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Entscheidung 15 UF 185/19


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 3. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 23.03.2020
Aktenzeichen 15 UF 185/19 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2020:0323.15UF185.19.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Perleberg vom 06.06.2019 – 19 F 153/08 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.880,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung. Die Ehegatten sind bereits in erster Instanz angehört worden. Die beiderseitigen Anrechte sind aufgeklärt. Einwände gegen die tatsächlichen Feststellungen zu Art und Höhe dieser Anrechte haben die Ehegatten nicht erhoben, sodass von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG).

II.

In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Es liegen keine Gründe vor, die es rechtfertigen könnten, gem. § 27 VersAusglG von einem (teilweisen) Ausgleich der beiderseitigen Anrechte oder eines Teiles hiervon abzusehen.

Nach dieser Vorschrift findet ein Versorgungsausgleich - auch hinsichtlich einzelner Anrechte oder Teilen hiervon – nur dann ausnahmsweise nicht statt, wenn er grob unbillig wäre.

Das ist dann der Fall, wenn die Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen. Der den Versorgungsausgleich bestimmende Halbteilungsgrundsatz (§ 1 Abs. 1 VersAusglG) verfolgt das Ziel, dass beide Eheleute gleichermaßen an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen teilhaben, weil die Leistungen, die von den Ehegatten im Rahmen der ehelichen Rollenverteilung erbracht werden, als grundsätzlich gleichwertig anzusehen sind. Der Versorgungsausgleich dient insoweit der Aufteilung von gemeinsam erwirtschaftetem Altersvorsorgevermögen der Eheleute, welches nur wegen der in der Ehe gewählten Aufgabenverteilung einem der beiden Ehegatten rechtlich zugeordnet war (BVerfG, FamRZ 2003, 1173; BGH, FamRZ 2017, 26). Der Versorgungsausgleich trägt dem Gedanken Rechnung, dass jede Ehe infolge der auf Lebenszeit angelegten Lebensgemeinschaft schon während der Erwerbstätigkeit des oder der Ehegatten im Keim (auch) eine Versorgungsgemeinschaft ist (BGH, NJW 2008, 296).

In diesem Zusammenhang erfüllt die Härteklausel des 27 VersAusglG die Funktion eines Gerechtigkeitskorrektivs. Sie soll als Ausnahmeregelung eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Entscheidung in solchen Fällen ermöglichen, in denen die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs zur "Prämierung" einer groben Verletzung der aus der ehelichen Gemeinschaft folgenden Pflichten führen oder gegen die tragenden Prinzipien des Versorgungsausgleichs verstoßen würde. Die Anwendung des § 27 VersAusglG hat sich dabei stets an der gesetzgeberischen Zielsetzung des Versorgungsausgleichs zu orientieren, nämlich die gleichberechtigte Teilhabe der Eheleute an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen zu verwirklichen und dem Ehegatten, der in der Ehezeit keine oder nur geringere eigene Versorgungsanwartschaften hat aufbauen können, eine eigene Versorgung zu verschaffen (BGH, a.a.O.). Da § 27 VersAusglG eine anspruchsbegrenzende Norm ist, trägt der Ehegatte, der sich gegen die uneingeschränkte Durchführung des Versorgungsausgleichs wendet, für die tatsächlichen Voraussetzungen der Vorschrift die Darlegungs- und Feststellungslast. Die so feststellbaren Umstände müssen die sichere Erwartung rechtfertigen, dass sich der uneingeschränkte Versorgungsausgleich grob unbillig zulasten des Ausgleichspflichtigen auswirken wird (OLG Saarbrücken, FamFR 2013, 228, m.w.N.).

Hieran gemessen genügen die von der Antragsgegnerin vorgebrachten Umstände weder für einen völligen noch für einen teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs.

Zwar ist der Antragsgegnerin darin zuzustimmen, dass es an einer den Versorgungsausgleich rechtfertigenden Grundlage fehlen kann, wenn und solange die eheliche Lebensgemeinschaft durch die Trennung der Eheleute aufgehoben ist. Denn die eheliche Versorgungsgemeinschaft ist von dem Grundsatz bestimmt, dass die während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften gemäß dem ursprünglich gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherung aufgeteilt werden. Daher fehlt für den Versorgungsausgleich die rechtfertigende Grundlage, solange die eheliche Lebensgemeinschaft durch die Trennung der Eheleute aufgehoben ist. Zwar ist der Versorgungsausgleich nach der gesetzlichen Regelung nicht auf die Zeit der ehelichen Lebensgemeinschaft beschränkt, sondern grundsätzlich für die gesamte Ehezeit vorgeschrieben. Dies beruht jedoch in erster Linie auf Zweckmäßigkeitserwägungen; insbesondere soll dem Ausgleichspflichtigen die Möglichkeit genommen werden, den Ausgleichsanspruch durch Trennung vom ausgleichsberechtigten Ehegatten zu manipulieren. Nach dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs als beiderseitiger Alterssicherung kann daher eine lange Trennungszeit einen zumindest teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG rechtfertigen, soweit nach der Trennung eine wirtschaftliche Verselbstständigung der Ehegatten eingetreten und kein schützenswertes Vertrauen des Ausgleichsberechtigten in den Fortbestand der durch die Ehe gewährten Versorgung vorliegt (OLG Brandenburg, FamRZ 2014, 1018, m.w.N.; Langheim, FamRZ 2016, 1723, m.w.N.). Allerdings hat wegen des Ausnahmecharakters von § 27 VersAusglG auch bei langer Trennungszeit im Einzelfall immer eine Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten zu erfolgen (MüKo-BGB/Siede, 8. Aufl., § 27 VersAusglG, Rn. 34). Eine lange Trennungszeit für sich genommen genügt deshalb nicht für die Annahme der Unbilligkeit (Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 6. Aufl., § 27 VersAusglG, Rn. 32).

Die Frage, wann von einer langen Trennungszeit auszugehen ist, ist nicht schematisch zu beantworten. In jedem Fall muss die Trennung deutlich über den Zeitraum hinaus angedauert haben, der nach dem Gesetz als Scheidungsvoraussetzung vorgesehen ist (BeckOGK/Maaß, Stand 01.11.2019, § 27 VersAusglG, Rn. 58). Im Hinblick auf § 1566 Abs. 3 BGB wird demnach eine Trennungszeit von drei Jahren regelmäßig noch nicht genügen. Erforderlich ist vielmehr eine Trennungszeit, die zur Dauer des ehelichen Zusammenlebens nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis steht (BeckOGK/Maaß, a.a.O.).

Die beteiligten Ehegatten haben bei einer versorgungsausgleichsrechtlichen Ehezeit von sechsundzwanzig Jahren und sieben Monaten acht Jahre und vier Monate getrennt gelebt. Einen bereits zwei Jahre nach der Trennung eingereichten Scheidungsantrag hatte der Antragsteller im Hinblick auf eine beabsichtigte Versöhnung der Beteiligten, zu der es jedoch nicht gekommen ist, wieder zurückgenommen. Die Antragsgegnerin, die angesichts der mindestens seit 1990 andauernden selbständigen Tätigkeit des Antragstellers zumindest damit rechnen musste, dass der Antragsteller auch nach der im Jahre 2000 erfolgten Trennung keine hinreichende Altersvorsorge betreibt, hat keinen eigenen Scheidungsantrag gestellt.

Es erscheint deshalb bereits zweifelhaft, ob von einer die Unzumutbarkeit des Versorgungsausgleichs begründenden langen Trennungszeit auszugehen ist. Diese Frage bedarf indes keiner Entscheidung. Denn bei Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten, stellt sich die uneingeschränkte Durchführung des Versorgungsausgleichs für die Antragsgegnerin nicht als unzumutbar dar, da der Antragsteller angesichts seiner eingeschränkten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit darauf vertrauen konnte, auch nach der Trennung weiterhin an der Altersvorsorge der Antragsgegnerin partizipieren zu können (vgl. hierzu BeckOGK/Maaß, a.a.O., Rn. 60). Es bedarf keiner weiteren Aufklärung der zwischen den Beteiligten umstrittenen Frage, ob die Behauptung der Antragsgegnerin zutrifft, dass der Antragsteller nach Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit nicht in der Lage gewesen sei, seinen Gewerbebetrieb gewinnbringend zu organisieren, oder ob die Behauptung des Antragstellers zutrifft, dass die Einnahmen aus seiner selbständigen Tätigkeit nicht ausgereicht hätten, daneben eine Altersvorsorge aufzubauen. Allein die von beiden Ehegatten mitgetragene Entscheidung des Antragstellers, eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen, rechtfertigt nicht den Ausschluss des Versorgungsausgleichs (OLG Hamm, BeckRS 2012, 13248). Zwar kann eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs dann in Betracht kommen, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte es in der Ehezeit vorwerfbar unterlassen hat, eine eigene angemessene Altersversorgung aufzubauen. Dies muss sich aber als illoyales Verhalten gegenüber dem anderen Ehegatten darstellen und darf nicht auf einer gemeinsamen Lebensplanung oder der Billigung des anderen Ehegatten beruhen (OLG Brandenburg, NZFam 2014, 220, m.w.N.). Dass und aufgrund welcher Umstände die Antragsgegnerin davon ausgehen konnte oder davon ausgegangen ist, dass der Antragsteller während seiner selbständigen Tätigkeit, die er in den letzten zehn Jahre vor der Trennung ausgeübt hat, neben der evident unzureichenden privaten Rentenversicherung eine weitere Altersvorsorge betrieben hat, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Dann aber kann sie sich nicht darauf berufen, dass der Ausgleich der hierdurch entstandenen Disparität der beiderseitigen Versorgungsanrechte für sie unzumutbar ist (Breuers in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 27 VersAusglG (Stand: 02.03.2020), Rn. 104), ohne dass es darauf ankäme, ob die gesetzliche Rentenversicherung den Antragsteller zu Unrecht nicht zur Beitragszahlung herangezogen hat. Dies gilt auch für die Zeit nach der Trennung. Soweit sich die Antragsgegnerin darauf beruft, dass der Antragsteller nach der Trennung durch unrichtige Erklärungen gegenüber öffentlichen Stellen seine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht bewirkt und somit in einer ihr nicht zumutbaren Weise auf die Ausgleichsbilanz der beiderseitigen Versorgungsanrechte eingewirkt habe, ist dem nicht zu folgen. Ungeachtet dessen, dass die gesetzliche Rentenversicherung auch nach der durch die Antragsgegnerin veranlassten Prüfung und Aufklärung aller für die Begründung seiner Beitragspflicht relevanten Umstände eine Versicherungspflicht des Antragstellers jedenfalls ab 1994 verneint hat und auch die Staatsanwaltschaft die Einstellung des auf die Anzeige der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller im Hinblick auf dessen vermeintlich unrichtige Angaben eingeleiteten Ermittlungsverfahrens verfügt hat, hat der Antragsteller mit den von ihm nach der Trennung abgegebenen Erklärungen nicht etwa auf ein bis dahin aufgebautes Versorgungsvermögen eingewirkt. Vielmehr war sein Handeln darauf gerichtet, den Zustand aufrecht zu erhalten, der bereits während der intakten Ehe bestanden hatte.

Nach den Ehezeitauskünften der Versorgungsträger kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller während der Ehezeit eine hinreichende Vorsorge für sein Alter aufgebaut hat und dass angesichts seines Lebensalters oder seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erwarten ist, dass ihm der Aufbau einer solchen Versorgung künftig noch gelingen könnte. Auch ein güterrechtlicher Ausgleich erscheint zumindest ungewiss, da die Antragsgegnerin, die nach der Trennung Immobilienvermögen in erheblichem Umfang verschenkt hat, die Auffassung vertritt, dass dem Antragsteller kein Zugewinnausgleichsanspruch zustehe.

Dann aber kommt es für die Frage der wirtschaftlichen Verselbständigung der Ehegatten in der Trennungszeit nicht darauf an, ob dem Antragsteller im Hinblick auf die beiderseitigen Einkünfte möglicherweise ein Unterhaltsanspruch gegen die Antragsgegnerin zugestanden hätte (vgl. hierzu BeckOGK/Maaß, a.a.O., Rn. 60 f.). Denn auch bei langer Trennungszeit ist die uneingeschränkte Durchführung des Versorgungsausgleichs dem Ausgleichspflichtigen zumutbar, wenn der Ausgleichsberechtigte auf den Versorgungsausgleich angewiesen ist (MüKo-BGB/Siede, a.a.O.).

Ein (teilweiser) Ausschluss des Versorgungsausgleichs kommt auch nicht aus anderen Gründen in Betracht, insbesondere nicht deshalb, weil sich der Ausgleich im Ergebnis zulasten der Antragsgegnerin auswirkt.

Der Versorgungsausgleich verfehlt seinen Zweck im Regelfall selbst dann nicht, wenn der insgesamt Ausgleichsberechtigte nach Durchführung des Versorgungsausgleichs über eine höhere Versorgung als der Ausgleichspflichtigen verfügt. Von grober Unbilligkeit des Ausgleichsergebnisses kann erst dann ausgegangen werden, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich klar abzusehen ist, dass der Ausgleichsberechtigte über eine im Verhältnis zum Ausgleichspflichtigen unverhältnismäßig hohe Altersversorgung verfügen wird oder bereits anderweitig abgesichert ist, während der Ausgleichspflichtige auf die von ihm ehezeitlich erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist (BGH, FamRZ 2005, 696; 2007, 1084). Davon ist hier nicht auszugehen. Dass der angemessene Unterhalt der Antragsgegnerin aufgrund der Durchführung des Versorgungsausgleichs gefährdet ist, ist nicht ersichtlich zumal sich ihre Altersvorsorge nicht auf ihre Rentenbezüge beschränkt, sondern auch den Nutzungsvorteil des von ihr genutzten Wohngrundstücks umfasst. Auf der anderen Seite verfügt der Antragsteller erst nach vollständiger Durchführung des Versorgungsausgleichs über eine Bruttorente in ähnlicher Höhe wie die der Antragsgegnerin, sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass er auch ohne den Versorgungsausgleich für das Alter abgesichert und deshalb nicht auf den Versorgungsausgleich angewiesen wäre.

Dass der Antragsteller nach der Trennung den mit Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Perleberg vom 16.07.2004 – 19 FH 3/04 – titulierten Unterhalt für den im Haushalt der Mutter betreuten minderjährigen Sohn S… nicht gezahlt hat, rechtfertigt ebenfalls nicht den Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Die bloße Tatsache der Nichtzahlung von Kindesunterhalt genügt nicht, um die Durchführung des Versorgungsausgleichs für den betreuenden Elternteil unzumutbar erscheinen zu lassen. Erforderlich ist vielmehr eine über die bloße Unterhaltspflichtverletzung hinausgehende nachhaltige Beeinträchtigung des Unterhaltsberechtigten. Die unterhaltsberechtigte Familie muss durch die Unterhaltspflichtverletzung in Not oder in eine wirtschaftlich schwierige Lage geraten, z.B. zur Inanspruchnahme öffentlicher Hilfen gezwungen worden sein (Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 3. Aufl., VersAusglG § 27, Rn. 60, m.w.N.). Davon ist aber gerade nicht auszugehen, wenn der titulierte Kindesunterhalt über mehrere Jahre nicht beigetrieben wird. Denn dann ist gerade nicht ersichtlich, dass die ausgebliebenen Unterhaltsleistungen zu einer wirtschaftlichen Notlage geführt haben. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, dass die Antragsgegnerin der Behauptung des Antragstellers, dass die Ehegatten ursprünglich vereinbart hätten, dass der titulierte Unterhalt tatsächlich nicht gezahlt werden solle, nicht entgegengetreten ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 FamFG.

Der Verfahrenswert war nach § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG festzusetzen.