Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 19.09.2013 | |
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Aktenzeichen | 9 UF 96/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Liebenwerda vom 24.02.2011 (Az.: 20 F 218/10) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Verfahrenswert wird auf 5.000 € festgesetzt.
I.
Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die Eltern der Kinder F… J…, geboren am ….01.2002, Fl… J…, geboren am ….05.2005, und S… J…, geboren am ….10.2006. Sie waren nicht miteinander verheiratet. Sorgeerklärungen nach § 1626 a BGB sind nicht abgegeben worden.
Die Eltern trennten sich Ende April 2008. Im Juli 2008 zog die Mutter mit den Kindern aus dem gemeinsamen Haus in R… aus. Sie wohnte zunächst bei ihrer Großmutter in B… und ab Oktober 2008 in einer eigenen Wohnung in R…. Am 13.12.2008 verzog die Mutter mit den Kindern zu ihren Eltern nach L…. Seit März 2009 lebt die Familie in F….
Die im September 1980 geborene Mutter verließ 1997 nach der Schulbildung ihr Elternhaus in Br…, um in Sinzig eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten zu absolvieren. Im Jahre 1999 lernte sie den Vater ihrer Kinder kennen, mit dem sie kurze Zeit später zusammenzog. Die Abschlussprüfung als Rechtsanwaltsfachangestellte bestand sie nicht und war fortan - mit Unterbrechungen - als Bürokraft und Verkäuferin tätig. Nach ihrer Rückkehr nach Br… Mitte Dezember 2008 war die Mutter bis April 2010 arbeitslos. In der Folgezeit absolvierte sie mit Erfolg eine Ausbildung zur Sozialassistentin. Seit September 2012 wird sie zur Erzieherin ausgebildet.
Der im Mai 1967 geborene Vater ist gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann. Bis 2007 war er berufstätig. Zu dieser Zeit wurde bei ihm ein Gehirntumor festgestellt und operativ entfernt. Der Vater ist seither erwerbsunfähig und bezieht eine Rente. Er hat eine neue Lebenspartnerin, mit der er mittlerweile verheiratet ist. Aus der Ehe ist das im November 2012 geborene Kind L… hervorgegangen. Die Ehefrau hat aus einer anderen Beziehung noch zwei weitere Kinder, die elfjährige So… und den 14 Jahre alten R…, die im gemeinsamen Haushalt der Eheleute leben.
Nach der räumlichen Trennung der Kindeseltern im Juli 2008 begann ihr Streit über das Umgangsrecht. Der Vater begehrte eine Wochenendregelung mit Übernachtung und eine Ferienregelung. Die Mutter lehnte Übernachtungen strikt ab. Sie begründete dies mit dem geringen Alter der Kinder, gesundheitlichen Einschränkungen des Vaters und dessen Wohnsituation. Der Vater beantragte daraufhin beim Amtsgericht Sinzig, den Umgang gerichtlich zu regeln. Das Verfahren wurde dort unter dem Aktenzeichen 8 F 455/08 geführt.
In diesem Verfahren trafen die Eltern am 27.11.2008 eine Zwischenvereinbarung zum Umgang, die am 14.12.2008 beginnen sollte. Zur Umsetzung der getroffenen Regelung kam es aber nicht mehr wegen des Wegzugs der Mutter am 13.12.2008. Die Mutter berief sich im laufenden Umgangsverfahren darauf, der Umzug sei nicht geplant gewesen, sie fühle sich vom Vater verfolgt. Auch habe er ihr unterstellt, die Kinder zu schlagen und gegen ihren Willen festzuhalten. Einen unbegleiteten Umgang lehnte die Mutter ab.
