Die Klägerin begehrt die Weitergewährung einer zum 31. Juli 2004 entzogenen Verletztenrente.
Die 1953 geborene Klägerin erlitt bei ihrer Tätigkeit als Sportlehrerin am 18. Januar 1996 einen Unfall, als sie sich beim Überspringen eines Bockes das rechte Kniegelenk verletzte. Der von der Beklagten gehörte Prof. Dr. H kam mit Gutachten vom 03. Februar 1998 zu dem Ergebnis, dass eine richtunggebende Verschlimmerung einer im Jahre 1972 während des Studiums erlittenen Distorsionsverletzung des rechten Kniegelenkes mit nachfolgender Entfernung des Innenmeniskus vorliege, die mit einer Minderung einer Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H. zu bewerten sei. Bei dem Ereignis vom 18. Januar 1996 sei es mit größter Wahrscheinlichkeit zu einer gewaltsamen Verdrehung des rechten Kniegelenkes bei fixiertem Fuß bzw. Unterschenkel und zu einer zusätzlichen Zerstörung der noch vorhandenen Reste des Innenmeniskus-Hinterhorns gekommen, die schließlich durch die Arthroskopie vom 30. Juli 1996 zu einem Zustand nach jetzt vollständig entferntem Innenmeniskus geführt hätten. Es bestünden nunmehr eine schmerzhafte Belastungsminderung des rechten Kniegelenkes bei deutlicher, muskulär nicht vollständig kompensierbarer anteromedialer Kniegelenksinstabilität, ein mittelgradiger Knorpelschaden des medialen Kniegelenksraumes sowie vermehrte intraartikuläre Kalksalzablagerungen im rechten Kniegelenk bei Zustand nach operativer Entfernung des Innenmeniskus.
Mit Bescheid vom 07. Dezember 1998 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Rente nach einer MdE von 20 v. H. Als Unfallfolgen erkannte sie an: Endgradige Bewegungseinschränkung im rechten Kniegelenk bei muskulär nicht vollständig kompensierbarer Knieinstabilität, verminderte Belastbarkeit des rechten Kniegelenkes sowie reizlose Narbenbildung im Bereich des rechten Kniegelenkes nach unter arthroskopischer Sicht behobener Rissbildung noch vorhandener Reste des Innenmeniskus-Hinterhornes und fraglichem Abriss des vorderen Kreuzbandes im rechten Kniegelenk.
Die MdE von 20 v. H. wurde in der Folgezeit durch Prof. Dr. H mit weiteren, im Rahmen der Rentennachprüfung erstellten Gutachten vom 01. Februar 2000 und vom 2. Oktober 2001 bestätigt. Am 10. Januar 2002 erhielt die Klägerin im M-Krankenhaus eine osteoligamentäre vordere Kreuzbandersatzplastik mit Patellarsehnentransplantat und arthroskopischer Knorpelglättung des rechten Kniegelenkes. Mit Gutachten aufgrund einer am 05. August 2002 durchgeführten Untersuchung ( bestätigte Prof. Dr. H erneut die MdE von 20 v. H. und teilte mit, dass der Verlauf von 12 bis 18 Monaten nach der Kreuzbandoperation, das heiße eines weiteren Jahres abgewartet werden müsse, sodann sei eine Besserung der Erwerbsfähigkeit zu erwarten.
Mit Gutachten vom 24. Mai 2004 kamen Prof. Dr. H/Dr. J sodann zu dem Ergebnis, dass die MdE nunmehr 10 v. H. betrage. Eine Besserung sei insofern eingetreten, als sich objektiv eine Stabilitätsbesserung und subjektiv diskret eine Abnahme der Schwellsymptomatik gezeigt hätten. Eine Instabilität bzw. Insuffizienz des vorderen Kreuzbandes sei im Gegensatz zum Vorgutachten nach Kreuzbandersatzplastik nicht mehr nachweisbar. Die Oberschenkelmuskulatur sei nicht verschmächtigt, eine Minderung der groben Kraft bestehe nicht.
Nach Anhörung teilte die Beklagte der Klägerin daraufhin durch Bescheid vom 06. Juli 2004 mit, dass eine MdE in rentenberechtigendem Grade nicht mehr vorliege und die Rente daher ab 31. Juli 2004 entzogen werde. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2005 zurück.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht Berlin ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. W vom 23. November 2005 eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin ein leichtes Wackelknie bestünde, das mit einer MdE von 10 v. H. zu bewerten sei. Betrachte man die rein funktionellen Ergebnisse, so lasse sich an der Einstufung der Vorgutachter kein Zweifel erheben. Die Gesamtbeweglichkeit sei trotz leichter Differenzen zur nichtverletzten Seite als gut zu bezeichnen. Das geringe Beugedefizit spiele keine Rolle. Gleiches gelte für die nicht vorhandene Überstreckbarkeit. Die muskulären Zustände seien weiterhin als ausgeglichen einzustufen. Die Beweglichkeitsabläufe zeigten keine komplexen Störungen. Eine verminderte Belastbarkeit wäre allenfalls nachvollziehbar für maximale Belastungen wie das tiefe Abhocken oder das gehäufte Treppensteigen, dies allein rechtfertige aber keine höhere Einstufung, da dies nur spezifische Belastungsmomente betreffe.
Mit Urteil vom 17. August 2006 hat das Sozialgericht Berlin die Klage daraufhin unter Bezugnahme auf das Gutachten des Dr. W- abgewiesen.
Gegen dieses ihr am 30. August 2006 zugegangene Urteil richtet sich die am 26. September 2006 eingegangene Berufung der Klägerin.
Die Beklagte hat während des Berufungsverfahrens nach Einholung eines Gutachtens durch Prof. Dr. E vom 10. Januar 2007, der zu dem Ergebnis kam, dass die MdE weiterhin und auf Dauer auf 10 v. H. einzuschätzen sei, einen Bescheid vom 03. Mai 2007 erlassen, mit dem sie ausführte, dass wegen der Folgen des Arbeitsunfalls weiterhin kein Anspruch auf Rente bestehe.
Die Klägerin trägt vor, dass eine Besserung ihrer Kniegelenksbeschwerden nicht eingetreten sei. Sie leide unter Patella-Beschwerden, schwerstgradigen Knorpelschäden und einer Kniegelenksarthrose, letztere seien zu Unrecht nicht in die Bewertung der MdE eingeflossen. Sie befinde sich auch in regelmäßiger physiotherapeutischer Behandlung.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. August 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 06. Juli 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2005 sowie den Bescheid vom 03. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von mindestens 20 v. H. über den 31. Juli 2004 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die Ausführungen des vom Gericht gehörten Gutachters Dr. W-sowie des von ihr gehörten Prof. Dr. E, die eine gute Stabilität des Kniegelenkes bestätigt hätten.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes zunächst auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Arztes für Orthopädie Prof. Dr. Z vom 17. Juli 2008 eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass am 31. Juli 2004 zwar bei der Klägerin bereits das Bild einer fortgeschrittenen Gonarthrose vorgelegen habe, hierzu zählten klinisch die von der Klägerin beschriebenen belastungsabhängigen Schmerzen und rezidivierende Gelenkergüsse. Es sei jedoch davon auszugehen, dass vorübergehend eine Besserung des Zustandes eingetreten gewesen sei; offenbar sei das Gelenk zum damaligen Zeitpunkt stabil gewesen, da zwischen dem 24. Mai 2004 und dem 17. Dezember 2007, dem Zeitpunkt seiner Untersuchung, keine Instabilität dokumentiert sei. Ab dem Zeitpunkt seiner Untersuchung bewerte er die MdE jedoch mit 20 v. H. Es fänden sich rezidivierende Gelenkergüsse, die Beweglichkeit sei schmerzbedingt eingeschränkt, es bestehe subjektiv ein deutliches Instabilitätsgefühl. Dem Gutachten des Dr. W- vom 23. November 2005 und der Dokumentation der Befunde des Prof. Dr. E vom 10. Januar 2007 schließe er sich im Wesentlichen an. Die Instabilität sei im Zeitpunkt dieser gutachtlichen Feststellungen allerdings noch muskulär kompensiert gewesen.
