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Entscheidung 6 U 58/19


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 6. Zivilsenat Entscheidungsdatum 27.08.2019
Aktenzeichen 6 U 58/19 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2019:0827.6U58.19.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten vom 17.07.2019 gegen das am 03.04.2019 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 12 O 381/16 - wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Senats vom 09.07.2019 wird zurückgewiesen.

3. Der Beklagte hat die durch die Berufungseinlegung vom 17.07.2019 entstandenen Kosten zu tragen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Pferdekaufvertrags sowie den Ersatz der der Klägerin durch die Augenerkrankung des verkauften Pferdes entstandenen Aufwendungen.

Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und den Beklagten - unter Klageabweisung im Übrigen - verurteilt, an die Klägerin 6.822,78 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 05.10.2016 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgabe der Stute …, Lebens-Nr. De …, sowie an die Klägerin weitere 729,23 € nebst Zinsen i.H.v. 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.10.2016 zu zahlen. Daneben hat es die Feststellung ausgesprochen, dass sich der Beklagte seit dem 12.10.2016 mit der Rücknahme des Pferdes in Annahmeverzug befindet sowie dass er sämtliche weitere Unterhaltskosten für das genannte Pferd, insbesondere Unterstellungs-, Fütterungs-, Pflege-, Tierarzt- und Hufschmiedkosten seit dem 05.10.2016 zu tragen hat.

Gegen das zu Händen seiner erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwaltskanzlei S… & M…, am 08.04.2019 zugestellte Urteil hat der Beklagte, vertreten durch diese Rechtsanwälte, am 03.05.2019 Berufung eingelegt. Am selben Tag haben sich Rechtsanwälte P… & Sch… für den Beklagten bestellt und ebenfalls Berufung eingelegt. In der Folge haben Rechtsanwälte S… & M… mit Schriftsatz vom 06.06.2019 mitgeteilt, der Beklagte werde nunmehr ausschließlich von Rechtsanwalt P… vertreten. Das Mandat bestehe nicht mehr. Mit Schriftsatz vom 08.07.2019 haben die Rechtsanwälte P… & Sch… die Berufung zurückgenommen. Der Senat hat sodann mit Beschluss vom 09.07.2019 dem Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt und ihn des eingelegten Rechtsmittels für verlustig erklärt (§ 516 Abs. 3 ZPO).

Am 11.07.2019 hat der Beklagte durch ein Telefonat mit der Kanzlei P… & Sch… von der Rücknahme der Berufung erfahren. Am selben Tag hat er, vertreten durch die Rechtsanwälte S… & M…, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt, die Rücknahme der Berufung aus jedem Rechtsgrund angefochten und die Berufung zugleich begründet. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Rücknahme sei durch den von ihm nicht beauftragten Sozius des allein bevollmächtigten Rechtsanwalts Dr. P… erklärt worden. Die Vollmacht habe sich allerdings nicht auf die Rücknahme der Berufung erstreckt, sondern ausschließlich auf die Durchführung des Berufungsverfahrens bis zum Abschluss durch eine gerichtliche Entscheidung. Sein Ziel sei es gewesen, eine höchstrichterliche Klärung herbeizuführen. Er sei vor Abgabe der Erklärung nicht davon informiert worden, dass eine Rücknahme der Berufung beabsichtigt sei. Die Rücknahmeerklärung sei daher unwirksam und werde auch nicht genehmigt. Zur Glaubhaftmachung hat der Beklagte eine eidesstattliche Versicherung mit Datum 17.07.2019 zu den Akten gereicht. Unter dem 17.07.2019 hat der Beklagte unter Wiederholung seines Wiedereinsetzungsantrags ausdrücklich erneut Berufung eingelegt.

Mit Schriftsatz vom 18.07.2019 hat der Beklagte zudem Beschwerde gegen den Beschluss des Senats vom 09.07.2019 eingelegt und beantragt, den Beschluss aufzuheben. Zur Begründung hat er ausgeführt, eine wirksame Rücknahme der Berufung liege nicht vor. Die Rücknahmeerklärung sei von einem Rechtsanwalt abgegeben worden, den er nicht bevollmächtigt habe, die Erklärung könne ihm deshalb nicht zugerechnet werden.

Mit Verfügung vom 30.07.2019 hat der Senat den Beklagten darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die erneute Berufungseinlegung vom 17.07.2019 sowie die erklärte Anfechtung der Prozesshandlung der Berufungsrücknahme kein Erfolg zukommen dürfte.

II.

Die mit Schriftsatz vom 17.07.2019 eingelegte Berufung des Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 ZPO), weil er die Frist zur Einlegung der Berufung (§ 517) nicht gewahrt hat. Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist kann dem Beklagten nicht gewährt werden, sein Wiedereinsetzungsgesuch ist unbegründet.

1) Der Beklagte hat die Frist zur Einlegung der Berufung versäumt. Die Frist von einem Monat ab Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils hat am 08.04.2019 zu laufen begonnen, § 517 ZPO, und mit Ablauf des 08.05.2019 geendet, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB. Die nach der Rücknahme der am 03.05.2019 eingelegten Berufung unter dem 17.07.2019 erneut eingelegte Berufung hat diese Frist nicht gewahrt, sie ist deshalb unzulässig.

Zwar war der Beklagte prozessual nicht gehindert, eine „zweite“ Berufung einzulegen, nachdem er die am 03.05.2019 eingelegte Berufung zurückgenommen hat. Denn die Rücknahme führt nur dazu, dass der Berufungskläger des eingelegten Rechtsmittels verlustig geht, er verliert dadurch nicht das Recht auf Berufung als solches, sofern er nicht einen Rechtsmittelverzicht erklärt (BGH, Beschluss vom 30.05.2007 - XII ZB 82/06 Rn 18, NJW 2007, 3640; zit. nach juris). Eine entsprechende Erklärung hat der Beklagte nicht abgegeben. Die „zweite“ Berufung konnte jedoch nur zulässig eingelegt werden, wenn die Berufungsfrist gewahrt ist oder dem Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist zu bewilligen ist. Beide Voraussetzungen liegen nicht vor.

Die mit Schriftsatz vom 17.07.2019 eingelegte Berufung ist erst nach dem 08.05.2019 und damit nach Ablauf der Berufungseinlegungsfrist beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen. Der von dem Beklagten in zulässiger Weise - namentlich rechtzeitig - angebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Berufungsfrist (§§ 233, 234 ZPO) ist unbegründet. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Denn tatsächlich hat der Beklagte die Prozesshandlung, die er nunmehr nachzuholen begehrt, nicht versäumt. Er hat mit Schriftsätzen vom 03.05.2019 innerhalb der Berufungsfrist formgerecht Berufung eingelegt. Damit hat ein zulässiges Rechtsmittel vorgelegen, dem ein förmliches Hindernis nicht entgegengestanden hat. Der Beklagte hat das wirksam eingelegte Rechtsmittel erst nach Ablauf der Berufungsfrist durch die mit Schriftsatz vom 08.07.2019 erklärte Berufungsrücknahme verloren. Bei dieser Sachlage ist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die mit mangelndem Verschulden bei der Zurücknahme des Rechtsmittels begründet wird, kein Raum (vgl. BGH, Beschluss vom 02.04.2009 - V ZB 6/98, NJW-RR 1998, 1446; vom 30.05.2007, a.a.O. Rn 15; vom 16.05.1991 - III ZB 1/91 Rn 10, NJW 1991, 2839; jew. zit. nach juris).

2) Die zuvor, unter dem 03.05.2019 eingelegte Berufung war zwar fristgerecht, sie ist allerdings mit Schriftsatz vom 08.07.2019 rechtswirksam zurückgenommen worden. Dies hat zum Verlust des eingelegten Rechtsmittels geführt (§ 516 Abs. 3 ZPO) und zwar umfassend, sowohl betreffend die durch die Rechtsanwälte S… & M… abgegebene Erklärung zur Einlegung der Berufung wie auch im Hinblick auf die entsprechende Erklärung der Rechtsanwälte P… & Sch…. Auch bei Einlegung des Rechtsmittels durch verschiedene Anwälte liegt in der Sache nur ein Rechtsmittel vor. Deshalb bewirkt dann, wenn zwei Prozessbevollmächtigte unabhängig voneinander Berufung wegen desselben Anspruches einlegen und einer von ihnen - wie hier - „die Berufung“ ohne weitere Beschränkung zurücknimmt, dies regelmäßig den Verlust des Rechtsmittels insgesamt (vgl. BGH, Beschluss vom 30.05.2007, a.a.O. Rn 24; zit. nach juris). Anderes kommt nur in Betracht, wenn ausdrücklich oder erkennbar nicht das Rechtsmittel, sondern nur eine bestimmte Einlegung zurückgenommen wird (vgl. Zöller-Hessler, ZPO, 32. Aufl. 2019, § 516 Rn 4); dieser Fall liegt hier ersichtlich nicht vor.

Die Rücknahme der Berufung war auch wirksam. Sie ist von dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten, Rechtsanwalt Dr. P…, erklärt worden und dem Beklagten zuzurechnen, § 85 Abs. 1 ZPO. Ob Rechtsanwalt Dr. P… die Berufung ohne entsprechende Weisung oder ohne Rücksprache mit dem Beklagten zurückgenommen hat, ist für die Wirksamkeit der Rücknahme ohne Bedeutung. Denn die einem Prozessbevollmächtigten erteilte Prozessvollmacht ermächtigt ihn im Verhältnis zu Gericht und Gegner zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen (§§ 81, 83 ZPO). Dazu gehört auch die Rücknahme der zuvor eingelegten Berufung (vgl. BGH, Beschluss vom 16.05.1991, a.a.O.; vom 02.12.1987 - IVb ZB 125/87 Rn 6, VersR 1988, 526; jew. zit. nach juris). Eine Prozessvollmacht liegt vor, der Beklagte selbst trägt vor, Rechtsanwalt Dr. P…. - wirksam mündlich - mandatiert zu haben.

Entgegen der Ansicht des Beklagten kommt es für die Wirksamkeit der Rücknahme auch nicht darauf an, ob Rechtsanwalt Dr. P… oder sein Sozius Rechtsanwalt Dr. Sch… den Berufungsrücknahmeschriftsatz unterschrieben haben. Denn die einem Prozessbevollmächtigten erteilte Prozessvollmacht ermächtigt auch zur Bestellung eines Vertreters für einzelne Prozesshandlungen. Dass Rechtsanwalt Dr. Sch…, der nach Darstellung des Beklagten den Berufungsrücknahmeschriftsatz unterschrieben haben soll, insoweit für Rechtsanwalt Dr. P… aufgetreten ist, ergibt sich bereits daraus, dass die eigenhändige Unterschrift über dem maschinenschriftlichen Namenszug Dr. Dietrich P… angebracht ist.

Die Rücknahme der Berufung ist auch nicht durch die mit Schriftsatz vom 11.07.2019 erklärte Anfechtung wirkungslos geworden. Eine Anfechtung scheidet aus, weil die Berufungsrücknahme eine Prozesshandlung ist und als solche nicht nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts angefochten werden kann (BGHZ 12, 284; BGH, Beschluss vom 30.05.2007, a.a.O. Rn 36; vom 16.05.1991, a.a.O. Rn 8; vom 02.12.1987, a.a.O., Rn 7; jew. zit. nach juris).

Auch die Umdeutung der Anfechtung in einen Widerruf kommt nicht in Betracht. Die Rücknahme eines Rechtsmittels ist grundsätzlich unwiderruflich. Nur ganz ausnahmsweise, nämlich etwa dann, wenn die Rücknahme im Widerspruch zum wirklichen Willen des Rechtsmittelführers steht und ein Irrtum seines Prozessbevollmächtigten bei Abgabe der Rücknahmeerklärung für das Gericht und den Gegner ganz offensichtlich ist, kann es diesem nach Treu und Glauben verwehrt sein, sich auf die Rücknahme zu berufen, so dass diese als unwirksam zu behandeln ist (BGH, Beschluss vom 30.05.2007, a.a.O., Rn 36; vom 16.05.1991, a.a.O. Rn 8; vom 02.12.1987, a.a.O. Rn 7; jew. m.w.N. und zit. nach juris). Vorliegend fehlt es sowohl an einem Irrtum des die Rücknahme aussprechenden Prozessbevollmächtigten als auch an der geforderten Erkennbarkeit für Gericht und Gegner. Eine weitere Ausnahme von der Unwiderruflichkeit der Rücknahme einer Prozesshandlung kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur dann in Betracht, wenn ein Restitutionsgrund vorliegt und das Urteil, durch welches die Berufung als unzulässig verworfen würde, der Restitutionsklage gemäß § 580 ZPO unterläge (BGH, Beschluss vom 30.05.2007, a.a.O.; zit. nach juris). Ein Restitutionsgrund wird von dem Beklagten allerdings ebenso wenig vorgetragen wie die Voraussetzungen für eine Nichtigkeitsklage, für die der Bundesgerichtshof bislang offen gelassen hat, ob sie ebenfalls den Widerruf der Rücknahme eines Rechtsmittels rechtfertigen können (BGH, Beschluss vom 30.05.2007, a.a.O. Rn 37; zit. nach juris).

III.

Aus den vorgenannten Gründen war auch die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Senats vom 09.07.2019 zurückzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung betreffend die weiteren ausgelösten Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, im Übrigen verbleibt es bei der Entscheidung vom 09.07.2019.