Gericht | VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 21.11.2012 | |
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Aktenzeichen | VG 5 L 276/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
2. Der Streitwert wird auf 7.500, - Euro festgesetzt.
I.
Die Antragstellerin wendet sich als Eigentümerin von Wohngrundstücken im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Biogasanlage.
Die Beigeladene beantragte am 02. Mai 2011 beim Antragsgegner die Genehmigung gemäß § 4 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) für eine in XXX zu errichtende Biogasanlage. Die Biogasanlage soll auf dem Gelände einer ehemaligen, stillgelegten Zuckerfabrik errichtet werden. Die geplante Anlage umfasst u.a. ein Silagelager mit einer Lagerfläche von 2.450 m², eine Vorgrube zur Aufnahme von verunreinigtem Niederschlagswasser, zwei Feststoffdosierer mit 80 m³ Füllvolumen, zwei Fermenter mit Niederdruckgasspeicherung (umbautes Raumvolumen 7.802 m³), zwei gasdichte Gärrestelager mit jeweils 9.659 m³ umbautem Raumvolumen, eine automatische Notfackel, einen Gasmotor mit Generator und eine Gesamtfeuerungswärmeleistung von insgesamt 1,413 MW, einen Gaskamin sowie Nebeneinrichtungen. Es ist geplant, zur Vergärung jährlich ca. 16.600 t nachwachsende Rohstoffe (Maissilage, Getreidesilage, Zuckerrüben und Getreide) und ca. 11.450 t Gülle (Schweinegülle, Rindergülle, Rinderfestmist und Entenfestmist) einzusetzen. Für die Versorgung der Anlage wird ein Silagelager mit einem Nutzvolumen von ca. 9.500 m³ eingerichtet. Die anfallenden Gärreste (ca. 30.156 t jährlich) werden in einem Gärrestelager mit einem Fassungsvermögen von 12.328 m³ zwischengelagert. Die Anlage soll durchgängig - 24-Stunden - betrieben werden. Die Anlieferung von Einsatz- und Hilfsstoffen erfolgt von Montag bis Sonntag in der Zeit von 06.00 Uhr bis 22.00 Uhr.
Die Beigeladene legte im Genehmigungsverfahren u.a. ein Schallgutachten vor. Danach beträgt die voraussichtliche Belastung am Immissionsort XXX Ostseite tags 52,7 db(A) und nachts 19,8 db(A), am Immissionsort XXX, Südseite tags 53,3 db(A) und nachts 37,6 db(A). Unzulässige Geräuschspitzen seien nicht zu erwarten. Im Gutachten wird davon ausgegangen, dass es sich um ein Dorf- bzw. Mischgebiet handelt und demzufolge tagsüber ein Immissionsrichtwert von 60 db(A) und nachts von 45 db(A) zu Grunde zu legen sei. Weiterhin wurde eine Geruchsausbreitungsprognose vom 22. Juni 2011 vorgelegt. Der Prognose lag ein vom Deutschen Wetterdienst erstelltes Gutachten über die Windverhältnisse am Anlagenort zu Grunde. In der Geruchsausbreitungsprognose wird die Geruchsbelastung an sechs Immissionsorten, der XXX, XXX, XXX und XXX (IO 5) sowie der XXX und der XXX(IO 6) prognostiziert. An den am stärksten betroffenen Immissionsorten IO 5 und IO 6 ergaben sich eine Geruchsstundenhäufigkeit von 8 % und ein Immissionsbeitrag von 0,08. Im Gutachten wird festgestellt, dass die bei Zugrundelegung eines Mischgebietes zulässige Geruchsbelastung von 0,10 nicht überschritten wird und es mithin nicht zu einer Überschreitung der zulässigen Grenzwerte kommen wird.
Mit Bescheid vom 11. Juli 2012 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen gemäß § 4 Abs. 1 BImSchG die Genehmigung zur Errichtung einer Verbrennungsmotorenanlage zur Erzeugung von Strom und Wärme durch den Einsatz von Biogas und einer Anlage zur Lagerung von brennbaren Gasen in XXX, Ortsteil XXX. Die mit zahlreichen Nebenbestimmungen und Auflagen versehene Genehmigung umfasste die beantragten Lager, Gruben, Fermenter und Gaslager. Der Antragsgegner führte in der Begründung der Genehmigung aus, dass die vorgelegten Prognosen bzgl. der Geruchs- und Lärmimmissionen plausibel seien. Weiter wurde darauf verwiesen, dass die Aufstellung eines hinreichenden Bebauungsplanes beschlossen sei.
