Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 09.12.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 9 N 6.14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 124a VwGO, § 88 VwGO, § 68 VwGO, § 242 BGB, § 6 KAG BB |
Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 14. November 2013 wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Beklagte.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 92,70 EUR festgesetzt.
I.
Der Beklagte veranlagte den Kläger mit Bescheid vom 31. März 2011 (Bescheidüberschrift: "Jahresgebührenbescheid für Abwasser/Fäkalien"; Bescheidnummer V...) zu Grundgebühren für die Entsorgung von Fäkalschlamm im Jahr 2010 in Höhe von 119,40 Euro (9,95 €/Monat). Der Kläger erhob Widerspruch, in dem er u. a. darauf hinwies, dass er keine Kleinkläranlage, sondern nur eine abflusslose Sammelgrube habe. Der Beklagte erließ hierauf unter dem 27. Juli 2011 einen neuen Gebührenbescheid, (Bescheidüberschrift: "Jahresgebührenbescheid für Abwasser/Fäkalien"; Bescheidnummer V...), in dem er den Kläger zu Grundgebühren für die Entsorgung von Fäkalwasser im Jahr 2010 in Höhe von 92,70 Euro (Januar bis Juni 2010: 9,95 €/Monat; Juli bis Dezember 2010: 5,50 €/Monat) heranzog. Diesen Bescheid versah er mit der Rechtsbehelfsbelehrung "Widerspruch" und sandte ihn dem Kläger nach eigenem Bekunden mit einfacher Post zu. Unter dem Datum des nächsten Tages erließ der Beklagte weiter einen "Abhilfebescheid", mit dem er den ersten Gebührenbescheid aufhob und dem er einen Abdruck des ersten Gebührenbescheides beifügte, der um den Aufdruck "Storno" ergänzt war. Den "Abhilfebescheid" versah der Beklagte mit der Rechtsbehelfsbelehrung "Klage" und ließ ihn mit Postzustellungsurkunde zustellen (Zugang danach: 29. Juli 2011).
Auf die am 16. August 2011 vom Kläger erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 14. November 2013 den (neuen) Gebührenbescheid vom 27. Juli 2011 aufgehoben. Das Urteil ist dem Beklagten am 9. Dezember 2013 zugegangen. Er hat am 8. Januar 2014 die Zulassung der Berufung beantragt und seinen Zulassungsantrag erstmals am 3. Februar 2014 begründet.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen (§ 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO). Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Danach ist die Berufung hier nicht zuzulassen.
1. Die Darlegungen des Beklagten wecken keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Beklagte hat keinen tragenden Rechtssatz und auch keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Urteils schlüssig angegriffen.
a) Entgegen der Auffassung des Zulassungsantrages hat der Kläger bei verständiger Würdigung seines Begehrens (§ 88 VwGO) auch gegen den neuen Gebührenbescheid vom 27. Juli 2011 Klage erhoben: Er hat diesen Bescheid in seiner Klageschrift als nicht rechtmäßig bezeichnet und ihn in Kopie beigefügt.
b) Entgegen der Auffassung des Zulassungsantrages ist die Klage gegen den neuen Gebührenbescheid vom 27. Juli 2011 nicht wegen der fehlenden Durchführung des Widerspruchsverfahrens (§ 68 VwGO) unzulässig. Soweit der Beklagte sich hierauf beruft, verstößt dies gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Zwar hat der Beklagte den neuen Gebührenbescheid mit der Rechtsbehelfsbelehrung "Widerspruch" und nicht mit der Rechtsbehelfsbelehrung "Klage" versehen. Unbeschadet dessen hat er vorliegend aber in einer Weise gehandelt, die aus Bürgersicht hochgradig verwirrend war und den Kläger geradezu dazu verleiten musste, gegen den neuen Bescheid sogleich Klage zu erheben: Der neue Gebührenbescheid und der Abhilfebescheid mit der Aufhebung des alten Gebührenbescheides sind - erstens - in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang ergangen. Aus der Sicht des Klägers ging es - zweitens - ohnehin um ein und dieselbe Sache, nämlich eine überhöhte Grundgebührenerhebung in Bezug auf seine Sammelgrube, an der sich durch den neuen Gebührenbescheid (ungeachtet der nunmehr richtigen Einordnung der Anlage auf seinem Grundstück) zumindest für die Monate Januar bis Juni 2010 wegen der unveränderten Grundgebührenhöhe (9,50 €/Monat) nichts geändert hatte. Der Beklagte hat schließlich - drittens - den Abhilfebescheid, mit dem er den alten Gebührenbescheid aufgehoben hat, mit der Rechtsbehelfsbelehrung Klage versehen und ihn zudem noch förmlich zugestellt. Das musste beim Kläger den Eindruck erwecken, nunmehr Klage erheben zu können; weil ihm indessen eine Klage allein gegen die Aufhebung des alten Abhilfebescheides erkennbar unsinnig erscheinen musste, konnte er dies nur so verstehen, dass er sich zumindest auch oder sogar nur gegen den neuen Gebührenbescheid gleich gerichtlich wehren konnte.