Am 15.01.2009 beschloss das Amtsgericht Sinzig die Einholung eines Gutachtens zur Frage des Umgangsrechts und der Erziehungsfähigkeit der Eltern. Zur Erstellung des Gutachtens kam es nicht. Die Eltern trafen am 15.01.2009 abermals eine Zwischenvereinbarung zum Umgang. Der Vater war danach berechtigt, die Kinder am ersten Wochenende des Monats, beginnend ab März 2009, in F… stundenweise zu sich zu nehmen. Ferner wurden für Montag, Mittwoch und Samstag Telefonkontakte vereinbart. In der Folgezeit begehrte der Vater verschiedentlich mehrtägigen Umgang mit den Kindern an seinem Wohnort. Die Mutter trat dem Ansinnen vehement entgegen. Sie zeigte dem Jugendamt Probleme bei den Umgängen vor Ort an. F… weigere sich, nach R… zu fahren. Das Kind leide unter Angstzuständen. Der Vater warf der Mutter seinerseits vor, die Umgangskontakte nicht zu unterstützen und die Kinder auf die Telefongespräche nicht vorzubereiten. Die Mutter entfremde ihm die Kinder.
Die Situation eskalierte, als der Vater die Kinder - wie von den Eltern am 04.06.2009 vor dem Amtsgericht Sinzig vereinbart - zum Ferienumgang vom 19.07. bis 09.08.2009 in F… abholen wollte. Die Mutter war mit den Kindern nicht auffindbar. Der Vater fuhr nach R… zurück und stellte Strafantrag wegen Kindesentziehung.
Durch einstweilige Anordnung vom 22.07.2009 (Az.: 8 F 270/09) entzog das Amtsgericht Sinzig der Mutter daraufhin - ohne mündliche Verhandlung - gemäß §§ 1666, 1666 a BGB die Personensorge wegen Gefährdung des Kindeswohls. Es fehle ihr die erforderliche Bindungstoleranz. Dem bestellten Pfleger wurde aufgegeben, die Kinder umgehend in Obhut zu nehmen. Die beteiligten Jugendämter stritten sodann über die Notwendigkeit einer Inobhutnahme. Das Jugendamt … lehnte ein solches Vorgehen zunächst ab, nahm die Kinder später aber für einige Tage in Obhut. Die Maßnahme wurde mit einem sehr impulsiven Verhalten des Vaters begründet.
In der Zeit von August 2009 bis März 2010 erhielt die Mutter Familienhilfe. Die Familienhelferin sollte zur Verbesserung der Telefonkontakte beitragen. Es fanden auch begleitete Elterngespräche statt. Von September 2009 bis Juni 2010 befand sich F… in psychotherapeutischer Behandlung.
Fl… und S… hielten sich vom 31.07.2009 bis 20.08.2009 und vom 26.12.2009 bis 02.01.2010 beim Vater in R… auf.
In der Sitzung vom 09.02.2010 hob das Amtsgericht Sinzig die einstweilige Anordnung vom 22.07.2009 (Az.: 8 F 270/09) auf. Ein kindeswohlgefährdendes Verhalten der Mutter sei nicht mehr feststellbar. Die Probleme seien durch geringere Eingriffsmittel (z.B. Elterngespräche, begleitete Übergaben) zu lösen.
Im Termin am 09.02.2010 wurde auch das Umgangsverfahren (Amtsgericht Sinzig, Az.: 8 F 455/08) beendet. Die Eltern vereinbarten monatliche Umgangskontakte und Ferienumgänge für das Jahr 2010, die familiengerichtlich genehmigt wurden. Der Ferienumgang für das Jahr 2011 sollte im Rahmen von Elterngesprächen mit dem Jugendamt … geklärt werden, wie auch Fragen betreffend der Telefon- und Briefkontakte.
Am 08.03.2010 fand ein Elterngespräch statt, das äußerst streitig verlief. Das Jugendamt … lehnte daraufhin eine weitere Mitwirkung ab. Der Vater sei allein an dem Sorgerecht für die Kinder interessiert.
Ende März 2010 beantragte die Mutter beim Amtsgericht Bad Liebenwerda die Abänderung der Umgangsvereinbarung vom 09.02.2010 (Az.: 20 F 79/10). F… wehre sich gegen einen Ferienumgang in R…. Dies sei auf das Verhalten des Vaters zurückzuführen, der die Kinder bewegen wolle, wieder zu ihm nach R… zu ziehen. Der Vater trat dem Abänderungsverlangen entgegen. Die Mutter stehe dem Umgang ablehnend gegenüber. F… gerate hierdurch in einen Loyalitätskonflikt.