Die Beigeladene beantragte am 15. Juli 2012, die erteilte Genehmigung für sofort vollziehbar zu erklären. Den Antrag begründete sie damit, dass Dritte keinen Anspruch darauf hätten, ein rechtmäßiges Vorhaben zu verzögern. Eine Verzögerung des Vorhabens würde zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen und könnte das „Aus“ für das Vorhaben der Beigeladenen nach sich ziehen. Die Beigeladene würde ca. 6,5 Millionen Euro investieren und fünf dauerhafte Arbeitsplätze schaffen.
Mit Verfügung vom 06. August 2012 ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Genehmigung vom 11. Juli 2012 an. Dies begründete der Antragsgegner damit, dass das öffentliche Interesse sowie das private Interesse der Beigeladenen das Aussetzungsinteresse möglicher Widerspruchsführer überwiegen würde. Rechtsbehelfe Dritter hätten mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Aussicht auf Erfolg. Bereits im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides überwiege das Vollzugsinteresse. Die erteilte Genehmigung sei rechtmäßig und würde die Rechtspositionen Dritter nicht verletzen. Am Betrieb der Anlage bestehe ein öffentliches Interesse, da diese dem Klima- und Umweltschutz diene sowie eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung sichere. Biogasanlagen würden öffentlich gefördert werden. Es läge ein bereits genehmigter Bebauungsplan vor, dessen Festsetzungen das Vorhaben entsprechen würde. Hilfsweise ergäbe sich die Zulässigkeit des Vorhabens aus § 35 Abs. 2 BauGB. Die dem möglicherweise widersprechenden Regelungen des Flächennutzungsplanes würden keine drittschützende Wirkung entfalten. Es sei zudem beabsichtigt, den Flächennutzungsplan zu ändern. Nach Abschluss des Verfahrens stünde das Vorhaben mit den Vorgaben des Flächennutzungsplanes in Einklang. Der Hinweis Dritter auf Umwelteinflüsse sei nicht ausreichend substantiiert und würde durch die vorliegenden Geruchs- und Lärmprognosen entkräftet. Ein rechtswidriger Eingriff in das Eigentum läge nicht vor. Insbesondere sei der Marktwert der Grundstücke nicht geschützt. Zudem könne sich die Beigeladene auf wirtschaftliche Interessen berufen, da es sich um ein umfangreiches Großvorhaben handeln würde. Der Beigeladenen würde im Falle der Verzögerung des Vorhabens ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstehen. Insoweit sei in den Blick zu nehmen, dass die Gesamtkosten der Errichtung der Anlage ca. 6,5 Millionen Euro betragen würden. Ein weiteres Zuwarten würde im Hinblick auf die Regelungen des EEG zu erheblichen Einnahmeausfällen führen. Die beim Betrieb einer Biogasanlage zur erzielenden Stromeinspeisevergütungen würden sich bei einer Inbetriebnahme nach dem 31. Dezember 2012 verringern. Im Hinblick auf die verwaltungsgerichtliche Verfahrensdauer könnte ein gerichtliches Verfahren die Rentabilität des Projektes gefährden. Zu berücksichtigen sei auch das öffentliche Interesse an der wirtschaftlichen Stärkung der Region.
Durch die Gemeinde XXX wurde ein Bebauungsplan „Biomethan- und Photovoltaikanlage“ beschlossen. Das zur Errichtung der Biogasanlage vorgesehene Gebiet ist danach als Sondergebiet (Biogas) ausgewiesen. Der Bebauungsplan wurde durch die Kommunalaufsichtsbehörde, den Landrat des Landkreises XXX genehmigt und am 27. August 2012 im Amtsblatt für die Gemeinde XXX veröffentlicht.
Am 27. August 2012 hat die Antragstellerin gegen die Genehmigung Widerspruch eingelegt, über den bisher noch nicht entschieden wurde. Zur Begründung des Widerspruchs trägt sie vor, dass der Errichtung der Anlage weder ein Bebauungsplan noch ein Flächennutzungsplan zu Grunde liegen würde. Die geplante Anlage liege in unmittelbarer Nähe der Immobilien der Antragstellerin, die ganz überwiegend an Dritte vermietet seien. Die Errichtung der Anlage würde dazu führen, dass die vermieteten Wohnungen zukünftig schwerer zu vermieten seien. Von der Anlage würden erhebliche Beeinträchtigungen für die Wohnbevölkerung ausgehen, die nicht hinnehmbar seien. Zudem werde darauf hingewiesen, dass auf einem Bebauungsplanentwurf für das streitgegenständliche Gebiet das Gebäude in der XXX „hinaus radiert“ worden sei.
