ist grundsätzlich nicht mutwillig i.S. des § 114 ZPO (vgl. BGH FamRZ 2005, 786; BGH FamRZ 2005, 788). Dem ist unter Geltung des FamFG zu folgen. Auch eine ver-mögende Partei würde bei Erfolgsaussicht die Kostenfolge des § 243 S 2 Nr. 1 FamFG derjenigen aus § 150 Abs. 1 FamFG vorziehen, wie unmittelbar einleuchtet.
4. Unabhängig davon können, insbesondere bei Rentenbezug, die Durchführung und Umsetzung des Versorgungsausgleichs die Berechnung des nachehelichen Unterhalts ganz erheblich vereinfachen und die den Unterhaltsgläubiger treffenden wirtschaftlichen Risiken einer Falschbezifferung beträchtlich senken.
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Bewilligungsbeschluss des Amtsgerichts Zossen vom 12.03.2019 abgeändert:
Die Einschränkungen der Bewilligung in Abs. 1 sowie in Abs. 5 S. 2 des Entscheidungsausspruchs entfallen.
1. Die Antragstellerin erbittet Verfahrenskostenhilfe für die Geltendmachung rückständigen und laufenden nachehelichen Unterhalts.
Sie ist vom Antragsgegner seit dem 27.06.2017 rechtskräftig geschieden. Mit Anwaltsschreiben vom 04.07.2017 forderte sie den Antragsgegner zur Berechnung eines ihr zustehenden nachehelichen Unterhalts zur Auskunft auf (17), zu der sich der Antragsgegner mit Anwaltsschreiben vom 15.08.2017 bereit erklärte (70 VK). Nach weiteren Schreiben ihrer vormaligen Rechtsanwältin vom 11.01.2018 mit Fristsetzung bis zum 26.01.2018 (72 VK) und abermaligem Schreiben ihrer nunmehrigen Anwältin vom 10.01.2019 (vgl. 18) lehnte der Antragsgegner mit Anwaltsschreiben vom 31.01.2019 Unterhaltsansprüche ab (18). Im Februar 2019 hat die Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe erbeten.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht Verfahrenskostenhilfe bewilligt, allerdings in Ansehung der Rückstände beschränkt auf die Monate ab Februar 2018. Die älteren Ansprüche seien verwirkt.
Nach dem Beschlusstenor hat die Antragstellerin Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass der Unterhalt nicht im Scheidungsverbundverfahren rechtshängig gemacht worden ist, selbst zu tragen. Die Antragstellerin müsse sich mögliche Kostenersparnisse im Verbundverfahren entgegenhalten lassen.
2. Die nach §§ 113 Abs. 1 S 2 FamFG, 127, 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg.
Eine Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 114 Abs. 1 S. 1 ZPO) lässt sich für Rückstände vor Februar 2018 nicht verneinen.
Die Voraussetzung für die Geltendmachung rückständiger Unterhaltsansprüche (§§ 1585b Abs. 2, 1613 BGB) liegen insoweit vor und sind nicht in Zweifel gezogen. Die Antragstellerin ist entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht daran gehindert, sich auf die Rechtsfolgen des § 1613 BGB zu berufen, etwa wegen Verwirkung nach § 242 BGB. Hierzu fehlen gleichermaßen Zeit- wie Umstandsmoment.
Das Zeitmoment erfordert eine Passivität des Unterhaltsgläubigers für mehr als ein Jahr (vgl. zuletzt BGH FamRZ 2018, 589 Rn. 13 m.w.N.) und ist hier nicht feststellbar. Nicht nur eine Aufforderung zur Auskunftserteilung, eine Bezifferung des Unterhaltsanspruchs oder eine Zahlungsaufforderung stehen einer Passivität entgegen, sondern auch Vorgänge, die zwar nicht unmittelbar der Durchsetzung des Anspruchs, aber ihrer Vorbereitung dienen, wie etwa das Einräumen von Stellungnahmefristen, die eine weitere Sachverhaltsaufklärung ermöglichen sollen (vgl. BGH FamRZ 2010, 1888 Rn. 28). Diesen Anforderungen genügen auf erste Sicht sämtliche Schreiben und Tätigkeiten der Antragstellerin, die nach den vorstehenden Maßstäben schon untereinander jeweils einen Abstand von weniger als einem Jahr aufweisen.
Desgleichen fehlt das Umstandsmoment. Das bloße Unterlassen der Geltendmachung des Unterhalts oder der Fortsetzung einer begonnenen Geltendmachung kann das Umstandsmoment der Verwirkung nicht begründen (vgl. BGH FamRZ 2018, 589 Rn. 15 m.w.N.). Zur Annahme der Verwirkung muss für den Schuldner ein vom Gläubiger gesetzter besonderer Vertrauenstatbestand vorliegen, der vom Schuldner konkret darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen ist (BGH FamRZ 2018, 589 Rn. 17). Vertrauensbegründende Umstände, wie etwa ein konkretes Verhalten der Gläubigerin, das Grund zu der Annahme geben könnte, sie werde ihren Unterhaltsanspruch nicht mehr geltend machen, insbesondere weil sie ihren Rechtsstandpunkt aufgegeben habe, hat das Amtsgericht nicht aufgeführt und sind nicht ersichtlich. Vielmehr sah sich der Unterhaltsschuldner erst mit Anwaltsschreiben vom 31.01.2019 veranlasst, einen Wegfall seiner Unterhaltspflicht überhaupt erstmals zu thematisieren, nachdem er diese als Grundlage seiner Auskunftspflicht bis dahin nicht einmal in Zweifel gezogen hatte.
Die Kosteneinschränkung im Bewilligungsbeschluss hat zu entfallen. Mit seinem Verweis auf mögliche Kostenersparnisse bei Geltendmachung der nunmehr isolierten Unterhaltssache im vormaligen Verbund prüft das Amtsgericht der Sache nach eine Versagung oder Einschränkung der Bewilligung wegen Mutwillens (§ 114 Abs. 2 ZPO). Die Voraussetzungen hierfür lassen sich nicht feststellen. Die Geltendmachung einer zivilprozessualen Scheidungsfolgensache außerhalb des Verbundverfahrens ist grundsätzlich nicht mutwillig i.S. des § 114 ZPO (vgl. BGH FamRZ 2005, 786; BGH FamRZ 2005, 788). Dem ist unter Geltung des FamFG zu folgen.
Auch eine vermögende Partei würde bei Erfolgsaussicht die Kostenfolge des § 243 S 2 Nr. 1 FamFG derjenigen aus § 150 Abs. 1 FamFG vorziehen, wie unmittelbar einleuchtet. Unabhängig davon können, insbesondere bei Rentenbezug, wie vorliegend, die Durchführung und Umsetzung des Versorgungsausgleichs die Berechnung des nachehelichen Unterhalts ganz erheblich vereinfachen und die den Unterhaltsgläubiger treffenden wirtschaftlichen Risiken einer Falschbezifferung beträchtlich senken.
Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht zu entscheiden (§§ 113 Abs. 1 S 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO).
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 113 Abs. 1 S 2 FamFG, 574 Abs. 2, Abs. 3 ZPO), besteht nicht.