Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat | Entscheidungsdatum | 28.09.2010 | |
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Aktenzeichen | OVG 11 B 27.08 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 6 Abs 4 AufenthG, § 27 Abs 1 AufenthG, § 27 Abs 1a Nr 1 AufenthG, § 28 Abs 1 S 1 Nr 1 AufenthG |
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. August 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der 1979 in Urfa, Südostanatolien, geborene türkische Kläger, der nach eigenen Angaben kurdischer Volkszugehörigkeit ist und seit 1998 in Istanbul lebt, reiste erstmals am 13. Februar 2001 in das Bundesgebiet ein. Seinen wenige Tage später gestellten Asylantrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durch Bescheid vom 26. Oktober 2001 ab, der im Februar 2002 Bestandskraft erlangte. Am 23. April 2002 stellte der Kläger einen Asylfolgeantrag, den das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durch Bescheid vom 10. Juni 2002 u.a. mit der Begründung ablehnte, bei den vom Kläger eingereichten Unterlagen handele es sich um "plumpe Fälschungen". Von Anfang Mai 2002 bis Anfang September 2003 war der Kläger unbekannten Aufenthalts. Seinen ebenfalls Anfang September 2003 gestellten weiteren Asylfolgeantrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durch Bescheid vom 11. September 2003 ab und führte zur Begründung u.a. aus, der Kläger habe abermals eine „plumpe Fälschung“ als Beweismittel vorgelegt. Am 2. Oktober 2003 beantragte der Kläger bei der Ausländerbehörde Neuwied eine Duldung mit der Begründung, er beabsichtige eine deutsche Staatsangehörige (Frau M.) zu heiraten. Eine vom Standesbeamten veranlasste getrennter Befragung des Klägers und seiner damaligen Verlobten führte nicht zur Ausräumung des Verdachts einer Scheinehe. Am 20. Oktober 2003 wurde der Kläger in die Türkei abgeschoben.
Mit Schreiben vom 28. Dezember 2005 kündigte der Kläger gegenüber der Ausländerbehörde Neuwied an, eine deutsche Staatsangehörige, die im Januar 1965 geborene Zeugin A., heiraten zu wollen. Nach Begleichung der Abschiebungskosten befristete die Ausländerbehörde Neuwied mit Bescheid vom 26. April 2006 die Wirkungen der Abschiebung mit sofortiger Wirkung. Die Zeugin reiste vom 16. bis zum 19. Februar 2006 sowie erneut vom 21. bis zum 28. Februar 2006 in die Türkei. Am 27. Februar 2006 schlossen der Kläger und die Zeugin in der Türkei die Ehe. Am 24. April 2006 beantragte der Kläger bei der Deutschen Botschaft (Generalkonsulat) in Istanbul die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug. Daraufhin wurden die Eheleute am 4. Oktober 2006 zeitgleich befragt; wegen des Ergebnisses wird auf Blatt 53 - 60 des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen. Unter dem 29. November 2006 verweigerte der Beigeladene als für den Wohnort der Zeugin zuständige Ausländerbehörde die Zustimmung zur Erteilung des Visums an den Kläger. Zur Begründung führte er aus, es seien verschiedene Fragen von den Eheleuten nicht übereinstimmend beantwortet worden. Daraufhin lehnte das Generalkonsulat der Beklagten in Istanbul durch Bescheid vom 8. Dezember 2006 die Erteilung eines Visums an den Kläger mit der Begründung ab, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 AufenthG nicht vorlägen. Diese Entscheidung bestätigte es auf die Remonstration des Klägers durch Bescheid vom 10. Januar 2007 und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Der Antrag sei wegen des begründeten Verdachts des Bestehens einer Zweckehe abgelehnt worden. Die Befragungsergebnisse wiesen erhebliche Unstimmigkeiten auf. Ferner trage die ausländerrechtliche Vorgeschichte des Klägers nicht dazu bei, die Zweifel an der Absicht einer auf Dauer angelegten ehelichen Gemeinschaft auszuräumen. Aufgrund seines mehrjährigen illegalen Aufenthalts im Bundesgebiet werde vermutet, dass der Kläger durch die Eheschließung lediglich versuche, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht für die Bundesrepublik zu erlangen.
Das Verwaltungsgericht hat die am 28. Februar 2007 erhobene Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug durch Urteil vom 8. August 2008 abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt: Gemäß § 27 Abs. 1 AufenthG werde die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG erteilt. Der Familiennachzug setzte den beiderseitigen Willen zur Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft voraus. Diesbezüglich habe der Kläger die Feststellungs- bzw. Beweislast zu tragen. Hieran habe sich durch die Einfügung von § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG nichts geändert. Das Gericht habe nicht die nötige Überzeugung von dem Willen der Eheleute gewinnen können, die eheliche Lebensgemeinschaft herzustellen. Die verbliebenen Zweifel gründeten sich in der aufenthaltsrechtlichen Vorgeschichte des Klägers, die zeige, dass er mit falschen Darstellungen seinen Aufenthalt zu sichern gesucht habe. Hinzu komme die kurzlebige Absicht, eine andere Deutsche zu heiraten. Ferner sei auffällig, dass die Zeugin nicht ihren angenommenen Ehenamen führe, sondern auch gegenüber dem Bevollmächtigten des Klägers nur mit ihrem Geburtsnamen auftrete. Gleiches gelte für das auch für den Bevollmächtigten des Klägers überraschende Ausbleiben der Ehefrau des Klägers in der mündlichen Verhandlung. Ob man darüber hinaus den in den Befragungen zutage getretenen Differenzen ausschlaggebende Bedeutung beimesse, könne dahinstehen, weil sie ebenfalls nicht geeignet seien, die nötige Überzeugung zu vermitteln.
Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen sowie form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Das Verwaltungsgericht habe die durch § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG bewirkte Rechtsänderung verkannt. Danach sei ein Familiennachzug nur dann nicht zugelassen, wenn feststehe, dass die Ehe ausschließlich zu dem Zweck geschlossen worden sei, dem Nachziehenden die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Hieraus ergebe sich eindeutig, dass die Beweislast auf Seiten der Beklagten liege. Die von der Beklagten ins Feld geführten angeblichen Unstimmigkeiten seien derart schwach, dass sie auch das erstinstanzliche Gericht in seinen Entscheidungsgründen nicht berücksichtigt habe. Vielmehr seien von den Eheleuten hinsichtlich der Frage des Kennenlernens übereinstimmende Ausführungen gemacht worden. Dies gelte auch für die jeweiligen persönlichen Daten des Ehepartners und deren Hobbys. Hinzu komme, dass sich die Beziehung zwischen den Eheleuten immer mehr gefestigt habe. Sie telefonierten zwei- bis dreimal in der Woche, wobei die Gespräche in Deutsch geführt würden, weil der Kläger während seiner langen Aufenthalte in Deutschland hinreichende Sprachkenntnisse erworben habe. Darüber hinaus habe die Zeugin den Kläger in der Türkei besucht, und zwar in der Zeit vom 11. bis 22. Dezember 2007. Häufigere Reisen seien ihr wegen ihrer bescheidenen finanziellen Verhältnisse nicht möglich gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. August 2008 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide ihres Generalkonsulats in Istanbul vom 8. Dezember 2006 und 10. Januar 2007 zu verpflichten, ihm ein Visum zum Ehegattennachzug zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat sich, ebenso wie im erstinstanzlichen Verfahren, nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung die Ehefrau des Klägers zur Absicht der Eheleute, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu führen, als Zeugin vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten, des Verwaltungsvorgangs der Beklagten (ein Band) sowie der Ausländerakte der Ausländerbehörde Neuwied (drei Bände) verwiesen. Diese Akten haben vorgelegen und sind, soweit wesentlich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug nicht beanspruchen; die angefochtenen Versagungsbescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Ein Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug gemäß § 6 Abs. 4 in Verbindung mit §§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 27 Abs. 1 AufenthG setzt voraus, dass beide Ehepartner die Absicht haben, miteinander eine durch enge Verbundenheit und gegenseitigen Beistand gekennzeichnete dauerhafte Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet tatsächlich herzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 1982 - 1 C 20.81 -, BVerwGE 65, 174, 179 f. und Beschluss vom 12. Juni 1992 - 1 B 48.92 -, InfAuslR 1992, 305; BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. -, BVerfGE 76, 1, 42f.). Diese Voraussetzungen müssen noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2002 - 1 C 6.01 -, NVwZ 2002, 867).
Bei einer wirksam geschlossenen Ehe ist der Ausländer grundsätzlich nicht zu einer näheren Darlegung seines Willens, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu führen, verpflichtet, sofern nicht im Einzelfall Umstände vorliegen, die berechtigten Anlass zu einer Prüfung der erforderlichen Eheführungsabsicht geben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 2003 - 2 BvR 2042/02 -, NVwZ 2003, Beilage I, 73; BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1995 - 1 C 3.94 -, NVwZ 1995, 1119, 1121 = BVerwGE 98, 298). Die Absicht, im Bundesgebiet eine eheliche Lebensgemeinschaft führen zu wollen, ist eine innere Tatsache, auf deren Existenz nur durch äußere Anzeichen geschlossen werden kann. Besteht berechtigter Anlass zu einer näheren Prüfung, so ist der Ausländer hierfür darlegungs- und beweisbelastet, weil es sich um eine ihm günstige Tatsache handelt (vgl. BVerfG, a.a.O). Demgemäß muss eine Klage dann erfolglos bleiben, wenn sich die Absicht beider Ehepartner zur Herstellung einer dauerhaften ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zur Überzeugung des Gerichts feststellen lässt.
An diesem rechtlichen Ausgangspunkt und Maßstab, den zutreffend auch das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, hat sich durch die Einfügung der Regelung des § 27 Abs. 1a in das AufenthG nichts geändert. Wie das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. März 2010 (- 1 C 7.09 -InfAuslR 2010, 350, DVBl. 2010, 849, jeweils zitiert nach Juris, m.w.N.) entschieden und überzeugend begründet hat und auch der Kläger nicht mehr in Abrede stellt, trägt der visumbegehrende ausländische Ehegatte auch weiterhin im Falle der Nichterweislichkeit einer Schein- oder Zweckehe die materielle Beweislast für die gemäß § 27 Abs. 1 AufenthG bedeutsame Absicht, eine auf Dauer angelegte eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet führen zu wollen.
An der Behauptung des Klägers, er und seine Ehefrau beabsichtigten, im Bundesgebiet die eheliche Lebensgemeinschaft herzustellen und aufrechtzuerhalten, verbleiben nach der tatsächlichen Würdigung des Senats erhebliche Zweifel, die eine entsprechende Überzeugungsbildung ausschließen.
Diese Zweifel resultieren bereits aus der aufenthaltsrechtlichen Vorgeschichte des Klägers, die zeigt, dass er stets mit Nachdruck und unter verschiedenen rechtlichen Ansätzen, aber auch durch illegales Verhalten, versucht hat, ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland zu erwirken bzw. seinen tatsächlichen Aufenthalt zeitlich auszudehnen. Dies begann bereits im Jahr 2001 mit einem unbegründeten Asylantrag und setzte sich in den Folgejahren mit wiederholten erfolglosen Asylfolgeanträgen fort, in deren Zuge der Kläger nach den bestandskräftigen Ablehnungsbescheiden nicht davor zurückschreckte, offensichtlich gefälschte Urkunden als Beweismittel einzubringen und sich damit unlauterer Methoden zu bedienen. Ebenso zeigt sich der unbedingte Wille des Klägers, seinen Inlandsaufenthalt mit allen Mitteln zu erwirken, darin, dass er zeitweise bereit war, seinen aktuellen Aufenthaltsort zu verheimlichen und in die Illegalität abzutauchen. Der Kläger bediente sich jeweils dann der von ihm genutzten Instrumentarien, wenn er mit einer alsbaldigen Abschiebung rechnen musste. Dies zeigt sich auch in seinem erstmaligen Entschluss, eine Deutsche zu heiraten, was unter anderem wegen des bereits vom Standesbeamten gehegten Scheineheverdachts scheiterte.
Darüber hinaus begründen die anlässlich der zeitgleichen Befragung des Klägers und der Zeugin zutage getretenen Unstimmigkeiten und Kenntnislücken über die Verhältnisse des jeweils anderen Ehegatten durchgreifende Zweifel an einer beiderseitigen nachhaltigen Eheführungsabsicht, die es ebenfalls ausschließen, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 AufenthG zu bejahen.
So hat der Kläger die Frage nach gemeinsamen Bekannten in der Bundesrepublik schlicht verneint, während seine Ehefrau "Schwester, Ehemann und Familie in Marne“ angegeben hat. Ferner war der Kläger über das genaue Geburtsdatum seiner Ehefrau nicht orientiert und gab dies fälschlich mit dem 1. November 1965 an, während sie tatsächlich am 11. Januar 1965 geboren ist. Auch wenn dies, wie von ihm behauptet, mit einem Zahlendreher zu erklären sein mag, bleibt doch zu vermerken, dass der Kläger selbst im Visumantrag des Geburtsdatum seiner Ehefrau, wenngleich auch nur um einen Tag verfehlt, unzutreffend mit dem 10. Januar 1965 angegeben hat. Unterschiedlich beantwortet wurde auch die Frage, wer den Heiratsantrag gemacht habe. Während der Kläger angegeben hat, er selbst habe seiner späteren Ehefrau die Heirat angetragen, hat diese angegeben, man habe sich im beiderseitigen Einvernehmen zur Ehe entschlossen. Kenntnislücken des Klägers über die persönlichen Verhältnisse seiner Ehefrau zeigten sich auch bei der Frage nach Namen und Anschrift ihrer beiden Geschwister, die der Kläger nicht beantworten konnte. Ebenso wusste er nicht, über welchen Schulabschluss seine Ehefrau verfügt und welchen Beruf sie erlernt hat. Diese Frage konnte die Ehefrau des Klägers in Bezug auf diesen ebenfalls nicht beantworten. Unstimmigkeiten haben sich auch für die Frage nach der aktuellen Tätigkeit des Klägers ergeben, die er mit "An- und Verkauf von Tabak und Alkoholgetränken" beantwortete, während sie angab, er würde als Wachmann arbeiten. Nichts anderes gilt für die Beantwortung derjenigen Fragen, die die gemeinsame Lebensperspektive nach einem Zuzug des Klägers betreffen und hinsichtlich derer zu erwarten gewesen wäre, dass die Ehepartner hierüber eine gemeinsame Vorstellung entwickelt hätten. So gab der Kläger auf die Frage, wie der gemeinsame Lebensunterhalt bestritten werden solle, an, ein Geschäft („Kebab-Haus“) eröffnen zu wollen, während seine Ehefrau meinte, er werde im Restaurant seines Schwagers arbeiten. Auch die für die weitere Lebensplanung relevante Frage, wo der Kläger in Deutschland wohnen werde, haben die Eheleute unterschiedlich beantwortet. Während der Kläger angab, er werde bei seiner Ehefrau in Itzehoe wohnen, deren genaue Adresse aber nicht zu benennen wusste, führte sie aus, sie würden sich eine Wohnung suchen, sobald er eingereist sei. Ferner zeigten sich die Eheleute über die Freizeitinteressen des jeweils anderen Ehepartners nur unzureichend orientiert. Während der Kläger angab, seine Ehefrau würde in ihrer Freizeit spazieren gehen und Fernsehen, führte sie aus, sie würde in ihrer Freizeit lesen, Musik hören und Freunde treffen. Umgekehrt gab die Ehefrau an, der Kläger würde in seiner Freizeit fernsehen und sich für sein Handy interessieren, während er selbst auf die Frage nach Hobbys und Freizeitinteressen schlicht mit "keine" antwortete. Schließlich fällt auf, dass der Kläger zu berichten wusste, man würde zwei bis dreimal in der Woche miteinander telefonieren, während seine Ehefrau weniger konkret antwortete und lediglich angab, die Häufigkeit des wöchentlichen Kontakts sei "unterschiedlich". Die durch diese Unstimmigkeiten und Kenntnislücken begründeten Zweifel an einem ernsthaften beiderseitigen Willen der Eheleute zur Begründung und Aufrechterhaltung einer ehelichen Lebensgemeinschaft werden durch den Hinweis des Klägers, dass andere Fragen inhaltlich übereinstimmend beantwortet worden seien, nicht ausgeräumt.
Ferner ist nicht erklärlich, warum die Eheleute die Aufenthaltszeiten der Ehefrau des Klägers in der Türkei im Februar 2006 jeweils unrichtig und noch dazu unterschiedlich angegeben haben. So hat die Ehefrau angegeben, sie habe durchgängig vom 16. bis zum 28. Februar 2006 bei der Familie des Klägers gewohnt, während der Kläger behauptet hat, sie sei ab dem 14. Februar 2006 15 Tage bei ihm zu Besuch gewesen und darüber hinaus (was schon rechnerisch nicht aufgeht) ab 23. Februar 2006 nochmals für eine Woche. Tatsächlich hat sich die Ehefrau des Klägers im Februar 2006 zweimal in der Türkei aufgehalten, nämlich vom 16. bis zum 19. Februar und sodann nach zwischenzeitlicher Rückkehr erneut vom 21. bis zum 28. Februar.
Überdies sind auch an der Behauptung des Klägers, die Beziehung zu seiner Ehefrau habe sich seit der Eheschließung verfestigt, nachhaltige Zweifel angebracht. So hat der Kläger einräumen müssen, dass die von ihm zunächst behaupteten Besuchsaufenthalte seiner Ehefrau in der Türkei während deren Urlauben in den Jahren 2008 und 2009 tatsächlich nicht stattgefunden haben. Ebenfalls fehlt es für die behaupteten telefonischen Kontakte, hinsichtlich deren Häufigkeit sich die Eheleute widersprüchlich geäußert haben, an einer Glaubhaftmachung. Diesbezüglich sind auch Zweifel an einer hinreichenden sprachlichen Kommunikationsbasis angebracht. Der Kläger behauptet zwar, aufgrund seiner Inlandsaufenthalte hinreichende Sprachkenntnisse erworben zu haben, hat diese aber entgegen seiner Ankündigung nicht nachgewiesen. Seine Befragung in der Botschaft hatte jedoch zum Ergebnis, dass er nur über schlechte deutsche Sprachkenntnisse verfügt.
Im Übrigen ist es für einen aus Südostanatolien stammenden Türken kurdischer Volkszugehörigkeit untypisch und erklärungsbedürftig, dass sich der Kläger entschieden hat, eine mehr als 14 Jahre ältere Frau zu heiraten.
Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat durch die zeugenschaftliche Vernehmung der Ehefrau des Klägers durchgeführte Beweisaufnahme hat die Zweifel an dem erforderlichen Willen der Eheleute zur Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft jedenfalls auf Seiten des Klägers nicht ausräumen können, sondern vielmehr verstärkt. So hat die Vernehmung der Zeugin erbracht, dass der Kläger im September 2003 den Kontakt zu ihr abgebrochen und sich erst nach seiner Abschiebung in die Türkei im November 2003 wieder bei ihr gemeldet hat. Dass sich der Kläger in der Zeit dazwischen nachdrücklich darum bemüht hat, mit einer anderen deutschen Staatsangehörigen die Ehe zu schließen, um sich seinen weiteren Aufenthalt zu sichern, hat er der Zeugin gegenüber verschwiegen; hiervon hat sie erst 2007 bei einer Durchsicht seiner Papiere Kenntnis erlangt. Wäre der Kläger, der der Zeugin nach deren Bekunden in der Zeit zwischen Februar und September 2003 sogar vorgeschlagen hatte, mit ihr zusammenzuziehen, seinerzeit ernsthaft an einer dauerhaften Beziehung zu der Zeugin interessiert gewesen, wäre nicht erklärlich, warum er sich nicht darum bemüht hatte, mit ihr die Ehe zu schließen, sondern sich diesbezüglich einer anderen Frau zuwandte. Gegen ein solches Interesse spricht auch, dass er der Zeugin nichts über seinen Aufenthaltsstatus in Deutschland berichtet und ihr gegenüber auch verschwiegen hat, dass er sich in Abschiebehaft befunden hat. Diese Umstände nähren im Gegenteil den Verdacht, dass der Kläger jedenfalls nach seiner Abschiebung den Kontakt zu der Zeugin nur deshalb wieder aufgenommen und aufrechterhalten hat, um über eine Eheschließung mit der Zeugin seinen erneuten Aufenthalt in der Bundesrepublik zu erlangen. Dazu passt es auch, dass die in Deutschland lebenden Familienangehörigen des Klägers bereit waren, der schon seinerzeit mittellosen Zeugin im Februar 2006 zwei Flugreisen in die Türkei zu bezahlen, um eine kurzfristige Eheschließung zu ermöglichen.
Fehlt es hiernach bereits an der in § 27 Abs. 1 Satz 1 AufenthG normierten Grundvoraussetzung des Ehegattennachzugs, kann dahinstehen, ob der Visumerteilung darüber hinaus entgegensteht, dass der Kläger nicht nachgewiesen hat, sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können (§§ 28 Abs. 1 Satz 5, 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.