Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat | Entscheidungsdatum | 04.12.2012 | |
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Aktenzeichen | OVG 11 S 59.12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 53 Nr 2 AufenthG, § 56 Abs 1 AufenthG, Art 13 EWGAssRBes 1/80, Art 14 EWGAssRBes 1/80, Art 9 Abs 1 EWGRL 221/64, Art 267 AEUV, § 80b VwGO |
Der Antrag auf Fortdauer der aufschiebenden Wirkung des Antrags auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Februar 2012 wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
I.
Der 1985 in Deutschland geborene und aufgewachsene türkische Antragsteller, dem Anfang 2002 eine - als Niederlassungserlaubnis fortgeltende - unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt worden war, ist durch Bescheid des Antragsgegners vom 25. Februar 2011 unter Anordnung seiner Abschiebung unmittelbar aus der (noch andauernden) Strafhaft gemäß §§ 53 Nr. 2 und 56 Abs. 1 AufenthG ausgewiesen worden. Zur Begründung wurde auf diverse rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen verwiesen, zuletzt durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. August 2007 - (506) 2 Op Js 285/07 KLs (21/07) - in der Fassung des Beschlusses des BGH vom 4. März 2008 - 5 StR 33/08 - wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Btm) in Tateinheit mit dem Versuch der unerlaubten Abgabe von Btm als Person über 21 Jahre an eine solche unter 18 Jahren zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten. Zwar sei er als faktischer Inländer anzusehen, gleichwohl sei seine Ausweisung angesichts des Handels mit Drogen in erheblichem Umfang sowohl aus spezial- als auch aus generalpräventiven Gründen notwendig und als nicht unverhältnismäßiger Eingriff mit Art. 8 EMRK und Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar. Dabei sei zu berücksichtigen, dass er bisher kaum Integrationsleistungen erbracht habe, die deutsche Sprache nur schlecht beherrsche sowie weder beruflich und wirtschaftlich noch familiär hier verwurzelt sei und sich in die in der Türkei herrschenden Lebensverhältnisse voraussichtlich integrieren könne. Da von ihm weiterhin erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit im Sinne des Art. 14 des Assoziationsratsbeschlusses EWG/Türkei Nr. 1/80 (ARB 1/80) ausgingen, stehe der (unterstellte) Schutz nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 dem nicht entgegen.
Die hiergegen erhobene Klage (VG 19 K 67.11) hat das Verwaltungsgericht Berlin durch Urteil vom 24. Februar 2012 im Wesentlichen mit folgender Begründung zurückgewiesen:
Die Ausweisung des Antragstellers gemäß §§ 53 Nr. 2 und 56 Abs. 1 AufenthG sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die hierfür erforderlichen schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung lägen vor. Von der gesetzlich angeordneten Regelfolge der Ausweisung abzuweichen, bestehe angesichts seiner letzten gewichtigen Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Btm-Handels, die sich als vorläufiger Schlusspunkt einer langen Kette sich in ihrer Intensität steigernder Straftaten darstelle und auch durch zahlreiche Erziehungs- und Beeinflussungsversuche nicht habe durchbrochen werden können, keine Veranlassung. Auch Art. 8 EMRK gebiete vor dem Hintergrund, dass seine Verwurzelung hier sich lediglich durch die Dauer seines Aufenthalts definiere und besonders schützenswerte Beziehungen zu seiner Kernfamilie oder besondere wirtschaftliche, berufliche oder kulturelle Bindungen ans Bundesgebiet nicht existierten, keine andere Beurteilung.
Seine Ausweisung verstoße wegen der von ihm ausgehenden gegenwärtigen, hinreichend schweren Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unter Berücksichtigung seiner hiesigen Aufenthaltsdauer, seines Alters und der Folgen für ihn und seine Familienangehörigen sowie seiner Bindungen nicht gegen Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80. Angesichts der auch nach seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung festzustellenden Kombination aus fehlender Schul- und Berufsausbildung, Unfähigkeit eigener Lebensunterhaltssicherung und der nach wie vor jedenfalls nicht vollständig bewältigten und - mit Blick auf den dargelegten langjährigen Konsum harter Drogen - auch nicht endgültig bewältigbaren Drogensucht seien von ihm weitere schwerwiegende Straftaten zu erwarten.
