Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 12.05.2014 | |
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Aktenzeichen | 10 UF 149/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1. und die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 18. Juni 2013 abgeändert.
Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.
Es bleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden den beteiligten Ehegatten je zur Hälfte auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird auf 3.150 € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird bezüglich der Zulässigkeit der Beschwerden
zugelassen.
I.
Auf den am 5.12.2008 zugestellten Antrag hin hat das Amtsgericht die am 2.8.1980 geschlossene Ehe der beteiligten Eheleute durch Urteil vom 16.2.2009 geschieden und den Versorgungsausgleich abgetrennt. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 18.6.2013 hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich durchgeführt und dabei die Anrechte der Antragstellerin und des Antragsgegners in der gesetzlichen Rentenversicherung jeweils intern geteilt. Das Anrecht der Antragstellerin bei der weiteren Beteiligten zu 1. hat es extern geteilt und angeordnet, dass die weitere Beteiligte zu 1. 131.144,09 € an die weitere Beteiligte zu 2. zu zahlen habe.
Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich wenden sich die weitere Beteiligte zu 1. und die Antragstellerin mit ihren Rechtsmitteln. Die weitere Beteiligte zu 1. wendet sich gegen die vom Amtsgericht angeordnete Zahlungsverpflichtung. Die Antragstellerin hat zunächst die vom Amtsgericht berechneten Ausgleichswerte ihres Anrechts bei der weiteren Beteiligten zu 1. und des Antragsgegners bei der weiteren Beteiligten zu 2. beanstandet.
Im Beschwerdeverfahren haben die Antragstellerin und der Antragsgegner am 29.11.2013 vor dem Notar … in E… zur UR.-Nr. 1809/2013 eine notarielle Vereinbarung getroffen und den Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Auf dieser Grundlage begehrt die Antragstellerin nun eine auf Ausschluss des Versorgungsausgleichs gerichtete gerichtliche Entscheidung.
II.
A.
Die Rechtsmittelbegehren sowohl der weiteren Beteiligten zu 1. als auch der Antragstellerin sind dem Senat zur Entscheidung angefallen.
1.
Auf das vom Verbund abgetrennte Verfahren ist nach Wiederaufnahme das seit dem 1.9.2009 geltende Recht anzuwenden, Art. 111 Abs. 4 FGG-RG, § 48 Abs. 2 VersAusglG. Danach ist gegen die Entscheidung des Amtsgerichts über den Versorgungsausgleich die Beschwerde gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft.
2.
Das Rechtsmittel der weiteren Beteiligten zu 1. ist insoweit zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Anders verhält es sich mit dem Rechtsmittel der Antragstellerin. Ihr ist der angefochtene Beschluss am 21.6.2013 zugestellt worden, so dass sie angesichts einer Einlegung der Beschwerde unter dem 26.7.2013 und einem Eingang beim Amtsgericht erst am 29.7.2013 die Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG versäumt hat. Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 17 Abs. 1 FamFG rechtfertigen könnten, hat sie nicht substanziiert dargelegt.
3.
Das verspätete Rechtsmittel der Antragstellerin ist aber als Anschlussbeschwerde gemäß § 66 FamFG zu behandeln und als solche zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass sich das Begehren der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht allein auf das Anrecht bezieht, dessen Ausgleich von der weiteren Beteiligten zu 1. mit ihrer Teilanfechtung (vgl. dazu BGH, FamRZ 2011, 547 Rn. 17) beanstandet wird.
