Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 10.01.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 1 S 1.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 30a GVGEG, § 40 Abs 1 VwGO, § 123 Abs 1 VwGO, § 146 VwGO, § 8 Abs 2 JKostG BB |
Für Streitigkeiten über den Erlass von Gerichtskosten der Fachgerichtsbarkeiten ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben; § 30 a EGGVG enthält eine abdrängende Sonderzuweisung an die Amtsgerichte nur für die ordentliche Gerichtsbarkeit.
Vorläufiger Rechtsschutz in Kostenerlasssachen im Wege der Stundung erfordert, dass die sofortige Einziehung für den Kostenpflichtigen mit einer besonderen Härte verbunden wäre.
Eine Überprüfung der Richtigkeit gerichtlicher Entscheidungen im Verwaltungsverfahren über den Kostenerlass scheidet grundsätzlich aus. Einem Erlassbegehren kann die Nichteinlegung von Rechtsmitteln entgegengehalten werden
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 8. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.361,63 EUR festgesetzt.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Mit dem Beschwerdevorbringen sind keine Gründe geltend gemacht, die eine Änderung des angefochtenen Beschlusses rechtfertigen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).
Die Antragstellerin hat beim Verwaltungsgericht am 4. März 2010 eine Klage mit dem Ziel anhängig gemacht, den Antragsgegner unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Januar 2010 zu verpflichten, die Gerichtskosten aus dem Gerichtsverfahren vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg (6 K 1…) in Höhe von 21.446,50 Euro zu erlassen. Mit Schriftsatz vom 26. März 2010 hat sie diese Klage begründet und unter Bezugnahme auf diese Begründung den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Verpflichtung des Antragsgegners zur zinslosen Stundung der Forderung bis zur Entscheidung über die Klage begehrt.
Das Verwaltungsgericht hat dieses vorläufige Rechtsschutzbegehren in der Sache mit der Begründung abgelehnt, dass die Voraussetzungen für eine Stundung im Kostenerlassverfahren gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 des Justizkostengesetzes für das Land Brandenburg – JKGBbg – nicht vorlägen, weil die kostenpflichtige Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht habe, dass mit der Einziehung eine besondere Härte für sie verbunden sei, sondern allein auf ihre Betroffenheit durch die Kostenlastentscheidung einer vermeintlich falschen Gerichtsentscheidung abgestellt habe.
Die Antragstellerin meint mit der Beschwerde, sie könne sich für die Stundung auch auf Billigkeitsgründe berufen, weil sie in der Hauptsache den Erlass der Gerichtskostenforderung begehre, der nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 JKGBbg auch in Betracht komme, wenn es sonst aus besonderen Gründen der Billigkeit entspreche. Für die Auslegung des Merkmals der Billigkeit sei § 227 der Abgabenordnung heranzuziehen; danach sei die Einziehung von Steueransprüchen beispielsweise dann unbillig, wenn sie den Geboten der Gleichheit und des Vertrauensschutzes, Treu und Glauben, der Zumutbarkeit und dem einer gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck widerspreche, insbesondere wenn die Steuerfestsetzung eindeutig und offensichtlich falsch sei. Das Urteil des Finanzgerichts sei unrichtig, wie sie erstinstanzlich dargelegt habe.
Diese Ausführungen sind nicht geeignet, den Beschluss des Verwaltungsgerichts änderungsrelevant infrage zu stellen.