Am 09.07.2010 beantragte der Vater, den Umgang der Kinder mit der Großmutter mütterlicherseits auszuschließen (Amtsgericht Bad Liebenwerda, Az.: 20 F 186/10). Die Großmutter verachte ihn; sie beeinflusse die Kinder negativ.
In der Folgezeit beauftragte das Amtsgericht die Diplom-Psychologin Dr. C… St… mit der Erstattung eines familienpsychologischen Gutachtens, u.a. zur Frage der Umgangsgestaltung. In ihrem Gutachten vom 29.09.2011 hat die Sachverständige eine 14-tägige Umgangsregelung am Wohnort der Kinder einschließlich Übernachtungen vorgeschlagen und eine hälftige Ferienregelung, auch für F…. Es gebe keine plausiblen, in der Person des Vaters liegenden Gründe für die Weigerung des Kindes. F… befinde sich in einem starken Loyalitätskonflikt. Sie habe die negative Haltung der Mutter gegenüber dem Vater übernommen. Die Beziehung des Kindes zur Mutter sei parentifiziert. Auch bei Fl… und S… sei eine ähnliche Entwicklung zu befürchten. Die Kinder seien einer hohen, sie überfordernden psychischen Belastung ausgesetzt, die ihr emotionales Wohl massiv gefährde.
Die Mutter hat das Gutachten der Diplom-Psychologin Dr. C… St… vom 29.09.2011 heftig kritisiert. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem Schriftsatz vom 16.11.2011.
Seit Februar 2010 hat der Vater einmal im Monat Umgang mit den Kindern an ihrem Wohnort in F… und zwar von Freitag 15.30 Uhr bis Sonntag 18 Uhr. Zu diesem Zweck mietet er regelmäßig eine Ferienwohnung an. Des Weiteren findet Ferienumgang in R… statt. Seit Anfang 2012 nahm auch F… daran teil. In den Sommerferien 2013 lehnte sie erneut einen Aufenthalt in R… ab. S… verweigert jeglichen Kontakt zum Vater seit dem Ferienumgang zu Ostern 2013. Es ist vereinbart, dass die Kinder dreimal in der Woche mit dem Vater telefonieren. Auf Antrag der Mutter werden die Telefonkontakte (teilweise) begleitet. Der Vater beklagte bzw. beklagt die Qualität der Telefonate. Der Fernseher laufe; die Kinder seien wenig interessiert, anderweitig beschäftigt oder gar nicht zu erreichen.
Im vorliegenden Verfahren stellte der Vater mit Schriftsatz vom 13.08.2010 Antrag auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Er wolle an wesentlichen Entscheidungen die Kinder betreffend beteiligt werden. Auch wünsche er mehr Informationen über ihre gesundheitlichen Belange. Die Mutter sei bindungsintolerant. Einem Abbruch der Umgangskontakte könne nur durch eine Begründung der gemeinsamen Sorge entgegengewirkt werden.
Die Mutter ist dem Sorgerechtsantrag des Vaters entgegengetreten. Den Eltern fehle es an einer gemeinsamen Basis. Auch die Umgänge liefen nicht problemlos ab. Gleiches gelte für die Telefonkontakte. Sie werde regelmäßig von dem Vater beschimpft.
Durch Beschluss vom 24.02.2011 hat das Amtsgericht den Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge zurückgewiesen. Die Mitsorge entspreche nicht dem Wohl der Kinder. Zwischen den Eltern gebe es keine Übereinstimmung. Es fehle ihnen an der erforderlichen Kooperationsbereitschaft. Die Eltern seien schon nicht in der Lage, ohne gerichtliche Hilfe den Umgang zu gestalten. Durch die Streitigkeiten der Eltern und die gerichtlichen Auseinandersetzungen seien die Kinder bereits in spürbarem Maße belastet.
Gegen diesen Beschluss hat der Vater Beschwerde eingelegt, mit der er nun die Einräumung der gemeinsamen elterlichen Sorge erstrebt. Den Antrag auf Übertragung der alleinigen Sorge hat er in der Sitzung vom 27.06.2013 zurückgenommen. Der Vater wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
Die Mutter verteidigt mit näherer Begründung die erstinstanzliche Entscheidung.
Das Jugendamt wie auch der Verfahrensbeistand haben sich gegen eine gemeinsame elterliche Sorge ausgesprochen.
Mit Beschluss vom 19.03.2012 hat der Senat die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet, u.a. zur Frage der Möglichkeit der Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Die Sachverständige, Diplom-Psychologin Dr. A… B…, hat unter dem 28.02.2013 ihr Gutachten vorgelegt, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
Der Vater hält das Gutachten für nicht verwertbar. Wegen der Begründung wird auf den Schriftsatz vom 15.04.2013 verwiesen.
Der Senat hat am 27.06.2013 die Eltern, den Verfahrensbeistand und das Jugendamt angehört. Die Sachverständige Dr. B… hat ihr schriftliches Gutachten erläutert. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem Protokoll vom 27.06.2013. Die Kinder F… und Fl… sind am 31.07.2013 im Beisein des Verfahrensbeistands angehört worden. Wegen des Ergebnisses wird auf den Anhörungsvermerk vom 31.07.2013 Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig.
In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht den Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge zurückgewiesen. Unter den hier gegebenen Voraussetzungen widerspricht die gemeinsame elterliche Sorge dem Wohl der betroffenen Kinder. Es hat bei der Alleinsorge der Mutter zu verbleiben.
Der vorliegende Fall ist nach neuem Recht zu beurteilen. Am 19.05.2013 ist das Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern vom 16.04.2013 (BGBl. I S. 795) in Kraft getreten.
Nach bisherigem wie nach neuem Recht steht die elterliche Sorge mit der Geburt des Kindes zunächst der Mutter zu, wenn die Eltern bei Geburt - wie hier - nicht miteinander verheiratet sind. Die Neuregelung gibt dem Vater eines nichtehelichen Kindes aber die Möglichkeit, gegen den Willen der Mutter die gemeinsame Sorge über das Kind zu erlangen. Der Vater kann bei Gericht einen entsprechenden Antrag stellen.
Gemäß § 1626 a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB nF überträgt das Familiengericht die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Anders als nach der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 21.07.2010 - 1 BvR 420/09 - (BVerfGE, 127, 132 ff.) ist keine positive Feststellung erforderlich, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl entspricht. Liegen keine Gründe vor, die gegen die gemeinsame elterliche Sorge sprechen, sollen grundsätzlich beide Eltern die Verantwortung für das Kind gemeinsam tragen. Die gemeinsame Sorge ist mithin das Leitbild des Gesetzes.
Die Ausübung der gemeinsamen Verantwortung für ein Kind erfordert aber ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen den Eltern. Fehlt es daran und sind die Eltern zur Kooperation weder bereit noch in der Lage, kann die gemeinsame Sorge für das Kind dem Kindeswohl zuwiderlaufen (BVerfG, a.a.O.). Da im Zuge einer Trennung vielfach Kommunikationsprobleme auftreten, können diese nicht ohne Weiteres zu einer ablehnenden Entscheidung nach § 1626 a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB nF führen. Vielmehr muss auf der Kommunikationsebene eine schwerwiegende und nachhaltige Störung vorliegen, die befürchten lässt, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind folglich erheblich belastet würde, wenn man seine Eltern zwingen würde, die Sorge gemeinsam zu tragen (BT-Drucks. 17/11048, S. 17).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist vorliegend für eine gemeinsame elterliche Sorge kein Raum. Sie widerspricht dem Wohl der betroffenen Kinder.
Den Eltern fehlt es an der erforderlichen Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit. Zwischen ihnen besteht keine tragfähige soziale Beziehung. Sie sind absolut zerstritten.
