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Erstattung von Anwaltsgebühren in der Zwangsvollstreckung - notwendige Kosten der Vollstreckung


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer Entscheidungsdatum 27.05.2010
Aktenzeichen 5 M 24/09 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 167 VwGO

Tenor

1. Der Antrag des Vollstreckungsgläubigers vom 21. Juli 2009 auf Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 29. April 2009 – 5 L 227/08 wird abgelehnt.

2. Der Vollstreckungsgläubiger trägt die Kosten des Vollstreckungsverfahrens.

Gründe

I.

Gegenstand des Antrags ist der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 29. April 2009. Hierin wurden die von dem Antragsteller an den Antragsgegner zu erstattenden und anliegend berechneten Kosten auf 83,54 € nebst Zinsen i. H. von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab 26. Januar 2009 festgesetzt. Dieser Kostenfestsetzungsbeschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Vollstreckungsschuldners am 8. Mai 2009 und dem Prozessbevollmächtigten des Vollstreckungsgläubigers am selben Tag zugestellt. Mit Schriftsatz vom 28. Mai 2009 forderte der Vollstreckungsgläubiger den Schuldner unter Androhung der Zwangsvollstreckung und unter Berechnung einer Verfahrensgebühr gemäß Anlage 1 zu § 2 S. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (Nr. 3309) in Höhe von 14,28 € auf, den festgesetzten Betrag aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss nebst der geforderten Verfahrensgebühr zu zahlen. Nach Angaben des Vollstreckungsgläubigers zahlte der Vollstreckungsschuldner mit Eingang (beim Gläubiger) vom 2. Juni 2009 2 Teilbeträge von 83,54 € sowie 1,88 €. Der Vollstreckungsgläubiger verrechnete diese Zahlungen nach seinen Angaben mit Schreiben vom 5. Juni 2009 gemäß § 367 Abs. 1 BGB. Hierauf teilte der Vollstreckungsschuldner über seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 11. Juni 2009 dem Vollstreckungsgläubiger mit, die Vollstreckungsandrohung mit der Kostenforderung datiere zwar vom 28. Mai 2009, sei jedoch erst am 3. Juni 2009 beim Bevollmächtigten eingegangen.

II.

Dem Vollstreckungsantrag war nicht zu entsprechen, da es sich bei der nunmehr - im wesentlichen - geltend gemachten Anwaltsgebühr nicht um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung handelt (1.) und die Vollstreckung des verbleibenden Zahlbetrags aus dem Anspruch des Vollstreckungsgläubigers gemäß dem o.g. Kostenfestsetzungsbeschluss unverhältnismäßig erscheint (2.).

1.

In Höhe von 14,28 € handelt es sich ersichtlich um die Erstattung von Anwaltsgebühren in der Zwangsvollstreckung, die erstmals mit Aufforderungsschreiben vom 28. Mai 2009 durch den Prozessbevollmächtigten des Vollstreckungsgläubigers geltend gemacht worden sind. Diese Gebühr ist allerdings nicht erstattungsfähig, da sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in der Zwangsvollstreckung nicht notwendig war (§ 167 VwGO i. V. m. § 788 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. § 91 Zivilprozessordnung - ZPO). Die Notwendigkeit von Vollstreckungshandlungen, die Kosten für den Schuldner auslösen, bestimmt sich aus Sicht des Gläubigers zum Zeitpunkt ihrer Vornahme. Wesentlich ist, ob der Gläubiger bei verständiger Würdigung der Sachlage die Maßnahme zur Durchsetzung seines titulierten Anspruchs objektiv für erforderlich halten durfte.