Allerdings wird jedenfalls in Bezug auf einen Versorgungsträger die Auffassung vertreten, dass dieser sich der Beschwerde eines anderen Versorgungsträgers nur dann anschließen könne, wenn es bei Durchführung des Hauptrechtsmittels in der Sache zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung kommen könne, die ihn in einer eigenen konkreten Rechtsposition betreffe, ihm also verwehrt sei, erstmals im Wege der Anschließung auch das bei ihm bestehende Anrecht zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens zu machen (so OLG Zweibrücken, Beschluss vom 24.1.2011 – 2 UF 43/10, BeckRS 2011, 04108; nicht eindeutig OLG Oldenburg FamRZ 2013, 136). Dies erscheint zweifelhaft. Einen Grundsatz dahin, dass durch die Anschlussbeschwerde die Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts nicht erweitert wird mit der Folge, dass ein nicht angefochtener Teil der Entscheidung mit der Beschwerde nicht angegriffen werden kann, gibt es nicht (Hahne/Munzig/Gutjahr, BeckOK FamFG, Edition 11, § 66 Rn. 5a; a.A. Borth FamRZ 2013, 94, 95). Denn durch das Anschlussrechtsmittel wird der Rechtsmittelgegner in die Lage versetzt, die Grenzen des Rechtsmittelverfahrens mitzubestimmen und zu seinem Vorteil zu beeinflussen, so dass er auch selbständige Angriffe wie Antragserweiterung, Antragsänderung und Widerantrag führen kann (BGH NJW 2013, 1530 Rn 19; NJW 1982, 1708, 1709). Wegen der grundsätzlich unbeschränkten Möglichkeiten, Anschlussbeschwerde einzulegen, erwächst die Entscheidung über den Versorgungsausgleich nach Beschwerdeeinlegung nicht hinsichtlich einzelner Anrechte in Rechtskraft (OLG Oldenburg FamRZ 2013, 136; OLG Hamm, Beschluss vom 12.10.2012 – II-3 UF 186/11, BeckRS 2013, 00421; OLG Dresden, Beschluss vom 18.4.2013 – 19 UF 1304/12, BeckRS 2013, 09013; Borth FamRZ 2013, 94, 96; siehe auch Hahne/Munzig/Gutjahr, a.a.O., § 45 Rn. 9; a.A. wohl OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.6.2011 – 15 UF 74/11, BeckRS 2011, 17583; OLG Nürnberg FamRZ 2011, 991). Schon der Versorgungsträger kann grundsätzlich ohne Beschränkungen Anschlussbeschwerde einlegen. Erst recht gilt das für die Ehegatten. So kann ein Ehegatte mit der Anschlussbeschwerde den Ausgleich eines Anrechts, das nicht Gegenstand der Beschwerde ist, zur Überprüfung stellen (KG NJW-RR 2011, 1372, 1373; OLG Stuttgart, Beschluss vom 30.12.2013 – 15 UF 306/13, BeckRS 2014, 01586; Hahne/Munzig/Gutjahr, a.a.O., § 66 Rn. 5b). Entsprechend kann ein Ehegatte – wie vorliegend – nach Teilanfechtung durch einen Versorgungsträger mit der Anschlussbeschwerde auch geltend machen, der Versorgungsausgleich sei auf Grund formwirksamer Vereinbarung auszuschließen.
B.
Beschwerde und Anschlussbeschwerde, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, führen zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Versorgungsausgleich findet nicht statt, da ihn die beteiligten Eheleute in formgültiger Weise wirksam ausgeschlossen haben.
1.
Durch die Vereinbarung vom 29.11.2013 haben die Ehegatten den Versorgungsausgleich insgesamt ausgeschlossen. An diese Vereinbarung ist der Senat gemäß § 6 Abs. 2 VersAusglG gebunden. Denn Wirksamkeits- und Durchsetzungshindernisse bestehen insoweit nicht. Daher ist im Tenor des Beschlusses gemäß § 224 Abs. 3 FamFG festzustellen, dass ein Wertausgleich hinsichtlich der von den Ehegatten in der Ehezeit erworbenen Anrechte nicht stattfindet.
a)
Die Vereinbarung erfüllt die gesetzlich bestimmten formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen.
Gemäß § 7 Abs. 1 VersAusglG bedarf eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich, die vor Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung geschlossen wird, der notariellen Beurkundung. Dieses Formerfordernis ist mit der notariellen Urkunde vom 29.1.2013 erfüllt.
b)
Die Vereinbarung erfüllt ferner die materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen.
Gemäß § 8 Abs. 1 VersAusglG muss die Vereinbarung über den Versorgungsausgleich einer Inhalts- und Ausübungskontrolle standhalten. Gemäß § 8 Abs. 2 VersAusglG können durch die Vereinbarung Anrechte nur übertragen oder begründet werden, wenn die maßgeblichen Regelungen dies zulassen und die betroffenen Versorgungsträger zustimmen. Diese Vorschriften stehen dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht entgegen.
aa)
Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 VersAusglG stellt vorliegend schon deshalb kein Wirksamkeitshindernis dar, weil mit ihr nur verhindert werden soll, dass ein Vertrag zulasten der Versorgungsträger geschlossen wird (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne, a.a.O., § 8 VersAusglG Rn. 12). Durch einen vollständigen Ausschluss des Versorgungsausgleichs aber werden die Rechte der Versorgungsträger nicht berührt.
bb)
Die Vereinbarung vom 18.3.2013 hält einer Inhalts- und Ausübungskontrolle im Sinne von § 8 Abs. 1 VersAusglG stand.
Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle ist zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr – und zwar losgelöst von der zukünftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse – wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten, § 138 Abs. 1 BGB. Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse bei Abschluss der Vereinbarung abstellt (BGH, FamRZ 2008, 2011 Rn. 10). Auch wenn der Versorgungsausgleich zum Kernbereich der Scheidungsfolgen zählt, wird sein Ausschluss – für sich genommen – unter dem Gesichtspunkt des § 138 Abs. 1 BGB zumeist schon deshalb keinen Bedenken begegnen, weil im Zeitpunkt des Vertragsschlusses regelmäßig noch nicht absehbar ist, ob, wann und unter welchen wirtschaftlichen Gegebenheiten der Versorgungsfall eintritt (BGH, FamRZ 2013, 195 Rn. 20 f.). Insoweit reicht auch eine etwaige Unausgewogenheit des Vertragsinhalts für die Annahme der Sittenwidrigkeit nicht aus (BGH, FamRZ 2013, 195 Rn. 24). Sittenwidrig ist die Vereinbarung erst dann, wenn sie erkennbar einseitig auf die Benachteiligung eines Ehegatten abzielt (BGH, FamRZ 2013, 195 Rn. 22). Bei der Annahme, dass eine offenkundig einseitige Lastenverteilung vorliegt, ist Zurückhaltung geboten, weil die privatautonome Gestaltung der Ehegatten grundsätzlich zu respektieren ist (Kemper, Versorgungsausgleich in der Praxis, 2011, Kap. VII Rn. 127).
Soweit ein Vertrag der Wirksamkeitskontrolle standhält, hat sodann grundsätzlich eine Ausübungskontrolle nach § 242 BGB zu erfolgen. Dafür sind nicht nur die Verhältnisse im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung bzw. des Vertrages maßgebend. Entscheidend ist vielmehr, ob sich nunmehr – im Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft – aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten unzumutbar ist (BGH, FamRZ 2008, 2011 Rn. 11).
Vorliegend fallen Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle zusammen, da die Vereinbarung gerade erst geschlossen worden ist. Die Vereinbarung hält der danach allein erforderlichen Wirksamkeitskontrolle stand.
Allerdings ergibt sich aus den von den Versorgungsträgern in ihren Auskünften mitgeteilten korrespondierenden Kapitalwerten, dass die Antragstellerin in der Ehezeit insgesamt die deutlich höheren Anrechte erworben hat. Somit führt der Ausschluss des Versorgungsausgleichs zu einem Nachteil eher auf Seiten des Antragsgegners. Dies allein rechtfertigt aber nach den vorstehenden Ausführungen einen Eingriff in die Privatautonomie nicht.
Auch kann vorliegend nicht angenommen werden, der Ausschluss des Versorgungsausgleichs sei etwa deshalb sittenwidrig, weil er in Kenntnis des Umstands vereinbart worden ist, der andere Teil werde nicht in der Lage sein, eine eigene Altersversorgung aufzubauen, und demgemäß Gefahr besteht, dass er später zum Sozialfall wird (vgl. dazu BGH, NJW 1997, 126, 127; Bachmann u.a., Versorgungsausgleich in der gesetzlichen Rentenversicherung, hrsg. von der Deutsche Rentenversicherung Bund, 11. Aufl., § 8 VersAusglG Anm. 2.1, S. 184 f.). Schon auf der Grundlage der vom Antragsgegner in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte, die er im Hinblick auf die erst in etwa sechs Jahren erreichte Regelaltersgrenze noch wird ausbauen können, ist davon auszugehen, dass er im Alter hinreichend versorgt, insbesondere sein Existenzminimum gesichert sein wird.
2.
Da der Versorgungsausgleich insgesamt auszuschließen ist, kommt es auf den von der weiteren Beteiligten zu 1. erhobenen Einwand in Bezug auf das bei ihr erworbene Anrecht nicht an. Das Amtsgericht wird aber vorsorglich darauf hingewiesen, dass im Falle der externen Teilung gemäß § 16 VersAusglG die nach § 14 Abs. 4 VersAusglG vorgesehene Anordnung, dass der Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person den Ausgleichswert als Kapitalbetrag an den Versorgungsträger der ausgleichsberechtigten Person zu zahlen hat, nicht in Betracht kommt.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG, die Wertfestsetzung auf §§ 40 Abs. 1, 50 FamGKG.
4.
Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 70 Abs. 2 FamFG zugelassen, allerdings nur bezüglich der Zulässigkeit der Rechtsmittel (vgl. BGH NJW-RR 2011, 1287 Rn. 10; Hahne/Munzig/ Gutjahr, a.a.O., § 70 Rn. 27), weil die Frage, unter welchen Voraussetzungen im Verfahren über den Versorgungsausgleich die Anschlussbeschwerde zulässig ist, nicht abschließend höchstrichterlich geklärt ist. Der BGH hat jüngst lediglich entschieden, dass in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Einlegung einer Anschlussbeschwerde mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist, wenn mit der Anschließung (lediglich) das gleiche Ziel wie mit dem Hauptrechtsmittel verfolgt werden soll (BGH, Beschluss vom 12.2.2014 – XII ZB 706/12, BeckRS 2014, 06638).