Das in Art. 9 Abs. 1 RiL 64/221/EWG enthaltene sogen. Vier-Augen-Prinzip (Erfordernis der Durchführung eines behördlichen Widerspruchsverfahrens) gelte, wie auch der VGH Mannheim in seinem Urteil vom 10. Februar 2012 zu 11 S 1361/11 jüngst entschieden habe, nach Außerkraftsetzung der Richtlinie durch Art. 38 Abs. 2 RiL 2004/38/EG zum 30. April 2006 nicht mehr. Von einer Fortdauer im Hinblick auf die Stand-Still-Klauseln u.a. in Art. 13 ARB 1/80 sei nicht auszugehen. Zum einen binde diese Vorschrift nur die Mitgliedsstaaten der EU, nicht aber die EU selbst, der die Abschaffung des Art. 9 Abs. 1 RiL 64/221/EWG zuzurechnen sei. Zum anderen stelle sich diese Aufhebung auch nicht als „neue Beschränkung“ im Sinne des Art. 13 ARB 1/80 dar. Eine inhaltliche Verbesserung des Aufenthaltsrechts bzw. ein materiell-rechtlicher Vorteil sei mit einem zusätzlichen Widerspruchsverfahren nämlich nicht verbunden gewesen. Auch habe sich die Rechtsposition des Klägers bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung angesichts der umfassenden gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle, insbesondere auch bezogen auf die Verhältnismäßigkeit, der schnelleren gerichtlichen Klärung und unter Umständen auch besserer Erfolgschancen bei nochmaliger behördlicher Vorprüfung nicht verschlechtert.
Selbst wenn man von einem atypischen Fall im Sinne des § 56 Abs.1 Satz 4 AufenthG ausgehe, sei die Ausweisungsentscheidung im Hinblick auf die zuletzt in der mündlichen Verhandlung zulässigerweise ergänzten (hilfsweisen) Ermessenserwägungen des Antragsgegners nicht zu beanstanden.
Gegen dieses am 19. März 2012 zugestellte Urteil hat der Antragsteller am 17. April 2012 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt (OVG 11 N 68.12) und diesen mit am 21. Mai 2012 - einem Montag - eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tage unter Berufung auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO begründet.
II.
Der vom Antragsteller am 10. September 2012 gestellte streitgegenständliche Antrag auf Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der im Berufungszulassungs-verfahren OVG 11 N 68.12 anhängigen Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. Februar 2012 ist gemäß § 80 b Abs. 2 und 3 VwGO zulässig. Denn auch im Falle der (hier) nicht angeordneten sofortigen Vollziehung der Ausweisung endet die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage - dies gilt ebenso für Verpflichtungsklagen, soweit, wie vorliegend, der vorläufige Rechtsschutz über § 80 Abs. 5 VwGO erfolgt (vgl. nur Kopp, VwGO, Kommentar, 18. Auflage, § 80b Rz. 5, 6) - gemäß § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO bei Abweisung der Klage im ersten Rechtszug drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels. Vorliegend hat der Antragsteller zulässigerweise - insbesondere auch rechtzeitig - Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil vom 24. Februar 2012 gestellt und diesen fristgerecht begründet.
Der Antrag ist gemäß § 80b Abs. 2 und 3 VwGO in Verbindung mit § 80 Abs. 5 VwGO jedoch unbegründet. Denn bereits bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten des Antrags auf Zulassung der Berufung kommt vorläufiger Rechtsschutz nicht in Betracht.
Der Antragsteller macht im Rahmen der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung für die Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bzw. der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und zudem auch mit dem vorliegenden Antrag nach § 80b Abs. 2 und 3 VwGO zunächst geltend, entgegen der verwaltungsgerichtlichen Annahme sei die Ausweisung im Bescheid vom 25. Februar 2011 wegen eines unheilbaren Verfahrensfehlers, nämlich der unterbliebenen Durchführung eines - mangels Dringlichkeit auch nicht entbehrlichen - Widerspruchsverfahrens, rechtswidrig. Die Notwendigkeit der Durchführung eines solchen Verfahrens (sogen. Vier-Augen-Prinzip) ergebe sich weiterhin aus Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG. Zwar sei diese Richtlinie durch Art. 38 Abs. 2 RiL 2004/38/EG zum 30. April 2006 zwischenzeitlich aufgehoben worden. Wegen der sogen. Stand-Still-Klausel in Art. 13 ARB 1/80 gelte diese Regelung für Ausweisungsentscheidungen assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger - dem Antragsteller stehe die Rechtsposition des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 nach seinem Vater zu - jedoch fort. Anders als der vom Verwaltungsgericht zitierte VGH Mannheim meine, liege eine Entscheidung des EuGH zu dieser (Rechts-)Frage auch mittelbar noch nicht vor. Dessen Urteil vom 8. Dezember 2011 - Rs. C-371/08 Ziebell/Örnek - habe lediglich die Übertragung des materiellen Ausweisungsschutzes gemäß Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der RiL 2004/38/EG für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige verneint. Vorsorglich beantrage man deshalb insoweit die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art. 267 AEUV.
Dieses Vorbringen vermag Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Antragstellers bzw. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils oder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht zu begründen. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat die genannte (Rechts-)Frage inzwischen durch Urteil vom 10. Juli 2012 zum Geschäftszeichen BVerwG 1 C 19.11 (juris Rz. 23) höchstrichterlich dahingehend entschieden, dass das „in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene Vier-Augen-Prinzip … auf Ausweisungen assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger, die nach Aufhebung der Richtlinie zum 30. April 2006 erlassen wurden, nicht aufgrund der Stand-Still-Klauseln in Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 ZP anzuwenden“ ist (vgl. auch Leitsatz 1 dieses Urteils). Begründet hat es das u.a. wie folgt (juris Rz. 25):
Gegen die Auffassung des Klägers spricht bereits, dass Art. 13 ARB 1/80 seinem Wortlaut nach nur die Mitgliedstaaten, nicht aber die Europäische Union verpflichtet. … Des Weiteren erscheint fraglich, ob die auf den Zugang zum Arbeits- bzw. Binnenmarkt zugeschnittenen Stand-Still-Klauseln überhaupt Verfahrensregelungen bei der Aufenthaltsbeendigung erfassen (vgl. Urteil vom 30. April 2009 - BVerwG 1 C 6.08 - BVerwGE 134, 27 Rn. 20 zu den gesetzlichen Erlöschenstatbeständen für Aufenthaltstitel) und ob die Aufhebung des "Vier-Augen-Prinzips" mit Blick auf die gerichtliche Überprüfbarkeit nach Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG eine merkliche Verschlechterung der Rechtsposition darstellt. Das kann aber dahinstehen, da die weitere Anwendung des Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige selbst bei Annahme einer rechtserheblichen Verschlechterung gegen Art. 59 ZP verstoßen würde. Nach dieser Vorschrift darf der Türkei in den von diesem Protokoll erfassten Bereichen keine günstigere Behandlung gewährt werden als diejenige, die sich die Mitgliedstaaten untereinander aufgrund des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft einräumen. Das wäre aber bei weiterer Anwendung des "Vier-Augen-Prinzips" im Vergleich zu den Verfahrensrechten von Unionsbürgern aus Art. 31 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2004/38/EG - wie oben dargelegt - der Fall.
Dem kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, das Bundesverwaltungsgericht sei zu einer höchstrichterlichen Klärung insoweit nicht befugt, diese Kompetenz stehe vielmehr allein dem EuGH zu, der hierüber aber noch nicht entschieden habe. Im Hauptsacheverfahren bedürfe es - so der Antragsteller weiter - deshalb der Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art 267 AEUV. Insofern ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es dessen in einem Eilverfahren grundsätzlich nicht bedarf (vgl. nur die Beschlüsse des Senats vom 30. Juni 2010 - OVG 11 S 28.10 -, juris Rz. 6 m.w.N. und vom 1. März 2012 - OVG 11 S 1.12 -, juris Rz. 17). Darüber hinaus bedarf es dessen auch in einem Hauptsacheverfahren dann nicht, wenn die aufgeworfene Frage bereits in der Rechtsprechung des EuGH geklärt ist oder die richtige Auslegung derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (Kotzur in: Geiger u.a., EUV/AEUV, Kommentar, 5. Auflage, Art. 267 AEUV, Rz. 19). Diese Auffassung vertritt für die Frage der Weitergeltung des Vier-Augen-Prinzips aufgrund der Stand-Still-Klauseln ausweislich des genannten Urteils vom 10. Juli 2012 ersichtlich auch das Bundesverwaltungsgericht. Sie entspricht darüber hinaus den Urteilen des Bayer. VGH vom 17. Juli 2012 zu 19 B 12.417 (juris Leitsatz 1) und des - ausdrücklich auf die Entscheidung des EuGH vom 8. Dezember 2011 in der Rs. C-371/08 Ziebell/Örnek Bezug nehmenden - VGH Baden-Württemberg vom 10. Februar 2012 zu 11 S 1361/11 (juris Rz. 35).
