Gericht | OLG Brandenburg 4. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 05.10.2011 | |
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Aktenzeichen | 4 U 85/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 9. Juni 2009, Az.: 3 O 161/07, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Grundurteil im Hinblick auf die Verpflichtung der Beklagten, den Klägern den Verkehrswert des Grundstücks Straße … 50 in …, eingetragen im Grundbuch von …, Blatt 17401, Flur 141, Flurstück 57 mit einer Grundstücksgröße von 580 qm, abzüglich bereits gezahlter 35.585,92 € zu erstatten, aufrechterhalten bleibt und die Beklagte im Übrigen verurteilt wird, an die Kläger 19.531,35 € zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsrechtszugs zu tragen. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz bleibt dem Schlussurteil des Landgerichts vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
I.
Die Parteien streiten um einen klägerseitig geltend gemachten Anspruch aus dem Investitionsvorranggesetz.
Die Kläger sind, wie durch den seit dem 24. August 1999 bestandskräftigen Bescheid des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen (ARoV) vom 4. Mai 1994 festgestellt, gemeinsam Berechtigte gemäß § 2 Abs. 1 VermG hinsichtlich des rund 580 qm großen und mit einem im Jahre 1906 errichteten viergeschossigen Gebäude bebauten Grundstückes Straße … 50 in ….
Der Rat der Stadt … hatte mit Vertrag vom 15. Juni 1990 das aufstehende Gebäude zu einem Preis von 76.400,00 Mark der DDR (= 19.531,35 €) an die Eheleute J… veräußert. Mit Vertrag vom 26. Juni 1991 hatte die Beklagte den vorgenannten Eheleuten ferner das Grundstück selbst - zu einem Kaufpreis in Höhe von 69.600,00 DM (= 35.585,91 €) - verkauft.
Im Tenor des Bescheides vom 4. Mai 1994 heißt es auszugsweise wie folgt:
1. Es wird festgestellt, dass die Antragsteller gemeinsam Berechtigte gemäß § 2 Abs. 1 VermG hinsichtlich des Grundstücks Straße … 50 in …, Grundbuch … Blatt 17401, Flur 141, Flurstück 57 mit 580 m² sind.
2. Die Antragsteller, Herr P… D…, geb. …. Juli 1940, und Frau M… D…, geb. …. Juni 1943, können als Gesamtgläubiger von der Stadt … die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe aller auf das in Ziffer 1 bezeichnete Grundstück entfallenden Geldleistungen aus dem Gebäudekaufvertrag vom 15. Juni 1990 sowie aus dem Grundstückskaufvertrag vom 26. Juni 1991 verlangen.“
In der Begründung des Bescheides wird weiter wie folgt ausgeführt:
„….Gemäß § 16 Abs. 1 InVorG i.V.m. Art. 14 des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. Juli 1992 (BGBl. I 1992 Seite 1257) können im vorliegenden Falle die Antragsteller (Berechtigte) von der Stadt … (Verfügungsberechtigte) die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe aller auf das in Ziffer 1 dieses Bescheides genannte Grundstück entfallendem Geldleistungen aus dem Gebäudekaufvertrag vom 15. Juni 1990 und dem Grundstückskaufvertrag vom 26. Juni 1991 verlangen.
Der Verkaufserlös aus dem Gebäudekaufvertrag in Höhe von 76.400,00 Mark der DDR ist zunächst im Verhältnis 2:1 auf Deutsche Mark umzurechnen, was den Betrag von 38.200,00 DM ergibt. Hinzu kommt der Erlös aus dem Grundstückskaufvertrag von 69.600,00 DM.
Dieser Anspruch ist bei der Stadt … geltend zu machen. Für den Fall, dass der erzielte Erlös den Verkehrswert unterschreitet, können die Berechtigten Zahlung des Verkehrswertes verlangen. …“
Nach Mahnungen seitens der Beklagten unter Androhung der Ersatzvornahme hinterlegten die Kläger im Dezember 2002 den in Ziffer 3 des Vermögenszuordnungsbescheides genannten Ablösebetrag für die auf dem Grundstück lastenden dinglichen Rechte in Höhe von 10.593,75 DM. Am 20. Juni 2003 zahlte die Beklagte nach entsprechenden Mahnungen durch die Kläger an diese einen Teilbetrag in Höhe von 35.585,92 € (= 69.900,00 DM).
Die Kläger haben ihre Ansprüche zunächst im Wege einer Klage vor dem Verwaltungsgericht … verfolgt. Nach dessen Hinweis auf Bedenken gegen die Rechtswegzuständigkeit ist der Rechtsstreit auf Hilfsantrag der Kläger mit Beschluss vom 29. Mai 2007 an die ordentliche Gerichtsbarkeit verwiesen worden.
Die Kläger haben zunächst geltend gemacht, ihnen stehe aus dem Vermögenszuordnungsbescheid vom 4. Mai 1994 ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises für das Gebäude in Höhe von 19.531,35 € sowie auf Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem Kaufpreis und dem - höheren - Verkehrswert des Grundstücks zu, wobei sie diesen schließlich unter Umstellung des zunächst insoweit gestellten Feststellungsantrages auf einen Zahlungsantrag dergestalt berechnet haben, dass ausgehend von einen Verkehrswert von 350.000,00 € für das Grundstück und das Gebäude die bereits gezahlten 35.585,92 € sowie die mit dem Klageantrag zu Ziffer 2) geltend gemachten 19.531,35 € für den Wert des Gebäudes entsprechend dem Kaufvertrag abzuziehen seien. Der sich solchermaßen ergebende Betrag stehe ihnen als Verkehrswertentschädigung gemäß § 16 Abs. 1 Satz 3 InVorG zu, was sich schon aus dem Bescheid des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 4. Mai 1994 ergebe.
Die Kläger haben zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 294.882,73 € sowie weitere 19.531,35 € zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat hinsichtlich des Gebäudekaufvertrages ihre Passivlegitimation mit der Begründung abgestritten, dieser Vertrag sei zwischen den Eheleuten J… und dem Rat der Stadt … geschlossen worden. Sie - die Beklagte - sei jedoch nicht dessen Rechtsnachfolger. Ferner sei auch der Kaufpreis nicht an sie geflossen, sondern vielmehr gemäß den damals geltenden Haushaltsvorschriften an den zentralen Staatshaushalt der DDR abgeführt worden. Sie sei insoweit nicht um den Kaufpreis bereichert.
Im Hinblick auf den Grundstückkaufvertrag hat die Beklagte ausgeführt, der Vermögenszuordnungsbescheid vom 4. Mai 1994 enthalte keine Regelung zur Frage der Verpflichtung zur Leistung einer Verkehrswertentschädigung. Soweit in der Begründung des Bescheides von einer Verpflichtung zu einer Entschädigung eines den Kaufpreis übersteigenden Verkehrswertes die Rede sei, sei dies nicht in Bestandskraft erwachsen, da nur der Tenor an dieser teilhabe. Die Beklagte hat sich daneben auf die Einrede der Verwirkung und Verjährung berufen.
Das Landgericht Cottbus hat mit dem angefochtenen Grundurteil vom 9. Juni 2009 den Anspruch der Kläger dem Grunde nach bejaht und dazu ausgeführt, die Kläger könnten eine Verkehrswertentschädigung gemäß § 16 Abs. 1 Satz 3 InVorG geltend machen, da sich bereits aus dem bestandskräftigen Vermögenszuordnungsbescheid vom 4. Mai 1994 ergebe, dass die Beklagte verpflichtet sei, nicht nur den vereinnahmten Verkaufserlös für das streitgegenständliche Grundstück und Haus an die Kläger zu zahlen, sondern darüber hinaus die Differenz zu einem höheren Verkehrswert. Zwar sei die entsprechende Verpflichtung nicht in den Tenor des Vermögenszuordnungsbescheides aufgenommen werden, dieser sei aber auszulegen, da in den Gründen des Vermögenszuordnungsbescheides die Höhe der geschuldeten Kaufpreisbeträge errechnet und zugleich mitgeteilt worden sei, dass die Kläger für den Fall, dass der erzielte Erlös den Verkehrswert unterschreitet, die Zahlung des Verkehrswerts verlangen könnten.
Hieraus ergebe sich, dass in dem Vermögenszuordnungsbescheid eine grundsätzliche Entscheidung gemäß § 16 InVorG habe getroffen werden sollen, ohne konkrete Angaben zu der Anspruchshöhe in dem Tenor des Verwaltungsakts aufzunehmen. Mit der Entscheidung des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen sei festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, den Klägern die Kaufpreise zu erstatten. Damit sei automatisch auch entschieden, dass eine Erstattung des höheren Verkehrswertes in Betracht komme. Die insoweit noch offene Frage, ob der Verkehrswert tatsächlich höher ist als der erzielte Kaufpreis, sei durch das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen nicht zu klären, sei aber auch die gegenüber der Kaufpreiserstattung einzige weitere Voraussetzung für eine Verkehrswerterstattung.
Der Anspruch der Kläger sei nicht verjährt; es handele sich um einen durch einen Verwaltungsakt festgestellten Anspruch des Bürgers gegen den Staat, so dass gemäß § 53 Abs. 2 Brandenburgisches Verwaltungsverfahrensgesetz analog eine Verjährungsfrist von dreißig Jahren in Ansatz zu bringen sei. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf Verwirkung berufen, da das entsprechende Umstandsmoment fehle; der Zeitablauf allein reiche für die Annahme einer Verwirkung nicht aus.
Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte, die sich auch im zweiten Rechtszug auf Verjährung und Verwirkung beruft, insbesondere gegen die Auffassung der angefochtenen Entscheidung, dass in dem Vermögenszuordnungsbescheid vom 4. Mai 1994 bereits dem Grunde nach verbindlich ihre Verpflichtung zur Zahlung einer Verkehrswertentschädigung im Hinblick auf den Grundstückskaufvertrag geregelt sei. Hinsichtlich des Klageantrages zu Ziffer 2 (Erstattung des Kaufpreises für das Gebäude) macht die Beklagte erneut geltend, dass nicht sie den Kaufpreis erhalten habe.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 9. Juni 2009 verkündeten Urteils des Landgerichts Cottbus, Az.: 3 O 161/07, die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte über das Grundurteil zur Verkehrswerterstattung hinaus dazu verurteilt wird, an die Kläger 19.531,35 € zu zahlen.
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat die Parteien in der Verhandlung vom 3. März 2010 darauf hingewiesen, dass er den Antrag auf Zahlung des der Höhe nach unstreitigen Veräußerungserlöses des Grundstücksgebäudes in seine Entscheidung einbeziehen werde; auf die Dokumentation der rechtlichen Ausführungen des Senats im Sitzungsprotokoll wurde im Einvernehmen der Parteien verzichtet (Bl. 293 d.A.).
II.
Die - form- und fristgerecht eingelegte und begründete - Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg, soweit der von den Klägern geltend gemachte Anspruch auf Erstattung des Verkehrswertes des Grundstücks in dem angefochtenen Urteil dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt wird, § 304 ZPO. Darüber hinaus war die Beklagte auf den – erstinstanzlich ebenfalls zum Gegenstand einer Vorabentscheidung über den Grund gewordenen – Leistungsantrag zur Zahlung des zuerkannten Veräußerungserlöses für das Gebäude in Höhe von 19.531,35 € zu verurteilen, weil der Rechtsstreit insoweit zur Endentscheidung reif ist, § 300 Abs. 1 ZPO.
1) zum Gebäudekaufvertrag vom 15. Juni 1990
Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auszahlung des aus dem Gebäudekaufvertrag vom 15. Juni 1990 erzielten Verkaufserlöses in Höhe von 19.531,35 € zu, § 16 Abs. 1 S. 1 InVorG.
a) Einer Anspruchsberechtigung der Kläger aus § 16 Abs. 1 S. 1 InVorG steht nicht der Umstand entgegen, dass insoweit auf Verkäuferseite der Rat der Stadt … aufgetreten war. Zwar sieht auch der Senat, insoweit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (so etwa BGH, Urteil vom 06.05.2004, III ZR 248/03, Rn. 15 – zit. nach Juris) folgend, die derzeitigen Gemeinden im Land Brandenburg nicht als Rechtsnachfolger des jeweiligen Rates der Stadt an (Senat, Urteil vom 05.06.2002, 4 U 175/01, Rn. 39 – zit. nach Juris). Der Senat hat sich allerdings bereits in seiner Entscheidung vom 21. September 2005 (4 U 26/05, Rn. 40 – zit. nach Juris) der Auffassung des Bundesgerichtshofs in dessen Urteil vom 26. März 1999 (V ZR 294/97, BGHZ 141, 185 (187)) angeschlossen. Dort ist unter Hinweis auf den damals neu geschaffenen Art. 231 § 8 Abs. 2 Satz 1 EGBGB dahin erkannt worden, dass nach dem 16. Mai 1990 abgeschlossene Kaufverträge die jeweilige spätere Kommune binden. Ein solcher Fall ist hier angesichts des Kaufvertragsdatums (15. Juni 1990) gegeben.