Die Antragstellerin hat am 21. August 2012 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Sie trägt vor, die Biogasanlage sei nicht gemäß § 35 Baugesetzbuch privilegiert, da die Beigeladene kein landwirtschaftlicher Betrieb, sondern eine Kapitalgesellschaft sei. Der aktuelle Flächennutzungsplan würde dem Vorhaben widersprechen. Die Antragstellerin habe gegen die Aufstellung eines neuen Flächennutzungsplanes und des neuen Bebauungsplanes Bedenken angemeldet. Im neuen Bebauungsplan sei das Gebäude XXX nicht verzeichnet, so dass die Aufstellung des Bebauungsplanes fehlerhaft erfolgt sein müsse. Es sei zu vermuten, dass die Entfernung des Gebäudes aus Plänen vorsätzlich erfolgt sei. Das Vorhaben sei zudem auf Grund des Geruchs, des Lärms und der zu befürchtenden Beeinträchtigung durch Schädlinge gesundheitsschädlich. Es handele sich um eine Industrieanlage mit einer enormen Kapazität, die der Störfallverordnung unterliege. Das Geruchsgutachten würde von Durchschnittswerten ausgehen, die in den Sommermonaten wahrscheinlich überschritten werden würden. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass Biogasanlagen Methangas herstellen würden, das hoch explosiv sei. Es sei auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Genehmigung abzustellen. Festzuhalten sei auch, dass sich die Beigeladene nicht an die erteilte Genehmigung halten und (Abdeckungs-)Folie mit eine Stärke von lediglich 0,8 mm verwenden würde. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung stelle zudem das wirtschaftliche Interesse der Beigeladenen über die Grundrechte der Antragstellerin.
Die Antragstellerin beantragt wörtlich,
die Vollziehung der der beigeladenen Firma Bio Gas XXX GmbH von dem Antragsgegner erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 11. Juli 2012 und die Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 06. August 2012 auszusetzen,
und
dem Antragsgegner aufzugeben, die Baustelle auf dem Grundstück XXX, Ortsteil XXX stillzulegen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner trägt vor, dass ein rechtskräftiger Flächennutzungsplan vorhanden sei, der für das streitgegenständliche Gebiet Flächen für den Gemeinbedarf und die Landwirtschaft ausweise. Weiterhin läge ein vorhabenbezogener Bebauungsplan vor, dessen Festsetzungen die Anlage entsprechen würde. Dieser Bebauungsplan sei heranzuziehen, da insoweit auf die aktuelle Sach- und Rechtslage abzustellen sei. Zudem sei die Anlage gemäß § 35 Abs. 2 BauGB zulässig. Im Übrigen könne sich die Beigeladene nicht auf einen Verstoß gegen den Flächennutzungsplan berufen, da sie insoweit keine drittschützenden Belange geltend machen könnte. Weiterhin sei es zutreffend, dass die Anlage der Störfallverordnung unterfallen würde. Jedoch seien in den Genehmigungsbescheid diverse Nebenbestimmungen aufgenommen worden. Zudem befänden sich die nächsten Gebäude in einem Abstand von ca. 230 m; mithin läge ein ausreichender Abstand zwischen Anlage und Wohngebäuden. Bzgl. der Geräusch- und Geruchsimmissionen sei auf die Gutachten zu verweisen. Die Gutachten seien nach der jeweils vorgesehenen Methodik erstellt und durch die Genehmigungsbehörde als vollständig und plausibel bewertet worden. Die Antragstellerin könne sich nicht auf eine Verletzung des gemäß Art. 14 GG geschützten Eigentums berufen, da eine Minderung des Wertes und der Wirtschaftlichkeit ihrer Immobilien nicht vom Schutzbereich umfasst werden würde. Zudem müsse gerade im Außenbereich mit Immissionen gerechnet werden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei sowohl im privaten als auch im öffentlichen Interesse gerechtfertigt, wie sich aus den zutreffenden Erwägungen in der Verfügung vom 11. Juli 2012 ergäben würde.
