Gericht | OLG Brandenburg 11. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 21.01.2010 | |
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Aktenzeichen | 11 Wx 91/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die weitere Beschwerde des Betroffenen wird unter Aufhebung des Beschlusses der … Zivilkammer des Landgerichts … vom …. September 2009 – Az.: … T …/09 - und des Beschlusses des Amtsgerichts … vom .... September 2009 – Az.: … Gs …/09 - der Antrag des Antragstellers vom …. August 2009, eine längerfristige Obervation des Betroffenen für die Dauer von zunächst 6 Monaten anzuordnen, auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
I.
Der Betroffene ist wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:
1.
Wegen Diebstahls wurde er vom Amtsgericht … am ….1969 verwarnt und mit einer richterlichen Weisung belegt.
2.
Wegen Notzucht und Diebstahls verurteilte ihn das Amtsgericht … am ….1972 zu einer 8-monatigen Jugendstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
3.
Unter Einbeziehung der vorgenannten Entscheidung wurde der Betroffene vom selben Gericht wegen Diebstahls am ….1972 zu einer Einheitsjugendstrafe von 9 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im Zusammenhang mit den unter 5. abgeurteilten Taten wurde die Strafaussetzung widerrufen. Der Betroffene hat die Strafe vollständig verbüßt.
4.
Am …. 1975 erkannte das Amtsgericht … wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis auf eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30,-DM.
5.
Das Landgericht … verurteilte den Betroffenen am ….1977 wegen Vergewaltigung in drei Fällen, versuchter Vergewaltigung in zwei Fällen und sexueller Nötigung zu 7 Jahren Gesamtfreiheitsstrafe.
6.
Als Freigänger beging der Betroffene am ….1981 die nächste Straftat. Das Landgericht … verurteilte ihn wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung, mit Nötigung sowie mit Raub zu 5 Jahren Freiheitsstrafe.
7.
Am ….1988 erging durch das Amtsgericht … wegen zwei sachlich zusammentreffender Beleidigungen (mit sexuell motivierte Hintergrund) ein Strafbefehl über 150 Tagessätze zu je 5,-DM, wobei der Betroffene die Taten durch einen Briefwechsel aus dem Strafvollzug heraus beging.
8.
Am ….1990 verurteilte das Landgericht … (… Kls …/89) den Betroffenen wegen versuchter sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren. Neben der Strafe ordnete die 3. große Strafkammer die Unterbringung des Betroffenen in der Sicherungsverwahrung an.
Wegen der näheren Einzelheiten der Feststellungen des Landgerichts … wird auf die Gründe des vorbezeichneten Urteils (Bl. 1 bis 41 GA), das seit dem 28.09.1990 rechtskräftig ist, Bezug genommen.
Nach vollständiger Verbüßung der erkannten Freiheitsstrafe befand sich der Betroffene ab dem ….1992 im Maßregelvollzug.
Mit Beschluss vom 01.10.2007 sprach die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts … (Az: … StVK …/06 BR) aus, dass die durch das Urteil des Landgerichts … angeordnete Unterbringung des Betroffenen in der Sicherungsverwahrung fortzudauern habe. Auf die Gründe dieses Beschlusses (Bl. 59 ff GA) wird verwiesen. Die gegen diese Entscheidung des Betroffenen gerichtete sofortige Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht … mit Beschluss vom ….2008 (… Ws …/07) – auf den Bezug genommen wird - als unbegründet. In den Gründen führte der …. Strafsenat u. a. aus:
„ … Die Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung kann gegenwärtig weder für erledigt erklärt werden, noch kann die weitere Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung ausgesetzt werden. … Auf der Grundlage seines Gutachtens (Anm.: Prognosegutachten des psychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. …), …ist auch der Senat zu der Auffassung gelangt, dass – jedenfalls gegenwärtig – noch konkrete und gegenwärtige Anhaltspunkte für eine anhaltende Gefährlichkeit des Untergebrachten sprechen und dass deshalb unter Berücksichtigung des hohen Ranges der bei einem Rückfall gefährdeten Rechtsgüter ein unvertretbar hohes Risiko für die Begehung den Anlassdelikten vergleichbarer Straftaten besteht. …Vor diesem Hintergrund ist der Sachverständige … zu dem Ergebnis gekommen, dass der Untergebrachte keine erkennbaren Fortschritte bei der intrapsychischen Verarbeitung gemacht hat. Unter den Bedingungen des Vollzuges könne er seine Frustrationen und Kränkungen durch Beschwerden ausagieren. In Freiheit entfalle diese Reaktionsmöglichkeit, wenn alltägliche Konflikte mit der Ehefrau Nachbarn, Ärzten oder beliebigen anderen Personen aufträten, so dass er seinen Affekten ohnmächtiger Wut in weit stärkerem Maße ausgesetzt sei. Aufgrund der bei der Konfliktverarbeitung auftretenden Psychodynamik bestehe weiterhin die Gefahr, dass der Untergebrachte ohne vorherige Belastungserprobung in schrittweise erweiterten Lockerungen und der – insbesondere im Konfliktfall notwendigen zeitnahen Aufarbeitung mit seinem Therapeuten oder Personal der JVA – den Herausforderungen eines eigenständigen Lebens in Freiheit noch nicht gewachsen ist und er in alte Konfliktlösungsstrategien zurückfällt, indem er sich aus Rache bei anderen Personen als seinen Konfliktpartnern Genugtuung verschafft. … Der Senat hat als weiteren prognostisch günstigen Umstand nicht übersehen, dass der Untergebrachte seit … in zweiter Ehe verheiratet ist, dass er im Falle seiner Entlassung bei seiner Frau wohnen könnte, und dass diese Beziehung im Maßregelvollzug einen stabilisierenden Einfluss auf ihn hat. Doch war in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass der Untergebrachte nicht nur die Anlasstat, sondern nahezu alle Vortaten während einer Ehe bzw. der festen Bindung zu einer Lebenspartnerin begangen hat. Auch wurden die Tragfähigkeit und die Belastbarkeit der Beziehung des Verurteilten zu seiner Frau noch nicht außerhalb des insoweit schützenden Rahmens des Vollzuges erprobt. … Die Fortdauer des Maßregelvollzuges erscheint angesichts der fortbestehenden Gefahr erheblicher mit der Anlasstat und den Vortaten vergleichbarer Straftaten auch unter Berücksichtigung des weiter erstarkenden Freiheitsrechts des Untergebrachten noch als verhältnismäßig. … Ebenso wie der Sachverständige sieht der Senat in Anbetracht der seit den Taten verstrichenen Zeit der persönlichen und gesundheitlichen Entwicklungen des Verurteilten in den langen Jahren des Strafvollzuges und der Sicherungsverwahrung eine beachtliche Tendenz zu einer günstigeren Prognose. Hinzu kommt, dass mit zunehmender Dauer der Unterbringung immer strengere Anforderungen an die positiv festzustellende Gefährlichkeitsprognose zu stellen sind, und dass deshalb und wegen des verfassungsrechtlich verbürgten Resozialisierungsgrundsatzes die Vollzugsbehörden verpflichtet sind auf eine Verbesserung der Prognose, jedenfalls aber auf eine Erweiterung der tatsächlichen Prognosebasis hinzuwirken. … Nachdem die Vollzugsanstalt … schon der Anregung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts … …, den Untergebrachten – über die zweimaligen begleiteten Ausführungen im Jahr hinaus – in weiteren Lockerungen zu erproben nicht gefolgt ist und auch der Sachverständige .. die Erweiterung der Lockerung – unbegleitete Ausgänge zu seinem Therapeuten und Urlaub bei seiner in … lebenden Ehefrau – empfohlen hat, erwartet der Senat, dass diese Lockerungen nunmehr Eingang in die Vollzugsplanung finden dürfen … “
