Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat | Entscheidungsdatum | 25.05.2012 | |
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Aktenzeichen | OVG 5 S 22.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 80 Abs 5 VwGO, § 146 Abs 4 S 6 VwGO, § 2 TierSchG, § 15 Abs 2 TierSchG, § 16a S 1 TierSchG, § 16a S 2 TierSchG, § 44b ViehVerkV |
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 21. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2 500,00 EUR festgesetzt.
I.
Mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 29. April 2011 hat das Amt für Verbraucherschutz und Landwirtschaft des Landkreises Ostprignitz-Ruppin der im Jahr 1939 geborenen Antragstellerin aufgegeben, ihren Pferdebestand von 16 Pferden auf vier Pferde zu reduzieren. Die Antragstellerin habe wiederholt gegen die Bestimmungen des Tierschutzgesetzes verstoßen und biete weder die persönlichen noch räumlichen Voraussetzungen für eine artgerechte Versorgung und Haltung von 16 Pferden. Wegen ihrer eingeschränkten Leistungsfähigkeit sowie des Vorhandenseins von nur vier akzeptablen Boxen sei daher eine deutliche Reduzierung ihrer Pferdebestandes zwingend notwendig. Mit Beschluss vom 21. Juli 2011 hat das Verwaltungsgericht Potsdam den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des am 9. Mai 2011 gegen die Anordnung der Bestandsreduzierung erhobenen Widerspruchs der Antragstellerin abgelehnt.
II.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.
Das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfende Beschwerdevorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine Änderung oder Aufhebung des angegriffenen Beschlusses. Die von dem Verwaltungsgericht bei Annahme offener Erfolgsaussichten in der Hauptsache vorgenommene und zu Lasten der Antragstellerin ausgefallene Interessenabwägung im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht zu beanstanden.
Der Einwand der Beschwerde, es bestünden entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ernstliche und offensichtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, hat keinen Erfolg. Die von ihr vermisste Rechtsgrundlage für die verfügte teilweise „Abgabe“ der Pferde findet sich in § 16a Satz 1 und 2 TierSchG. Danach trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann insbesondere die zur Erfüllung der Tierschutzanforderungen des § 2 erforderlichen Maßnahmen anordnen, wozu auch die Abgabe von Tieren an Dritte zur Reduzierung des Tierbestandes gehört. Soweit die Beschwerde die Rechtswidrigkeit des Bescheides aus widersprüchlichen Feststellungen des Amtes bei dessen wiederholten Kontrollen auf dem Hof der Antragstellerin herzuleiten versucht, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Verschiedenartigkeit der von dem Amt getroffenen Feststellungen nicht zugleich deren Widersprüchlichkeit nach sich zieht und auch der Vorhalt, dass bei den letzten Kontrollen am 15. April 2011 und am 19. April 2011 „gänzlich andere Rügen erhoben wurden als anlässlich der zuvor durchgeführten Kontrollen“, nicht geeignet ist, deren inhaltliche Richtigkeit in Frage zu stellen.
Das gilt zunächst für den Einwand der Beschwerde, die angeblich nicht ausreichende Größe der Pferdeboxen sei erstmals am 19. April 2011 angesprochen worden und bei den vorangegangenen Kontrollen offensichtlich nicht aufgefallen oder gegeben gewesen. Die Beschwerde verkennt hier wie im Folgenden, dass diese Feststellung - ebenso wie die übrigen angegriffenen Feststellungen - auf der Einschätzung des stellvertretenden Amtstierarztes Dr. R… beruht, dem bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, vom Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt ist (vgl. §§ 15 Abs. 2, 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG; siehe Beschluss des Senats vom 3. Februar 2010 - OVG 5 S 28.09 -, juris Rn. 4, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BayVGH, insbesondere Beschluss vom 30. Januar 2008 - 9 B 05.3146 u.a. -, juris Rn. 29 m.w.N.). Es liegt daher auf der Hand, dass die Beschwerde die hier in Rede stehenden amtstierärztlichen Wertungen nicht durch schlichtes Bestreiten zu entkräften vermag. Dies gilt umso mehr, als sich der Amtstierarzt bei der Kontrolle der Boxen an den von dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz herausgegebenen und von einer Sachverständigengruppe erarbeiteten Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten (Stand Juni 2009; nachfolgend Leitlinien/BML) orientiert hat, die unter Punkt 3.2 eine Boxengröße vorsehen, die vorliegend nur bei vier Boxen der Antragstellerin eingehalten worden ist.
Auch die von dem Amtstierarzt bei der Kontrolle am 19. April 2011 getroffene Feststellung eines deutlich mangelhaften Hufpflegezustandes gründet nicht, wie die Beschwerde meint, auf einem bloß behaupteten, „aber fachlich nicht abschließend bestätigten 8 Wochen-Durchschnitt“, sondern findet ihre Rechtfertigung in Punkt 2.2.2. Leitlinien/BML, wonach unbeschlagene Pferde zur Gesunderhaltung in der Regel alle 6 bis 8 Wochen auf Stellung und Abnutzung der Hufe zu kontrollieren und nach Bedarf zu korrigieren sind. Im Hinblick darauf, dass nach Auskunft der Antragstellerin die letzte Hufpflege im Dezember 2010 erfolgt war, steht außer Zweifel, dass im Kontrolltermin am 19. April 2011 das zur Gesunderhaltung der Pferde vorgegebene Pflegeintervall deutlich überschritten war.
Der amtstierärztlichen Feststellung, dass sich bei der Kontrolle am 19. April 2011 mehr als die Hälfte der Pferde in mäßigem bis schlechtem Ernährungszustand befunden hätten, hat die Beschwerde nichts Substanzielles entgegenzusetzen. Deren Vorhalt, dass „als einzige Konkretisierung“ das kotverklebte Fell angegeben worden sei, übersieht, dass der Amtstierarzt ausweislich des Verwaltungsvorgangs den jeweiligen Ernährungszustand der Pferde durch Einzelbegutachtung ermittelt und fotografisch dokumentiert hat. Dabei lassen insbesondere die gefertigten Fotos nicht erkennen, dass der Amtstierarzt mit seiner Einschätzung eines mangelhaften Ernährungszustandes die Grenzen der fachlichen Vertretbarkeit überschritten hat. Fachlich unergiebig ist hingegen der Einwand der Beschwerde, dass bei der Kontrolle am 2. März 2011 weder der Ernährungszustand der Pferde noch deren Futter- und Wasserversorgung bemängelt worden seien und es vor diesem Hintergrund ausgeschlossen sei, dass sich der Ernährungszustand der Pferde bis zur Kontrolle am 19. April 2011 derart hätte verschlechtern können. Die Beschwerde nimmt nicht in den Blick, dass das angeborene Verhalten und der Verdauungsapparat eines Pferdes auf eine kontinuierliche Nahrungsaufnahme eingestellt sind (vgl. Punkt 2.1.4. Leitlinien/BML). Angesichts dieses Fressverhaltens liegt es nahe, dass bereits eine unzureichende Futterversorgung in dem von der Beschwerde genannten Zeitraum genügt haben dürfte, um den amtstierärztlichen Befund vom 19. April 2011 herbeizuführen. An Letzterem ändert auch das Bemerken der Beschwerde, dass Rau- und Kraftfutter immer ausreichend vorhanden gewesen seien, nichts. Vielmehr deutet der - von der Beschwerde nicht bestrittene - Spendenaufruf im Dezember 2010 eher auf eine angespannte Futterversorgungslage hin, die der Amtstierarzt im Übrigen schon bei seiner Kontrolle am 7. Januar 2011 daraus geschlussfolgert hat, dass die Pferde ständig das als Einstreu verwendete Stroh gefressen haben. Im Hinblick auf die amtsärztliche Beurteilungskompetenz bedarf es keiner näheren Erläuterung, dass die Beschwerde die fachliche Haltbarkeit dieser Schlussfolgerung nicht schon mit dem bloßen Hinweis in Abrede zu stellen vermag, dass Pferde gerne Stroh fressen.
Entgegen der Auffassung der Beschwerde hat das Verwaltungsgericht auch nachvollziehbar dargelegt, dass die Antragstellerin auf Grund ihres Alters und ihrer gesundheitlichen Probleme offensichtlich nicht der Lage ist, 16 Pferde artgerecht zu halten. Diese Einschätzung ist durch die eingehenden amtstierärztlichen Feststellungen unterlegt, die keinen Zweifel an der eingeschränkten Leistungsfähigkeit der Antragstellerin lassen, so dass unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten eine auch den räumlichen Verhältnissen Rechnung tragende Reduzierung des Pferdebestandes auf vier Pferde sachgerecht erscheint. Letztlich bestreitet selbst die Beschwerde nicht, dass die von der Antragstellerin betriebene Pferdehaltung ohne fachkundige festangestellte Mitarbeiter nicht zu bewältigen ist. Dass sie mittlerweile über solche verfügt, hat sie indes nicht ansatzweise glaubhaft gemacht.
Soweit die Beschwerde hinsichtlich der in dem angefochtenen Bescheid geforderten Vorlage von Equidenpässen keinen tierschutzrechtlichen Zusammenhang erkennen kann, ist auf § 44b der Verordnung zum Schutz gegen die Verschleppung von Tierseuchen im Viehverkehr (Viehverkehrsverordnung - ViehVerkV) in der Fassung vom 3. März 2010 (BGBl. I S. 203) zu verweisen, der eine Übernahme eines Pferdes in den Bestand eines anderen Tierhalters nur erlaubt, wenn es von einem Equidenpass begleitet wird. Die Forderung nach Vorlage von Equidenpässen dient mithin der Beseitigung eines rechtlichen Hindernisses für die verfügte Abgabe der zwölf Pferde und damit der Herstellung eines tierschutzgerechten Zustandes.
Dass wegen der anderweitigen Unterbringung der abzugebenden Pferde erhebliche Kosten anfallen und die Tiere nach dem Vorbringen der Beschwerde für ihr Wohlergehen des persönlichen Kontakts mit der Antragstellerin bedürfen, stellt die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung nicht in Frage und rechtfertigt keinen Aufschub von Vollzugsmaßnahmen. Das Verwaltungsgericht hat in nicht zu beanstandender Weise auf den aus Art. 20 a GG ableitbaren staatlichen Auftrag zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Tieren abgestellt, der es gebietet, dass derjenige, der ein Tier hält oder betreut, die Folgen tierschutzrechtlicher Maßnahmen im Sinne des § 16a TierSchG hinzunehmen hat, wenn - wie hier – hinreichender Anlass zu der Annahme besteht, dass aus der weiteren Haltung oder Betreuung von Tieren durch den Betroffenen eine Gefahr für deren angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung resultiert.
Der Schriftsatz des Antragsgegners vom 25. Mai 2012 ist bei der Entscheidung unberücksichtigt geblieben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).