Die Beigeladene beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Beigeladene trägt vor, es sei unerheblich ob der Bebauungsplan rechtsfehlerhaft erstellt worden sei, da die Anlage gemäß § 35 Abs. 2 BauGB genehmigt worden sei. § 35 Abs. 2 BauGB sei jedoch nicht drittschützend. Drittschützende Normen seien nicht verletzt. Von der Anlage würden keine unzumutbaren Lärm- und Geruchsbelästigungen ausgehen; die maßgeblichen Immissionsrichtwerte würden eingehalten werden. Es sei auf die Geruchsimmissions-Richtlinie abzustellen. Eine etwaige Minderung des Wertes der Immobilien der Antragstellerin sei nicht justitiabel. Weiterhin sei es nicht zutreffend, dass die Beigeladene lediglich 0,8 mm starke Folie verwendet. Vielmehr werde genehmigungskonform eine 1 mm starke Folie verwendet. Der entgegenstehende Vortrag der Antragstellerin sei unsubstantiiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (2 Bände) verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.
Die Antragstellerin kann nicht mit Erfolg einwenden, dass der Antragsgegner in seiner Anordnung der sofortigen Vollziehung auf ihr Suspensivinteresse nicht eingegangen ist. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Antragsgegner entspricht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Erforderlich ist, dass die Begründung erkennen lässt, dass die Behörde sich mit der Frage der sofortigen Vollziehung auseinandergesetzt und bei ihrer Entscheidung Ermessen ausgeübt hat. Nicht entscheidungserheblich ist, ob die Anordnung aus den angegebenen Gründen voll zu überzeugen vermag (vgl. OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 21. Juli 1999, - 4 B 25/99 -, juris). Hieraus folgt, dass dem formellen Begründungserfordernis bereits dann genügt ist, wenn die Behörde mit einer auf den Einzelfall abstellenden, nicht lediglich formelhaften Begründung das von ihr angenommene besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung dargelegt hat. Diesen Anforderungen entspricht die streitgegenständliche Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 11. Juli 2012 vollumfänglich. Der Antragsgegner hat detailliert und nachvollziehbar dargelegt, warum vorliegend die Anordnung der sofortigen Vollziehung geboten ist. Der Begründung ist zu entnehmen, dass sich der Antragsgegner des Regel-Ausnahme-Verhältnisses bewusst war. Zudem hat sich der Antragsgegner vertieft mit den Einwendungen der Antragstellerin auseinandergesetzt.
Inhaltlicher Maßstab der hier gemäß § 80a Abs. 2 und 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffenden gerichtlichen Entscheidung im Eilverfahren ist eine umfassende Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse der Antragstellerin einerseits und das öffentliche Interesse sowie das Interesse der durch den Verwaltungsakt begünstigten Beigeladenen an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Diese Abwägung hat der Gesetzgeber zunächst dahin vorgenommen, dass Widerspruch und eine ggf. nachfolgende Klage im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG) grundsätzlich aufschiebende Wirkung entfalten (§ 80 Abs. 1 VwGO), diese aber entfällt, wenn die Behörde - wie hier - die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO gesondert angeordnet hat. Das Gericht prüft mithin im Falle einer solchen Anordnung, ob die Behörde zu Recht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung höher gewichtet hat als das private Interesse der Antragstellerin, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens von einer Vollziehung des Verwaltungsakts verschont zu bleiben. Im Rahmen dieser Interessenabwägung haben auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes Bedeutung; allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als bei Gewichtung des Sofortvollzugsinteresses in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte (so die ständige Rspr. des OVG Berlin-Brandenburg vgl. z. B. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. September 2006, - OVG 11 S 57.06 –, NVwZ 2007, 848 f.).
Da es sich bei der Antragstellerin um die Nachbarin der streitbefangenen Anlage handelt, ist Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Frage, ob die erteilte Genehmigung im Hinblick auf Vorschriften, die dem Schutz der Antragstellerin als Nachbarin dienen, bei der hier allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung (offensichtlich) rechtmäßig ist. Einen Anspruch auf Eilrechtsschutz gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung haben Nachbarn nicht schon dann, wenn die Genehmigung objektiv rechtswidrig ist, also öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Vielmehr setzt die Gewährung von Eilrechtsschutz hier voraus, dass die Nachbarn durch den Verwaltungsakt zugleich in ihren Rechten verletzt sind. Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat. Darüber hinaus muss - wie dargelegt - ein besonderes Vollziehungsinteresse im öffentlichen oder im privaten Interesse eines Beteiligten bestehen (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).
Eine Verletzung einer drittschützenden Norm ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erkennbar.
Rechtsgrundlage für die angefochtene Genehmigung zur Errichtung einer Biogasanlage zur Erzeugung von Strom und Wärme ist § 4 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) i.V.m. § 6 BImSchG. Danach ist die Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG und einer auf Grund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
Die Anlage verstößt nicht gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind nach § 3 Abs. 2 BImSchG auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
Die Erfüllung der Grundpflichten des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist sichergestellt, wenn schädliche Umwelteinwirkungen, Nachteile oder Belästigungen mit hinreichender, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sind. Davon kann ausgegangen werden, wenn den Antragsunterlagen bei Anlegung praktischer Maßstäbe ohne verbleibenden ernstlichen Zweifel entnommen werden kann, dass der Betreiber die Pflichten erfüllen wird. Die Erfüllung der Pflichten muss für den Zeitpunkt der Inbetriebnahme sowie für die Dauer des Betriebs sichergestellt sein. Zweifel gehen grundsätzlich zu Lasten des Betreibers der Anlage. Ob und inwieweit dies der Fall ist, hängt vom Grad der Wahrscheinlichkeit schädlicher Umwelteinwirkungen sowie Art und Nachhaltigkeit der Zweifel ab. Unsicherheiten werden zum Teil über die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose aufgefangen. Wie weit sich daher Zweifel zu Lasten des Antragstellers auswirken, hängt auch vom Grad der Wahrscheinlichkeit ab. Endlich lassen sich Unsicherheiten nicht selten durch geeignete Nebenbestimmungen kompensieren (vgl. Jarass, Kommentar zum BImSchG, § 6 Rdnr. 8). Von diesem Ausgangspunkt aus ist zu prüfen, ob beim genehmigten Betrieb der Biogasanlage in Bezug auf die Grundstücke der Antragstellerin schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden, weil die Erfüllung der Pflichten aus § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG nicht sichergestellt ist. Dies vermag die Kammer jedoch nicht anzunehmen. Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind weder mit Blick auf Lärmimmissionen (hierzu unter 1.) noch hinsichtlich der von der Biogasanlage hervorgerufenen Geruchsimmissionen (hierzu unter 2.) zu erwarten. Die erteilte Genehmigung verstößt unter Zugrundelegung des aufgezeigten Prüfungsmaßstabes nicht gegen Bauplanungsrecht (hierzu unter 3.).
1. Mit Blick auf die beim genehmigten Betrieb der Biogasanlage voraussichtlich verursachten Lärmimissionen bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Genehmigungsbescheides. Zur Beurteilung, ob ein Verstoß gegen die Anforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vorliegt, kann die 6. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm -) herangezogen werden. Der TA Lärm kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu (BVerwG, Beschluss vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 -, juris). Gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 1 der TA Lärm ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche vorbehaltlich der Regelungen in Nr. 3.2.1 Abs. 2 bis 5 der TA Lärm sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 der TA Lärm nicht überschreitet. Die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen setzt gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 6 Satz 1 der TA Lärm in der Regel eine Prognose der Geräuschimmissionen der zu beurteilenden Anlage und - sofern im Einwirkungsbereich der Anlage andere Anlagengeräusche auftreten - die Bestimmung der Vorbelastung sowie der Gesamtbelastung nach Nr. A.1.2 des Anhangs der TA Lärm voraus.
Ausgehend hiervon sind vorliegend schädliche Umwelteinwirkungen in Form von Lärmimmissionen nicht zu erwarten. Mit dem Genehmigungsantrag hat die Beigeladene zur Beurteilung der Lärmimmissionen ein Schallgutachten der Beratende Ingenieure Bau-Anlagen-Umwelttechnik SHN GmbH vom 13. Juli 2011 vorgelegt. Danach wird der maßgebliche Immissionsrichtwert für ein Dorf- und Mischgebiet von tags 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) deutlich unterschritten. Am der Anlage am nächsten gelegenen Gebäude, XXX, werden Werte von tags 53,3 db(A) und nachts 37,6 db(A) prognostiziert. Unzulässige Geräuschspitzen sind nicht zu erwarten. Gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 2 der TA Lärm ist von einer Irrelevanz des verursachten Immissionsbeitrags auszugehen, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung - wie hier - die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 um mindestens 6 dB(A) unterschreitet. In diesem Fall kann eine Betrachtung von Vorbelastungen unterbleiben.
Es ist nicht erkennbar, dass die Immissionsprognose dergestalt unrichtig sein könnte, dass entgegen ihrer Annahmen von dem genehmigten Vorhaben der Beigeladenen schädliche Umwelteinwirkungen in der Gestalt von Geräuschimmissionen in Bezug auf das klägerische Grundeigentum hervorgerufen werden könnten. Es sind insbesondere bei der Immissionsprognose alle Schallquellen der Anlage einschließlich der in Nr. 7.4 Abs. 1 Satz 1 der TA Lärm genannten Transport- und Verkehrsvorgänge auf dem Betriebsgrundstück der Anlage berücksichtigt worden.
Dass die Anlage der Beigeladenen der Zwölften Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Störfall-Verordnung – 12. BImSchV) unterfällt (Nr. 8 der Stoffliste Anhang I der 12. BImSchV), begründet keinen Anspruch der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Der Antragsgegner hat im Hinblick auf die Vorgaben der 12. BImSchV die Nebenbestimmungen Nr. 4.2 bis 4.7 in den Genehmigungsbescheid aufgenommen. Die Genehmigung gibt der Beigeladenen die Überprüfung der gesamten Anlage durch einen gemäß § 29a Abs. 1 Satz 1 BImSchG bekannt gegebenen Sachverständigen unter Berücksichtigung des Standes der Sicherheitstechnik auf. Überprüft werden sollen u.a. die Schutzabstände, die statische Sicherheit und Dichtheit aller Gas führenden Anlagen. Eine Inbetriebnahme der Anlage vor der Überprüfung ist untersagt (4.4). Abstandsvorgaben enthält die 12. BImSchV hingegen nicht. Dass diese Auflagen nicht ausreichend sind, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
2. Vorliegend relevante schädliche Umwelteinwirkungen in Bezug auf die Grundstücke der Antragstellerin sind beim genehmigten Betrieb der Biogasanlage schließlich auch nicht in Form von Geruchsbelästigungen zu befürchten.
Bei der Beurteilung, ob Geruchsbelästigungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich sind, entspricht es der Rechtsprechung, dass die Gerichte die Geruchs-Immissionsrichtlinie (LAI- GIRL) bei der tatrichterlichen Bewertung als Orientierungs- und Entscheidungshilfe heranziehen können. Technische Regelwerke dürfen im Einzelfall im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung als Orientierungshilfe herangezogen werden (BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989, - BVerwG 7 C 77.87 -, BVerwGE 81, 197; BVerwG, Beschluss vom 24. Januar 1992 - BVerwG 4 B 228.91 -, juris; BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2010, - 4 B 29/10 -, juris; BGH, Urteil vom 21. Juni 2001, - III ZR 313/99 -, BRS 64 Nr. 171 S. 665 f.). Die hier anzuwendende Geruchsimmissions-Richtlinie in der Fassung vom 29. Februar 2008 enthält technische Normen, die auf Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben.
Demgemäß legt Nr. 3.1 Abs. 1 der LAI- GIRL in Tabelle 1 für verschiedene Nutzungsgebiete Immissionswerte für die Beurteilung von Geruchsimmissionen fest und bestimmt Nr. 3.1 Abs. 4 der LAI- GIRL, dass Geruchsimmissionen in der Regel durch die Geruchsqualität, das Ausmaß durch die Feststellung von Gerüchen ab ihrer Erkennbarkeit und über die Definition der Geruchsstunde sowie die Dauer durch die Ermittlung der Geruchshäufigkeit hinreichend berücksichtigt werden. Gemäß Nr. 3.1 der LAI– GIRL ist eine Geruchsimmission als erheblich anzusehen, wenn die Gesamtbelastung die in folgender Tabelle genannten Immissionswerte (IW):
Wohn- und Mischgebiete | Gewerbe- und Industriegebiete | Dorfgebiete |
überschreitet. Die Häufigkeiten 0,10 bzw. 0,15 entsprechen 10 % bzw. 15 % der Jahresstunden. Die Beigeladene hat mit den Antragsunterlagen zur Beurteilung möglicher Geruchsbelästigungen ein Gutachten der XXX vom 22. Juni 2011 vorgelegt. In diesem Gutachten erfolgt eine Ermittlung der Geruchsimmissionen mittels Ausbreitungsberechnung nach dem anerkannten Rechenmodell AUSTAL2000. Nach dem Ergebnis der Berechnung wurden die maximalen Immissionsbeiträge mit 0,08 berechnet. Die zulässigen Werte von 0,1 bzw. 0,15 werden damit nicht überschritten. Mithin kann eine erhebliche Belästigung der Anwohner durch Geruchsimmissionen aus der Biogasanlage, die als schädliche Umwelteinwirkungen anzusehen wären, ausgeschlossen werden. Die Kammer übersieht dabei nicht, dass es durchaus zu Geruchsbelästigungen durch die Anlage kommen kann. Diese stellen jedoch die Rechtmäßigkeit der Genehmigung nicht in Frage, da die Vorgaben der LAI- GIRL nicht überschritten werden.
Zweifel an der gutachtlichen Stellungnahme ergeben sich nicht und werden auch von der Antragstellerin nicht substantiiert vorgetragen. Insbesondere werden alle für das Beurteilungsgebiet maßgeblichen Emittenten mit ihren jeweiligen Zeitanteilen und den ihnen zuzuordnenden Geruchsmassenströmen zutreffend erfasst. Die angenommene Windrichtungsverteilung wurde nicht angegriffen. Die Kammer verkennt auch nicht, dass der Gutachter von der Beigeladenen beauftragt worden ist. Auch wenn derartige Gutachten mit besonderer Sorgfalt zu prüfen sind, haben sich begründete Zweifel an der Unvoreingenommenheit und fachlichen Eignung der Gutachter nicht ergeben (vgl. dazu, dass sich ein vom Vorhabensträger aufgrund der Regelung des § 13 Abs. 2 der 9. BImSchV vorgelegtes Gutachten von einem sonstigen Privatgutachten unterscheidet und eher als ein von der Behörde in Auftrag gegebenes Gutachten erweist, weshalb eine analoge Anwendung des § 412 ZPO angezeigt sei: Rudisile in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, Loseblatt-Sammlung, § 98 Rdnr. 174 ff.).
3. Die Antragstellerin kann sich schließlich nicht darauf berufen, dass die Anlage im Widerspruch zum Bauplanungsrecht steht.
Sollte der zwischenzeitlich in Kraft getretene Bebauungsplan „Biomethan- und Photovoltaikanlage“ der Gemeinde XXX für den Ortsteil XXX – insoweit den Vortrag der Antragstellerin als zutreffend unterstellt - nichtig sein, wäre die Anlage gemäß § 35 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) genehmigt worden. Der Antragsgegner verweist darauf, dass die Anlage gemäß § 35 Abs. 2 BauGB zugelassen worden sei, da öffentliche Belange nicht beeinträchtigt seien. Die insoweit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeschobene Begründung genügt den Anforderungen, § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG. Dass die Anlage selbst im Außenbereich liegt, ergibt sich eindeutig aus den vorliegenden Lageplänen. In Bezug auf § 35 Abs. 2 BauGB kann die Antragstellerin hier jedoch nicht einwenden, dass die Anlage gegen öffentliche Belange verstoßen würde, da § 35 Abs. 2 BauGB der Antragstellerin insoweit keinen Drittschutz vermittelt. Nachbarschutz kann sich nur insoweit ergeben, als einer der in § 35 Abs. 3 BauGB aufgelisteten öffentlichen Belange auch den Schutz Dritter umfasst. Maßgeblich sind die Grundsätze des baurechtlichen Rücksichtnahmegebotes. Dieses ist in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB insoweit enthalten, als dort der Schutz der Nachbarschaft von schädlichen Umwelteinwirkungen genannt ist (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1983, - 4 C 59/79-, BauR 1983, 143). Vorliegend gibt es, wie oben dargelegt, keine Anhaltspunkte dafür, dass durch das Vorhaben der Beigeladenen für die Nachbarschaft unzumutbare Lärm- oder Geruchsbelästigungen auftreten. Bei einer Anlage, die die Immissionsrichtwerte nach den Vorgaben des Immissionsschutzrechts einhält, liegt ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot regelmäßig nicht vor.
Wäre der angegriffene Bebauungsplan „Biomethan- und Photovoltaikanlage“ der Gemeinde XXX Ortsteil XXX jedoch wirksam, so wäre, entgegen der Ansicht der Antragstellerin, auf die Sach- und Rechtslage nach Inkrafttreten des Bebauungsplanes abzustellen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass im Rahmen einer Nachbarklage inzwischen ergangene Rechtsänderungen zugunsten des Bauherrn berücksichtigt werden müssen; denn es wäre nicht sinnvoll und mit der verfassungsmäßigen Garantie des Eigentums nicht vereinbar, eine (bei ihrem Erlass fehlerhafte) Baugenehmigung aufzuheben, obwohl sie sogleich nach der Aufhebung wiedererteilt werden müsste (BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 1965, - BVerwG 4 C 3.65 -, BVerwGE 22, 129; ständige Rechtsprechung: BVerwG, Urteil vom 22. April 1996, - 4 B 54/96 -; NVwZ-RR 1996, 628). Der am 18. August 2011 durch die Gemeinde XXX beschlossene und durch die Kommunalaufsicht genehmigte Bebauungsplan „Biomethan- und Photovoltaikanlage“ wurde am 27. August 2012 im Amtsblatt für die Gemeinde XXX bekannt gemacht und ist somit gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB in Kraft getreten. Der Bebauungsplan weist für das Gebiet der Biogasanlage ein Sondergebiet „Biogas“ aus; mithin wäre die Anlage zulässig. Aus den Vorgaben des Flächennutzungsplans kann die Antragstellerin keine widersprechenden drittschützenden Wirkungen ableiten. Die Missachtung eines Flächennutzungsplans (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB), vermittelt der Antragstellerin kein subjektiv-öffentliches Recht, dessen Verletzung die Antragstellerin zu rügen befugt wäre. Die im Vorfeld der Aufstellung des Bebauungsplanes durch die Antragstellerin erhobenen Einwendungen waren Gegenstand des Verfahrens zum Erlass des Bebauungsplanes.