Das Gericht hat sodann ein weiteres Gutachten des Dr. W- vom 05. Mai 2009 eingeholt, der ausführte, dass für die Zeit ab 01. Juli 2004 folgende Veränderungen bestünden:
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- Posttraumatische Kniegelenksarthrose rechts, |
- erstgradige, vordere Kreuzbandinstabilität rechts, |
- erstgradige Auslockerung des medialen Kollateralbandes rechts, |
- Hypästhesie an den Operationsnarben des rechten Kniegelenkes, |
- Chondrokalzinose rechtes Kniegelenk, |
- Gonarthrose links. |
Eine wesentliche Änderung, vor allem seit der Festlegung des MdE-Grades auf 10 v. H. im Jahre 2004 lasse sich nicht objektivieren. Die posttraumatische Arthrose und die erstgradige Instabilität des vorderen Kreuzbandes einschließlich des Seitenbandes seien Folgen des Unfalls von 1996. Nach 2004 hätten sich am rechten Kniegelenk keine Unfallfolgen messbar weiterentwickelt. Unstrittig wirkten im Übrigen auch schicksalhafte Einflüsse auf den voranschreitenden Degenerationsprozess beider Kniegelenke ein, was sich z. B. durch die unfallbedingten Chondrokalzinosen des rechten Kniegelenkes und den Befall der nicht verletzten linken Seite zeigte. Prof. Dr. Z könne nicht gefolgt werden. Es bestünden Diskrepanzen innerhalb des eigentlichen Gutachtens; so sei im Untersuchungsprotokoll ein stabiler Seitenbandapparat beschrieben und in einer späteren epikritischen Diskussion eine leichte mediale Instabilität genannt worden. Aus welchem Befund sich eine leichtgradige Synovitis bei normal temperiertem und ergussfreien Kniegelenk ergeben habe, erschließe sich aus den Beschreibungen nicht. Auch verweise Prof. Dr. Z bei der Bewertung der Untersuchungsergebnisse von Prof. Dr. E aus 2006/2007 darauf, dass er keine abweichenden Befunde gefunden habe. Dies widerspreche jedoch seinen vorherigen Ausführungen, dass nunmehr eine deutliche Auslockerung des vorderen Kreuzbandes erkennbar gewesen sei. Darüber hinaus beschreibe er eine ungenügende muskuläre Kompensation, dokumentiere jedoch in seinem Messbogen seitengleiche Umfänge.
Grenze man zunächst diese diskrepanten Beschreibungen der Kreuzbandsituation aus, so lasse sich letztlich allenfalls ein marginaler Unterschied erkennen. Prof. Dr. Z begründe seine Anhebung mit einer zunehmenden Auslockerung des Bandapparates im Zuge der mangelnden muskulären Kompensation und der voranschreitenden Arthrose. Untersuchungsparameter, welche die andauernde Instabilität der Kreuzbänder nach außen hin beweisen könnten (Muskelumfangsminderung, plantare Beschwielung, Hilfsmittelbedarf) hätten sich jedoch weder bei ihm noch in Verbindung mit der aktuellen Untersuchung gezeigt. Der beschriebene zunehmende Arthroseprozess bewirke für sich keinen eigenständigen MdE-Grad, relevant seien vielmehr die hierdurch hinterlassenen Funktionsstörungen. Objektive Indikatoren hierfür seien der Zustand der Weichteile, eine mögliche, regelmäßige Gelenkergussbildung und Überwärmung, Bewegungsdefizite, zunehmende Muskelminderung, gestörtes Gehverhalten mit sich reaktiv änderndem, plantaren Beschwielungsmuster. Die zunehmende Minderbelastbarkeit des Beines würde zudem auch eine Verminderung der Muskelumfänge nach sich ziehen. Betrachte man unter dieser Maßgabe den von Prof. Dr. Z beschriebenen Untersuchungsbefund, so sei bei weitestgehender Befundkonstanz gegenüber dem Zustand von 2004 weiterhin eine MdE von 10 v. H. gerechtfertigt. Es habe sich auch gegenüber Prof. Dr. Z weiterhin eine gute Gesamtbeweglichkeit von 130-5-0 Grad gezeigt. Die Muskelumfänge seien gleich. Es würden keine substantiellen Hilfsmittel verwendet. Die von ihm klinisch ermittelte vordere Schublade Grad II habe sich bis zum heutigen Tage offensichtlich nicht in einer Muskelminderung oder einem Bedarf an stabilisierenden Knieorthesen ausgewirkt. Insgesamt beschreibe damit der Untersuchungsbefund von Prof. Dr. Z im Dezember 2007 keinen zunehmend dekompensierten Zustand des betroffenen Gelenkes.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte der Beklagten.