Nachdem das Bundesverwaltungsgericht die genannte (Rechts-)Frage nunmehr ausdrücklich entschieden hat, hält der Senat an seiner im Verfahren OVG 11 S 35.12 durch Beschluss vom 4. September 2012 vertretenen Auffassung, es bestehe angesichts der noch ausstehenden höchstrichterlichen Entscheidung ein zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes führender Klärungsbedarf, nicht mehr fest (vgl. auch den Änderungsbeschluss des Senats im Verfahren OVG 11 S 63.12).
Im Rahmen der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung macht der Antragsteller darüber hinaus geltend, der Antragsgegner und auch das Verwaltungsgericht hätten die für eine zutreffende Ermessensentscheidung tragenden tatsächlichen Umstände verkannt, wenn sie die Türkei als sogen. „Herkunftsland“ oder „Heimatstaat“ bezeichneten und ihm eine „Wiedereingewöhnung in die Lebensverhältnisse in der Türkei“ abverlangten.
Dieser Vorwurf ist bezogen auf das verwaltungsgerichtliche Urteil schon unzutreffend, da dort eine entsprechende Begrifflichkeit nicht verwendet wird. Auch gibt es angesichts seiner Ausführungen sowohl eingangs des Tatbestandes („Der am 1. September 1985 in Berlin geborene Kläger …“) als auch in den Entscheidungsgründen (S. 8 eingangs Absatz 2: „als im Bundesgebiet geborener …“) keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es insoweit von unzutreffenden tatsächlichen Verhältnissen ausgeht. Auch bezogen auf den Ausweisungsbescheid des Antragsgegners ist hiervon nicht auszugehen. Denn auch dort (S. 3 Absatz 7) wird ausgeführt: „Bei der Beurteilung Ihrer aufenthaltsrechtlichen Stellung ist zunächst festzustellen, dass Sie in Berlin geboren und aufgewachsen sind.“ Soweit im Bescheid (S. 7) antragstellerbezogen die o.g. Begrifflichkeit verwendet wird, ist dies zwar verfehlt und dürfte der dortigen Verwendung vorgefertigter Bausteine geschuldet sein. Erheblich wäre eine derartige Fehlbezeichnung jedoch allenfalls dann, wenn der Antragsgegner im Rahmen seiner Prüfung von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wäre. Dafür jedoch sind hinreichende Anhaltspunkte nicht dargelegt.
Ferner macht der Antragsteller zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung geltend, das verwaltungsgerichtliche Urteil gehe zu Unrecht vom Vorliegen des Tatbestandes der Regelausweisung nach §§ 53 Nr. 2 und 56 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG aus, ohne die für seinen Fall bedeutsamen Besonderheiten zu berücksichtigen. Dies gelte insbesondere für Art und Schwere der von ihm begangenen Straftaten und die negative Prognose der Begehung weiterer Straftaten mit weiter steigender Intensität. Denn bei den Straftaten vor seiner letzten Verurteilung vom 27. August 2007 sei durchweg noch Jugendstrafrecht zur Anwendung gekommen, so dass von Jugendverfehlungen auszugehen sei. Auch die zuletzt nach Erwachsenenstrafrecht abgeurteilte Straftat datiere vom Februar 2007 und liege deshalb inzwischen mehr als fünf Jahre zurück. Zudem gelte für sogen. Erstverbüßer die grundsätzliche Vermutung, dass der erste Freiheitsentzug den Verurteilten ausreichend beeindruckt und in Zukunft von weiteren Straftaten abhält. Angesichts dessen und seines noch jungen Alters bzw. fehlender Verselbstständigung nebst Gründung einer eigenen Familie - nunmehr wolle er sich dem in Berlin zukunftsträchtigen Bereich der Gastronomie zuwenden - sei von einem Einstellungswandel und einer Verhaltensumkehr auszugehen. Dass er sich - mit Ausnahme des Zeitraums von Oktober 2008 bis Mai 2010, in dem er sich durch Entweichen der weiteren Strafvollstreckung entzogen, jedoch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten sei - in Haft befunden und deshalb keine ausreichende Gelegenheit zur Normübertretung gehabt habe, könne dem nicht entgegengehalten werden. Denn dann würde es an der die Ausweisung rechtfertigenden „europarechtlich gegenwärtig verlangten Gefahr“ fehlen, solange er sich in Haft befinde. Auch gehe der Antragsgegner davon aus, Haschisch und Marihuana seien „für viele Menschen Einstieg und Ausgangspunkt für einen regelmäßigen Drogenkonsum und die spätere Drogenabhängigkeit“, was anschließend dahingehend ergänzt werde, dadurch entstünden für den meist jugendlichen Verbraucher Gefahr für Leib und Leben. Das aber sei nicht richtig bzw. eine „polemische Dramatisierung“, wie auch diverse pharmakologische und psychosoziale Studien bzw. Forschungsliteratur belegten.