Seit dem Auszug der Mutter aus dem gemeinsamen Haus im Juli 2008 streiten die Eltern heftig über die Ausgestaltung des Umgangs der Kinder mit dem Vater und der Großmutter mütterlicherseits wie auch über das Sorgerecht. Bei dem Amtsgericht Sinzig waren die Verfahren 8 F 455/08, 8 F 270/09 und 8 F 492/08 rechtshängig und bei dem Amtsgericht Bad Liebenwerda die Verfahren 20 F 78/10, 20 F 79/10, 20 F 157/10, 20 F 186/10, 20 F 234/10, 20 F 240/10, 20 F 261/10, 20 F 301/10, 20 F 22/11, 20 F 50/11, 20 F 68/11 und 20 F 110/11. Die zahlreichen Gerichtsverfahren sind ein eindrucksvoller Beleg dafür, dass die Eltern nicht in der Lage sind, miteinander zu kommunizieren, geschweige denn Belange ihrer Kinder gemeinsam zu regeln. Hieran konnten auch die umfangreichen Bemühungen der beteiligten Jugendämter nichts ändern. Es gab Einzelgespräche mit den Eltern und auch begleitete Elterngespräche, die erfolglos blieben.
Zwischen den Eltern besteht keine tragfähige soziale Beziehung. Sie schätzen einander nicht. Es herrscht großes Misstrauen. Der Vater wirft der Mutter mangelnde Bindungstoleranz vor. Sie unterstütze die Umgänge nicht; sie entfremde ihm die Kinder. Den Umstand, dass F… bis Ende 2011 den Ferienumgang in R… verweigerte, lastet der Vater allein der Mutter an. Sie manipuliere das Kind. Andere Erklärungsmöglichkeiten für die Weigerungshaltung F… lässt er nicht zu. Er verkennt in diesem Zusammenhang, dass auch sein impulsives Verhalten zu der Weigerung des Mädchens geführt haben kann. Es dürfte nicht gerade feinfühlig wirken, F… mit den Worten zu empfangen, dass er „noch ein Hühnchen mit ihr zu rupfen habe“ (Seite 130 Gutachten Dr. B…). Ebenso mag die Hoffnung F… auf eine ungeteilte Zuwendung der Mutter der Grund für ihre ablehnende Haltung gewesen sein (Seite 157 Gutachten Dr. B…). Ungeachtet dieser unklaren Situation bestand der Vater jedoch darauf, Umgang mit F… an seinem Wohnort in R… zu haben. Ähnliches lässt sich jetzt mit S… feststellen, der seit dem Ferienumgang zu Ostern 2013 jeglichen Kontakt zum Vater ablehnt. Auch in diesem Fall sieht der Vater die Ursache allein im Verhalten der Mutter. Er berücksichtigt dabei nicht, dass es in seiner neuen Familie Spannungen gibt, denen sich F…, Fl… und S… bei ihren Besuchen ausgesetzt fühlen. Dass der Vater mitunter aufbrausend und unüberlegt agiert, zeigt sich auch in seinem Verhalten anlässlich der Übergabe der Kinder zum Ferienumgang im Sommer dieses Jahres. F… weigerte sich, mit dem Vater nach R… zu fahren, weil es ihr schlecht gehe. Auf die Absage der Tochter reagierte der Vater mit Schimpfen und den Worten „dann hast du aber keinen Vater mehr“.
Der Vater vertritt auch den Standpunkt, dass die Umgangskontakte mit ihm Vorrang vor den Terminen haben, die sich aus der Freizeitgestaltung der Kinder ergeben. Zu nennen ist dabei die Mitgliedschaft der Mädchen bei den Tanzmäusen in F… bzw. von S… im Fußballverein. Nach seiner Vorstellung sind auch die Krankheiten der Kinder seitens der Mutter nur vorgeschoben, um die Kontakte mit ihm zu verhindern.
Auch für die Probleme bei den Telefonkontakten macht der Vater die Mutter allein verantwortlich. Sie bereite die Kinder auf die Telefonate nicht vor. Der Vater sollte in diesem Zusammenhang berücksichtigen, dass die Kinder das dreimalige Telefonieren in der Woche als Zwang empfinden, weil es häufig nichts Neues zu berichten gibt. Dies haben die Kinder der Sachverständigen Dr. B… so berichtet. Die Telefonatkontakte wären für den Vater höchstwahrscheinlich befriedigender, wenn sie auf ein normales Maß reduziert und den Bedürfnissen der Kinder entsprechend gestaltet würden. Kinder sind spontaner als Erwachsene. Sie wollen ihre Freude, auch ihren Kummer einer geliebten und vertrauten Person sofort mitteilen. Es gibt aber auch Zeiten, in denen ihnen Freunde oder andere Aktivitäten wichtiger sind als die Eltern. Das müssen die Eltern akzeptieren und dürfen es nicht als Desinteresse ihrer Kinder auffassen.
Die Mutter kann dem impulsiv und fordernd wirkenden Verhalten des Vaters nicht viel entgegensetzen. Der Senat hat die Mutter im Anhörungstermin am 27.06.2013 wortkarg und zurückhaltend erlebt. Das Temperament der Mutter unterscheidet sich sehr von dem des Vaters. Der Vater ist wortgewandt und temperamentvoll. Er zeigt seine Emotionen. Im Rahmen der Anhörung hat er eindrucksvoll seine Gefühle in Bezug auf die Kinder beschrieben, aber auch seiner Wut auf die Mutter Ausdruck verliehen. Demgegenüber hat sich die Mutter in diesem Zusammenhang völlig sachlich und distanziert verhalten. Der Senat konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie sich - bildlich gesprochen - einen Panzer angelegt hat, um sich vor den verbalen Angriffen des Vaters zu schützen. Hierzu passt auch ihr Verhalten, dem Vater nach Möglichkeit nur im Beisein Dritter zu begegnen. Auch die Telefonkontakte der Kinder mit dem Vater werden - auf Antrag der Mutter - seit einiger Zeit begleitet. Die Mutter schirmt sich ab, um dem Elternstreit zu entgehen. Sie kann dem Vater auch keine Wertschätzung entgegenbringen. Dass der Vater keine Zeit und auch kein Geld scheut, um den Kontakt zu den weit entfernt wohnenden Kindern aufrecht zu erhalten, sieht sie nicht. Sie hält dies für selbstverständlich und moniert sogar, dass die Umgänge in F… nicht zweimal im Monat - wie durch die Sachverständige Dr. St… empfohlen - stattfinden.
Die Eltern haben keine tragfähige soziale Beziehung zueinander. Nach Einschätzung des Senats sind sie hoffnungslos zerstritten. Wie die Eltern bei diesen Gegebenheiten - nach Meinung des Vaters - in der Lage sein sollen, wichtige Entscheidungen für die Kinder einvernehmlich zu treffen, erschließt sich nicht. Auch nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. St… vom 29.09.2011 können die Eltern keine gemeinsamen Absprachen treffen und selbständig Konflikte lösen. Bereiche einer konstruktiven Kooperation sind nicht erkennbar. Das Konfliktniveau ist durchgängig hoch, was auch die Eltern-Kind-Beziehung beeinträchtigt (Seite 174 des Gutachtens).
Letztlich sieht der Vater das nicht anders. Dies zeigt schon sein Antrag auf Übertragung der Alleinsorge, den er allerdings im Anhörungstermin am 27.06.2013 wegen seiner ungeklärten Wohnsituation zurückgenommen hat. Das gemeinsame Haus der Kindeseltern in R…, das der Vater derzeit noch mit seiner neuen Familie bewohnt, soll demnächst zwangsversteigert werden. Er räumt damit selbst ein, dass aus seiner Sicht die Voraussetzungen für eine gemeinsame elterliche Sorge nicht gegeben sind. Auch gegenüber der Sachverständigen Dr. B… hat der Vater die konfliktreiche Beziehung zur Mutter bestätigt. Selbst F… kann sich nicht vorstellen, dass die Eltern zusammen an einem Tisch sitzen und Kaffee trinken (Seite 112 Gutachten Dr. B…).
In ihrem Gutachten vom 28.02.2013 hat die Sachverständige Dr. B… den Konflikt der Eltern als gravierend und unversöhnlich beschrieben. Nach ihrer Einschätzung ist die Kommunikation der Eltern defizitär und die Beziehung zwischen ihnen gestört. Die Abwertung der Mutter und ihrer Familie durch den Vater ist erheblich. Er lässt „kein gutes Haar“ an ihr. So vermutet er, dass sie die Kinder abschiebe. Die vielfältigen Freizeitaktivitäten der Kinder seien ein Beleg dafür. Für den eingeschlagenen Berufsweg als Erzieherin sei die Mutter aufgrund ihres entfremdenden Verhaltens ungeeignet. Sie werde von ihrer Mutter beeinflusst und dominiert. Die geringe Wertschätzung der Mutter durch den Vater wirkt sich - so die Sachverständige - auf deren Kooperationsfähigkeit aus. Sie zieht sich infolgedessen zurück. Dies kann der Vater wiederum nicht akzeptieren, da er nach seiner Vorstellung zur Kooperation bereit ist. Die Sachverständige spricht in diesem Zusammenhang von einem circulus vitiosus (Teufelskreis).
Entgegen der Auffassung des Vaters sind die Ausführungen der Sachverständigen Dr. B… in ihrem Gutachten vom 28.02.2013 nachvollziehbar und in sich schlüssig. Die langjährig tätige Sachverständige verfügt auch über die erforderliche fachliche Qualifikation. Sie hat die Fragen des Senats beantwortet. Ihre Erkenntnisse basieren im Wesentlichen auf mehrfachen ausführlichen Gesprächen mit den Eltern und den Kindern, die sie unter psychologischen Aspekten bewertet hat. Auch wenn der Vater das Ergebnis des Gutachtens in Frage stellt, hat die Sachverständige den Vater letztlich nicht schlechter dargestellt als die Mutter. Beide Elternteile haben nach ihrer Einschätzung starke und schwächere Seiten.
Ausschlaggebend ist hier allein der unüberwindbare Elternkonflikt, der einer Einräumung der Mitsorge - wie vom Vater mit der Beschwerde zuletzt verfolgt - entgegensteht. Die gemeinsame elterliche Sorge widerspricht hier dem Wohl der betroffenen Kinder. Der Elternkonflikt würde durch eine Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts aller Voraussicht nach nur noch verschärft. Das liegt nicht im wohlverstandenen Interesse der Kinder, die durch die fortwährenden, auch gerichtlich geführten Auseinandersetzungen der Eltern ohnehin schon belastet sind.
Hiervon konnte sich der Senat anlässlich der Anhörung von F… und Fl… am 31.07.2013 selbst überzeugen. F… ist durch den Elternkonflikt erheblich belastet. Das Kind weinte während der Anhörung bitterlich. Es konnte von den Anwesenden nur schwer beruhigt werden. Auch Fl…, die mental robuster wirkt als ihre Schwester, zeigte sich von dem Streit der Eltern betroffen. Von einer Anhörung des sechs Jahre alten S… hat der Senat auf Anraten der Sachverständigen Dr. B… nach § 159 Abs. 3 Satz 1 FamFG abgesehen. Nach Angaben des Verfahrensbeistands lehnt S… derzeit jegliches Gespräch mit ihm und auch mit der Umgangsbegleiterin ab. Er verweigere sich total. Nach Einschätzung der Sachverständigen Dr. B… befindet sich das Kind offenbar in einer seelischen Krisensituation, die weitere Belastungen verbietet. Aus Gründen des Kindeswohls ist daher eine persönliche Anhörung des Kindes unterblieben.
Der Senat geht nach den vorstehenden Ausführungen davon aus, dass die Konflikte und Auseinandersetzungen zwischen den Eltern F…, Fl… und S… weiterhin und voraussichtlich zunehmend belasten werden. Deshalb hat es bei der Alleinsorge der Mutter zu verbleiben. Der Senat hofft, dass die Eltern die vorliegende Entscheidung zum Anlass nehmen, ihr Verhalten in der Vergangenheit noch einmal kritisch zu hinterfragen und im Interesse der gemeinsamen Kinder den Elternkonflikt doch noch beizulegen. Unter den derzeitigen Gegebenheiten ist es für das Wohl der betroffenen Kinder wichtiger, wenn sich die Eltern zukünftig weniger streiten und vernünftig miteinander umgehen, als dass sie in dem Bewusstsein leben, auch der Vater sei für sie sorgeberechtigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 40, 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 FamGKG. Angesichts der Komplexität der vorliegenden Kindschaftssache hält der Senat eine Erhöhung des Regelwertes von 3.000 EUR für angebracht. Der Verfahrenswert war auf 5.000 EUR festzusetzen. Dieser Wert erscheint angemessen, aber auch ausreichend.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.