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Entscheidung 13 UF 120/17


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 29.08.2018
Aktenzeichen 13 UF 120/17 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2018:0829.13UF120.17.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beschwerde des Angenommenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 24. Juli 2017 wird zurückgewiesen.

Der Angenommene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens und der Wert des Verfahrens erster Instanz werden auf je 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der als Kind angenommene Beschwerdeführer und der Annehmende erstreben die Aufhebung der Annahme.

Mit Beschluss vom 25. Februar 2016 hat das Amtsgericht Neuruppin antragsgemäß die Annahme des Angenommenen durch den Annehmenden als Kind mit den Wirkungen der Annahme Minderjähriger (§ 1772 BGB) ausgesprochen, weil zwischen beiden ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden sei. Der Angenommene hat als Geburtsnamen den Familiennamen des Annehmenden, R…, erhalten. Seit dem 17.5.1996, also seit seinem 5. Lebensjahr, hatte der Angenommene im Haushalt des Annehmenden gelebt. Der Annehmende ist mit der Mutter des Angenommenen seit dem 20. Mai 1998 verheiratet. (Bl. 42 ff).

Der Angenommene erstrebt die Aufhebung des Annahmeverhältnisses, weil er vom Annehmenden über dessen Motivation zur Annahme sowie dessen Lebensverhältnisse und Charakter getäuscht worden sei. Der Annehmende habe seinen im Jahr 2015 geäußerten Wunsch, ihn als Kind anzunehmen, damit begründet, ihn wie ein eigenes Kind zu lieben.

Im Juni 2016 habe sich für den Angenommenen herausgestellt, dass die Situation vom Annehmenden nur vorgetäuscht gewesen sei. Dieser habe seit vielen Jahren eine außereheliche Beziehung gepflegt und diese auch nicht nach einer vor der Annahme erfolgten, dem Angenommenen aber verheimlichten vorübergehenden Trennung und einem nachfolgenden Versöhnungsversuch von und mit der Mutter des Angenommenen beendet. Der Annehmende habe auch bestätigt, dass sein Adoptionsvorschlag lediglich den Zweck gehabt habe, die Mutter des Angenommenen zu besänftigen und sie zum Festhalten an der Ehe zu veranlassen. Um den Angenommenen als Person sei es dem Annehmenden nicht gegangen. Der Annehmende habe den Angenommenen auch aufgefordert, die ehemals gemeinsam bewohnte Wohnung zu verlassen und den Kontakt mit der R…-Verwandtschaft aufzugeben, weil der Angenommene "immer einer aus der P…-Sippe bleiben" werde, zumal der Annehmende "drei richtige" Söhne habe. Der Annehmende habe auch in der Folge weiter betont, die Adoption zu bereuen und sie rückgängig machen zu wollen. Er habe den Angenommenen auch über die tatsächliche Situation getäuscht. Denn er habe eine intakte Ehe mit der Mutter des Angenommenen vorgetäuscht, obwohl er bereits ein Verhältnis unterhalten habe. Der Angenommene meint, auch das Eltern-Kind-Verhältnis und Zuneigung sei ihm vom Annehmenden nur vorgetäuscht worden. Ernsthafte Annahmeabsichten habe der Annehmende nie gehabt. Der Angenommene hält das Festgehaltenwerden an der Annahme für eine ihm unzumutbare Härte.

Der Angenommene und der Annehmende haben beantragt (Bl. 14),

die mit Beschluss vom 25. Februar 2016 vom Amtsgericht Neuruppin zum Aktenzeichen 54 F 228/15 ausgesprochene Annahme des Herrn W… P… durch den Herrn N… R… (Volljährigenadoption) aufzuheben,

und auszusprechen, dass

der Antragsteller zukünftig wieder seinen ursprünglichen Geburtsnamen P… als Geburtsnamen führt.

Der Annehmende bestätigt die Angaben des Angenommenen.

Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss die Anträge abgewiesen. Die hier maßgeblichen Aufhebungsvoraussetzungen der § 1772 II, 1760 I - V BGB, insbesondere des § 1760II c) BGB lägen nicht vor. Der Annehmende sei nicht über "wesentliche Umstände" getäuscht worden. So sei nach 13 Jahren des Zusammenlebens davon auszugehen, dass ein Eltern-Kind-Verhältnis unabhängig von dessen Qualität und dabei gehegten Gefühlen tatsächlich entstanden sei.

Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Angenommene sein Ziel, die Aufhebung der Adoption zu erwirken, weiter.

Er beantragt,

unter Abänderung des am 24. Juli 2017 erlassenen Beschlusses des Amtsgerichts Neuruppin, Az.: 55 F 162/17, die mit Beschluss vom 25. Februar 2016 vom Amtsgericht Neuruppin zum Aktenzeichen 54 F 228/15 ausgesprochene Annahme des Herrn W… P… durch den Herrn N… R… (Volljährigenadoption) aufzuheben

und auszusprechen, dass der Antragsteller zukünftig wieder seinen ursprünglichen Geburtsnamen P… als Geburtsnamen führt.

Der Antragsteller zu 2) stellt keinen Antrag.

Er tritt der Beschwerde nicht entgegen, sondern unterstützt den Antrag des Angenommenen.

Der Senat hat den Angenommenen und den Annehmenden persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29. August 2018 Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Der Angenommene kann sich nicht auf einen Aufhebungsgrund berufen.

1. Eine Aufhebung nach § 1771 S. 1 BGB aus wichtigem Grund kommt nicht in Betracht, weil die Annahme - gemäß den Anträgen der Beteiligten - mit den Wirkungen der Minderjährigenannahme erfolgt ist. Eine Aufhebung aus wichtigem Grund auf beiderseitigen Antrag ist, anders als bei der schwachen Volljährigenadoption, nicht möglich, § 1772 II BGB. Die Annahme eines Volljährigen mit „starken“ Wirkungen ist so bestandskräftig wie die Annahme eines Minderjährigen nach Eintritt der Volljährigkeit des Angenommenen (BeckOGK/Löhnig BGB § 1772 Rn. 36-39, beck-online).

2. Ob die Annahmevoraussetzungen tatsächlich gegeben waren, ist für die Aufhebungsentscheidung nicht von Belang. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die Annahme dem Wohl des Anzunehmenden tatsächlich gedient hat (§§ 1767 II 1, 1741 I 1 BGB). Zum einen lassen die §§ 1772 II, 1760 BGB eine erneute Prüfung der Annahmevoraussetzungen zur Entscheidung über die Aufhebung nicht zu. Zum anderen ist eine Überprüfung anhand objektivierbarer Maßstäbe, anders als bei der Kindeswohlprognose, bei einer Volljährigenadoption nicht möglich. Auf das Kindeswohl beziehen sich staatliche Schutz- und Eingriffsmaßnahmen zugunsten von Minderjährigen. Durch die Aufnahme des Kindeswohls in die Vorschriften über die Minderjährigenannahme (§ 1741 I 1 BGB) soll das minderjährige Kind, das für sein Wohl noch nicht selbst und aus eigener Kraft und Einsichtsfähigkeit einstehen kann, vor Adoptionen geschützt werden, die seinem Wohl nicht dienen. Bei einer Erwachsenenadoption kann es auf staatlichen Schutz des Wohlergehens der Beteiligten nicht ankommen, da jeder geschäftsfähige Erwachsene frei und selbstbestimmt für sein Wohl verantwortlich ist und dementsprechend einen Antrag auf Annahme stellt oder nicht stellt. Die Selbstbestimmung, die der Volljährige mit dieser Entscheidung für sich wirksam werden lässt, wird allein unter engen Voraussetzungen vor der unredlichen Beeinflussung durch Drohungen oder Täuschungshandlungen geschützt.

3. Aber auch die Aufhebungsvoraussetzungen der dafür hier in Betracht kommenden §§ 1772 II, 1760 II Buchst. c BGB liegen nicht vor. Danach kann das Annahmeverhältnis aufgehoben werden, wenn es aufgrund eines unwirksamen Antrages des Volljährigen begründet worden ist. Dies ist der Fall, wenn er durch arglistige Täuschung über wesentliche Umstände zur Erklärung bestimmt worden ist.