Zwar ist hier die Wartefrist des gemäß § 167 Abs. 1 VwGO entsprechend anwendbaren § 798 ZPO verstrichen (Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses am 8. Mai 2009). Insoweit korrespondiert die hier zunächst maßgebliche Wartefrist von mindestens zwei Wochen mit der Rechtsmittelfrist gemäß der ordnungsgemäßen Belehrung im o.g. Kostenfestsetzungsbeschluss, die ihrerseits zwei Wochen beträgt (§ 165 S. 2 VwGO i. V. mit §§ 149, 151 VwGO. Diese für Kostenfestsetzungsbeschlüsse geltende Wartefrist von zwei Wochen nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 798 ZPO ist eingehalten. In Fällen der Vollstreckung wegen einer Geldforderung gegen die öffentliche Hand gemäß § 170 VwGO muss allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Vollstreckungsschuldner vor Einleitung des Vollstreckungsverfahrens nach § 170 VwGO Gelegenheit gegeben werden, die Vollstreckung durch freiwillige Leistung abzuwenden. Hierzu muss der Gläubiger ihm eine angemessene Frist einräumen, deren Länge sich nach den Umständen des Einzelfalles richtet (BVerfGE 99, 338 ff. zitiert nach juris Rn. 11). Die Fristdauer ist in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht geregelt. Soll - wie hier - zugunsten der öffentlichen Hand vollstreckt werden, ist nach Auffassung der Kammer dem Schuldner vor der anwaltlichen Zahlungsaufforderung (auch) noch eine nach den jeweiligen Umständen angemessene Frist zur freiwilligen Erfüllung der Forderung einzuräumen (vgl. den Rechtsgedanken in BGH, FamRZ 2004, 101 ff. zitiert nach JURIS Rn: 6), wobei ein Zeitraum von mindestens 10 Tagen bis zu höchstens drei Wochen als objektiv angemessen erscheint (vgl. hierzu Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Auflage, § 788, Rdnr. 24 m. w. N. und Beschluss des erkennenden Gerichts vom 16. Juni 2006 – 5 M 30/05 – zitiert nach juris Rn. 3 f.). Vorliegend kann offen bleiben, welche Frist - nach Ablauf der o.g. Warte- (Rechtsmittel-)frist - als „angemessen“ dem Vollstreckungsschuldner einzuräumen war. Denn im Zeitpunkt des ersten anwaltlichen Aufforderungsschreibens vom 28. Mai 2009 waren lediglich sechs Tage (gerechnet ab Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses) verstrichen. Mithin waren die geltend gemachten Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in der Zwangsvollstreckung nicht notwendig (§ 788 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 91 ZPO).

Hinzu kommt, dass der Schuldner nach Angaben des Prozessbevollmächtigten des Vollstreckungsgläubigers am 02. Juni 2009, mithin innerhalb von 11 Tagen, 83,54 € sowie 1,88 € auf den in Rede stehenden Kostenfestsetzungsbeschluss geleistet hat. Die Zahlung innerhalb von 11 Tagen erfolgte – gemessen an den o.g. Prämissen und nach den Umständen des Einzelfalls (z. B. geringe Höhe der zu erstattenden Kosten) - noch innerhalb einer objektiv angemessenen Frist und damit als freiwillige Leistung, die die Notwendigkeit einer Beitreibung von rückständig gebliebenen Anwaltsgebühren im Wege der Zwangsvollstreckung entfallen lässt.

2.

Zum Zeitpunkt des vom Vollstreckungsgläubiger angegebenen Zahlungseingangs am 02. Juni 2009 waren Zinsen i. H von 1,9394 € angefallen. In Ansehung der vom Schuldner geleisteten Zahlung i. H. von 1,88 € verbleibt ein zu vollstreckender Betrag I. H. von 0,0594 €. Ob und welche der zulässigen Vollstreckungsmaßnahmen im Einzelfall zu treffen sind, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts des ersten Rechtszugs als Vollstreckungsbehörde gemäß § 169 Abs. 1 Satz 2 VwGO nach pflichtgemäßem Ermessen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit haben aber Maßnahmen zu unterbleiben, deren Wirkungen über das öffentliche Interesse an der Vollstreckung erheblich hinausgehen. Dieser Grundsatz gilt im gesamten Vollstreckungsverfahren (vgl. z. B. Tipke/Kruse, AO-FGO, § 249, Rdnr. 14). Jeder Vollstreckungseingriff muss geeignet und erforderlich sein, um seinen Zweck zu erreichen. Ebenso wenig darf er den Betroffenen übermäßig belasten. Er muss diesem zumutbar sein (Tipke/Kruse, a.a.O.).

An alldem gemessen kann vorliegend die beantragte Vollstreckung aus dem o.g. Kostenfestsetzungsbeschluss wegen einer Kleinstforderung i. H. von 0,06 € (bei kaufmännischer Rundung) unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht ermessensfehlerfrei verfügt werden. Denn der Erlass einer Vollstreckungsmaßnahme - wegen einer Kleinst(geld)forderung - setzt voraus, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollstreckung besteht. Im Gegensatz zum Zivilrecht, wo das Vollstreckungsverfahren sich als Fortsetzung des zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner und damit zwischen zwei Privaten bestehenden Rechtsverhältnisses darstellt, handelt es sich im öffentlichen (Abgaben-)Recht eben nicht um ein Parteiverfahren zwischen zwei Privaten.

Grenzen sind jedenfalls da zu ziehen, wenn es um die Vollstreckung geringfügiger Geldforderungen geht, bei denen die Kosten der Vollstreckung erheblich höher sind als die Forderung. Die Vollstreckung einer derartigen Kleinstforderung – wie hier - erscheint unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten als unzulässig (vgl. Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung [AO], 9. Auflage, vor 249, Rdnr. 6 und Beschluss des erkennenden Gerichts vom 27. September 2007 – 5 M 19/07 - KKZ 2009, 237-238, zitiert nach juris Rn. 5 f.).

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da nach dem Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) insoweit eine Festgebühr vorgesehen ist (Nr. 5301).