Die Antragstellerin kann sich weiter auch nicht darauf berufen, dass ihre Grundstücke einen Wertverlust erleiden würden. Die - insoweit unterstellte - Wertminderung der Grundstücke der Antragstellerin würde keinen hoheitlichen Eingriff in das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum begründen. Denn hoheitlich bewirkte Minderungen des Marktwertes eines Vermögensgutes berühren in der Regel nicht den Schutzbereich des Eigentumsrechts (BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 2007, - 1 BvR 382/05 -). Dies gilt insbesondere auch für Wertverluste an einem Grundstück, die durch die behördliche Zulassung eines Vorhabens in der Nachbarschaft eintreten (vgl. dazu auch BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1001.04 –, juris Rn. 409, vom 29. Januar 1991 - BVerwG 4 C 51.89 -, BVerwGE 87, 332 <384 f.> und vom 24. Mai 1996 - BVerwG 4 A 39.95 -, Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39).
Soweit die Antragstellerin befürchtet, dass die Beigeladene die Vorgaben des Bescheides nicht einhalten wird, mit der Folge, dass es entgegen den Annahmen doch zu schädlichen Umwelteinwirkungen kommen wird, führt auch dieser Einwand nicht zum Erfolg. Denn grundsätzlich ist bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung allein von einem genehmigungskonformen Betrieb auszugehen. Ein nicht genehmigungskonformer Betrieb kann die Rechtmäßigkeit der Genehmigung als solche nicht in Frage stellen. Für den Fall, dass der Betrieb nach Erteilung der Genehmigung nicht deren Anforderungen entsprechend erfolgt, obliegt es vielmehr der jeweiligen Überwachungsbehörde, den genehmigungskonformen Betrieb sicherzustellen. Im Übrigen ist die Beigeladene dem Vortrag der Antragstellerin, es würde genehmigungswidrig eine zu dünne Folie verwendet werden, durch Vorlage einer entsprechenden Rechnung, mit der eine hinreichende Dicke dokumentiert wird, substantiiert entgegengetreten.
Es besteht auch ein besonderes öffentliches und privates Vollziehungsinteresse. Die sofortige Ausnutzung der Genehmigung, der im Ergebnis keine durchschlagenden rechtlichen Gründe entgegenstehen, verdient den Vorrang vor den privaten Interessen der Antragstellerin. Für den Betrieb der Anlage streitet ein besonderes öffentliches Interesse, weil der Gesetzgeber insbesondere in § 1 EEG zum Ausdruck gebracht hat, dass es im Interesse des Klima-, Natur- und Umweltschutzes liege, eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen und dazu den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung erhöhen will. Dieses Ziel hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich und zur Änderung damit zusammenhängender Vorschriften als Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 16/8148, S. 26) festgeschrieben und dessen § 1 Abs. 2 dahin formuliert, den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis zum Jahr 2020 auf mindestens 35 Prozent und danach kontinuierlich weiter zu erhöhen. Bereits dieses besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angegriffenen Genehmigungsbescheides überwiegt das Suspensivinteresse der Antragstellerin (vgl. zu Windenergieanlagen: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04. Februar 2009, - OVG 11 S 53.08 -, juris; Beschluss vom 24. November 2008 - OVG 11 S 74.08 -).
Ein Anspruch auf Stilllegung gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 VwGO steht der Antragstellerin gemäß den obigen Ausführungen nicht zu.
Die Kostenentscheidung des nach alledem erfolglosen Antragsverfahrens folgt aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Dass die Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen hat, entspricht der Billigkeit, denn die Beigeladene hat einen Antrag gestellt und ist somit ein eigenes Kostenrisiko eingegangen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes und orientiert sich mangels hinreichender Anhaltspunkte an der Empfehlung in Ziffer 19.2 i.V.m. Ziffer 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (abgedruckt in NVwZ 2004, 1327). Der dort angegebene Streitwert von 15.000,- Euro ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen des vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung auf die Hälfte zu reduzieren.