Mit Beschluss vom ….2009 setzte das Landgericht … (Az.: … StVK …/08 BR) die Vollstreckung der durch Urteils des Landgerichts … vom ….1990 angeordneten Unterbringung des Betroffenen in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung aus, ordnete Führungsaufsicht für die Dauer von 5 Jahren an und erteilte Weisungen. Die Kammer führte in der Entscheidung u. a. aus:
„…Die Strafvollstreckungskammer hat daraufhin erneut die Einholung eines kriminalprognostischen Gutachtens durch den Sachverständigen Prof. Dr. … … in Auftrag gegeben. Der Sachverständige hat unter dem 31.03.2009 ein ergänzendes schriftliches kriminalprognostisches Gutachten erstattet, …. . In diesem Gutachten kommt er zusammenfassend zu folgendem Ergebnis:
„Nach meiner Beurteilung ist bei Herrn ... kein Hang mehr vorhanden zur Begehung erheblicher Straftaten und insbesondere solcher Straftaten die zur Anwendung der Sicherungsverwahrung geführt hatten. Anlässlich der Anhörung vor dem OLG … wurde nachdrücklich auf die Gesetzeslage hingewiesen, dass es bei der Prognosebegutachtung in der Sicherungsverwahrung, wenn die Zehnjahresfrist überschritten ist, darauf ankommt, positiv zu begründen, warum ein Proband noch immer gefährlich ist. Eine solche Begründung kann ich nicht liefern, denn Herr ... hat sich im zurückliegende Freiheitsentzug zunächst alleine und mit seiner Frau sowie mit wenig erkennbarem Erfolg, und später vor allem mit Hilfe seines Therapeuten intensiv mit jenen Konstellationen auseinandergesetzt, die den Hintergrund seines früheren Hanges abgaben, hat viel Aggressivität in der Auseinandersetzung mit der JVA auf eine für deren Mitglieder sicher kaum erträgliche, aber sich legaler Mittel bedienenden Weise abreagiert, und er ist entschlossen, nicht mehr straffällig zu werden. …“
Allerdings vermag die Kammer in letzter Konsequenz dem Sachverständigen in der Einschätzung nicht zu folgen, dass bereits jetzt kein Hang und damit auch keine Gefährlichkeit im Sinne von § 66 StGB mehr vorliegen, die zu einer Erledigung der Maßregel führen könnten. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Sachverständige selbst zutreffend die Fortführung einer psychotherapeutischen Behandlung für erforderlich hält. Wäre bereits jetzt anzunehmen, dass der Verurteilte … sich schon so stabilisiert hat, dass eine wie auch immer geartete Gefährlichkeit von ihm nicht mehr ausginge, so wäre eine solche therapeutische Maßnahme nicht notwendig. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, und insoweit darf auch die deliktische Vergangenheit des Verurteilten nicht übersehen werden, dass die früheren Taten auch vor dem Hintergrund von instabilen persönlichen Verhältnissen gesehen werden müssen. Festzuhalten ist, dass sich der Verurteilte nunmehr ununterbrochen und ohne nennenswerte Lockerungen seit fast 20 Jahren in Haft befindet. Wenn auch diese langjährige Haft vom Verurteilten selbst als eine erhebliche Belastung und Einschränkung seiner persönlichen Freiheit empfunden wird, so hat sie doch auch einen protektiven Charakter, d.h. Belastungen denen jeder Mensch in Freiheit ausgesetzt ist und die oft auch existentielle Bedeutung haben können, wie etwa Probleme im Rahmen des Erwerbslebens, der Familie und bei der Bewältigung des Alltags stellen sich während der Inhaftierung nicht im gleichen Maße. Das Gericht hat andererseits durchaus gesehen, das die Ehe von Herrn …, die nunmehr schon seit … Jahren besteht, auch unter den erschwerten Bedingungen der Haft standgehalten hat. Seine Ehefrau hält nach wie vor zu ihm und engagiert sich in erheblichem Maße, … . Auf der anderen Seite darf aber nicht übersehen werden, dass eine wirkliche Erprobung im Rahmen eines täglichen Zusammenlebens - und sei dies auch nur für wenige Wochen innerhalb eines Hafturlaubes – bislang nicht möglich gewesen ist. Die Kammer erkennt sehr wohl, dass der gute Wille bei beiden Ehepartnern vorhanden ist. Auch ist die Ehefrau des Verurteilten über seinen strafrechtlichen Hintergrund in vollem Umfange informiert. … Weiter ist darauf hinzuweisen, dass auch der Sachverständige in seinem letzten Gutachten darauf hingewiesen hatte, dass Lockerungserprobungen erforderlich seien. …Solche Lockerungserprobungen sind aber in der Zwischenzeit, abgesehen von Ausführungen nicht erfolgt. Dies bedeutet aber, dass somit auch keine Erkenntnisse darüber gewonnen werden konnten, wie der Verurteilte … sich unter freiheitsähnlichen Bedingungen etwa im Rahmen von unbegleiteten Ausgängen bzw. Hafturlauben verhalten hätte. Auch darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass die von sämtlichen Sachverständigen letztlich für sinnvoll gehaltene Sozialtherapie, die insbesondere auch Rückschlüsse auf sein Verhalten im täglichen Umgang mit anderen – auch unbequemen – Menschen hätte beschreiben und dokumentieren können, nicht durchlaufen hat. Dabei hat die Kammer andererseits sehr wohl eine positive Entwicklung wahrgenommen, zu der die ambulante psychiotherapeutische Behandlung durch Dipl. Psych. … beigetragen hat. Indes war zu berücksichtigen, dass auch für die Zukunft durchaus noch Fragen bezüglich der weiteren Lebensgestaltung des Verurteilten … bezüglich der weiteren Lebensgestaltung … offen sind: Sein Gesundheitszustand ist instabil. Welchen Verlauf seine Krebserkrankung nehmen wird, ist derzeit noch nicht absehbar, ebenso wenig wie die gebotene und mögliche Therapie und die damit einhergehenden Folgen. Offen ist auch die Frage, wie sich sein Lebensalltag konkret in Freiheit gestalten wird, auch im Umgang mit Nachbarn, ob er beispielsweise – wie von ihm angestrebt – eine feste Arbeitsstelle finden wird, ob er Sozialleistungen in Anspruch nehmen muss oder möglicherweise auch eine vorzeitige Berentung in Frage kommen wird. Dass diese möglichen und naheliegenden, durchaus auch existentiellen Belastungen gleichwohl keinen Einfluss auf ein mögliches deliktisches Verhalten haben können und man die Schlussfolgerung ziehen kann, dass gerade solche Straftaten, die zur Anordnung der Sicherungsverwahrung geführt haben, überhaupt nicht mehr zu erwarten sind, dieser Einschätzung vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. …
Hingegen liegen aber die Voraussetzungen von § 67 d Abs.2 StGB vor. Es kann unter Erteilung der … Weisungen, wobei insbesondere die enge Anbindung an die Bewährungshilfe und die Fortdauer der psychotherapeutischen Behandlung hervorzuheben sind, verantwortet werden zu erproben, ob er auch ohne die weitere Einwirkung des Maßregelvollzuges keine erheblichen rechtswidrigen bzw. Straftaten mehr begehen wird. …
Die Kammer hat vor diesem Hintergrund … von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Entlasszeitpunkt auf den … festzulegen. Dies schien deshalb erforderlich, um eine entsprechende Entlassung sinnvoll vorzubereiten, nachdem in der Vergangenheit keinerlei Lockerungen hierfür erfolgt sind. …Für die Zeit bis zur Entlassung aus dem Maßregelvollzug geht die Kammer davon aus, dass dem Verurteilten die nunmehr zur Entlassvorbereitung erforderlichen Vollzugslockerungen gewährt werden. So sollten ihm insbesondere auch Ausgänge zu seinem Psychotherapeuten sowie auch zum Bewährungshelfer … ermöglicht werden. Sinnvoll erscheint auch, dass ihm vor der endgültigen Entlassung bereits eine Besuchsmöglichkeit bei seiner Ehefrau … eingeräumt wird und er in diesem Zusammenhang die Möglichkeit haben sollte, mit seinem künftigen Bewährungshelfer … Kontakt aufzunehmen. …“
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss vom ….2009 verwiesen.