c) Entgegen der Auffassung des Zulassungsantrages hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass die Schmutzwassergebührensatzung vom 25. September 2007 (im Folgenden: SGS 2007) auch in der Fassung der auf den 1. Juli 2010 zurückwirkenden ersten Änderungssatzung vom 20. August 2010 (im Folgenden: SGS 2007 n. F.) keine tragfähige Rechtsgrundlage für den neuen Gebührenbescheid vom 27. Juli 2011 bildet. Die in der Satzung für das Veranlagungsjahr 2010 geregelten Gebührensätze für die Schmutzwasserentsorgung aus abflusslosen Sammelgruben - nur um diese geht es vorliegend - sind auch in Ansehung der Kalkulation vom 14. Juni 2010 unplausibel. Die Urfassung der Satzung hat für die Schmutzwasserentsorgung aus abflusslosen Sammelgruben eine Grundgebühr geregelt, die nach der Nenngröße des Frischwasserzählers bemessen wurde, wobei auf die (kleinste) Nenngröße Qn 2,5 eine Grundgebühr von 9,50 €/Monat entfiel (§ 2 Abs. 2 SGS 2007 a. F.); die Mengengebühr betrug für die Entsorgung aus abflusslosen Sammelgruben 6,90 €/m³ (§ 4 Abs. 2 SGS 2007 a. F.). Diese Gebührensätze sind ausweislich der Kalkulation vom 14. Juni 2010 für die Kalkulationsperiode 2010/2011 zusammen überhöht gewesen; nach der Kalkulation sollte bei unveränderten Grundgebühren nur eine Mengengebühr von 4,32 €/m³ (statt 6,90 €/m³) zulässig sein (Kalkulation, S. 41, 42). Ausgehend von einer (politischen) Vorgabe zur Absenkung der Grundgebühr auf 5,50 €/Monat für den kleinsten Zähler wird in der Kalkulation weiter ausgeführt (S. 43), dass bei dieser Absenkung eine Mengengebühr von 7,06 €/Monat zulässig sei. Unter anderem dieses Kalkulationsergebnis hat der Satzungsgeber ersichtlich mit der am 11. August 2010 beschlossenen 1. Änderungssatzung zur Schmutzwassergebührensatzung 2007 umgesetzt, durch die die Grundgebühren für die Entsorgung abflussloser Sammelgruben abgesenkt worden sind (so etwa auf 5,50 €/Monat für den kleinsten Zähler; § 2 Abs. 2 Satz 4 SGS 2007 n. F.), während der Mengengebührensatz auf 7,06 €/Monat gestiegen ist (§ 4 Abs. 2 SGS 2007 n. F.). Indessen sind die entsprechenden Änderungen erst zum 1. Juli 2010 erfolgt (§ 2 der 1. Änderungssatzung). Für die Plausibilität der bis dahin weiter geltenden alten Grund- und Mengengebührensätze gibt die Kalkulation nichts her. Überhöhte Gebührensätze im ersten Halbjahr der insgesamt zweijährigen Kalkulationsperiode machen indessen die Kalkulation der Sätze für die gesamte Kalkulationsperiode unplausibel; der Beklagte darf nicht für eine Kalkulationsperiode 2010/2011 kalkulieren, das Ergebnis aber nur für einen Teil dieser Periode satzungsmäßig umsetzen (vgl. hierzu auch die Empfehlung auf S. 46 der Kalkulation: Rückwirkung auf den 1. Januar 2010).
2. Die Rechtsache weist mit Blick auf das Vorstehende auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO); vielmehr lassen sich die vom Beklagten angesprochenen Fragen - wie geschehen - ohne weiteres im Zulassungsverfahren beantworten.
3. Aus den Darlegungen des Beklagten ergibt sich schließlich nicht, dass ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Es ist schon nicht klar, ob das Verwaltungsgericht S. 43 der Kalkulation überhaupt aktenwidrig erfasst, nämlich nicht zur Kenntnis genommen hat; unbeschadet dessen kann das Urteil darauf im Ergebnis nicht beruhen, weil die Gebührensätze für die Entsorgung aus abflusslosen Sammelgruben auch danach nicht plausibel sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).