Dieses hat zunächst – ohne dass es für die Beschwerdeentscheidung erheblich wäre (vgl. § 83 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 5 GVG) – den Verwaltungsrechtsweg nach § 40 VwGO im Ergebnis zu Recht bejaht. Für Streitigkeiten über den Erlass von Gerichtskosten aus dem Bereich der Fachgerichtsbarkeiten bleibt es auch nach Einführung des § 30 a EGGVG durch Art. 14 des Ersten Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz vom 19. April 2006 (BGBl. I S. 866) mit Wirkung vom 25. April 2006 bei der allgemeinen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte (so bereits zur früheren Rechtslage: OVG Berlin, Urteil vom 13. März 1983 – OVG 3 B 76.81 – NVwZ 1983, 681). § 30 a EGGVG enthält insoweit nur eine abdrängende Sonderzuweisung für die Anfechtung von Verwaltungsakten auf dem Gebiet des Kostenrechts für den Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit und ersetzt insoweit die frühere Auffangklausel in Art. XI § 1 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften, die durch Art. 115 des erwähnten Gesetzes vom 19. April 2006 aufgehoben worden ist. Eine sachliche Änderung war damit nicht bezweckt; gleichsam „mitgelesen“ werden muss die Erläuterung des Begriffs der Justizverwaltung „auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege“ in § 23 Abs. 1 EGGVG als der Grundnorm des Dritten Abschnitts des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz. Das ist nach Systematik und Entstehungsgeschichte der Norm nicht zweifelhaft (vgl. statt vieler: Kissel, GVG, 6. Aufl., 2010, § 30a EGGVG, Rn. 3).
Sodann hat das Verwaltungsgericht zutreffend die Bestimmung des § 8 Abs. 2 Satz 3 JKGBbg als materielle Grundlage des vorläufigen Rechtsschutzbegehrens herangezogen und deshalb nur darauf abgestellt, ob für die Antragstellerin die sofortige Einziehung mit besonderen Härten verbunden wäre. Die Vorstellung der Antragstellerin, dass es im Rahmen eines solchen Begehrens auch darauf ankomme, ob Billigkeitsgründe für einen Kostenerlass gegeben sind, ist demgegenüber verfehlt. Dies könnte allenfalls in Betracht kommen, wenn man für den Anordnungsanspruch allgemein die Glaubhaftmachung für erforderlich hielte, dass ein Kostenerlass in der Hauptsache – aus welchem der in § 8 Abs. 2 Satz 1 JKGBbg genannten Gründe auch immer - überwiegend wahrscheinlich beansprucht werden kann. Das ist aber dem Gesetz so nicht zu entnehmen. Denn es beschränkt die Stundungsmöglichkeit auf den Fall der mit der Einziehung für den Zahlungspflichtigen verbundenen besonderen Härten (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JKGBbg) und fordert insoweit, dass die besondere Härte Folge der sofortigen Einziehung sein muss. Damit sind Anordnungsanspruch und –grund gesetzlich konkretisiert. Mithin kann dem Verwaltungsgericht eine fehlerhafte Rechtsanwendung nicht vorgeworfen werden; eine Stundung käme mangels besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen – für deren Vorliegen auch mit der Beschwerde nichts von Substanz vorgetragen worden ist – auch dann nicht in Betracht, wenn ein Kostenerlass im Übrigen aus Billigkeitsgründen zu erwägen wäre. Aber auch das ist hier in keiner Weise erkennbar. Die streitige Gebührenforderung ist Folge erfolgloser Inanspruchnahme der staatlichen Justizgewährung. Die Belastung mit Gerichtskosten als Nebenfolge der Sachentscheidung ist primär mit den gegen diese gegebenen Rechtsmitteln geltend zu machen; eine isolierte Anfechtung im Kostenpunkt scheidet regelmäßig aus (vgl. § 158 VwGO; § 145 FGO). Die Antragstellerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dem von ihr beanstandeten Urteil keine Beschwerde erhoben. Sie hat – freilich wohl richtigerweise - auch nicht den Kostenansatz mit der Erinnerung angegriffen und insoweit eine offensichtlich unrichtige Sachbehandlung gemäß § 21 GKG nicht geltend gemacht. Besondere Gründe der Billigkeit im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 JKGBbg sind grundsätzlich nicht solche, die aus der gerichtlichen Entscheidung in der Sache herrühren. Sie müssen jedenfalls so geartet sein, dass es schlechthin unzumutbar ist, den Kostenpflichtigen in der Pflicht zu belassen. Eine solche Qualität kommt schon den von der Antragstellerin beschriebenen Konsequenzen aus dem für die Gerichtskosten ursächlichen Verfahren vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg nicht zu; im Übrigen könnte ihr Prozessverhalten hinsichtlich der Nichtinanspruchnahme von Rechtsmitteln im Rahmen anzustellender Billigkeitserwägungen nicht unberücksichtigt bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).