Der Betroffene wurde am … aus der Sicherungsverwahrung entlassen. Er zog zu seiner Ehefrau, die er während der Haftzeit … geheiratet hatte.
Mit Antrag vom ….2009, eingegangen bei dem Amtsgericht … am ….2009 hat der Antragsteller beantragt, die längerfristige Observation gemäß § 32 Abs.1 Nr.1 und Abs.2, Satz 3 ff Brandenburgisches Polizeigesetz (BbgPolG) für die Dauer von zunächst 6 Monaten anzuordnen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt:
Die bekannten Tatsachen begründeten in Verbindung mit dem bisher beobachteten Persönlichkeitsprofil des Betroffenen eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben durch drohende schwere Straftaten insbesondere gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Diese Gefahr könne nur durch eine Observation abgewehrt werden.
Der Betroffene habe wegen sexueller Straftaten bislang insgesamt 32 Jahre Haft verbüßt. Seine zum Nachteil ihm zuvor unbekannter Personen verübten Taten seien nach den Feststellungen der Gerichte insbesondere von fester Entschlussfassung, konsequent rücksichtslosem und absolut mitleidlosem Vorgehen gekennzeichnet gewesen und hätten der Kompensation vermeintlich oder auch tatsächlich erfahrener Kränkungen bzw. als Zurücksetzung empfundener Verhaltensweisen vornehmlich sehr nahestehender Personen gedient.
Nachdem der Sachverständige Prof. Dr. … in seiner Anhörung vor dem Landgericht … am … die aus seiner Sicht positive Entwicklung des Betroffenen dargestellt habe, sei der Vertreter der JVA … dem u. a. wie folgt entgegengetreten:
„… Es ist so, dass wir zu einer anderen Einschätzung kommen. Wir halten Herrn … nach wie vor für gefährlich. … Wir können eine Veränderung, wie sie der Sachverständige … in seinem Gutachten festgestellt hat, bei Herrn … nicht feststellen. Im Übrigen ist es so, dass wir ein entsprechendes Lockerungsprogramm vorgesehen haben. Bei einer Besprechung war es dann aber so, dass sich Herr … hier als abweisend und auch überheblich gezeigt hat. So hat er auch darauf hingewiesen, (an) einer Aufnahme in eine Behandlungsabteilung nicht interessiert (zu sein), da er im … ohnehin entlassen werde. …Auch sehen wir den sozialen Empfangsraum für Herrn … keineswegs als so gesichert an. Es ist durchaus zu erwarten, dass es da auch zu Problemen und Schwierigkeiten kommen kann. …“
Diese Auffassung werde von der Einrichtung vertreten, die den Betroffenen seit 2 Jahrzehnten ohne Unterbrechung täglich habe erleben und kennenlernen können.
Der Betroffene habe sich im Rahmen dieser Anhörung ebenfalls zu seinem sozialen Empfangsraum geäußert. Dem sei u. a. zu entnehmen, dass ein potenzieller Arbeitgeber gefunden sein solle. Dieser sei jedoch weder über den strafrechtlichen Hintergrund noch über die bestehenden Erkrankungen in Kenntnis gesetzt worden.
Die JVA … habe die vom Betroffenen beantragten und auch mehrfach gerichtlich „angemahnten“ Lockerungserprobungen offenbar auch im Jahre 2008 nicht bzw. zumindest nicht im empfohlenen Umfang gewährt. Der Betroffene werde damit im Wesentlichen unvorbereitet entlassen, ohne den notwendigen Resozialisierungsgrad erreicht zu haben, was das Rückfallrisiko erhöhe, da ihm jede länger währende Belastungserprobung fehle.
Wie auch die aus anderen – besonderen – Haftentlassungsfällen gewonnene Erfahrung zeige, bestünden weitere Risiken, die die Rückfallgefahr begründeten bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten ließen. Der Betroffene könne nicht damit rechnen, dass in der … sein strafrechtlicher Hintergrund und die damit verbundene Vollzugsdauer unbekannt blieben. Es seien konkrete Konfliktsituationen absehbar, denen der Betroffene mit den während der Vollzugszeit angewandten Bewältigungsstrategien (Beschwerden u. ä.) nicht begegnen könne. Die Wirkung solcher Konflikte auf die bislang nicht erprobte Belastbarkeit seiner Ehe sei nicht abschätzbar. Gleiches gelte für die Frage, wie stark die Beziehung möglicherweise kompensierende und damit stabilisierende Wirkung entfalten könne. Der Betroffene habe auch die Sexualstraftaten ausnahmslos aus einer Ehe bzw. Beziehung heraus begangen. Die jetzt drohenden Konflikte, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unmittelbar und gehäuft auf den Betroffenen zukämen - seien gewichtiger als frühere Tatanlässe; es bestehe die Gefahr einer schnell eintretenden Überforderung des Betroffenen und damit eines Rückfalls in alte Verhaltensmuster.
Auch sei von Bedeutung, dass die Ehefrau des Betroffenen bisher keine Kenntnis über die von ihm verübten Sexualdelikte gehabt habe. Diese sei auf Grund der ihr vom Betroffenen erteilten Informationen davon ausgegangen, er habe Raubdelikte begangen. Dieser Umstand habe die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts … veranlasst, einen neuen Anhörungstermin für den … anzuberaumen, zu dem auch die Ehefrau geladen worden sei.
Die Entscheidung des Landgerichts … vom …, den Maßregelvollzug zur Bewährung auszusetzen, beruhe nicht auf einer positiven Gefahrenprognose, sondern auf verschiedenen, gegeneinander abgewogenen Aspekten, wobei dem infolge des langen Freiheitsentzuges immer mehr erstarkten Freiheitsrechts besonderes Gewicht zu gekommen sei. Aus polizeilicher Sicht handele es sich um eine besondere Fallkonstellation mit Ausnahmecharakter. Die Maßnahmen der Bewährung und Führungsaufsicht könnten der gegenwärtigen Gefahr nicht ausreichend begegnen.
Mit Beschluss vom …. September 2009 hat das Amtsgerichts … – Az.: … Gs …/09 – die beantragte Observation angeordnet und sich dabei der Auffassung des Antragstellers angeschlossen. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung legte der Betroffene mit Schriftsaz vom …, bei Gericht eingegangen am …, Beschwerde ein.
Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht:
Der Beschluss des Amtsgerichts gehe von falschen Voraussetzungen aus. Die Entscheidung der Strafvollsreckungskammer wäre nicht möglich gewesen, wenn bei ihm weiterhin ein „gefährlicher Hang“ vorläge. Seine soziale Eingliederung werde exrem gefährdet, wenn die Observation, die … nicht verborgen bleiben könne, tatsächlich stattfinden sollte.
Das Landgericht … hat mit Beschluss vom … – Az.: … T …/09 - die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts … zurückgewiesen.
Die Kammer hat im Wesentlichen ausgeführt, die vom Amtsgericht angeordnete Maßnahme entspreche den Grundsätzen des § 32 Abs. 1 Nr. 1 BbgPolG. Hiernach könne eine länger-fristige Observation zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder die Freiheit einer Person angeordnet werden. Eine Gefahr sei dabei ein Zustand der nach verständiger, auf allgemeiner Lebenserfahrung beruhender Beurteilung bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens den Eintritt eines Schadens erwarten lasse, wobei dieser gegen-wärtig sei, sofern die Gefahr bereits eingetreten sei oder unmittelbar bevor stehe. Dabei seien nach dem aus dem Grundgesetz ableitbaren Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts um so geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden sei. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebe sich außerdem, dass in die Rechte des Betroffenen nur einge-griffen werden dürfe, wenn und soweit die Maßnahme zur Gefahrenabwehr geeignet und erforderlich sei, und dass im Einzelfall die grundrechtlich geschützten Positionen des Betroffenen mit dem öffentlichen Interesse an der Verhütung der abzuwehrenden Gefahr abgewogen werden müssten. Unter Anwendung dieser Grundsätze sei die vom Amtsgericht angeordneten Maßnahme nicht zu beanstanden.Wenn der Gutachter im … erstmals festgestellt habe, der Betroffene habe sich mit der Konstellation auseinandergesetzt, die den Hintergrund seines Hanges abgegeben hahe, er sei affektiv ausgeglichen, reflektiert und introspektiert, deutlich gereift und seine Ehe stabilisiert, handele es sich demnach um eine neue Entwicklung nach langer Haft, deren Belastbarkeit im Alltag nicht durch Lockerungs-maßnahmen getestet worden sei. Auch habe die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts … diese neue Entwicklung nicht als so gefestigt angesehen, dass sie die Maßregel als erledigt angesehen hätte. Die erteilten Weisungen ließen keine Überzeugung von einer positiven Prognose im Hinblick auf das Verhalten des Betroffenen erkennen. Von besonderer Bedeutung sei, dass der Betroffene infolge der Verweigerung von Lockerungsmaßnahmen seitens der Justizvollzugsanstalt keine Gelegenheit erhalten habe, sich mit den im Alltags-leben ständig auftretenden Konfliktsituationen allmählich vertraut zu machen und diese im Maßregelvollzug therapeuthisch aufzuarbeiten. Seine Reaktion auf soziale Belastungen des Alltags, denen er in der Anstalt nicht ausgesetzt gewesen sei, sei deshalb nicht vorhersehbar. Die dem Betroffenen auferlegten psychotherapeutischen Gespräche im 14 tägigen Rhythmus mit seinem nicht kriminalpsychologisch erfahrenen Therapeuten könnten diese Belastungen kaum hinreichend auffangen, zumal die große räumliche Entfernung zwischen dem Betrof-fenen und seinem Therapeuten zusätzliche spontane Beratungen nicht zulasse. Der Betroffene habe zudem eine Sozialherapie, wie sie von allen Gutachtern im Hinblick auf die ihm zur Last gelegten Taten gefordert worden sei, stets abgelehnt. Erst in den letzten Jahren habe er mit der niederfrequenten Einzeltherapie begonnen.Gegen die Gefahr eines Rückfalls spreche nicht, dass der Betroffene seit … Jahren verheiratet sei. Auch früher habe er die Taten stets aus festen Beziehungen heraus begangen. Hinzu komme, dass er seiner Ehefrau von sich aus die Gründe seiner Inhaftierung nicht wahrheitsgemäß eröffnet habe. Im Ergebnis sei deshalb die Gefahr eines Rückfalls in Verhaltensweisen, die zu den Taten geführt hätten, gegeben. An deren Wahrscheinlichkeit seien in Anbetracht des gefährdeten Schutzgutes (sexuelle Selbst-bestimmung) keine erhöhten Anforderungen zu stellen. Die Anordnung der Observation sei auch verhältnismäßig.Wegen der näheren Einzelheiten der Begründung wird auf die Beschlussgründe Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner am … eingegangenen weiteren Beschwerde, auf die verwiesen wird. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend:
Die Anordnung der längerfristigen Observation beruhe auf einer falschen Auslegung des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer. Abgesehen davon hätte diese die Anordnung der Sicherungsverwahrung für erledigt erklären müssen.
Die Observation greife in massiver Weise in seine Grundrechte ein. Diese finde zwar außerhalb der Wohnräume statt, sei aber dauernd gegenwärtig, so dass er keinen freien Gedanken haben könne, sondern sich in der Wohnung verkriechen müsse.
Dem tritt der Antragsteller entgegen und verteidigt den angefochtenen Beschluss.
II.
1.
Die weitere Beschwerde ist zulässig
Die Zulässigkeit der Beschwerde ergibt sich aus § 32 Abs. 2 S. 6 BbgPolG i.V.m. § 27 Abs.1, 29 FGG, Art. 111 Abs.1 S. 1 FGG – Reformgesetz (FGG-RG).
Es finden vorliegend noch die Vorschriften des FGG und nicht diejenigen des FamFG Anwendung. Die Rechtsmittel bestimmen sich erst dann nach den Vorschriften des FamFG wenn auch das erstinstanzliche Verfahren bereits nach diesem Gesetz durchgeführt worden ist. Nach Art. 111 FGG-RG finden auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des FamFG am 01.09.2009 eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes beantragt wurde, weiter die bis dahin geltenden Vorschriften Anwendung. Diese Regelung erstreckt sich mangels anderweitiger Differenzierung einheitlich auf die Durchführung des Verfahrens in allen Instanzen. Ist das Verfahren in 1. Instanz nach dem bisherigen Recht eingeleitet, so wird auch das Rechtsmittelverfahren nach dem bisherigen Recht durchgeführt (Begr RegE BTDrs 16/6308, S. 359; Zöller – Feskorn, ZPO, 28. Aufl., vor § 58 FamFG, Rn 7). Erst wenn das erstinstanzliche Verfahren nach dem neuen Recht eingeleitet ist, bestimmt sich nach diesem auch das Rechtsmittelverfahren. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da der Antrag am ….08.2009 bei dem Amtsgericht … eingegangen ist.
2.
Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.
a)
Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 Abs.1 S.1 FGG). Eine Verletzung des Rechts i.S.d. § 27 Abs.1 S.1 FGG liegt vor, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet ist (vgl. Keidel/ Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 27 Rn. 21). Dies ist der Fall, da die Voraussetzungen des § 32 Abs.1 Nr.1 BbgPolG, auf dessen Grundlage eine längerfristige Observation angeordnet werden kann, nach den getroffenen Feststellungen nicht vorliegen.
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine längerfristige Observation des Betroffenen erfolgen darf, hat der Senat die Feststellungen des Landgerichts zugrunde zu legen. Nach § 27 Abs.1 S.2 FGG i.V.m. § 559 ZPO sind für die Prüfung durch das Gericht der weiteren Beschwerde die in der angefochtenen Entscheidung rechtsfehlerfrei festgestellten Tatsachen, d.h. der bei Erlass der Beschwerdeentscheidung gegebene Sachverhalt maßgebend (§ 559 Abs.1 S1. ZPO); dabei können auch in den Gründen nicht ausdrücklich festgestellte, sich aber aus dem Akteninhalt unzweideutig ergebende Tatsachen herangezogen werden. Eine Nachprüfung tatsächlicher Verhältnisse in der dritten Instanz ist ausgeschlossen (vgl. hierzu näher Keidel/ Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 27 Rn. 42 m.w.Nachw.). Verfahrensrechtliche Bedenken gegen die Feststellungen des Landgerichts bestehen nicht.
Diese vermögen indes die vom Landgericht getroffene Prognose einer gegenwärtigen Gefahr im Sinne des BbgPolG nicht zu tragen:
Nach § 32 Abs.1 des Brandenburgischen Polizeigesetzes (BbgPolG) kann die Polizei personenbezogene Daten erheben durch eine durchgehend länger als vierundzwanzig Stunden oder an mehr als an zwei Tagen vorgesehene oder tatsächlich durchgeführte und planmäßig angelegte Beobachtung (längerfristige Observation) über die in §§ 5 und 6 und unter den Voraussetzungen des § 7 über die dort genanten Personen, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist (Nr.1) sowie über Personen, bei denen hinreichend sichere Anhaltspunkte für die beabsichtigte Begehung von Straftaten von erheblicher Bedeutung (§ 10 Abs.3 Satz 1) sprechen, wenn die Datenerhebung zur vorbeugenden Bekämpfung dieser Straftaten erforderlich ist (Nr.2).
Eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person im Sinne von § 32 Abs.1 Nr. 1 BbgPolG besteht auf Grund der Feststellungen des Landgerichts entgegen der Auffassung der Kammer nicht.
Dieser abweichenden Einschätzung liegen folgende Erwägungen zugrunde:
Der Landesgesetzgeber hat mit der Normierung des Tatbestandsmerkmals „gegenwärtige Gefahr“ – anders als in den Polizeigesetzen anderer Bundesländer - zunächst nicht die „höchste“ Gefahrenstufe bezeichnen wollen, sondern eine demgegenüber abgeschwächte Form der Gefahr, wie die Auslegung der Vorschrift ergibt (1). Gleichwohl hat er damit unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben Mindestanforderungen für eine längerfristige Observation aufgestellt, die nicht unterschritten werden dürfen (2).
(1)
Regelmäßig beschreibt der Begriff der „gegenwärtigen Gefahr“ in den Polizeigesetzen der Länder allerdings die höchste Gefahrenstufe. Er kombiniert in der Regel die Nähe des Schadenseintritts mit der Bedrohung besonders hochwertiger Rechtsgüter. Das Tatbestandsmerkmal beschreibt Gefahren, welche derart hochrangigen Rechtsgütern drohen und deren Eintritt zugleich derart nahe liegend ist, dass der Schadenseintritt nicht ohne außergewöhnliche Maßnahmen abgewendet werden kann (vgl. Gusy, Polizeirecht, 6. Aufl., S.61 f., Rn. 130). So definiert § 2 Nr. 1 b NdsGefAG beispielsweise als „gegenwärtige Gefahr“ eine Gefahr, bei der die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder bei der diese Einwirkung unmittelbar und in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintritt (vgl. hierzu auch Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl., S. 39 Rn 78 m.w.Nachw.; vgl. auch § 3 Nr. 3 b SachsAnhSOG; § 54 Nr. 3b ThürOBG; siehe auch Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl, S.58, Rn 94, der ausführt, der Begriff der gegenwärtigen Gefahr sei durch eine Steigerung der Schadenswahrscheinlichkeit gekennzeichnet; die konkrete Gefahr sei bereits gegenwärtig oder stehe unmittelbar bevor).
Im BbgPolG findet sich keine solche Legaldefinition der „gegenwärtigen Gefahr“. Die Auslegung der Norm unter Auswertung der Gesetzesmaterialien zum BbgPolG ergibt, dass das vom Gesetzgeber des BbgPolG formulierte Tatbestandsmerkmal der „gegenwärtigen Gefahr“ in § 32 BbgPolG nicht mit dem Verständnis anderer Polizeigesetze als „höchste Gefahrenstufe“ deckungsgleich ist, sondern hierunter eine abgeschwächtere Form der Gefahr versteht. Im Gesetzesentwurf der Landesregierung (Drucksache 2/1235, S. 95 ff.), der hinsichtlich der hier maßgeblichen Regelungen auch unverändert vom Landtag verabschiedet wurde, heißt es zu § 32 nämlich u.a.:
„ Absatz 1 enthält zunächst eine Definition der längerfristigen Observation. In Abs.1 Satz 1 Nummern 1, 2 und 3 werden die Voraussetzungen geregelt, unter denen der Einsatz dieser Mittel zulässig ist. …
Der Einsatz nach Nr. 2 und 3 ist aber auf die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung beschränkt. Es handelt sich hierbei um Straftaten, die von der Polizei allein mit den ihr nach der Strafprozessordnung eingeräumten Befugnissen nicht wirksam bekämpft werden können. Eine effektive Strafverfolgung ist - ebenso wie die Verhinderung konkreter Straftaten - nur möglich, wenn die Polizei bereits im Vorfeld einer geplanten Straftat – also auch, noch bevor das Versuchsstadium nach § 22 StGB erreicht wird - Daten erheben kann. Tatsachen, auf die die Polizei die Prognose von beabsichtigten Straftaten im Sinne dieser Bestimmungen stützen kann, können sich insbesondere aus laufenden Ermittlungsverfahren, Datenerhebungen sowie aus Hinweisen Dritter ergeben. Anders als in anderen Bestimmungen des Entwurfs, in denen auf "tatsächliche Anhaltspunkte" abgestellt wird, werden hier konkrete Tatsachen gefordert; dieser Begriff hat insoweit eine ähnliche Bedeutung wie die Formulierung "bestimmte Tatsachen" in der StPO. Welchen Grad der Wahrscheinlichkeit die Annahme einer drohenden Straftat, die den Einsatz dieses Mittels rechtfertigt, haben muß, läßt sich nicht generalisieren, sondern nur nach den Umständen des Einzelfalles beantworten. Wie auch bei anderen Prognoseentscheidungen - insbesondere bei der Beurteilung, ob eine "allgemeine" Gefahr vorliegt - besteht auch hier eine Wechselbeziehung zwischen den der Annahme zugrundeliegenden Tatsachen, der Schwere der drohenden Straftat, der zeitlichen Nähe und der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung. Der besonderen Eingriffsintensität dieser Maßnahme wird im übrigen auch dadurch Rechnung getragen, daß die Datenerhebung über Kontakt- und Begleitpersonen an die zusätzliche Anforderung geknüpft wird, daß sie zur vorbeugenden Bekämpfung dieser Straftaten unerläßlich ist. …
Zu Absatz 2
Wegen ihrer hohen Eingriffsintensität darf die längerfristige Observation nur durch den Behördenleiter angeordnet; eine über einen Zeitraum von einem Monat hinausgehende längerfristige Observation darf nur durch den Richter angeordnet werden; insoweit trägt Absatz 2 auch der Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach verfahrensrechtlichen Vorkehrungen zur Sicherung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung. …“
Dem Hinweis des Gesetzesentwurfs, dem Tatbestandsmerkmal „gegenwärtige Gefahr“ komme eine ähnliche Bedeutung wie der Formulierung "bestimmte Tatsachen" in der StPO zu, lässt sich entnehmen, dass der Landesgesetzgeber gerade nicht eine „höchste“ Gefahrenstufe zur Voraussetzung für eine längerfristige Observation machen wollte. Auch wenn der in der Strafprozessordnung in verschiedenen Vorschriften enthaltene Begriff der „bestimmten Tatsachen“ weitgehend ungeklärt ist (Krekeler/Löffelman, Anwaltkommentar StPO, Vorbemerkung zu §§ 94 bis 111, Rn 4, S. 320) und auch zum hier maßgeblichen Zeitpunkt ungeklärt war, lassen sich den Motiven des StPO – Gesetzgebers sowie den Kommentierungen und der Rechtsprechung Gemeinsamkeiten entnehmen, die den vorstehenden Schluss zulassen, wie die nachfolgenden Beispiele belegen:
Bei Erlass des BbgPolG fand sich in der seinerzeit geltenden Fassung der Strafprozessordnung das Tatbestandsmerkmal „bestimmte Tatsachen“ u.a. in den §§ 100 a, 110a, 111, 112, 112 a, 163 e StPO [a.F.].
§ 163 e StPO [a.F.], regelte die polizeiliche Beobachtung Die Norm lautete u.a. wie folgt:
Absatz 1
„ Die Ausschreibung zur Beobachtung anlässlich von polizeilichen Kontrollen, die die Feststellung der Personalien zulassen, kann angeordnet werden, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen wurde. Die Anordnung darf sich nur gegen den Beschuldigten richten ...Gegen andere Personen ist die Maßnahme zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß sie mit dem Täter in Verbindung stehen oder ...“
In der Kommentierung von Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 42. Aufl., wurde zu dem in verschiedenen Vorschriften enthaltenen genannten Tatbestandsmerkmal zum Beispiel im Rahmen der Kommentierung zu § 163 e StPO [a.F.] u.a. ausgeführt, dass insoweit bloße Vermutungen, Mutmaßungen und Befürchtungen nicht genügten. Die Tatsachen brauchten aber nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts festzustehen, es genüge derselbe Wahrscheinlichkeitsgrad wie beim dringenden Tatverdacht. Dringender Tatverdacht bestehe, wenn die Wahrscheinlichkeit groß sei, dass der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer Straftat sei (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., § 112, Rn 5.) Zu den Tatsachen gehörten im Übrigen auch innere Tatsachen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., § 163 e, Rn 8 unter Verweis auf § 112, Rn 22; siehe auch Schoreit, Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 1993, § 163 e, Rn 17, der einen mit Tatsachen belegten Verdacht verlangt).
§ 100 a StPO in der damals geltenden Fassung regelte die Überwachung des Fernmeldeverkehrs. § 100 a StPO [a.F.] lautete u.a. wie folgt:
Absatz 1
„Die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs darf angeordnet werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer
1.a) Straftaten des Friedensverrats ....“
In der Kommentierung des Kommentars von Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 42. Aufl. zu § 100 a StPO [a.F. ], heißt es, der Tatverdacht müsse weder hinreichend im Sinne des § 203 StPO [a.F.] noch dringend im Sinne des § 112 Abs.1 S.1 sein. Es müssten bestimmte Tatsachen vorliegen, die unmittelbar oder als Beweisanzeichen den Verdacht einer Katalog- oder Vorbereitungstat begründeten. Sie könnten der äußeren oder inneren Geschehenswelt angehören; auch kriminalistische Erfahrungen könnten berücksichtigt werden Der Verdacht müsse bereits ein gewisses Maß an Konkretisierung erreicht haben (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O., § 100 a, Rn 6 unter Verweis auf § 112, Rn 7 und Hinweis auf BR-Drs. 163/67, S.11).
In diese Richtung gingen auch die Ausführungen von Ranft, Strafprozeßrecht, 2. Aufl. 1995, § 44 Rdnr. 1066, der die Auffassung, es brauche kein dringender (§ 112 Abs.1, S.1 StPO) oder hinreichender (§ 203 StPO) Tatverdacht zu bestehen, dahin begründete, es gehe vielmehr gerade darum, den Verdacht mittels der Maßnahme erst zu erhärten oder auszuschließen. da es sich um einen erheblichen Grundrechtseingriff handele, müsse konkretes Tatsachenmaterial vorliegen, das den Verdacht erhärte; bloße Schlussfolgerungen reichten nicht aus. Der konkrete Tatverdacht dürfe ferner nicht unerheblich sein (Ranft a.A. im Anschluss an BayObLGSt 82,40, Urt. v. 6.4.1982, RReg. 4 St 24/82; vgl. auch kritisch zu den Definitionsversuchen von Verdachtsgraden: Kühne, Strafprozeßrecht, 5. Aufl. § 20 III, Rdnr. 321 ff ).
Die zitierten Auffassungen zur früheren Rechtslage im Zusammenhang mit dem Begriff der „bestimmten Tatsachen“ decken sich weitestgehend mit den heute vorherherrschenden Meinungen. So führt Lemke (Heidelberger Kommentar zur Strafprozessordnung, 3. Aufl., § 100a StPO, Rdn. 10) aus, § 100 a StPO verlange nur einfachen Verdacht. Gerüchte und Gerede reichten nicht aus. Es müssten vielmehr Umstände vorliegen, die nach der Lebenserfahrung, auch der kriminalistischen Erfahrung, in erheblichem Maß darauf hindeuteten, dass jemand als Täter oder Teilnehmern eine Katalogtat begangen habe (vgl. auch Krehl, Heidelberger Kommentar zur Strafprozessordnung, 3. Aufl., § 163 e Rdn. 5 und nunmehr in der 4. Auflage, Gercke zu § 100 a Rdn. 17, der einen qualifizierten Tatverdacht – dem Verdacht müsse schlüssiges Tatsachenmaterial zu Grund liegen- für erforderlich hält; Nack, Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl, § 100 a Rn 34; BVerfG, Urt. v. 12.03.2003, Az.: 1 BvR 330/96, 1 BvR 348/99, OLG Hamm, Beschluss vom 14.11.2002, Az.: 2 Ss 906/02).
(2)
Der Forderung des Gesetzesentwurfs, die Prognose der gegenwärtigen Gefahr dürfe nur auf das Vorliegen konkreter Tatsachen gestützt werden und dem Hinweis darauf, dass dieser Begriff insoweit eine ähnliche Bedeutung wie die Formulierung "bestimmte Tatsachen" in der StPO habe unter gleichzeitiger Betonung der hohen Eingriffsintensität, ist zu entnehmen, welche Mindestvoraussetzungen nach der Vorstellung des Landesgesetzgebers vorliegen müssen, um eine längerfristige Observation anordnen zu können.
Unter Berücksichtigung dieses gesetzgeberischen Willens ist unter einer „gegenwärtigen“ Gefahr im Sinne des BbgPolG eine konkrete Gefahr mit zeitlicher Steigerung zu verstehen. Die Annahme einer konkreten Gefahr setzt voraus, dass aufgrund der Gesamtumstände in Bezug auf Ort, Zeit, Personen, Verhalten im Einzelfall ein Schadenseintritt wahrscheinlich ist (vgl. Niehörster, Brandenburgisches Polizeigesetz, 2. Aufl., S. 38). Eine gegenwärtige Gefahr liegt danach dann vor, wenn der Eintritt des Schadens jederzeit erfolgen kann und nach den Umständen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintritt. Bei der gegenwärtigen Gefahr steht das schadenstiftende Ereignis unmittelbar bevor oder hat bereits begonnen (vgl. Niehörster, Brandenburgisches Polizeigesetz, 2. Aufl., S. 39).
Zutreffend geht die Kammer zunächst davon aus, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer der zu erwartende Schaden und je ranghöher das Schutzgut ist, sie berücksichtigt indes nicht hinreichend, dass der Wahrscheinlichkeitsgrad und die Tatsachenbasis der Prognose nicht beliebig abgesenkt werden darf, sondern im angemessenen Verhältnis zur Art und Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigung stehen müssen.
§ 32 BbgPolG ermächtigt – wie sich bereits der amtlichen Vorschrift „Datenerhebung durch Observation“ ergibt - zu Eingriffen in den Schutzbereich des aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art.1 Abs.1 GG entwickelten Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Im Lichte dieses Grundrechtes ist die genannte Vorschrift auszulegen.
Dieses gewährleistet die aus dem Grundsatz der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Es sichert seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierten Daten. Denn individuelle Selbstbestimmung setzt – auch unter den Bedingungen moderner Informationsverarbeitung – voraus, dass dem Einzelnen Entschließungsfreiheit über vorzunehmende oder zu unterlassende Handlungen einschließlich der Möglichkeit gegeben ist, sich entsprechend dieser Entscheidung tatsächlich zu verhalten. Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffenden Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 04.04.2006, Az.: 1 BvR 518/02, m.w. Nachw.; juris Rdnr 70).
Die beobachtende oder observierende Tätigkeit der Polizei kann den grundrechtlichen Schutzbereich berühren und die rechtliche Qualität von Grundrechtseingriffen gewinnen [BVerfG 10, 33ff. (56)]. Der Schutzbereich des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung ist durch die Ermächtigung des § 32 Abs.1 Nr. 1 BbgPolG berührt.
Im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im engeren Sinne hat der Gesetzgeber die Ausgewogenheit zwischen Art und Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung einerseits und den zum Eingriff berechtigenden Tatbestandselementen andererseits, wie der Einschreitschwelle, der geforderten Tatsachenbasis und dem Gewicht der geschützten Rechtsgüter, zu wahren [vgl. BVerfG 100, 313 ff. (392ff.)]. Je gewichtiger die drohende oder erfolgte Rechtsgutbeeinträchtigung und je weniger gewichtig der Grundrechtseingriff ist, um den es sich handelt, desto geringer darf die Wahrscheinlichkeit sein, mit der auf eine drohende oder erfolgte Verletzung des Rechtsgutes geschlossen werden kann, und desto weniger fundierend dürfen gegebenenfalls die Tatsachen sein, die dem Verdacht zugrunde liegen [vgl. BVerfGE 100, 313 ff. (392); 110,33 (60); 113, 348 (386)]. Die Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad und die Tatsachenbasis der Prognose dürfen allerdings nicht beliebig abgesenkt werden, sondern müssen auch in angemessenem Verhältnis zur Art und Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigung und zur Aussicht auf den Erfolg des beabsichtigten Rechtsgüterschutzes stehen. Selbst bei höchstem Gewicht der drohenden Rechtsgutbeeinträchtigung kann auf das Erfordernis einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht verzichtet werden. Auch muss als Voraussetzung eines schweren Grundrechtseingriffs gewährleistet bleiben, dass Annahmen und Schlussfolgerungen einen konkret umrissenen Ausgangspunkt im Tatsächlichen besitzen [vgl. BVerfGE 113, 348 (386)]. Insbesondere lässt die Verfassung grundrechtseingreifende Ermittlungen „ins Blaue“ hinein nicht zu [vgl. BVerfGE 112, 284 (297); BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senates vom 6. April 199, Az 1 BvR 33/87 -, NJW 1990, S. 701(702)]. Diese Grundsätze hat auch der Landesgesetzgeber des BbgPolG durch die Betonung der Eingriffsintensität Rechnung getragen; sie sind bei der Auslegung der Norm zu beachten: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit führt dazu, dass der Gesetzgeber intensive Grundrechtseingriffe erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorsehen darf [vgl. BVerfGE 100, 313 ff (383 f.); 109, 279 ff (350 ff.).
Auch wenn das BbgPolG – wie ausgeführt - nicht das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr im Sinne der „höchsten Gefahrenstufe“ für die betroffenen Rechtsgüter erfordert, setzt das Gesetz – wie die Auslegung ergibt - eine Sachlage voraus, bei der im konkreten Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, das in absehbarer Zeit ein Schaden für diese Rechtsgüter eintreten wird. Dies setzt eine durch hinreichende Tatsachen zu belegende Gefahrenlage voraus.
Die für die Feststellung einer gegenwärtigen Gefahr erforderliche Wahrscheinlichkeitsprognose muss sich auf Tatsachen beziehen. Vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen ohne greifbaren, auf den Einzelfall bezogenen Anlass reichen nicht aus (vgl. in diesem Zusammenhang auch zum unbestimmten Rechtsbegriff der „tatsächlichen Anhaltspunkte“: BVerwG, Urt. vom 17.10.1990, Az.: 1 C 12/88 zum G 10 und Bayerischer VGH, Beschluss vom 07.10.1993, Az.: 5 CE 93.2327 zu Art. 6 Abs.2 Nr.1 BayVSG.
(3)
Das Vorliegen einer solchen Gefahrensituation ist auf Grund der getroffenen Feststellungen des Landgerichts, an die der Senat gebunden ist, nicht erkennbar: Es fehlt an den konkret umrissenen Anhaltspunkten im tatsächlichen dafür, dass der Betroffene wiederum Straftaten insbesondere gegen die sexuelle Selbstbestimmung begehen wird. Die Kammer stellt im Wesentlichen darauf ab, dass die Ausführungen der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts … (Beschluss vom ….2009, … StvK …/08 BR) keine Überzeugung von einer positiven Prognose im Hinblick auf das Verhalten des Betroffenen erkennen lasse: Die Reaktion des betroffenen auf soziale Belastungen des Alltags, denen er in der Anstalt nicht ausgesetzt gewesen sei und denen er mit denen im Vollzug gegebenen Konfliktlösungsstrategien, wie schriftlichen Beschwerden, nicht begegnen könne, sei deshalb nicht vorhersehbar. Diese Umstände, auf die die Kammer abstellt, gehen über eine auf Vermutungen beruhende Möglichkeit, dass der Betroffene wiederum Taten, wie in der Vergangenheit begehen könnte, nicht hinaus. Soweit sich das Landgericht zur Begründung seiner Entscheidung auf den Beschluss der Strafvollstreckungskammer bezieht, lassen sich hieraus gerade nicht die gebotenen konkreten Anhaltspunkte ableiten. Umstände, die bei einer vernünftigen Betrachtung auf solche Bestrebungen des Betroffenen hindeuten, sind nicht erkennbar, wobei ausreichend wäre, dass die Gesamtschau aller vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkte auf entsprechende Bestrebungen deutet, auch wenn jeder für sich genommen nicht genügt.
Der Senat verkennt nicht, dass die Gefahr für die Allgemeinheit in Fällen wie dem vorliegenden durch die Versagung von Lockerungen in der Zeit der Sicherungsverwahrung sogar erhöht werden kann: Für die Vollstreckungsgerichte stellt sich bei unzureichend begründeter Versagung von Vollzugslockerungen durch die Vollzugsbehörde von Verfassungs wegen die Notwendigkeit, ggfl. eine Erledigung der Maßregel auch ohne vorherige Lockerungserprobung aussprechen zu müssen (vgl. BVerfG 2. Senat, Urteil vom 05.02.2004, Az.: 2 BvR 2029/01). Die Versagung von Lockerungen birgt vor diesem Hintergrund deshalb ihrerseits Gefahren für das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit, weil der Untergebrachte im Rahmen kontrollierter Lockerungen nicht nur die Chance hat, sich zu bewähren, sondern umgekehrt auch Verhaltensweisen zeigen kann, die die Aufrechterhaltung der positiven Gefahrenprognose als angezeigt erscheinen lassen: Wenn ein Betroffener – wie hier - nicht im gelockerten Rahmen erproben konnte, wie er mit den in Freiheit nach so langer Inhaftierung unvermeidlich zu erwartenden Spannungen umgeht, ist die Befürchtung, dass sich die Rückfallgefahr im Falle der Entlassung erhöhen könnte, nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen, worauf bereits das Oberlandesgericht … in dem vom Betroffenen angestrengten Rechtsbeschwerdeverfahren in der Strafvollzugssache … Ws …/09 unter Bezugnahme auf Sachverständigenstellungnahmen zutreffend hingewiesen hat. Die vom Gesetzgeber geforderten konkreten Anhaltspunkte, die für eine Rückfallgefahr des Betroffenen sprechen müssten, vermag eine bloße „Befürchtung“ im vorstehenden Sinn indes nicht zu ersetzen.
Das letzte von der Strafvollstreckungskammer eingeholte schriftliche kriminalprognostische Gutachten belegt gerade nicht, dass es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Betroffene rückfällig werden und schwere Straftaten begehen könnte. Auch die Ausführungen der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts … im Beschluss vom … (Az.: … StVK …/08 BR) enthalten solch konkrete Tatsachen, die der Gesetzgeber für eine längerfristige Observation zur Voraussetzung gemacht hat, nicht: Der Sachverständige Prof. Dr. … kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass bei dem Betroffenen kein Hang mehr zur Begehung erheblicher Straftaten und insbesondere solcher Straftaten, die zur Anwendung der Sicherungsverwahrung geführt hatten, vorhanden ist. Auch wenn die Strafvollstreckungskammer unter näheren Ausführungen in letzter Konsequenz dieser Einschätzung des Sachverständigen nicht zu folgen vermochte und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung deshalb nicht für erledigt erklärt hat, hat sie es dennoch als verantwortbar angesehen, es zu erproben, ob der Betroffene auch ohne die weitere Einwirkung des Maßregelvollzuges keine erheblichen rechtswidrigen bzw. Straftaten mehr begehen wird. Dabei hat die Strafvollstreckungskammer alle Aspekte - auch diejenigen, die der Antragsteller im vorliegenden Verfahren zur Begründung seines Antrags geltend macht - im einzelnen erwogen und im Ergebnis eine günstige Prognose für eine Aussetzung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung gestellt. Zwar betreffen die Fragen, ob die zitierten Ausführungen des Sachverständigen bereits eine hinreichend sichere Grundlage für die Erledigung der Maßregel der Sicherungsverwahrung bot, und diejenige, ob konkrete Tatsachen für eine gegenwärtige Gefahr im Sinne des BbgPolG feststellbar sind, unterschiedliche Rechtskomplexe, so dass deren tatbestandliche Voraussetzungen nicht ohne Weiteres vergleichbar sind. Gleichwohl ist der Schluss zulässig, dass dann, wenn die Voraussetzungen zur Bejahung einer „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne des BbgPolG vorgelegenen hätten, die Strafvollstreckungskammer nach der geltenden Rechtslage die Sicherungsverwahrung nicht zur Bewährung ausgesetzt hätte. Zusätzliche erhebliche Anhaltspunkte, die der Strafvollstreckungskammer bei ihrer Prognose nicht bekannt waren und die eine abweichende Einschätzung der Gefahrenlage rechtfertigen würden, sind vom Antragsteller nicht geltend gemacht und auch sonst nicht ersichtlich.
Auch soweit der Antragsteller auf die Gefährlichkeitseinschätzung hinsichtlich des Betroffenen durch den Vertreter der Justizvollzugsanstalt … anlässlich seiner Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts … zur Begründung seines Antrages verweist, vermögen diese die für eine längerfristige Observation erforderlichen konkreten Tatsachen nicht begründen. So führt die Strafvollstreckungskammer in ihrem bereits zitierten Beschluss aus, dass der Vertreter der Justizvollzugsanstalt ausdrücklich erklärt habe, dass in der zurückliegenden Zeit keine konkreten Anhaltspunkte aufgrund des Verhaltens oder aufgrund von Äußerungen des Betroffenen vorgelegen hätten, die eine Flucht- und/oder Missbrauchsgefahr indiziert hätten, sondern man diesen Schluss aus dem deliktischen Vorverhalten und früherem Bewährungsversagen gezogen habe. Zutreffend hat die Strafvollstreckungskammer darauf hingewiesen, dass diese Sachverhalte viele Jahre zurückliegen.
Auch kriminalistische Erfahrungssätze, die eine gegenwärtige Gefahr im Sinne der Eingriffsnorm begründen könnten, sind nicht erkennbar. Diese müssten ihrerseits auf Tatsachen gestützt sein; sie müssten auf den Einzelfall anwendbar und nachprüfbar sein (vgl. zu den Anforderungen Gusy, JZ 1991, 513 f. 514, Anm. zu BVerwG, Urt. vom 17.10.1990, JZ 191, 511 f.). Dies ist hinsichtlich der vom Antragsteller aufgezeigten möglichen Konfliktszenarien, denen der Betroffene ausgesetzt sein könnte, und die der Antragsteller auf Erfahrungen in anderen – besonderen - Haftentlassungsfällen stützen will, gerade nicht der Fall. Diese stellen zwar nicht von der Hand zu weisende Risiken dar, gleichwohl haben sie sich nicht in einer Weise verdichtet, dass ihnen das erforderliche Tatsachenmaterial für entsprechende kriminalistische Erfahrungssätze, aus denen sich die konkrete Rückfallgefahr des Betroffenen ergibt, entnommen werden könnte. Die Befürchtung des Antragstellers, angesichts absehbarer Konflikte werde der Betroffene sehr schnell überfordert werden und in alte Verhaltensmuster zurückfallen, ist schon angesichts des bereits erörterten Zeitablaufs nicht geeignet, eine entsprechende Tatsache zu begründen, zumal der Betroffene unter Führungsaufsicht steht und u.a. verpflichtet ist, in 14-tägigem Abstand eine Psychotherapie durchzuführen und die Teilnahme hieran entsprechend nachzuweisen hat.
Soweit das Landgericht seine Entscheidung auch darauf stützt, dass der Betroffene seiner Ehefrau von sich aus die Gründe seiner Inhaftierung nicht wahrheitsgemäß eröffnet habe – dies war der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts … nicht bekannt gewesen – lassen sich auch hieraus nicht die für eine längerfristige Observation erforderlichen konkreten Tatsachen ableiten, zumal die Strafvollstreckungskammer im Nachhinein am … einen erneuten Anhörungstermin, zu dem auch die Ehefrau des Betroffenen geladen wurde, anberaumt hat. Es ist nicht festgestellt, dass die Eröffnung der tatsächlichen Hintergründe der Verurteilungen und der Sicherungsverwahrung gegenüber der Ehefrau des Betroffenen zu derartigen Konflikten zwischen den Eheleuten geführt hätte, die im Ergebnis eine Überforderung des Betroffenen und einen Rückfall in alte Verhaltensmuster besorgen ließen.
Die vom Antragsteller zur Begründung seines Antrags aufgeführten Umstände, vermögen nach alledem weder jeder für sich allein noch in ihrer Gesamtschau eine „gegenwärtige Gefahr“ begründen.
b)
Die Anordnung einer längerfristigen Observation kann im Übrigen auch nicht auf § 32 Abs.1 Nr. 2 BbgPolG gestützt werden.
Abgesehen davon, dass der Antragsteller selbst sich für sein Begehren schon nicht auf diese Regelung berufen hat, gilt insoweit folgendes:
Gemäß § 32 Abs.1 Nr. 2 BbgPolG können Personen einer längerfristigen Observation unterfallen, bei denen sichere Anhaltspunkte für die beabsichtigte Begehung von Straftaten von erheblicher Bedeutung (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BbPolG) sprechen, wenn die Datenerhebung zur vorbeugenden Bekämpfung dieser Straftaten erforderlich ist. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen gleichfalls nicht vor. Zulässig ist ein Eingriff danach nur aufgrund einer hinreichend sicheren Faktenlage. Der Polizei müssen stichhaltige, nachprüfbare Umstände vorliegen, die auf eine bevorstehende Straftat und deren Täter schließen lassen. Bloße Vermutungen genügen für eine Datenerhebung nach dieser Vorschrift nicht (vgl. Niehörster, Brandenburgisches Polizeigesetz, 2. Aufl., S. 124 für eine heimliche Datenerhebung). Wie sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen unter II. 2. a) ergibt, sind solch qualifizierte Umstände nicht festgestellt. Dabei kommt dem Aspekt, dass vorliegend nach Aktenlage keine heimliche, sondern eine offene Observation erfolgen soll, keine maßgebliche Bedeutung zu. Observationen können, gerade um den Betroffenen einzuschüchtern, auch offen erfolgen (vgl. Lisken/ Deninger - Rachor, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., S.511, F Rn 325, Fn. 450). Die Grundrechtsrelevanz einer solchen Maßnahme liegt auf der Hand.
c)
Da bereits nicht von einer gegenwärtigen Gefahr im Sinne des Gesetzes bzw. von hinreichend sicheren Anhaltspunkten für die beabsichtigte Begehung von Straftaten ausgegangen werden kann, kommt es auf die Frage der Verhältnismäßigkeit der beantragten Maßnahme im engeren Sinne nicht mehr entscheidend an. So bedarf es keiner weitergehenden Prüfung durch den Senat, ob mildere Mittel als eine längerfristige Observation zur Verfügung gestanden hätten. Zu bedenken wäre insoweit, dass vorliegend Führungsaufsicht angeordnet ist und ein von der Strafvollstreckungskammer für erforderlich gehaltenes Auflagennetz geknüpft worden ist, so dass von darüber hinausgehenden präventiven Maßnahmen eventuell nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden darf. Im Übrigen könnte – trotz der angeordneten Führungsaufsicht – eine gelegentliche Beobachtung des Betroffenen rechtlich möglich und ausreichend sein. Aus den dargelegten rechtsstaatlichen Gründen dürfte diese unter den derzeit gegebenen Umständen allerdings keine Dauerüberwachung darstellen. Dabei ist auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Recht des Betroffenen auf Resozialisierung durch Überwachungsmaßnahmen in Frage gestellt werden könnte.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG.