Gericht | SG Neuruppin | Entscheidungsdatum | 28.08.2010 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | S 14 SO 107/10 ER | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Schuldenübernahme Stromschulden Heizung mit Strom
Der einstweilige Rechtsschutzantrag wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Die Antragstellerin begehrt mit ihrem am 19. August 2010 am Gericht gestellten einstweiligen Rechtsschutzantrag den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Verbindlichkeit der Antragstellerin bei der Firma E. von Urteil:aufgelaufenen Stromkosten in Höhe von 7.556,95 € zu übernehmen. Sie hält einen Anspruch aus § 73 SGB XII für gegeben.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Er hält einen Anordnungsanspruch für nicht glaubhaft gemacht unter Prüfung von § 34 Abs. 1 SGB XII.
Der einstweilige Rechtsschutzantrag ist zulässig, aber unbegründet.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und der 3. Staatsgewalt der Judikative negiert, ist gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Rechtsweg zum Sozialgericht gegeben. Das Sozialgericht Neuruppin ist auch gemäß § 57 Abs. 1 SGG örtlich zuständig, die Antragstellerin hat ihren Wohnsitz im Landkreis Ostprignitz-Ruppin, für den das Sozialgericht Neuruppin zuständig ist.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ist der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
Anordnungsanspruch bezieht sich auf den Anspruch aus materiellem Recht, Anordnungsgrund auf die Eilbedürftigkeit, eine vorläufige Regelung zu treffen.
Vorliegend ist ein Anordnungsanspruch von der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht worden. Als materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage für eine Übernahme von Stromschulden kommt hier nur § 34 Abs. 1 SGB XII in Betracht. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist § 73 SGB XII hier nicht anwendbar. § 73 SGB XII ist eine Auffangnorm und nur dann anwendbar, wenn die Situation keinem anderen Hilfetatbestand des § 8 SGB XII zuordnenbar ist (vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf SGB XII-Kommentar 2. Auflage 2008 § 73 Rn 2 und 3). Der geltend gemachte Anspruch auf Übernahme von aufgelaufenen Kosten für Stromlieferungen könnte sich aus §§ 41, 42 Satz 1 Nr. 5, 34 Abs. 1 SGB XII ergeben. Die Antragstellerin ist laufende Bezieherin von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, da ihre Altersrente zurzeit 222,93 € beträgt. Die Antragstellerin ist 69 Jahre alt. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB XII können Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sollen sie übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 SGB XII können Geldleistungen als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden.
Die Antragstellerin ist im Mai 2008 von B. nach R. gezogen in eine Mietwohnung. Bereits für die Wohnung hatte der Antragsgegner auf seine Angemessenheitsgrenze hingewiesen, und Miete nur in diesem Maßstab übernommen.
Am 3. Juli 2008 legte die Antragstellerin einen neuen Mietvertrag mit Frau A. H. über den Bauernhof in R. zu 300,00 € ab 1. Juli 2008 vor. Die Antragstellerin ist dann auch umgezogen. Eine vorherige Zustimmung zu den Kosten der Unterkunft hatte die Antragstellerin von dem Antragsgegner nicht eingeholt. Der Bauernhof ist offensichtlich beheizbar mit Elektroenergie und auch fossilen Brennstoffen. Der Hausbesuch am 5. August 2009 ergab, dass nur zwei Zimmer begrenzt bewohnbar sind und alle Zimmer mit Elektroheizkörpern, die mit Tagstrom gespeist werden, ausgestattet sind. Spätestens mit der Jahresrechnung des Energieversorgungsunternehmens E. vom 4. Juni 2009 war der Antragstellerin bekannt, dass ein enormer Stromverbrauch in Rechnung gestellt worden ist. Aus der Jahresabrechnung ergab sich ein Jahresverbrauch von 28.735 kWh Strom, der zum Rechnungsbetrag von 6.252,51 € führte. Der Energieversorger hatte daraufhin die Abschlagshöhen auf 689,00 € für 11 Monate im Jahr festgesetzt.
Ein Fall des § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB XII liegt nicht vor. Hinsichtlich der Vermieterin ist nichts aktenkundig, ob bei ihr dort Mietrückstände bestehen, wegen derer der Mietvertrag für das Bauernhaus gekündigt worden sein könnte. Somit kommt § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zur Anwendung, der, bei vorliegenden tatbestandlichen Voraussetzungen ein Ermessen für den Antragsgegner eröffnet.
Der Antragsgegner hat zutreffend ausgeführt, dass eine vergleichbare Notlage auch in der angedrohten Abschaltung der Stromversorgung liegen kann. Insoweit wird auf den Schriftsatz des Antraggegners vom 24. August 2010 ausdrücklich Bezug genommen. Weiteres Tatbestandsmerkmal ist aber, dass die Übernahme von Schulden gerechtfertigt ist.
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Gemäß § 2 Abs. 1 SGB XII erhält Sozialhilfe nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Grundsätzlich ist die Sozialhilfe nachrangig gegenüber einer Leistungserlangung von anderen oder aber bei einer Selbsthilfemöglichkeit. Die Antragstellerin könnte sich hier selbst helfen. Ab Erkennen-Können des völlig überdimensionierten in Rechnung gestellten Stromverbrauchs, hat die Antragstellerin sich nicht wirklich um Möglichkeiten bemüht, die Gründe für die hohen Abrechnungen zu klären, die Ursachen zu beseitigen oder die Notlage selbst abzuwenden.
Die Inanspruchnahme der Schuldnerberater bei der IBIS erfolgte offensichtlich auf Betreiben des Antraggegners. Das Angebot der Antragstellerin bei Energieschulden von über 7.000,00 € monatliche Raten von 10,00 € zu zahlen, muss auch von hier als völlig inadäquat benannt werden. Damit ließe sich der Schuldenbetrag zu Lebzeiten nicht mehr abtragen, geschweige denn, von den weiter auflaufenden fast monatlichen Abschlagzahlungen von fast 700,00 €. In weiterer Erfüllung der Auflagen des Antraggegners, hatte die Antragstellerin sowohl den Bezirksschornsteinfegermeister, als auch ein Gutachten zur Elektrohausanlage eingeholt. Aus beiden Berichten ergeben sich Handlungsbedarfe. Da die Antragstellerin Mieterin ist und dies die grundlegende Ausstattung des Bauernhauses für Wohnzwecke betrifft, wäre die Vermieterin zuständig. Dass die Antragstellerin sich zwecks Erfüllung der Handlungsbedarfe an ihre Vermieterin gewandt hat, ist nirgendwo erkennbar. Letztendlich bestünde bei der Antragstellerin seit Erkennen-Können des enormen Stromverbrauchs die Selbsthilfemöglichkeit, sich eine andere Wohnung zu suchen. Dazu ist nichts erkennbar.
Der Energieversorger hat den bestehenden Zahlungsrückstand Anfang Februar 2010 mit 9.865,33 € benannt und angemahnt, mit dem einstweiligen Rechtsschutzantrag ist eine Mahnung und Aufstellung von Juli 2010 über 7.556,95 € vorgelegt worden.
Diese Kosten für Stromverbrauch betreffen sowohl den Haushaltsstromverbrauch, als auch die Heizung. Da der generelle Haushaltsstrom von dem notwendigen Lebensunterhalt gemäß § 28 SGB XII vom Regelsatz umfasst ist (Abteilung 04 der Regelsatzverordnung), dieser also sowieso nicht ergänzend als Sozialhilfeleistung zu erbringen ist, käme sowieso nur der Teil in Betracht, der auf die Heizung entfällt.
Gemäß §§ 41, 42 Satz 1 Nr. 2 SGB XII i. V. m. § 29 Abs. 3 SGB XII werden Leistungen für Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit sie angemessen sind.
Zur Frage der Bestimmung der Angemessenheitsgrenze liegt nunmehr die gefestigte Rechtssprechung des Bundessozialgerichts vor zum Arbeitslosengeld II (vgl. BSG-Urteil vom 02.07.2009 Az.: B 14 AS 36/08 R; vom 22. September 2009 Az.: B 4 AS 70/08 R). Danach ist die Angemessenheitsobergrenze zu bestimmen nach dem örtlichen oder bundesweiten Heizkostenspiegel unter Anwendung der dort rechten Spalten mit den höchsten Werten, multipliziert mit der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße nach Personen. Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße für die Antragstellerin wäre 50 m² mit einer Person. Da in dem bundesweiten Heizspiegel Strom als Heizmedium nicht aufgeführt wird, könnten die Fernwärmebeträge zugrunde gelegt werden. Dort in der rechten Spalte sind 20,00 € je m² pro Jahr ausgewiesen. Multipliziert mit 50 m² ergibt dies 1.000,00 € pro Jahr und 83,33 € im Monat. Daraus ergibt sich ein m² maximaler Betrag für Energie von 1,67 € je Quadratmeter im Monat.
Die Grundsätze zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze aus dem Rechtskreis des Alg II dürften auf das Sozialhilferecht übertragbar sein. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Antragsgegner aber bereits ab Juli 2008 bis Mai 2009 1,71 € pro m² für Heizkosten übernommen gehabt. Er hat nämlich insgesamt in dem Zeitraum 940,00 € übernommen in Form von 660,00 € an den Stromversorger und zusätzlich 280,00 € für 2.000 kg Brikett im November 2008, berechnet auf 11 Monate ergibt das 85,45 € im Monat, umgelegt auf 50 m² die 1,71 € pro m². Dieser Betrag liegt bereits über der von der Rechtssprechung definierten maximalen Angemessenheitsobergrenze. Für die Zeit von Juni 2009 bis Oktober 2009 zahlt der Antragsgegner monatlich 60,00 € für Heizkosten an den Stromversorger. Zusätzlich bewilligt hat er im Februar 2010 195,00 € für eine Kohlelieferung und im März 2010 47,60 € für Kaminholz. Damit hat er 902,60 € im laufenden Bewilligungszeitraum übernommen. Sollte eine Einzelrechnung nicht mehr hinzukommen, ergibt dies 75,22 € im Monat, die der Antragsgegner als Heizkosten übernommen hat. Dies ergibt einen monatlichen Quadratmetersatz von 1,50 €. Dies liegt zwar mit 0,17 € pro m² unter der oben dargelegten maximalen Angemessenheitsgrenze, kann sich durch Einzelrechnungen für Kohle oder Holz im laufenden Bewilligungszeitraum aber noch ändern. Auch aus diesem Grund ist eine Schuldübernahme nicht gerechtfertigt.
Ein Ermessensfehlgebrauch des Antraggegners ist nicht erkennbar; er hat sein Ermessen ausgeübt und die gesetzlichen Ermessensgrenzen nicht überschritten.
Nach alledem war der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mangels Vorliegens eines Anordnungsanspruchs abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG entsprechend.
Der Prozesskostenhilfeantrag war gemäß § 73 a SGG i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO abzulehnen, da der einstweilige Rechtsschutzantrag keine hinreichende Erfolgsaussicht hatte.