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Entscheidung 10 UF 243/11


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 23.01.2012
Aktenzeichen 10 UF 243/11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 14. Juni 2011 und 18. Juli 2011 teilweise abgeändert. Der Wirkungskreis der angeordneten Ergänzungspflegschaft wird auf die Entgegennahme der Zustellung des Beschlusses, mit dem das Amtsgericht über die von der Beteiligten zu 1. beantragte Genehmigung zur Ausschlagung der Erbschaft seines am 14.4.1935 geborenen und am 10.5.2010 verstorbenen Großvaters, Herrn W… B…, entscheidet, sowie die Ausübung des diesbezüglichen Beschwerderechts des Kindes beschränkt.

Für das Beschwerdeverfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Das Verfahren betrifft die Bestellung des Jugendamts zum Ergänzungspfleger für einen Minderjährigen in einer Erbschaftsausschlagungssache.

Das betroffene Kind N… Z…, geboren am ….8.2010, wird von der allein sorgeberechtigten Mutter, der Beteiligten zu 1., gesetzlich vertreten. Der Vater des Kindes, Herr B…, hat als vorrangiger gesetzlicher Erbe die Erbschaft seines am 14.4.1935 geborenen und am 10.5.2010 verstorbenen Vaters, Herrn W… B…, ausgeschlagen. Diese ist daraufhin dem betroffenen Kind angefallen. Die Mutter hat die Erbschaft als gesetzliche Vertreterin von N… ausgeschlagen und beim Amtsgericht die Genehmigung der Erbschaftsausschlagung beantragt.

Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hat mit Beschluss vom 14.6.2011 gemäß § 1909 BGB für das Kind N… Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis „Wahrung der Rechte des minderjährigen Kindes in dem Genehmigungsverfahren betreffend die Erbausschlagung nach W… B…, geb. am 14.4.1935, verstorben am 10.5.2010“ angeordnet und das Jugendamt der Stadt F… zum Ergänzungspfleger bestellt. Dagegen hat die Mutter - entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts - Erinnerung eingelegt, die die Rechtspflegerin nach ihrer Nichtabhilfeentscheidung vom 11.7.2011 dem Amtsrichter zur Entscheidung vorgelegt hat. Mit Beschluss vom 18.7.2011 hat das Amtsgericht die Erinnerung der Mutter gegen die Ergänzungspflegerbestellung zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Gegen den am 20.7.2011 zugestellten Beschluss hat die Mutter unter dem 22.7.2011 Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der sie geltend macht, sie sei nicht aufgrund eines Interessenkonflikts an der Vertretung ihres Kindes bei der Erbschaftsausschlagung gehindert.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang begründet.

1.

Das Rechtsmittel der Mutter ist - auch unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Meistbegünstigung - statthaft, weil das Amtsgericht (nach unzutreffender Rechtsmittelbelehrung) fehlerhaft über die als Erinnerung zu behandelnde Beschwerde der Mutter entschieden und gegen den die Erinnerung zurückweisenden Beschluss vom 18.7.2011 die Rechtsbeschwerde zugelassen hat.

Bei der Anordnung von Ergänzungspflegschaft, damit das Kind im Verfahren zur Genehmigung einer Erbschaftsausschlagung vertreten werden kann, handelt es sich um eine Endentscheidung, mit der das entsprechende Verfahren abgeschlossen wird. Hiergegen findet die Beschwerde nach §§ 58 Abs. 1, 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG statt, ohne dass eine Abhilfemöglichkeit des für die Ergänzungspflegerbestellung zuständigen Rechtspflegers möglich ist (§§ 58 Abs. 1, 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG) (vgl. hierzu z. B. BGH, Beschluss vom 23.11.2011 – XII ZB 293/11, juris; OLG Köln, FamRZ 2012, 42; ZEV 2011, 595; OLG Celle, FamRZ 2011, 1304; KG, FamRZ 2010, 1998).

Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts vom 18.7.2011 ist formell fehlerhaft, weil nicht das Amtsgericht, sondern das Oberlandesgericht über die als Beschwerde zu behandelnde Erinnerung der Beteiligten zu 1. zu entscheiden hatte. Weil das Amtsgericht jedoch fehlerhaft über das eingelegte Rechtsmittel entschieden und die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, ist das von der der Beteiligten zu 1. form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 18.7.2011 zulässig.

2.

Das zulässige Rechtsmittel der Mutter hat in der Sache im Hinblick auf den vom Amtsgericht mit Beschluss vom 14.6.2011 zu weit gefassten Wirkungskreis der angeordneten Ergänzungspflegschaft Erfolg. Der Aufgabenkreis erstreckt sich nur auf die Entgegennahme der Zustellung des Beschlusses, mit dem das Amtsgericht über die von der Beteiligten zu 1. beantragte Genehmigung zu der von ihr für das Kind erklärten Ausschlagung der Erbschaft seines am 14.4.1935 geborenen und am 10.5.2010 verstorbenen Großvaters, Herrn W… B…, entscheidet, sowie die Ausübung des diesbezüglichen Beschwerderechts des Kindes. Die angeordnete Ergänzungspflegschaft ist daher auf diesen konkreten Wirkungskreis zu beschränken.

Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1. hat das Amtsgericht dem beteiligten Kind allerdings zu Recht einen Ergänzungspfleger bestellt. Die Ausschlagung einer Erbschaft für das Kind stellt nach § 1643 Abs. 2 Satz 1 BGB ein genehmigungsbedürftiges Rechtsgeschäft dar. Nach § 41 Abs. 3 FamFG ist ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat, auch demjenigen bekannt zu geben, für den das Rechtsgeschäft genehmigt wird. Die allein sorgeberechtigte Beteiligte zu 1. ist hier aber verhindert, für den betroffenen Sohn die Entscheidung über die nach § 1643 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderliche und von ihr unter dem 14.9.2010 beantragte familiengerichtliche Genehmigung über die Ausschlagung der Erbschaft nach seinem verstorbenen Großvater entgegenzunehmen und unter Berücksichtigung des Kindeswohls über die Ausübung des Beschwerderechts des Kindes hiergegen zu entscheiden. Die Vorschrift des § 41 Abs. 3 FamFG trägt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (vgl. BVerfG, FamRZ 2000, 731) Rechnung, wonach dem materiell-rechtlich Beteiligten die Möglichkeit eingeräumt werden muss, bei einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort zu kommen (vgl. auch BT-Drucksache 16/6308 S. 197). Anders als in anderen Verfahren kann die Gewährung rechtlichen Gehörs bei der Genehmigung eines Rechtsgeschäfts nicht durch den Vertreter des durch die Entscheidung in seinen Rechten Betroffenen wahrgenommen werden. Der Gesetzgeber wollte gewährleisten, dass der Rechtsinhaber selbst von der Entscheidung frühzeitig Kenntnis erlangt, so dass er selbst fristgerecht Rechtsmittel einlegen sowie einen etwaigen Rechtsmittelverzicht zügig widerrufen kann (vgl. hierzu OLG Köln, FamRZ 2012, 42; ZEV 2011, 595; OLG Celle, FamRZ 2011, 1304; KG, FamRZ 2010, 1171 und 1998). Die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts ist also auch dem Kind bekannt zu geben. Da das hier betroffene Kind gemäß § 9 Abs. 1 FamFG nicht verfahrensfähig ist, kommt eine unmittelbare Bekanntgabe an das Kind nicht in Betracht. Soweit ein Kind nicht verfahrensfähig ist, handeln gemäß § 9 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich die Eltern für das Kind. Die Bekanntgabe der familiengerichtlichen Genehmigung der Erbausschlagung an den sorgeberechtigten Elternteil genügt aber nicht den Anforderungen des § 41 Abs. 3 FamFG. Aus dem Wortlaut des § 41 Abs. 3 FamFG, wonach der Beschluss „auch“ demjenigen bekannt zu geben ist, für den das Rechtsgeschäft genehmigt wird, ergibt sich, dass die Bekanntgabe nach § 41 Abs. 3 FamFG neben die Bekanntgabe nach § 41 Abs. 1 FamFG tritt (vgl. BT-Drucksache a. a. O.). Insoweit ist der gesetzliche Vertreter des Kindes verhindert, für dieses zu handeln (vgl. hierzu OLG Köln, FamRZ 2012, 42; ZEV 2011, 595; OLG Celle, FamRZ 2011, 1304; KG, FamRZ 2010, 1171 und 1998). Auch kann das rechtliche Gehör des durch die Entscheidung in seinen Rechten betroffenen Kindes unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens im Regelfall nicht durch denjenigen vermittelt werden, dessen Handeln im Genehmigungsverfahren überprüft werden soll, da nicht zu erwarten sei, dass der Elternteil den seinem Antrag entsprechenden Beschluss noch einmal unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls prüft (vgl. OLG Köln, ZEV 2011, 595). Damit bliebe dem vertretenen Kind bei einer Zustellung des Beschlusses über die Genehmigung an den gesetzlichen Vertreter der Rechtsweg gegen diese Entscheidung faktisch versperrt, so dass das von § 41 Abs.3 FamFG verfolgte Ziel, das vertretene Kind in den Entscheidungsprozess einzubeziehen, nicht erreicht wird (vgl. OLG Köln, ZEV 2011, 595).

Nicht beanstandet werden kann auch, dass das Amtsgericht das Jugendamt zum Ergänzungspfleger bestellt hat. Welche Person zum Ergänzungspfleger zu bestellen ist, beurteilt sich nach §§ 1915 Abs. 1, 1791b Abs. 1 BGB. Danach kann auch das Jugendamt zum Ergänzungspfleger bestellt werden, wenn eine als ehrenamtlicher Einzelvormund geeignete Person nicht vorhanden ist (vgl. OLG Köln, ZEV 2011, 595.; KG, FamRZ 2010, 1171 und 1998). Eine andere geeignete Person (als das Jugendamt), die hier als Ergänzungspfleger hätte bestellt werden können, ist im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens nicht benannt bzw. bekannt geworden.

Nach alldem hat es mit dem im Beschlusstenor modifizierten Aufgabenkreis bei der angefochtenen Ergänzungspflegerbestellung zu bleiben.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG, 45 Abs. 1 Satz 1 FamGKG.