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Scheidungsverfahren: unzulässige Teilentscheidung bei instanzabschließendem Beschluss, einen Versorgungsausgleich zur Zeit nicht stattfinden zu lassen außerhalb des Anwendungs-bereichs des § 224 Abs. 3 FamFG; Verbundverstoß bei fehlender Abtrennung


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 04.12.2019
Aktenzeichen 13 UF 73/19 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

1. Die instanzabschließende Entscheidung, einen Versorgungsausgleich zur Zeit nicht stattfin-den zu lassen stellt bei einem im Raum stehenden Normalfall eines Wertausgleichs bei Scheidung außerhalb des Anwendungsbereichs des § 224 Abs. 3 FamFG mangels verfahrensrechtlicher Grundlage eine unzulässige Teilentscheidung dar.

2. Im Scheidungsverfahren verstößt dies zugleich gegen §§ 137 Abs. 1, 142 Abs. 1 FamFG, wonach über sämtliche im Verbund stehenden Familiensachen durch einheitlichen Beschluss zu entscheiden ist. Damit ist eine unzulässige Teilentscheidung gegeben, die gem. § 117 Abs. 2 S. 1 FamFG i. V. mit § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 ZPO – auch ohne Antrag, § 538 Abs. 2 S. 3 ZPO – aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist (vgl. OLG Brandenburg NJW 2012, 241 m.w.N.).

3. Das Gleiche gilt, soweit das Familiengericht hierdurch nur über einen Teil (Scheidung) der nach § 137 Abs. 1 FamFG einheitlich zu treffenden Entscheidung entschieden hat, ohne dass die Voraussetzungen für eine Abtrennung erfüllt sind (vgl. Feskorn in: Prütting/Helms, Fa-mFG, 4. Aufl. 2018, § 117 FamFG, Rn. 15 m.w.N.).

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 05.03.2019 - 2.2 F 33/17 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Familiengericht zurückverwiesen.

Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.

Wert des Beschwerdeverfahrens bis 5000 €

Gründe

1. Der Antragsgegner wendet sich gegen die Scheidung seiner Ehe mit der Antragstellerin.

Der 1964 geborene Antragsgegner und die 1987 geborene Antragstellerin schlossen am ….2012 die Ehe und sind Eltern zweier am …2012 und am ….2014 geborener Söhne.

Nach Inhaftierung des Antragsgegners am 01.12.2014 verzog die Antragstellerin mit Ihren Söhnen vom letzten gemeinsamen Wohnsitz in Österreich nach Strausberg. Mitte April 2016 wurde dem Antragsgegner ein Antrag der Antragstellerin auf Ehescheidung übermittelt (vgl. 9, 10 in AG Strausberg 2.2 F 81/16, BA). Bei einer Anhörung am 19.01.2018 vor dem Amtsgericht widersprach der Ehemann einer Scheidung und machte im Übrigen keine Angaben (53).

Nach einer Terminierung ohne Vorführung des Antragsgegners zu einer nochmaligen persönlichen Anhörung hat der Antragsgegner die Richterin mit Gesuch vom 21.06.2018 abgelehnt (103 ff.). Eine gegen den Zurückweisungsbeschluss des Amtsgerichts vom 05.07.2018 (vgl. 130 ff.) gerichtete sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat das OLG Brandenburg durch Beschluss vom 26.11.2018 – 10 WF 107/18 – als unbegründet zurückgewiesen (vgl. 188 ff.).

Nach einer weiteren Terminierung ohne Vorführung des Antragsgegners zu einer nochmaligen persönlichen Anhörung hat dieser die Richterin mit Gesuch vom 20.02.2019 (vgl. 212 ff.) abermals abgelehnt. Dieses Ablehnungsgesuch hat die für das Eheverfahren zuständige Richterin durch Beschluss vom 26.02.2019 wegen offensichtlichen Missbrauchs selbst als unzulässig zurückgewiesen (215) und die Ehe der Antragsbeteiligten im Termin am 05.03.2019 nach Anhörung der Antragstellerin geschieden (225).

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 05.03.2019, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist (227 ff.), hat das Amtsgericht die Ehe der Beteiligten geschieden und zum Versorgungsausgleich tenoriert, er finde zur Zeit nicht statt. Die Ehe sei gescheitert, da die Ehegatten seit mindestens einem Jahr getrennt lebten, wobei sich eine Kundgabe des Trennungswillens der Antragstellerin spätestens aus der Übermittlung ihrer Antragsschrift vom 16.02.2016 im Scheidungsverfahren 2.2 F 81/16 an den Antragsgegner im April 2016 ergebe und eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft in Ansehung einer seit 2016 bestehenden neuen Partnerschaft der Antragstellerin ausgeschlossen sei. Ein Versorgungsausgleich finde zur Zeit nicht statt, da der Ehemann seine Mitwirkung im Rahmen des Versorgungsausgleichsverfahrens ablehne.

Der Antragsgegner beanstandet den Beschluss in Ansehung des Ausspruchs zur Scheidung und zum Versorgungsausgleich als fehlerhaft. Er erstrebt der Sache nach die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zuletzt ausdrücklich die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

Die Antragstellerin verteidigt den angefochtenen Beschluss und erbittet die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise gleichfalls die Zurückverweisung an das Familiengericht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat, dem die Akten des Amtsgerichts Strausberg - 2.2. F 81/16 vorlagen, auf den Schriftsatzwechsel im Beschwerderechtszug. Er entscheidet, wie angekündigt (424), ohne mündliche Verhandlung (§§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war. Eine erneute Anhörung der Beteiligten ist entbehrlich, wenn der angefochtene Beschluss ohnehin aufzuheben ist (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Unger/Roßmann, FamFG, 5. Aufl., § 68 Rn. 41 m.w.N), etwa, wie hier, zur Wiederherstellung des Verbunds (vgl. Feskorn in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 117 FamFG, Rn. 48).

2. Die nach § 58 ff FamFG statthafte Beschwerde ist zulässig. Der Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners vom 15.05.2019 beinhaltet, worauf die Beteiligten bereits hingewiesen wurden (408), eine nach § 117 Abs. 1 S 1 FamFG hinreichende Beschwerdebegründung, indem er die Fehlanwendung materiellen Rechts zur Beurteilung der Trennungszeit rügt, sowie die Fehlanwendung formellen Rechts zur Anhörung des Antragsgegners; als Umfang und Ziel der Beschwerde kommen Aufhebung des Beschlusses zur Scheidung und zum Versorgungsausgleich hinreichend klar zum Ausdruck (351). Die Begründungsfrist des § 117 Abs. 1 S. 3 FamFG ist nach Zustellung des Scheidungsbeschlusses an den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 11.03.2019 (237) und Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 08.06.2019 (337r) gewahrt.

Die Beschwerde hat dahin Erfolg, dass das Verfahren an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen ist. Das Amtsgericht hat einen schwerwiegenden Verfahrensfehler begangen, indem es festgestellt hat, dass ein Versorgungsausgleich zur Zeit nicht stattfindet und damit eine prozessuale Rechtsfolge ausgesprochen, die das FamFG so nicht vorsieht. Die instanzabschließende Entscheidung, einen Versorgungsausgleich nicht stattfinden zu lassen, ist für den hier im Raum stehenden Normalfall eines Wertausgleichs bei Scheidung gesetzlich nur für die Fälle des § 224 Abs. 3 FamFG, für deren Vorliegen hier nichts spricht, vorgesehen und zudem als dauerhafte Regelung. Eine instanzabschließende Entscheidung, einen solchen Versorgungsausgleich im Falle eines Wertausgleichs bei der Scheidung zur Zeit nicht stattfinden zu lassen, ist gesetzlich nicht vorgesehen.

Zugleich liegt ein Verstoß gegen §§ 137 Abs. 1, 142 Abs. 1 FamFG vor, wonach im Falle der Scheidung über sämtliche im Verbund stehenden Familiensachen durch einheitlichen Beschluss zu entscheiden ist. Damit ist eine unzulässige Teilentscheidung gegeben, die gem. § 117 Abs. 2 S. 1 FamFG i. V. mit § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 ZPO – auch ohne Antrag, § 538 Abs. 2 S. 3 ZPO – aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist (vgl. OLG Brandenburg NJW 2012, 241 m.w.N.).

Das Gleiche gilt, wenn das Familiengericht, wie hier, nur über einen Teil (Scheidung) der nach § 137 Abs. 1 FamFG einheitlich zu treffenden Entscheidung entschieden hat, ohne dass die Voraussetzungen für eine Abtrennung erfüllt wären (vgl. Feskorn in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 117 FamFG, Rn. 15 m.w.N.). Die Abtrennung einer Folgesache ist nur unter den in § 140 FamFG abschließend geregelten Voraussetzungen möglich. Der Rückgriff auf die allgemeinen Regeln der Verfahrenstrennung (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 145 ZPO) ist daneben ausgeschlossen. Die Vorschrift ist zwingendes Recht und steht nicht zur Disposition der Beteiligten. Daher kommt bei einem Verstoß gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 295 Abs. 2 ZPO auch keine Heilung dieses Verfahrensmangels durch Rügeverlust in Betracht (vgl. Helms in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 140 FamFG Rn 4 m.w.N.).

Die Voraussetzungen einer Abtrennung, etwa nach § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG, fehlen. Weder hatte die Antragstellerin einen dahingehenden Antrag gestellt, noch hat das Amtsgericht einen Trennungsbeschluss nach § 140 Abs. 6 FamFG gefasst; eine stillschweigende Abtrennung wäre unzulässig (vgl. BeckOK FamFG/Weber, 32. Ed. 1.10.2019, FamFG § 140 Rn. 18 m.w.N.).

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin. Die Amtsrichterin durfte das Ablehnungsgesuch des Antragsgegners vom 20.02.2019 ohne Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot des § 45 Abs. 1 ZPO selbst als unzulässig zurückweisen und den Scheidungsbeschluss wegen offensichtlichen Missbrauchs ohne Verstoß gegen die Wartepflicht des § 47 ZPO fassen.

Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung besteht bei offensichtlich missbräuchlichen Ablehnungsgesuchen weder ein Mitwirkungsverbot nach § 45 ZPO noch eine Wartepflicht nach § 47 ZPO (vgl. MüKoZPO/Stackmann, 5. Aufl. 2016, ZPO § 45 Rn. 2, § 47 Rn. 2 jew. m.w.N.). Offensichtlich missbräuchlich ist das Gesuch namentlich bei offensichtlicher Unzulässigkeit oder Verfolgung verfahrensfremder Zwecke. Offensichtliche Unzulässigkeit liegt vor bei einer Wiederholung eines bereits abgelehnten Antrages, da die mit der Entscheidung nach § 45 ZPO getroffene Entscheidung das Gericht als prozessuale Zwischenentscheidung bindet.

Hierauf hat das Amtsgericht zutreffend abgestellt. Das Ablehnungsgesuch vom 20.02.2019 (212 ff) war ebenso wie dasjenige vom 21.06.2018 (130 ff) mit der fehlenden Anordnung einer nochmaligen persönlichen Anhörung des Antragsgegners begründet. Das erste Ablehnungsgesuch war bereits durch die Beschwerdeentscheidung des Brandenburgischen Oberlandegerichts vom 26.11.2018 - 10 WF 107/18 – rechtskräftig für unbegründet erklärt worden (188 ff). Der Erlass des Beschlusses des OLG Celle vom 24.04.2018 - 3 WS 52/18 (StrVollz) – in der Strafvollzugsangelegenheit (vgl. 98 ff) bildete auch keinen neuen berücksichtigungsfähigen Grund. Abgesehen davon, dass er bereits Gegenstand des ersten Ablehnungsgesuchs war (vgl. 103), diente eine Ablehnung zur Durchsetzung einer vollstreckungsrechtlichen Verlegung verfahrensfremden Zwecken (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Mai 2019 – 13 UF 73/19 –, juris).

Die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 20 Abs. 1 S. 1 FamGKG. Die übrige Kostenentscheidung über das Beschwerdeverfahren ist dem Amtsgericht vorzubehalten.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus den §§ 55 Abs 2, 33 Abs. 1 S. 1, 43 Abs. 1, Abs. 2, 44 Abs. 1, 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG), besteht nicht.