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils werden durch dieses Vorbringen nicht begründet dargelegt. Die Annahme des Antragstellers, hierin würden die in seinem Fall vorliegenden Besonderheiten nicht, nicht ausreichend oder unzutreffend berücksichtigt, lässt einen derartigen Schluss nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat seine Prognose, aufgrund seiner beruflichen, wirtschaftlichen und persönlichen Situation drohe nach seiner Haftentlassung die Fortsetzung seiner strafrechtlichen Verfehlungen mit weiter steigender Intensität, damit begründet, die Ursachen für seine sich in ihrer Intensität steigernden und bedenkenloser werdenden strafrechtlichen Verwicklungen seien nach wie vor nicht behoben. Nach dem Ergebnis seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung sei dies die Kombination aus fehlender Schulbildung und Berufsausbildung sowie damit einhergehender mangelnder Fähigkeit, seinen Lebensunterhalt und ein Minimum an Lebenskomfort selbst zu sichern, und der weiterhin jedenfalls nicht vollständig bewältigten - angesichts des eingeräumten langjährigen Konsums harter Drogen auch nicht endgültig bewältigbaren - Drogensucht zu sehen.
Dass diese verwaltungsgerichtliche Einschätzung im Wesentlichen verfehlt ist, belegt das genannte Vorbringen des Antragstellers nicht. Die Anwendung von Jugendstrafrecht auf die Straftaten bis zur letzten Verurteilung nach dem Erwachsenenstrafrecht zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Btm und deren versuchter Abgabe an Personen unter 18 Jahren stellt die Progose nicht in Frage. Nichts anderes gilt für den Hinweis des Antragstellers, für sogen. Erstverbüßer gelte grundsätzlich die Vermutung, dass der erste Freiheitsentzug den Verurteilten ausreichend beeindruckt und in Zukunft von weiteren Straftaten abhält. Auch dies ist jedenfalls in dieser Pauschalität kaum haltbar. Maßgeblich ist vielmehr die Würdigung der Persönlichkeit des Betreffenden im Einzelfall insbesondere unter Berücksichtigung der Umstände, die zur wiederholten Straffälligkeit geführt haben und deren Fortbestehen oder Wegfall. Hierauf jedoch hat das Verwaltungsgericht bei seiner negativen Prognose nachvollziehbar abgestellt.
Konkrete Anhaltspunkte für den behaupteten Einstellungswandel bzw. eine Verhaltensumkehr sind auch mit dem Hinweis des Antragstellers auf sein noch recht junges Alter und die fehlende familiäre Verselbstständigung bzw. sein Interesse „in Richtung Kochen und Gastronomie“, was in Berlin Zukunft habe, nicht dargelegt. Dass allein der Zeitablauf von fünf Jahren seit Begehung seiner letzten Straftaten dies zu belegen vermag, ist nicht ersichtlich, zumal er in dieser Zeit überwiegend in Strafhaft gesessen hat und auch die Zeit vom Oktober 2008 bis Mai 2010, in der er sich der weiteren Strafvollstreckung durch „Entweichen“ entzogen hatte, wenig geeignet erscheint, Rückschlüsse auf ein künftiges straffreies Verhalten des Antragstellers zuzulassen. Soweit er meint, der Umstand, dass er während seiner Inhaftierung keine ausreichende Gelegenheit zur Übertretung strafrechtlich bedeutsamer Normen gehabt habe, müsse außer Acht bleiben, weil es ansonsten an der „europarechtlich verlangten gegenwärtigen Gefahr“ fehlen würde, verkennt er, dass bei der erforderlichen Prognose hinsichtlich der Begehung weiterer Straftaten zumindest auch auf die Zeit nach seiner Haftentlassung ist abzustellen. Ob dies eine gegenwärtige Gefahr dann auszuschließen vermag, wenn dieser Zeitpunkt voraussichtlich erst in ferner Zukunft liegt, mag dahinstehen. Denn der Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, er habe jetzt noch eine Strafe von zehn Monaten zu verbüßen, werde versuchen, einen Teilstraferlass zu erhalten und hoffe jedenfalls im Rahmen der Weihnachtsamnestie im Oktober dieses Jahres freizukommen.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils werden auch nicht dadurch begründet, dass der Antragsteller ausführt, der Antragsgegner unterstelle dramatisierend und zu Unrecht, Haschisch und Marihuana seien „für viele Menschen Einstieg und Ausgangspunkt für einen regelmäßigen Drogenkonsum und die spätere Drogenabhängigkeit“ und hierdurch entstünden für den meist jugendlichen Verbraucher Gefahren für Leib und Leben. Dass in den sodann zitierten pharmakologischen und psychosozialen Studien bzw. der entsprechenden Forschungsliteratur dazu u.a. ausgeführt wird, die akute Toxität von Cannabis sei gering und tödliche Überdosierungen nicht bekannt, der Konsum führe keineswegs zwangsläufig zur psychischen Abhängigkeit, nur ein kleiner Teil der Konsumenten probiere später Opiate oder werde gar davon abhängig, stellt die o.g. Feststellungen bezüglich Haschisch und Marihuana als Einstiegsdroge ebenso wenig in Frage wie die Gefahren eventueller späterer Abhängigkeit von anderen Drogen nach dem Wechsel auf diese. Auch der Antragsteller selbst hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, es zuerst mit Marihuana versucht zu haben, wobei er auch erst ein gutes Gefühl gehabt habe. Danach sei es dann immer mehr geworden. Später habe er sich auf „Koks“ eingestellt, so zwei- bis dreimal in der Woche.
Ferner macht der Antragsteller mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung geltend, das Verwaltungsgericht unterstelle nicht nachvollziehbar seine fortbestehende und nicht zu bewältigende Drogensucht, insoweit fehlten „valide Angaben“ zu seinem Drogenkonsum in der Vergangenheit, die eine nicht zu bewältigende Drogenabhängigkeit indizieren würden, z.B. stehe nicht fest, ab wann er auch Kokain genommen habe. Auch das Landgericht habe im November 2011 eine Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtmG mangels ersichtlicher Betäubungsmittelabhängigkeit abgelehnt.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils werden auch hierdurch nicht dargelegt. Dort ist lediglich von einer nicht vollständig bewältigten und - mit Blick auf den eingeräumten Konsum harter Drogen - auch nicht endgültig bewältigbaren Drogensucht die Rede. Vor dem Hintergrund des in der mündlichen Verhandlung eingeräumten regelmäßigen Konsums von Kokain und des vom Antragsteller offensichtlich nicht lange vor der mündlichen Verhandlung selbst gestellten Antrags gemäß § 35 BtmG - nach dessen Absatz 1 solle eine bestehende Drogenabhängigkeit behoben oder einer erneuten Abhängigkeit entgegengewirkt werden - erscheint diese Annahme nicht verfehlt. Die ausschließlich auf die - einen Kokainkonsum des Antragstellers nicht erfassenden - Feststellungen im Strafurteil gestützte Annahme der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts, wonach die abgeurteilte Tat nicht aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden sei, ändert daran nichts.
Soweit sich der Antragsteller zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung darauf beruft, die Rechtssache weise besondere Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, zumindest seien die Erfolgsaussichten als offen anzusehen, insoweit werde zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Darlegungen zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verwiesen, muss sein Vorbringen ebenfalls erfolglos bleiben. Denn nach den obigen Ausführungen begründet dieses Vorbringen weder Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils noch erscheint auf seiner Grundlage der Ausgang des Rechtsstreits wegen im Zulassungsverfahren nicht zu klärender Zweifel zumindest offen.
Auch das Vorbringen zum Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vermag vorliegend keine Erfolgsaussichten der Klage zu begründen. Denn der Antragsteller macht diesbezüglich nur geltend, die grundsätzliche Bedeutung ergebe sich aus der ungeklärten Rechtsfrage, ob das Vier-Augen-Prinzip insbesondere im Hinblick auf die Stand-Still-Klausel in Art. 13 ARB 1/ 80 weiterhin anwendbar sei. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen hierzu und insbesondere das zwischenzeitliche Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juli 2012 verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über den Wert des Verfahrensgegenstandes beruht auf §§ 52 Abs. 2 und 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3).