Täuschung bedeutet das Erregen eines Irrtums, auf dem der Erklärende seinen Entschluss, die Erklärung abzugeben, beruhen lässt. Als Irrtum kommt die von der Wirklichkeit abweichende Fehlvorstellung über innere oder äußere Tatsachen oder ihre Wirkungszusammenhänge in Frage.

a) In diesem Sinne hat der Annehmende den Angenommenen nicht getäuscht über den Bestand eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen ihnen (§ 1767 I BGB). Hierüber hat sich der Angenommene nicht geirrt. Er unterlag insoweit keiner Fehlvorstellung, sondern die von beiden Beteiligten übereinstimmend beschriebene Art und Qualität ihres Verhältnisses zueinander war dem Angenommenen bekannt.

Bei der Frage, ob ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits besteht, ist allein darauf abzuheben, ob der Annehmende die Elternrolle übernommen, also Aufgaben wahrgenommen hat, die normalerweise den natürlichen Eltern eines Kindes obliegen (Staudinger/Rainer Frank (2007) BGB § 1741, Rn. 27).

Dies hat der Senat auf Grund der eingereichten Schriftsätze und der mündlichen Anhörung der Beteiligten festgestellt. Ein Eltern-Kind-Verhältnis ist in den Jahren des familiären Zusammenlebens unter einem Dach und den danach gepflegten familiären Zusammenkünften gewachsen. Der Annehmende hatte mit dem Angenommenen, dem Kind seiner Frau, 13 Jahre lang in einem Haushalt gelebt und ihn wie ein leiblicher Elternteil mitversorgt, mithin die Vaterrolle übernommen. Der Angenommene hatte damit einen angemessenen Platz in einer sozial-familiären Struktur. Für die Feststellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses ist eine besonders liebevolle Beziehung nicht Voraussetzung. Auch dass der Annehmende ein gutes Verhältnis zu seinen drei leiblichen Söhnen unterhalten haben mag, ändert hieran nichts.

Dass der Angenommene angibt, er hätte sich von einem Vater mehr Zuwendung gewünscht, etwa Teilnahme an seinen Interessen, indem der Stiefvater ihn etwa auch einmal zu seinen sportlichen Aktivitäten begleitet hätte, und beschreibt, dass der Annehmende von ihm als negativ bewertete Eigenschaften des Angenommenen als „Erbteile“ des leiblichen Vaters kritisiert hat, steht der Feststellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses nicht entgegen. Daran ändert auch nichts, dass die Beteiligten auch gestritten haben und dass der Angenommene nach einem solchen Streit aus dem Hause des Annehmenden ausgezogen ist. Vielmehr sind gerade auch Auseinandersetzungen familientypisch. Der Umstand, dass die erwachsenen Beteiligten danach doch wieder in familiärem Kontakt standen und Familienfeste und Feiertage gemeinsam verbracht haben, bestätigt das Vorliegen eines Eltern-Kind-Verhältnisses. Es spricht auch nicht gegen eine enge Bindung, wenn einer der Beteiligten die Familie - wie hier - durch eine Affäre zu einer anderen Partnerin hintergeht. Dies muss sich auf das Eltern-Kind-Verhältnis nicht spürbar auswirken. Der Angenommene hat angegeben, bis zum Adoptionsantrag nichts von den ehelichen Problemen seiner Mutter und des Annehmenden gewusst zu haben. Damit ist nicht anzunehmen, dass diese Probleme sich auf den an einem anderen Ort lebenden Angenommenen tatsächlich ausgewirkt hätten. Auch der Mangel an liebevollen Gefühlen auf Seiten des Annehmenden spricht nicht gegen die Feststellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses. Liebevolle Gefühle sind zwar unbedingt wünschenswert, nicht aber zwingende Voraussetzung für die Feststellung einer engen Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern, in der einer für den anderen einzustehen bereit ist.

b) Der Annehmende hat den Angenommenen über seine - des Annehmenden - Beweggründe für das Betreiben des Adoptionsvorhabens getäuscht. Er hat ihm weisgemacht, die Adoption aus persönlicher Zuneigung zu wollen. Dass dies nicht der vorherrschende oder sogar gar kein Grund für das Bedrängen des Angenommenen war, hat der Annehmende nicht offenbart. Er hat ihm nicht erläutert, dass er mit der Adoption vor allem bezweckte, seine Ehefrau, die Mutter des Angenommenen, zum Festhalten an der Ehe zu bewegen, obwohl sie das Zusammenleben bereits einmal - auch dies verschwieg der Annehmende - vorübergehend aufgekündigt hatte und auch wenn demnächst offenbar werden sollte, dass der Annehmende - was er gleichfalls vor dem Angenommenen geheimhielt - eine außereheliche Beziehung unterhielt.

Es kann unterstellt werden, dass der Angenommene bei vollständiger Kenntnis der tatsächlich gegebenen Umstände und der von dem Annehmenden gehegten Vorstellungen und Ziele den Adoptionsantrag nicht gestellt hätte. Der Angenommene hat dies sehr glaubhaft geschildert. Es kann zudem dahinstehen, inwieweit der Annehmende gegenüber dem Angenommenen über einzelne innere und äußere Tatsachen offenbarungspflichtig gewesen ist, so dass auch ein Verschweigen als Täuschungshandlung, also eine Täuschung durch Unterlassen, in Frage kommt.

Jedenfalls kommen die Gegenstände der Fehlvorstellungen des Angenommenen nicht als wesentliche Umstände im Sinne des § 1760 II Buchst. c BGB in Betracht.

aa) Ob ein Umstand wesentlich ist oder nicht, kann nicht subjektiv nach den Vorstellungen des Erklärenden bestimmt werden. Ansonsten hätte der Gesetzgeber – wie im § 123 I BGB – auf dieses zusätzliche Tatbestandsmerkmal verzichten können. Im allgemeinen Anfechtungsrecht kommen alle Umstände als Gegenstand des täuschungsbedingten Irrtums in Betracht, von denen der Getäuschte seinen Entschluss abhängen lässt, die Willenserklärung abzugeben. Eine anhand der Vorstellungen des Erklärende festzustellende Kausalität zwischen Täuschungshandlung, Fehlvorstellung und Erklärung reicht aus. Anders im davon abweichenden, besonderen Recht der Adoptionsaufhebung: In der Entwurfsbegründung (BT-Drucks 7/3061, 47 zu Abs. 2 unter Nr. 5) heißt es: „Unbeachtlich sollen Umstände sein, die für die Annahme“ (nicht für den Annehmenden) „nicht wesentlich sind“ (Staudinger/Rainer Frank (2007) BGB § 1760, Rn. 19).

Für die Annahme wesentlich sind die Umstände, die den Tatbestand der Annahme betreffen, im Fall der Volljährigenannahme mithin die sittliche Rechtfertigung der Adoption, § 1767 BGB. Damit wird nicht - vgl. oben 2 - erneut geprüft, ob die Annahme hätte ausgesprochen werden dürfen oder ob der Annahmetatbestand nicht erfüllt war. Maßgeblich ist vielmehr, ob der bei dem Erklärenden täuschungsbedingt entstandene Irrtum sich auf ein Tatbestandsmerkmal bezog, ob er also wegen einer Fehlvorstellung über ein Tatbestandsmerkmal die Erklärung abgegeben hat, die Adoptionswirkung erreichen zu wollen.

bb) Für die Annahme wesentlich ist danach das Bestehen eines Eltern-Kind- Verhältnisses, § 1767 I BGB. Aber darüber befand sich - wie gezeigt - der Angenommene nicht im Irrtum.

cc) Für die Annahme wesentlich ist der Rechtsfolgewille beider Beteiligter. Sie müssen mit ihren Erklärungen die gerichtliche Entscheidung herbeiführen wollen, ein rechtliches Verwandtschaftsverhältnis zu begründen. Nach den ausführlichen Darlegungen beider Beteiligter hat der Annehmende, als er den Angenommenen dazu bewogen, ja geradezu gedrängt hat, den Annahmeantrag zu stellen, nicht darüber getäuscht, den Angenommenen als Kind annehmen zu wollen oder das entstandene Eltern-Kind-Verhältnis aufrechterhalten zu wollen. Vielmehr kam es ihm gerade darauf an, das entstandene Eltern-Kind-Verhältnis durch das rechtliche Band der Adoption zu stärken. Nicht über seinen Rechtsfolgewillen hat der Annehmende getäuscht, sondern über seinen Antrieb hierfür, der sich aus dem Wunsch speiste, seine Ehefrau zu besänftigen, eine Scheidung und deren wirtschaftliche Folgen zu vermeiden und die Ehe zu retten – und damit auch die Familie, der auch sein Stiefsohn, der Angenommene, angehörte.

dd) Getäuscht hat der Annehmende über die Beweggründe für seinen Annahmewunsch, über die Situation der Ehe mit der Mutter des Angenommenen und über seine Gefühle für den Angenommenen. Dadurch hat er bei diesem entsprechende Irrtümer hervorgerufen, die für ihn bestimmend dafür waren, auf den Adoptionswunsch des Annehmenden einzugehen. Bei diesen vom Irrtum betroffenen Umständen handelt es sich indes um zwar für den Annehmenden, nicht aber für die Annahme wesentliche Umstände, und nur hierauf kommt es an.

Als Gegenstand des täuschungsbedingten Irrtums des Angenommenen kommen weder der Beweggrund und die Ziele des Annehmenden in Frage noch das Motiv des Angenommenen selbst, sich den tatsächlich nicht bestehenden Zielen des Annehmenden anschließen zu wollen. Die Fehlvorstellungen über diese Beweggründe und Ziele sind als Motivirrtum für die Aufhebung des Annahmeverhältnisses unbeachtlich. Es handelt sich bei den auf beiden Seiten bestehenden Motiven nicht um für die Annahme wesentliche Umstände.

Nach den insoweit weniger strengen allgemeinen Vorschriften des Rechts der Willensmängel (§§ 116 ff. BGB) sind Motivirrtümer, auf denen eine Erklärung beruht, unbeachtlich und berechtigen nicht zur Anfechtung. Dies ist Ausprägung der für das Zivilrecht charakteristischen Unterscheidung von formaler und materialer Selbstbestimmung. Danach ist für die Verbindlichkeit von Willenserklärungen erforderlich, aber auch ausreichend, dass die erklärten Rechtsfolgen wirklich gewollt sind. Um dem Bedürfnis nach Rechts- und Verkehrssicherheit nachzukommen, muss die Relevanz des Motivirrtums beschränkt werden. Würde man die Verbindlichkeit rechtsgeschäftlicher Abreden davon abhängig machen, ob im Einzelfall die Entscheidungsfreiheit infolge intellektueller oder - wie hier im Hinblick auf den Zustand der Ehe des Annehmenden mit der Mutter des Angenommenen - informationeller Unterlegenheit eines Vertragspartners beeinträchtigt war, wäre die Bestandskraft von Verträgen kaum gesichert, geschweige denn berechenbar.

Unter welchen materialen Bedingungen sich der Erklärungswille gebildet hat, interessiert in der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre nur in Ausnahmefällen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um gravierende Störungen der Selbstbestimmung, wie sie etwa bei arglistiger Täuschung und Drohung (§ 123 BGB) in Erscheinung treten. Persönliche Motive und Entscheidungsfaktoren, etwa mit dem Geschäft verfolgte neben der Rechtsfolge weitere persönliche, wirtschaftliche oder sonstige Ziele, gehen den Vertragspartner grundsätzlich nichts an. Es entspricht geradezu dem Sinn des rechtsgeschäftlichen Versprechens, dass der Erklärende das Risiko für die Verwirklichung seiner persönlicher Zweckvorstellungen und Motive übernimmt. Nur wenn das Gegenüber diese Trennung der Risikosphären selbst aufgibt und die Verantwortung für die Motivationslage des Erklärenden übernimmt - etwa, indem er die Motive durch Täuschung beeinflusst - wird dessen Motivirrtum relevant. Für den verschuldeten oder erkannten Motivirrtum muss der Geschäftspartner einstehen, indem er die Vernichtung der Erklärung durch den anfechtenden Getäuschten hinnimmt.

Diese ausnahmsweise Relevanz des täuschungsbedingten Motivirrtums ist auf die Aufhebung der Adoption nicht übertragbar. Die Motive der Erklärenden bleiben hier auch dann unwesentliche Umstände, wenn sie auf Täuschung und Irrtum beruhen.

Einer Parallelwertung steht entgegen, dass der Annehmende und der Anzunehmende ihre Antragserklärungen nicht einander abgeben, sondern je gesondert voneinander gegenüber dem Gericht. Die Adoption ist nicht Vertragsschluss zwischen den Beteiligten, sondern vom Gericht ausgesprochene Rechtsfolge auf Grund der gleichgerichteten, auf dieses Verfahrensergebnis abzielenden Antragserklärungen.

Der Täuschende übernimmt damit - ähnlich wie beim Vertragsschluss - die Verantwortung für die irrtumsbedingt abgegebene Antragserklärung des Getäuschten, aber der Erklärungsempfänger hat - anders als beim Vertragsschluss - keine Möglichkeit, die Umstände der Täuschung, des Irrtums und der Kausalzusammenhänge zu erkennen oder aufzuklären. Diese Möglichkeit besteht nicht zur Zeit der Antragserklärungen und erst recht nicht mehr bei der Prüfung einer Aufhebung der ausgesprochenen Annahme. Gerade in den persönlichen Beziehungen zwischen den Angehörigen einer - faktisch seit langem bestehenden - Familie sind die gegenseitig gehegten Vorstellungen und Ziele, die mit bestimmtem Verhalten verfolgten Zwecke und die hingenommenen oder erwünschten Nebenwirkungen und die eingebildeten oder tatsächlichen Möglichkeiten, den anderen zu bestimmtem Verhalten zu beeinflussen, so vielfältig, dass sie für einen Außenstehenden auch bei gründlicher Information durch die Beteiligten nicht vollständig zu erfassen und einzuschätzen sind. Noch mehr als in anderen Vertragsbeziehungen des Privatrechts gehört es zum Typischen bei der Herstellung und Gestaltung familienrechtlicher Beziehungen, dass Zwecke verfolgt werden, die der engeren Eigenart der Rechtsbeziehung fremd sind. Verwandtschaftliche, eheliche oder erbrechtliche Beziehungen werden auf natürlichem Wege oder durch Rechtsgestaltung von den Beteiligten begründet, verändert oder beseitigt, ohne dass die Motive auf den engen persönlichen Bereich des Verhältnisses zu dem anderen Beteiligten beschränkt sind. In der Rückschau auf in der Vergangenheit liegende Konstellationen, Meinungen, Beziehungen, Ziele und Beweggründe können selbst bei den Beteiligten ungewollte oder bewusst nicht aufgeklärte Fehlvorstellungen bestimmend werden. Für das Gericht als Erklärungsempfänger der Annahme- und der Aufhebungsanträge können diese Umstände, die einer vollständigen Aufklärung nicht zugänglich sein können, nicht zu wesentlichen Umständen seiner Entscheidung gehören. Das Tatbestandsmerkmal der wesentlichen in der Abgrenzung zu unwesentlichen Umstände dient auf diese Weise dem Schutz vor materiell fehlerhaften Entscheidungen, die auf der Unaufklärbarkeit der Motivlage der Beteiligten beruht. Was zur Zeit der Annahmeanträge für sie bestimmend war, was Haupt-, was Nebenzweck gewesen sein mag, bleibt einer objektiven Aufklärung verschlossen, wenn es allein auf die Schilderungen zur Zeit der Aufhebungsanträge ankommt, die die Beteiligten unter Herausstellung der jetzt, mit diesem angestrebten Verfahrensziel, für maßgeblich gehaltenen Vorstellungen und Absichten vortragen.

c) Diese Rechtsfolge der Unaufhebbarkeit einer auf einem täuschungsbedingten Motivirrtum beruhenden Adoption entspricht dem aus der Rechtsentwicklung zu entnehmenden Ziel des Gesetzes. Mit dem Übergang vom Vertrags- zum Dekretsystem im Zuge der Adoptionsrechtsreform von 1976 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit, ein fehlerhaft zustande gekommenes Annahmeverhältnis aufzuheben, im Vergleich zu den Nichtigkeits- und Aufhebungsgründen vor der Reform erheblich eingeschränkt (Staudinger/Rainer Frank a. a. O. § 1760, Rn. 3). Die Absicht des Gesetzgebers, dem Annahmeverhältnis verstärkten Bestandsschutz zu gewähren, findet gerade darin ihren Ausdruck, dass die - hier in Betracht kommende - Vorschrift des § 1760 II Buchst. c BGB gegenüber der allgemeinen Vorschrift des § 123 BGB die Einschränkung enthält, dass nicht jeder täuschungsbedingte Irrtum ausreicht, sondern nur ein solcher über "wesentliche" Umstände. Dieses Regelungsziel verbietet es, einen Motivirrtum als Aufhebungsgrund zu bewerten. Denn damit hielte eine allfällige Unsicherheit in das Adoptionsaufhebungsrecht Einzug, die in Fällen typischer Irrtümer der Beteiligten die leichte Möglichkeit der Adoptionsaufhebung eröffnen könnte, sobald sie ihre Beweggründe innerhalb der Fristen des § 1762 BGB neu bewerten. Dies liefe dem erkennbaren Zweck der Vorschriften aber gerade zuwider.

4. Der Angenommene kann sich auch nicht auf eine erfolgreiche Irrtums- oder Täuschungsanfechtung nach §§ 119 oder 123 I BGB seiner Adoptionsantragserklärung (Bl. 6) berufen. Denn es besteht gemäß § 1759 BGB nicht die Möglichkeit einer Aufhebung des Annahmeverhältnisses infolge einer Anfechtung einer Antragserklärung. Eine Anfechtung nach §§ 119, 123 BGB, die zur Nichtigkeit der Adoption führen könnte, wird durch § 1759 BGB ausgeschlossen. § 1759 legt ausdrücklich fest, dass ein wirksames Annahmeverhältnis ausschließlich aus den in §§ 1760 und 1763 BGB abschließend aufgezählten Gründen durch Beschluss des Familiengerichts mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden kann, und sorgt damit für eine hohe Bestandskraft der Minderjährigenadoption (BeckOGK/Löhnig BGB § 1759 Rn. 2-3, beck-online). Im Interesse der Rechtssicherheit wird die Anfechtbarkeit der den Anträgen, Einwilligungen und Zustimmungen nach §§ 1752, 1746, 1747, 1749 BGB zugrunde liegenden Willenserklärungen verdrängt (§ 1760 Abs. 2 Buchst. b-d) (MüKoBGB/Maurer BGB § 1759 Rn. 9-11, beck-online).

5. Soweit der Annehmende seine Elternrolle nach Ausspruch der Adoption und Scheitern seiner Ehe mit der Mutter des Angenommenen gleichsam gekündigt hat, kann der Angenommene bei Adoption mit sogenannter starker Wirkung, hieraus keine Rechtsfolgen herleiten. Denn eine solche Situation ist nicht als Aufhebungsgrund nach §§ 1772 II, 1760 BGB vorgesehen. Das einmal begründete Statusverhältnis lässt sich nach geltendem Recht deshalb durch eine (nachträgliche) persönliche Abkehr eines Beteiligten vom anderen nicht wieder auflösen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Entscheidung zum Beschwerdewert folgt § 42 II, III FamGKG. Die Wertfestsetzung für die erste Instanz ändert der Senat entsprechend ab (§ 55 III 1 Nr. 2 FamGKG)

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 II FamFG) liegen nicht vor.