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Kindergartenrecht, Heimrecht


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 6. Kammer Entscheidungsdatum 06.09.2010
Aktenzeichen VG 6 L 209/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile, Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung), dass ihm aus dem streitigen Rechtsverhältnis ein Recht zusteht (Anordnungsanspruch), für das wesentliche Nachteile oder Gefahren drohen, wenn die einstweilige Anordnung nicht ergeht (Anordnungsgrund).

Vorliegend fehlt es bereits an einem Anordnungsanspruch. Nach § 1 Abs. 2 des Brandenburgischen Kindertagesstättengesetzes - KitaG - haben Kinder bis zum vollendeten dritten Lebensjahr und Kinder der fünften und sechsten Schuljahrgangsstufe einen Rechtsanspruch auf Tagesbetreuung, wenn ihre familiäre Situation, insbesondere die Erwerbstätigkeit, die häusliche Abwesenheit wegen Erwerbssuche, die Aus- und Fortbildung der Eltern oder ein besonderer Erziehungsbedarf eine Tagesbetreuung erforderlich macht.

Es ist nicht glaubhaft gemacht worden, dass die familiäre Situation des Antragstellers eine Tagesbetreuung erforderlich macht. Die Eltern des Antragstellers haben in diesem Zusammenhang vorgetragen, dass der Kindesvater einer Erwerbstätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden nachgehe und die Kindesmutter erwerbssuchend sei. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 KitaG ("häusliche Abwesenheit wegen Erwerbssuche") und dem eindeutigen gesetzgeberischen Willen (vgl. LT-Drs. 3/810) soll die Erwerbssuche an sich aber nicht bereits einen Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung begründen. Ebenso scheidet damit eine Betreuung "auf Vorrat" für den Fall, dass eine Erwerbstätigkeit aufgenommen wird, aus. Die Erwerbssuche muss vielmehr die familiäre Situation in einer Weise prägen, dass sich daraus ein Rechtsanspruch auf Tagesbetreuung ergibt. Daran fehlt es hier.

Zunächst lässt sich eine nennenswerte häusliche Abwesenheit der Kindesmutter aufgrund der Erwerbssuche nicht feststellen. Aus der von ihr eingereichten Liste über ihre Bewerbungsbemühungen sind diesbezüglich neben einem Termin bei einer privaten Arbeitsvermittlung am 7. April 2010 nur die regelmäßigen Vorsprachen bei der Bundesagentur für Arbeit in einem Abstand von ca. zwei Monaten aufgeführt, wobei auch hier die letzte Vorsprache im April 2010 stattgefunden haben soll.

Zwar hält es die Kammer - da es sich bei den in § 1 Abs. 2 Satz 2 KitaG genannten Tatbeständen um eine nicht abschließende Aufzählung handelt - nicht für ausgeschlossen, dass die Erwerbssuche auch unabhängig von einer häuslichen Abwesenheit einen Rechtsanspruch begründen kann. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Erwerbssuche einen zeitlichen Umfang einnimmt, der die Eltern an der Ausübung ihrer Erziehungsaufgaben soweit hindert, dass die Kinder einer Tagesbetreuung bedürfen. Auch hierfür ist vorliegend aber nichts ersichtlich. Aus der mit Schriftsatz vom 24. August 2010 aktualisierten Übersicht der Kindesmutter gehen für den Monat August 2010 überhaupt keine Bewerbungen hervor, für den Juli 2010 sind zwei Bewerbungen (jeweils unter dem 27. Juli 2010) und für den Juni 2010 sieben Bewerbungen (eine am 23. Juni und sechs unter dem 17. Juni 2010) aufgeführt, die sich ausschließlich an Einzelhandelsbetriebe richteten. Im Durchschnitt ist somit (auch für die früheren Monate gilt nichts wesentlich anderes) von etwa drei Bewerbungen dieser Art im Monat auszugehen. Soweit im Verwaltungsverfahren Bewerbungsschreiben eingereicht worden sind (Bl. 1-4 des Verwaltungsvorgangs), handelte es sich dabei zudem um gleichlautende Anschreiben, bei denen allein das Adressfeld geändert wurde. Angesichts der insgesamt geringen Zahl der monatlichen Bewerbungen und der weiteren genannten Umstände geht die Kammer davon aus, dass der zeitliche Aufwand für die Recherche von Arbeitsangeboten und die Erstellung der Bewerbungsunterlagen hier so geringfügig ist, dass er eine Tagesbetreuung des Antragstellers nicht erforderlich macht. Die Behauptung, die Bewerbungsbemühungen der Kindesmutter würden "den Vormittag der Werktage" in Anspruch nehmen, ist bei der gegebenen Sachlage jedenfalls nicht nachvollziehbar und vom Antragsteller auch nicht glaubhaft gemacht worden. Hinzu kommt, dass nicht ansatzweise dargelegt worden ist, weshalb die Erwerbssuche nicht ganz oder teilweise in den Zeiträumen stattfinden kann, in denen der Kindesvater für die Betreuung des Antragstellers zur Verfügung steht.

Schließlich ergibt sich ein Anordnungsanspruch auch nicht aus § 1 Abs. 2 Satz 3 KitaG. Danach sollen Kinder bis zum vollendeten dritten Lebensjahr auch nach Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen im Umfang der Mindestbetreuungszeit weiter betreut werden. Zwar wurde dem Antragsteller mit Bescheid des Antragsgegners vom 15. Juni 2009 ein Betreuungsanspruch von bis zu 10 Wochenstunden im Zeitraum 1. August 2009 bis 31. Januar 2010 eingeräumt, in dem er nachfolgend auch die Kita "XXX" in Rüdnitz besuchte. Gleichwohl liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 3 KitaG nicht vor. Zum einen spricht aus den oben genannten Gründen alles dafür, dass der Antragsteller auch in diesem Betreuungszeitraum keinen (später weggefallenen) Rechtsanspruch i. S. d. § 1 Abs. 2 KitaG hatte. Der Bescheid vom 15. Juni 2009 beruhte daher allein auf der Verwaltungspraxis des Antragsgegners, in Fällen der Erwerbssuche einen (auf sechs Monate befristeten) Anspruch auf Betreuung im Umfang von 10 Wochenstunden einzuräumen. Zum anderen soll durch die Vorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 3 KitaG vermieden werden, dass Abbrüche und Unterbrechungen der Kindertagesbetreuung zu emotional und sozial problematischen Folgen führen (vgl. Diskowski/ Wilms, Kindertagesstätten in Brandenburg, § 1 KitaG Anm. 3.19 m. w. N.). Dieser Regelungszweck ist hier von vornherein nicht mehr zu erreichen, weil der Antrag auf Fortsetzung der Betreuung des Antragstellers erst am 30. April 2010 gestellt wurde, d. h. erst drei Monate nach Beendigung der (ohnehin nur recht kurzzeitigen und geringfügigen) Betreuung in der Kita "XXX". Wohl schon zu diesem Zeitpunkt, jedenfalls aber zum allein maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 15. Auflage, § 123 Rn. 27), kann nicht mehr angenommen werden, dass die in der Betreuungszeit aufgebauten Bindungen des Antragstellers zur vorgenannten Einrichtung fortbestehen und seine Weiterbetreuung gebieten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO).