Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 14.03.2013 | |
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Aktenzeichen | L 3 U 86/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 2 SGB 7, § 7 SGB 7, § 8 SGB 7, § 56 SGB 7 |
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 05. April 2012 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund eines als Arbeitunfall anerkannten Wegeunfalls.
Die 1955 geborene Klägerin war im Unfallzeitpunkt in ihrer Tätigkeit als mobile Krankengymnastin bei der Beklagten versichert. Ihren Angaben im späteren gerichtlichen Verfahren zufolge bzw. laut Unfallanzeige vom 21. April 2010 erlitt sie am 12. April 2010 auf dem Weg zum Hausbesuch einer Patientin gegen 14.00 Uhr in Beinen Auffahrunfall, indem ein Mercedes auf den von ihr geführten, an einer Ampel wartenden Ford Fiesta auffuhr. Die Klägerin sah eigenen Angaben zufolge das auffahrende Fahrzeug im Rückspiegel mit hoher Geschwindigkeit herannahen und hoffte, dass es rechtzeitig abbremsen würde. Sie trug im Unfallzeitpunkt wegen vorbestehenden Cervikalsyndroms eine Halskrawatte. Durch den Aufprall des Mercedes entstand an ihrem Fahrzeug nach dem Ergebnis eines von ihr im späteren gerichtlichen Verfahren vorgelegten Gutachtens des Kfz-Sachverständigenbüros ein Reparaturschaden ohne Beeinträchtigung der Verkehrs- und Betriebssicherheit ihres Fahrzeugs. Die Polizei wurde nicht gerufen. Die Klägerin fuhr ihren weiteren Angaben zufolge anschließend zu ihrer nächsten Patientin und sagte dort den Behandlungstermin ab, weil es ihr schlecht ging. Sie begab sich am Folgetag in ärztliche Behandlung bei Dr. Z. Dort wurden durchgangsärztlich keine äußeren Verletzungszeichen, Ziehen in der Hals-Nacken-Muskulatur, keine wesentliche Bewegungseinschränkung, keine Blockade, bewegungsabhängige Schmerzen an der linken Flanke ohne äußere Verletzungszeichen und Druckschmerz an der linken Flanke befundet. Diagnostiziert wurden Cervikomyalgie und Rückenprellung, wobei das degenerative Cervikalsyndrom bzw. Wirbelsäulensyndrom als unfallunabhänigig festgestellt wurde. Bei der folgenden Untersuchung bei Dr. Z am 15. April 2010 beklagte die Klägerin ausstrahlende Schmerzen von der Halswirbelsäule (HWS) in beide Arme und Kopfschmerzen bei weitgehend freier Beweglichkeit und fehlender Blockade der HWS zudem ohne motorische Ausfälle, vgl. Zwischenbericht vom 15. April 2010, wonach durchgangsärztlich eine Beschwerdezunahme bei Verdacht auf psychische Überlagerung festgestellt wurde.
Es folgten Untersuchungen in der Unfallbehandlungsstelle (UBS), wo bei der Klägerin diffuse Beschwerden im Hals-Nacken- und Rückenbereich, darüber hinaus Kopfschmerzen und Kraftminderung in beiden Armen bei hochgradigem Verdacht einer Somatisierungsstörung bei latent depressiver Grundstimmung sowie nach Auswertung von MRT-Berichten vom 22. Februar 2007 und 11. Mai 2010 kein Anhalt für frische ossäre oder discoligamentäre Traumafolgen bei ausgeprägter Vorschädigung der HWS (Protrusion, Osteochondrose) festgestellt wurden, vgl. Berichte bzw. fachchirurgische Stellungnahmen von Dr. T vom 04., 05., 17. Mai und 04. Juni 2010. Dr. T gelangte zum Schluss, dass es durch den Unfall vom 12. April 2010 zu einer vorübergehenden Verschlimmerung der bekannten degenerativen Veränderungen ohne strukturell nachweisbare Traumafolgen im HWS-Bereich gekommen sei, welche bei einer nicht vorgeschädigten HWS eine Arbeits- und Behandlungsbedürftigkeit von vier Wochen mit sich gebracht hätten, vorliegend indes eine zwölfwöchige Heilbehandlung und Arbeitsunfähigkeit erforderlich machten. Die Klägerin trat der Einschätzung u.a. mit einer Gegendarstellung vom 24. Mai 2010 entgegen.
Der Beratungsarzt der Beklagten D führte in seiner Stellungnahme vom 24. Juni 2010 aus, dass Dr. T darin zuzustimmen sei, dass im vorliegenden Fall erhebliche degenerative Vorschädigungen der HWS bestanden hätten. Weiterhin müsse festgestellt werden, dass zum Unfallzeitpunkt die HWS durch eine Schanz’sche Krawatte geschützt gewesen sei. Schließlich sei auch durch die Äußerungen der Versicherten nicht entkräftet, dass es sich um einen Auffahrunfall mit geringer Geschwindigkeit gehandelt habe. So könne allenfalls von einer einfachen Distorsion ausgegangen werden. Eine auf der Vorschädigung um das dreifache verlängerte Behandlungszeit von zwölf Wochen sei überaus großzügig eingeschätzt. Darüber hinaus sollten keine Entschädigungsleistungen erbracht werden.
Dr. T berichtete unter dem 12. Juli 2010, das komplexe Beschwerdebild der Klägerin im Hals-Nacken-Bereich und darüber hinaus gehende Beschwerden wie Schluckstörungen, passagere Missempfindungen und Schmerzen an den oberen Extremitäten, Missempfindungen im Gesichtsbereich, Schmerzsymptomatik, Schmerzausstrahlungen in die Lendenwirbelsäule <LWS> und dorsalen Beckenstrukturen, passagere Kraftminderung beider Arme seien von den Behandlungsmaßnahmen der UBS (dreimal wöchentlich unter möglichst der gleichen Physiotherapeutin) positiv beeinflusst worden. Bei der Untersuchung am 09. Juli 2010 sei die Klägerin in einem perfekt stabilen Zustand und dankbar für die gewährten Behandlungen gewesen. Die Arbeitsunfähigkeit sei zum 15. Juli 2010 zu beenden. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in wirtschaftlich messbarem Ausmaß bestehe nicht. Alle fortbestehenden Beschwerden im Hals-Nacken-Bereich sowie alle weiteren beklagten Beschwerden sollten zu lasen der gesetzlichen Krankenversicherung behandelt werden.
Mit Bescheid vom 26. Juli 2010 erkannte die Beklagte den Auffahrunfall der Klägerin vom 12. April 2010 als Arbeitsunfall an, lehnte die Gewährung von Entschädigungsleistungen über den 15. Juli 2010 sowie die Gewährung einer Verletztenrente ab. Zur Begründung verwies sie u.a. auf die Ausführungen Dr. Ts und führte aus, mit Gewissheit könne festgestellt werden, dass ihre jetzigen Beschwerden auf die vor dem Unfall bereits bestandenen Schädigungen zurückzuführen seien.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch von 20. August 2010 begründete sie dahingehend, dass das Unfallereignis und die Wucht des Aufpralls heftig gewesen seien. Durch das Tragen einer Cervikalstütze sei der Schaden an der HWS zwar gemildert worden, die unverminderte Wucht habe jedoch den übrigen Rücken getroffen. Als Folgen hätten sich eine Schiefstellung im Becken mit Blockierung im ISG sowie Blockierungen der Brustwirbelsäule (BWS) und Sensibilitätsstörungen in den Fingern eingestellt. Ein im Januar 2007 erlittener Unfall hätte sichtbare Schäden verursacht. Der neuerliche Unfall 2010 habe zu einer Verschlechterung geführt. Trotz wiederholter Bitte und Aufforderung ihrerseits habe sie keine Überweisung zum Facharzt für Neurologie erhalten.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2010 unter näherer Auseinandersetzung mit den nach dem Unfall erhobenen Befunden sowie der weitergehenden Begründung als unbegründet zurück, der an den beteiligten Kraftfahrzeugen entstandene Sachschaden sei so gering gewesen, dass eine polizeiliche Aufnahme nicht durchgeführt worden sei. Darüber hinaus habe die Klägerin zum Unfallzeitpunkt eine Halskrawatte getragen, welche starke Bewegungsausschläge nach vorn und hinten verhindert habe. Angesichts der Unfallmechanik und des geringen Sachschadens an den Kraftfahrzeugen seien Beeinträchtigungen an der BWS und LWS nicht wahrscheinlich zu machen.
Mit ihrer am 14. Januar 2011 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat behauptet, der Sachschaden sei, wenn auch zunächst äußerlich nur als geringfügig eingeschätzt, erheblich. Sie habe – wie bei Unfallhergängen dieser Art üblich – eine Überstreckung des vorderen Halsbereichs, eine Stauchung des Nackenbereichs und im Rahmen des nachfolgenden sog. Reboundeffekts eine Überstreckung des Nackenbereichs sowie eine Stauchung des Kehlkopfbereichs erlitten. Mit zu berücksichtigen sei eine kollisionsbedingte Drehbewegung des Halses. Sie leide seit dem Unfall einer verstärkten Kopfschmerzsymptomatik, Kopfschmerzhaftigkeit des Hirnschädels, Klopfschmerzhaftigkeit des occipitocervicalen Übergangs, der HWS, BWS und LWS sowie an den dorsalen Beckenstrukturen, muskuläre Verspannungen des Musculus trapezius beidseits, brennende Schmerzen im Hals-Nacken- und Rückbereich, Parästhesien im Gesichtsbereich sowie eine Bewegungsminderung der HWS und BWS/ LWS bei erheblichen Belastungsschmerzen. Die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens werde bestätigen, dass neurologische Schäden jedenfalls mitursächlich für die weiter anhaltenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin seien. Sie leide unter Vorschäden aus Arbeitsunfällen vom 25. April 1988 und 20. Januar 2007. Durch ersteren habe sie sich eine HWS-Distorsion sowie eine Prellung der linken Schulter zugezogen, durch letzteren eine Schädel- und Schulterprellung sowie eine Prellung des rechten Handgelenks und eine HWS-Distorsion.
Das SG hat durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Dr. Z vom 19. Dezember 2011 Beweis erhoben. Dieser hat bei der Klägerin als Gesundheitsstörungen festgestellt: Wirbelsäulenverschleiß an HWS, BWS und LWS mit intermittierenden mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in mehreren Wirbelsäulenabschnitten, Wirbelsäulenfehlstatik sowie reversiblen funktionellen Störungen, polyarthralge Beschwerden der großen und kleinen Körpergelenke mit Gelenk-Knorpel-Verschleiß sowie Weichteilaffektionen, ferner auch mit reversiblen funktionellen Störungen nach Operationen im Bereich der rechten Hand, eine umkomplizierte Venopathie der unteren Extremitäten. Keine der von der Klägerin beklagten Erkrankungen lasse sich im Sinne der erstmaligen Entstehung oder im Sinne der wesentlichen Verschlimmerung eines unfallunabhängigen Leidens wahrscheinlich auf das Ereignis vom 12. April 2010 zurückführen. Relevante Nervenläsionen der oberen oder unteren Extremitäten lägen nicht vor. Die Vielzahl der von der Klägerin beklagten Störungen (Kopfschmerzen, Schmerzen der Wirbelsäule, Schlafstörungen, Schluckbeschwerden, Darmprobleme, Tinnitus, vegetative Beschwerden mit Schwindel und Gleichgewichtsstörungen, Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns sowie allgemeine Leistungsstörungen) seien objektiv nicht auf den Unfall vom 12. April 2010 zurückzuführen. Die auf den Unfall vom 12. April 2010 zurückführbare MdE betrage 0 vom Hundert (v.H.). Das Unfallereignis gebe zusammen mit den bei der Klägerin bestehenden Vorschäden nichts dafür her, dass das fortbestehende Gesamtstörungsbild der Klägerin auf den Unfall vom 12. April 2010 zurückzuführen sei.
Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 05. April 2012 abgewiesen. Es seien bei der Klägerin über den 15. Juli 2010 hinaus keine im Wesentlichen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 12. April 2010 zurückzuführenden Funktionsbeeinträchtigungen zu erkennen. Insofern sei den überzeugenden Ausführungen von Dr. Dr. Z zu folgen. Im Übrigen habe bereits die Beklagte selbst in ihrem Widerspruchsbescheid, auf welchen insofern verwiesen werde, zutreffend auf den Bagatellcharakter des Unfalls und die stabilisierende Halskrause verwiesen. Ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten sei nicht erforderlich gewesen. Wenn sich Unfallfolgen auf orthopädischem Fachgebiet über den 15. Juli 2010 hinaus nicht feststellen ließen, so sei es auch ausgeschlossen, dass sich ein über dieses Datum hinaus bestehendes psychiatrisches Beschwerdebild auf der Grundlage eines orthopädischen Leidens entwickelt habe. Zudem werde der schmerztherapeutische Aspekt bereits durch das Gutachten von Dr. Dr. Z abgedeckt.
Die Klägerin hat gegen den ihr am 13. April 2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 10. Mai 2012 Berufung eingelegt. Sie hält an ihrem bisherigen Vorbringen fest und rügt vor allem das Fehlen einer psychiatrisch-neurologischen Begutachtung. Das Gutachten von Dr. Dr. Z sei in wesentlichen Punkten widersprüchlich und unvollständig. Bereits seit dem Arbeitsunfall im Januar 2007 mit Schädel-Hirn-Trauma bestünden bei ihr Hirnleistungsstörungen, inkompletter Glottisschluss, Tinnitus, Kiefergelenksblockierung, kompletter Riech- und Geschmacksverlust, Blockierungen und Schmerzen im gesamten Rücken, Wirbelgleiten, Beschwerden bis in die Arme. Nach dem Unfall vom 12. April 2010 seien Parästhesien an den Armen hinzugekommen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 05. April 2012 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2010 zu ändern und die Beklagten zu verurteilen, ihr Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 12. April 2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Der Senat hat mit Beschluss vom 27. September 2012 den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zu Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.
Aufgrund des Beschlusses des Senats vom 27. September 2012 konnte der Berichterstatter gemäß § 153 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Einzelrichter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung ist unbegründet. Das SG die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht. Sie hat wegen der Folgen ihres Unfalls vom 12. April 2010 keinen Anspruch auf Verletztenrente.
Nach § 56 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Nach § 56 Abs. 1 S. 2 SGB VII besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert ist und die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen. Nach § 56 Abs. 1 S. 3 SGB VII sind die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. gerhardtVersicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (etwa Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden" im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, a.a.O., Rn. 16). Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache - die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.).
Erst dann, wenn sich die haftungsausfüllende Kausalität annehmen lässt, stellt sich die Frage nach der Bemessung der MdE. Nach § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Mithin hängt die MdE-Bemessung von zwei Faktoren ab: Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (etwa BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R -, zitiert nach juris Rn. 12).
Dies zugrunde gelegt steht nicht zur Überzeugung des Senats gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG fest, dass überhaupt Gesundheitsfolgeschäden ab der 26. Woche vorliegen, welche im Sinne einer wesentlichen Verursachung – abgrenzbar - auf den Unfall vom 12. April 2010 zurückgeführt werden können. Es ist schon nicht bewiesen, dass sich der gesundheitliche Zustand der Klägerin 26 Wochen nach dem Unfall vom 12. April 2010 überhaupt schlechter darstellte als vor dem Unfall. Belastbare, objektive Befunde geben für diese Annahme nichts her. Vielmehr ergaben die MRT-Untersuchungen vom 22. Februar 2007 und 11. Mai 2010, d.h. vor und unmittelbar nach dem Unfall nichts für eine signifikante Änderung des Zustands der HWS her. Bereits Dr. T von der UBS hat unter Auswertung der MRT-Befunde schlüssig darauf hingewiesen, dass sich an der Vorschädigung in der HWS (Bandscheibenprotrusion und Osteochondrose) nichts änderte und frische Traumafolgen schlichtweg nicht sichtbar waren. Dementsprechend hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eindrücklich die Vielzahl ihrer zumindest nach einem früheren Arbeitsunfall im Januar 2007 mit Schädel-Hirn-Trauma bestehenden Beschwerden geschildert (Hirnleistungsstörungen, inkompletter Glottisschluss, Tinnitus, Kiefergelenksblockierung, kompletter Riech- und Geschmacksverlust, Blockierungen und Schmerzen im gesamten Rücken, Wirbelgleiten, Beschwerden bis in die Arme). Soweit sie nun behauptet, nach dem Unfall vom 12. April 2010 erstmals an Parästhesien zu leiden, ist dies unbewiesen, zumal hierzu auch nichts im Durchgangsarzt- und Zwischenbericht von Dr. Z zu finden ist, obwohl eine entsprechende Feststellung nach dem einschlägigen unfallmedizinischen Schrifttum bei der von der Klägerin behaupteten Schwere des Beschleunigungstraumas bereits zeitnah zum Unfall zu fordern gewesen wäre (vgl. Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Kap. 8.3.2.4.2.1, S. 464: Einteilung der Schweregradbestimmung „nach Erdmann“).
Davon abgesehen gibt eine Gesamtschau über das Unfallgeschehen und der bei der Klägerin unmittelbar danach festgestellten Gesundheitsstörungen nichts für die Annahme einer dauerhaften messbaren MdE her. Eine messbare MdE von 10 v.H. oder mehr nach einem Beschleunigungstrauma lässt sich grundsätzlich erst bei einer schweren HWS-Distorsion des Schweregrads III annehmen. Hierfür hätten unmittelbar nach dem Unfall neben möglichen Schmerzen der Halsmuskulatur bzw. der HWS, Bewegungseinschränkungen ohne beschwerdefreies Intervall, sekundäre Insuffizienz der Halsmuskulatur, Schmerzen im Mundboden-/ Interskapularbereich zumindest auch eine primäre Insuffizienz der Halsmuskulatur und morphologisch gesicherte Gelenkkapseleinrisse über mehr als ein Segment, eine Diskusblutung oder –riss, eine Bandruptur, eine Wirbelkörperfraktur, eine Luxation oder Nerv-, Wurzel-, Rückenmarksläsion festgestellt werden müssen (vgl. Schönberger et al., ebd.). Der mechanische Zusammenhalt des passiven Halteapparats hätte total liquidiert sein müssen (Schönberger et al., a.a.O., S. 462). Wie bereits ausgeführt wurde durchgangsärztlich kein hierzu passender klinischer Befund erhoben und MRT-diagnostisch keine entsprechende morphologische Veränderung festgestellt, sondern vielmehr jegliche diskoligamentäre oder ossäre Traumafolge ausgeschlossen. Es wurde nicht einmal mikrostrukturell eine Weichteilläsion mit hieraus resultierender Hämatombildung festgestellt, welche durchweg kernspintomographisch nachweisbar gewesen wäre (vgl. Schönberger et al., a.a.O., S. 462 f.), so dass sich sogar eine auch nur mittlere HWS-Distorsion des Schweregrads II ausschließen lässt und so von vornherein keinerlei Anhaltspunkte für eine aufgrund der Schwere des Unfalls zu erwartende, messbare MdE bestanden. Eben so sehen es sowohl Dr. T in seinen im Verwaltungsverfahren abgegebenen Stellungnahmen als auch Dr. Dr. Z in seinem für das SG erstellten schriftlichen Sachverständigengutachten, welchen sich der Senat in ihren Einschätzungen zur Zusammenhangsfrage anschließt.
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, warum es nur zu einer geringen, sich nach ärztlicher Feststellung auf eine einfache Rückenprellung oder leichte HWS-Distorsion beschränkende Verletzung der Klägerin am 12. April 2010 kam. Indes spricht der unstreitige Umstand, dass die Klägerin beim Unfall eine Halskrawatte trug in der Tat ebenso für einen eher milden Unfallverlauf wie der Umstand, dass auch der Schadensgutachter keinen die Verkehrs- und Betriebssicherheit des klägerischen Fahrzeugs beeinträchtigenden Unfallschaden feststellte, die Klägerin von einer Hinzuziehung der Polizei absah und sogar weiterfuhr. Dahinstehen kann, ob sich die Klägerin, welche das andere Unfallfahrzeug ja im Rückspiegel herannahen sah, durch eine Nackenmuskelanspannung und Abwehrreaktion schützen konnte oder in ihrem gegenüber dem anderen Unfallfahrzeug möglicherweise leichteren Fahrzeug einem höheren Verletzungsrisiko unterlag (vgl. hierzu Schönberger et al., a.a.O., Kap. 8.3.4.1m, S. 460). Jedenfalls sind bei derart geringen, verobjektivierten Verletzungsfolgen wie hier die nun als länger andauernd beklagten Funktionseinbußen nicht im Wesentlichen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 12. April 2010 zurückzuführen.
Nach alldem überzeugen die Ausführungen des Gerichtssachverständigen des Ausgangsverfahrens und die hiermit im Kern und im Ergebnis übereinstimmenden medizinischen Ermittlungen des Verwaltungsverfahrens, welche für eine rentenberechtigende MdE infolge des Arbeitsunfalls vom 12. April 2010 nicht einmal ansatzweise etwas hergeben. Es liegen so auch keine Anhaltspunkte für weitergehende Ermittlungen vor, denen - auch eingedenk der dem Gericht aus § 103 SGG obliegenden Untersuchungsmaxime – ggf. im Wege der von der Klägerin recht pauschal geforderten psychiatrisch-neurologischen Untersuchung nachzugehen gewesen wäre. Hierzu hat bereits das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend darauf hingewiesen, dass in Ermangelung abgrenzbarerer Unfallfolgen auf orthopädischem oder unfallchirurgischem Fachgebiet jedenfalls auch kein Raum für die Annahme besteht, dass die Klägerin unfallbedingt an einer sich auf einem orthopädischem oder unfallchirurgischen Leiden gründenden psychiatrisch-neurologischen Funktionsstörung leiden könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist mangels Zulassungsgrunds nach § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.