b) Die Verjährungseinrede ist unbegründet. Als zivilrechtlicher Anspruch unterlag der Anspruch der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. von 30 Jahren. Der Anspruch entstand mit der - mit Ablauf des 23. August 1999 eingetretenen - Bestandskraft des Bescheides vom 4. Mai 1994 (so die zutreffende Berechnung auf S. 4 der Ersatzvornahmeandrohung vom 9. September 2002). Gemäß Art. 229 §§ 6 Abs. 4 EGBGB; 195 BGB n.F. wäre mithin die Verjährung mit Ablauf des 31. Dezember 2004 eingetreten. Durch die Klageerhebung beim Verwaltungsgericht am 26. August 2004 ist jedoch eine Hemmung der Verjährung eingetreten. Selbst wenn nämlich, wie die Beklagte vorträgt, der ursprüngliche Antrag als solcher unzulässig gewesen sein sollte, ist die Verjährung gehemmt worden, da dies durch jede wirksame Klage, ob unzulässig oder nicht, erfolgt, sofern der Anspruch nur Gegenstand der Klage ist (vgl. hierzu Palandt-Ellenberger, BGB, 70. Aufl. 2011, § 204 BGB, Rn. 5 ff). Dies ist hier der Fall.
Der Anspruch der Kläger ist ferner nicht verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen wird (vgl. Palandt-Grüneberg, aaO, § 242 Rn 87). Hier fehlt es bereits am sogenannten Zeitmoment; denn bei Klageerhebung war noch nicht einmal die Verjährungsfrist abgelaufen. Überdies wäre Verwirkung auch in Ansehung des sogenannten Umstandsmomentes nicht zu bejahen. Die Beklagte unternahm nämlich erst im Jahre 2002 Anstrengungen, von den Klägern den geschuldeten Ablösebetrag einzufordern. Dadurch wurde deutlich, dass bei der Stadt … der Sachverhalt zuvor noch keinesfalls als abgeschlossen betrachtet worden war.
c) Der Senat war mit Blick auf den erstinstanzlich zum Gegenstand einer Vorabentscheidung über den Grund (§ 304 ZPO) gemachten Leistungsantrag nicht an einem Ausspruch zur Höhe gehindert. Dies folgt aus § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 2. Halbsatz ZPO. Denn die Höhe des durch den Gebäudekaufvertrag erzielten Erlöses war und ist zwischen den Parteien nicht streitig. Dies bedeutet zugleich, dass im ersten Rechtszug das Grundurteil verfahrensfehlerhaft ergangen ist, weil der Rechtsstreit insoweit entscheidungsreif war.
Eine Aufhebung und Zurückverweisung (§ 538 Abs. 2 S. 1 Ziffer 4 ZPO) hatte hier bereits deshalb zu unterbleiben, weil kein entsprechender Antrag gestellt worden ist, obwohl der Senat im Termin vom 3. März 2010 auf die vorerwähnte Problematik und die Entscheidungsreife des Antrags auf Zahlung des Veräußerungserlöses hingewiesen hatte. Im Übrigen wäre in der hier vorliegenden Fallkonstellation - Grundurteil in erster Instanz, obwohl kein Streit über die Höhe besteht - aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit ohnehin eine eigene Sachentscheidung des Senats (§ 540 ZPO) angezeigt gewesen (vgl. dazu Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 538 Rn. 43; BGH, Urteil v. 07.06.1983, VI ZR 171/81, Rz. 3 ff. - zit. nach Juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 24.06.1986, 8 U 174/85, Rn. 44 f. - zit. nach Juris).
Eine solche Sachentscheidung des Berufungsgerichts ist schließlich auch nicht im Hinblick darauf ausgeschlossen, dass in den Fällen, in denen erstinstanzlich die Klage nicht abgewiesen worden, sondern ein den Grund des Anspruchs bejahendes Zwischenurteil ergangen ist, der Streit der Parteien zur Höhe im Berufungsverfahren grundsätzlich nicht anfällt (§ 528 ZPO). Einer dahin gehenden Sichtweise ist dabei nicht nur wegen des eindeutigen Wortlauts des § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 2. Halbsatz ZPO, sondern auch deswegen nicht zu folgen, weil es bei einem in erster Instanz fehlenden Streit zur Anspruchshöhe den Interessen der Parteien nicht widerspricht, wenn dieser Teil des Prozessstoffs der streitigen Verhandlung und einer ihr entsprechenden richterlichen Nachprüfung in dieser Instanz entzogen wird.
Schließlich scheitert eine abschließende Einbeziehung des der Höhe nach unstreitigen Veräußerungserlöses in die Berufungsentscheidung nicht an § 528 ZPO, weil der Antrag der Kläger auf den rechtlichen Hinweis des Senats zur partiellen Entscheidungsreife des Rechtsstreits dahin auszulegen war, dass die Beklagte unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung zur Zahlung von 19.531,35 € verurteilt wird.
2) zum Grundstückskaufvertrag vom 26. Juni 1991
a) Auch insoweit bleibt das Rechtsmittel der Beklagten ohne Erfolg. Das Landgericht hat das Klagebegehren im Hinblick hierauf im Ergebnis zu Recht für gerechtfertigt erklärt. Den Klägern steht ein Anspruch auf Erstattung des den Veräußerungserlös übersteigenden Verkehrswertes des Grundstücks zu, § 16 Abs. 1 S. 1 und 3 InVorG.
Allerdings ist die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Differenzentschädigung (bezogen auf das Verhältnis von Grundstückskaufpreis zum Verkehrswert), anders als in der angefochtenen Entscheidung angenommen, nicht bereits aus dem Bescheid des ARoV herzuleiten, so dass es auch keiner Auseinandersetzung damit bedarf, welche Teile eines behördlichen Bescheides an dessen Bindungswirkung teilhaben.
Die Sichtweise des Landgerichts beruht auf einer Fehlsicht der Struktur des § 16 InVorG. Zwar bestimmt dessen Satz 2, dass über den Anspruch des Berechtigten durch behördlichen Bescheid zu befinden ist. Diese Regelung bezieht sich aber nur auf den vorausgegangenen Satz 1. Dort ist indes nur von Erlösauskehr die Rede. Nur hierauf kann sich deshalb die verwaltungsrechtliche Entscheidung beziehen, nicht dagegen auf einen etwaigen Anspruch auf Zahlung der Differenzentschädigung nach § 16 Abs. 1 S. 3 InVorG (Schöneberg/Tenbieg, in: Rodenbach/Söfker/Locher (Hrsg.): Kommentar zum Investitionsvorranggesetz, § 23, Rn. 5). Die - bei Streitigkeiten über die Höhe des Anspruches zur Entscheidung berufenen - Zivilgerichte (Schöneberg/Tenbieg, aaO) müssen mithin das Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 S. 3 InVorG selbst feststellen.
Im Hinblick auf den Grundstückskaufvertrag war und ist der Anspruch der Kläger nach Grund und Höhe streitig. Soweit die - im vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich relevante - Haftung dem Grunde nach betroffen ist (deshalb handelt es sich bei den Ausführungen im Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 13. September 2011 zur Höhe des Verkehrswertes nicht um Erwägungen, die im Rahmen des hier vorliegenden Berufungsverfahrens gegen das Grundurteil von Bedeutung sind), sind die Voraussetzungen der oben angeführten Norm zu bejahen.
b) Bezüglich der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede und des Einwandes der Verwirkung gilt das oben zu 1 lit. b) Ausgeführte entsprechend.
Das Landgericht wird sich somit nunmehr im Betragsverfahren mit der Höhe des Verkehrswertes des streitgegenständlichen Grundstücks zu befassen haben.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 314.414,08 € festgesetzt, § 48 Abs. 1 S. 1 GKG.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Entscheidung über die Kosten des ersten Rechtszugs bleibt dem Schlussurteil des Landgerichts vorbehalten.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO).