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Wohngeld; Prozesskostenhilfe; hinreichende Erfolgsaussichten; Beschwerde; Anfechtungsklage; Rückforderungsbescheide; Verpflichtungsklage; Bewilligung; Rechtswidrigkeit; Beweiswürdigung; vorweggenommen; widersprüchliche Angaben; Mutwilligkeit des Klageverfahrens; vorsätzlich falsche Angaben; Vermeidung des Klageverfahrens


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 08.03.2013
Aktenzeichen OVG 6 M 16.13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 166 VwGO, § 114 ZPO, § 45 Abs 1 SGB 10, § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB 10

Leitsatz

Zur Frage der Mutwilligkeit der Klage, wenn ein Prozess aufgrund vorsätzlich falscher Angaben des Betreffenden im Verwaltungsverfahren notwendig wird.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 29. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Mit der Klage wendet sich die Klägerin gegen die Rückforderung von Wohngeld, das ihr in unterschiedlicher Höhe im Zeitraum August 2009 bis Juli 2011 gewährt wurde sowie gegen die Versagung von Wohngeld ab August 2011.

Die zulässige Beschwerde der Klägerin gegen die erstinstanzliche Versagung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet.

Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung - ZPO - biete, erscheint allerdings fraglich. Das Verwaltungsgericht hat hinreichende Erfolgsaussichten mit der Begründung verneint, die Bewilligung von Wohngeld von August 2009 bis Juli 2011 sei rechtswidrig gewesen, weil sie erst im August 2011 angegeben habe, Unterstützungsleistungen im gesamten Bewilligungszeitraum durch ihren Vater von 250 Euro monatlich erhalten zu haben, bei deren Berücksichtigung Wohngeld hätte versagt werden müssen. Soweit sie nunmehr geltend mache, diese Angaben seien tatsächlich unzutreffend gewesen, sei dies als verfahrensangepasste Schutzbehauptung zu werten. Aufgrund der aktenkundigen Umstände bestünden hinreichend konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür, dass eine Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zu ihren Lasten ausgehen würde und damit die Erfolgsaussicht des Klageverfahrens lediglich eine entfernte sei, zumal die Klägerin eine schriftliche Bestätigung ihres Vaters über die seit 2004 erfolgten Unterstützungsleistungen vorgelegt habe. Bei dieser Sachlage komme es nicht darauf an, dass die Klägerin sowohl das nunmehr angegebene, mit 60 Euro monatlich bezifferte Trinkgeld aus ihrer Erwerbstätigkeit als auch Kapitaleinkünfte, die sie im fraglichen Bewilligungszeitraum bezog, gegenüber dem Wohngeldamt verschwiegen bzw. auf den entsprechenden Fragebögen bei Antragstellung ausdrücklich verneint habe und ihre Einkommenssituation auch mit den nunmehr vorgelegten Kontoauszügen nicht plausibler geworden sei, weil sich hieraus eine Deckung ihrer Bedarfslücke durch Inanspruchnahme des Dispositionskredits nicht entnehmen lasse und sich die unzähligen Bareinzahlungen nicht zuordnen ließen. Nachdem die Klägerin eine auf den 11. Februar 2013 datierte schriftliche Erklärung ihres Vaters vorgelegt hat, wonach dieser seine zuvor abgegebene schriftliche Erklärung widerrufe, hat das Verwaltungsgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 15. Februar 2013 ausgeführt, die Widerrufserklärung enthalte keine substanziierte und nachvollziehbare Erklärung dafür, warum ihr Vater seinerzeit eine falsche Erklärung abgegeben habe. Die Einlassungen der Klägerin seien zudem weiterhin widersprüchlich.

Es erscheint zweifelhaft, ob das Verwaltungsgericht hinreichende Erfolgsaussichten mit dieser Begründung hätte verneinen dürfen. Die Klägerin hat für ihre Angaben Beweis durch Vernehmung des Schwiegersohns ihres Vaters, der für diesen sämtliche finanzielle Angelegenheiten regele, angeboten. Im Prozesskostenhilfeverfahren darf grundsätzlich die im Zuge des Hauptsachverfahrens durchzuführende Beweiswürdigung nicht vorweggenommen werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine in Betracht kommende Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der Prozesskostenhilfe beantragenden Partei ausgeht (BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 1997 - 1 BvR 296/94 -, NJW 1997, S. 2745). Das kann hier jedenfalls angesichts des nunmehr vorgelegten schriftlichen Widerrufs der ursprünglichen Erklärung ihres Vaters, der dies damit erläutert, er sei von seinen Einkommensverhältnissen her gar nicht in der Lage, eine derartige Unterstützung zu leisten, weil er lediglich über rund 1.500 Euro Rente verfüge und dieser Betrag gerade ausreiche, um seine Miete im betreuten Wohnen und die sonstigen Lebenshaltungskosten zu begleichen, nicht angenommen werden. Mit dem Widerruf liegen zwei sich widersprechende schriftliche Erklärungen des Vaters der Klägerin vor. Mindestens eine dieser beiden Erklärungen ist unrichtig. Welche das ist, lässt sich nach Aktenlage allerdings nicht hinreichend sicher beurteilen. Die beiden Erklärungen verdeutlichen zwar dessen Bereitschaft, gegenüber dem Gericht und den staatlichen Behörden jeweils das zu erklären, was seiner Tochter aus deren Sicht jeweils nützlich erscheint und dieser Umstand wird im Rahmen einer Beweiswürdigung in die Betrachtung mit einzubeziehen sein. Dass die Vernehmung des angebotenen Zeugen und die gegebenenfalls erforderliche Heranziehung weiterer Unterlagen, etwa Kontoauszüge von Konten ihres Vaters, die Behauptungen der Klägerin voraussichtlich nicht zur Überzeugung des Gerichts bestätigen werden, kann - anders als das Verwaltungsgericht meint - hieraus jedoch nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit gefolgert werden.

Prozesskostenhilfe ist aber deshalb nicht zu bewilligen, weil die Klage im Sinne von § 114 Satz 1 ZPO mutwillig ist. Mutwilligkeit ist anzunehmen, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (OVG Bautzen, Beschluss vom 26. April 2010 - 3 D 183/09 -, Rn. 3 bei juris). In der zivilgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Rechtsverfolgung mutwillig ist, wenn ein Rechtsmittel nur auf Grund neuen Vorbringens erfolgreich sein kann, das schon in der Vorinstanz hätte eingeführt werden können, weil die zweite Instanz bei sorgfältiger Prozessführung hätte vermieden werden können (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 1998 - 2 WF 146/97 -, FamRZ 1999, 712). Der Senat hat bereits entschieden, dass im verwaltungsrechtlichen Verfahren nichts anderes gelten kann, wenn eine Klage möglicherweise hätte vermieden werden können, indem der Kläger ihm schon früher bekannte, erstmals mit der Klage vorgetragene Umstände spätestens im Widerspruchsverfahren vorgebracht und so die Widerspruchsbehörde in die Lage versetzt hätte, den angefochtenen Verwaltungsakt unter allen maßgeblichen Gesichtspunkten zu überprüfen (Beschluss vom 24. Oktober 2011 - OVG 6 M 23.09 - Rn. 4 bei juris). Aus den gleichen Gründen kann nichts anderes gelten, wenn ein Prozess gegen die Behörde nur aufgrund vorsätzlich falscher Angaben des Betreffenden erforderlich wurde. In diesem Fall hätte es der Betreffende in der Hand gehabt, der Behörde eine zutreffende Würdigung des Sachverhalts zu ermöglichen, indem er wahrheitsgemäße Angaben macht.

So liegt der Fall hier. Unterstellt man die Richtigkeit des Vorbringens der Klägerin im Beschwerdeverfahren, dann hat sie gegenüber der Behörde vorsätzlich falsch angegeben, im Bewilligungszeitraum von ihrem Vater Unterstützungsleistungen in Höhe von monatlich 250 Euro erhalten zu haben. Diese Erklärung hat sie seinerzeit durch Vorlage einer schriftlichen Erklärung ihres Vaters bekräftigt, in der dieser angibt, seine Tochter seit dem Jahr 2004 monatlich mit 250 Euro zu unterstützen. Die Klägerin, auf deren Veranlassung die schriftliche Erklärung ihres Vaters nach ihrem eigenen Vortrag zurückgeht, hat damit die Umstände, die die Führung des Verwaltungsprozesses aus ihrer Sicht notwendig machten, selbst geschaffen. Durch ihre vorsätzlich falschen Angaben hat sie das (Rückforderungs-) Verfahren erst in Gang gebracht. Hätte die Klägerin dagegen von Anfang an zutreffende Angaben gemacht, wäre der Behörde unter Zugrundelegung des zutreffenden Sachverhalts eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Bescheide möglich gewesen und das Klageverfahren hätte damit gegebenenfalls vermieden werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der gesetzlich bestimmten Festgebühr nicht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).