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Entscheidung 7 K 42/05


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 06.05.2010
Aktenzeichen 7 K 42/05 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 46 AO, § 37 Abs 2 S 3 AO, § 218 Abs 2 AO, § 5 AO, § 102 FGO, § 121 Abs 1 AO

Leitsatz

Keine zwingende vorrangige Inanspruchnahme des Abtretungsempfängers gegenüber dem Abtretenden betreffend den Rückerstattungsanspruch bei unberechtigter Abtretung

Tenor

Der Abrechnungsbescheid zur Umsatzsteuer 1998 vom 25. Juni 2003 und der Abrechnungsbescheid zur Umsatzsteuer 1999 vom 14. Juli 2003, beide in Ge-stalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2004, werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Beteiligten je zur Hälfte auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich bezogen auf die Rückforderung einer ihr im Wege der Abtretung zugekommenen Umsatzsteuererstattung gegen die Abrechnungsbescheide zur Umsatzsteuer 1998 und 1999 und begehrt umgekehrt die Feststellung eines entsprechenden Guthabenbetrages.

Die Klägerin war als vormalige Bau- bzw. auch Bauträgerunternehmung in der Rechtsform einer Gesellschaft mbH mit Sitz im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten geschäftsansässig. Im Jahr 2001 stellte sie ihre Unternehmenstätigkeit ein. Einen Antrag einer ihrer Gläubigerinnen, über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren zu eröffnen, lehnte das Amtsgericht M durch Beschluss vom 29. Oktober 2004 (Az.: …) mangels Vorhandenseins einer die Verfahrenskosten deckenden Masse ab. Am 29. April 2009 wurde die Klägerin im Handelsregister gelöscht.

Bezogen auf das Grundstück A-Straße in N schloss die Klägerin am 23. Dezember 1998 mit einer dem Grundstück gleichnamigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) einen Bau- und Übereignungsvertrag (fortan: BV). Auf diesem von der Klägerin erworbenen Grundstück waren in der Vorzeit ein zu Wohn- und Geschäftszwecken genutztes zweigeschossiges Vorderhaus, im Hofbereich ein dreigeschossiges Fabrikgebäude mit angeschlossener Schmiede und Schornstein sowie diesem gegenüber drei ein- bzw. zweigeschossige Remisenbaulichkeiten (Ställe, Werkstätten) und schließlich weiter rückwärtig eine eingeschossige Fabrikhalle errichtet worden. Alle Baulichkeiten standen einschließlich der Hofpflasterung als Hofanlage unter Denkmalschutz. Nach dem genannten Vertrag sollte die Klägerin die vorhandenen, zerfallenen Gebäude gemäß bestimmter Baubeschreibung bis voraussichtlich zum 30. Juni 2000 in Stand setzen, modernisieren bzw. zum Teil erweitern (§§ 3, 7 Abs. 1 BV). Laut ihrem Bauantrag vom 10. März 1999 sollte das Vorderhaus im Erdgeschoss zu gastronomischen Zwecken und im Obergeschoss zum Wohnen oder zur Büronutzung hergerichtet werden sowie im Dachgeschoss einer Galerie bzw. einem Künstleratelier dienen. Im weiteren Hofbereich war eine größere Freizeiteinrichtung (Discothek/Bowlingbahn/Kino) vorgesehen.

Mit der Fertigstellung dieser Bauarbeiten hatte die Klägerin das Grundstück an die bezeichnete GbR zu veräußern (§ 3 BV). Zugleich sollten auf sie mit der Fertigstellung des Kaufobjekts der Besitz sowie Nutzen und Lasten übergehen (§ 5 Abs. 1, 2 BV). Die GbR war ihrerseits verpflichtet, betreffend den für sämtliche Leistungen der Klägerin auf 5,3 Millionen DM festgelegten Kaufpreis eine bis zum 31. Dezember 1998 zahlbare Anzahlung in Höhe von 4 Millionen DM zu leisten und ihn in restlicher Höhe bis zum 30. Juni 1999 zu entrichten (§ 4 BV). Die Anzahlung musste die Klägerin aber laut § 5 Abs. 6 BV bis zum 31. Dezember 1998 zur Einmalzahlung auf ein näher angegebenes Bausonderkonto einer bestimmten Rechtsanwältin einzahlen.

Datierend auf den 28. Dezember 1999 trat die GbR der Klägerin an Zahlungs statt eine Forderung aus einem gegenüber einem Bankinstitut bestehenden Kreditvertrag in Höhe von 3 Millionen DM und des Weiteren in Höhe von 1 Million DM Einlageverpflichtungen ihrer Gesellschafter ab. Darüber hinaus zeigte die GbR dem Beklagten bereits unter dem 23. Dezember 1999 die Abtretung eines ihr gebührenden Erstattungsanspruchs betreffend die Umsatzsteuerfestsetzung 1998 an die Klägerin in Höhe von 640.000,- DM (= 327.226,80 €) an.

Mit ihrer am 23. Dezember 1999 eingereichten Umsatzsteuererklärung 1998 stellte die Klägerin einer auf steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 4 Millionen DM entfallenden Steuer in Höhe von 640.000,- DM einen Vorsteuerabzugsbetrag in Höhe von 137,93 DM gegenüber. Durch Abrechnung für 1998 über die Umsatzsteuer vom 31. Januar 2000 folgte der Beklagte der Umsatzsteuererklärung der Klägerin.

Bezogen auf das Folgejahr 1999 rechnete die Klägerin in ihrer am 19. März 2002 eingereichte Umsatzsteuerklärung 1999 von einer mit steuerpflichtigen Umsätzen in Höhe von 303.942,- DM einhergehenden Steuer in Höhe von 48.630,72 DM einen Vorsteuerbetrag in Höhe von 198.538,65 DM ab. Demnach kam sie zur einer ihr in Höhe von 149.908,- DM (= 76.646,74 €) gebührenden Umsatzsteuererstattung.

Im Januar 2003 stellte die Klägerin für die Zeit ab 1998 berichtigte Jahresabschlüsse bzw. Steuererklärungen in Aussicht. Die Anzahlung in Höhe von 4 Millionen DM sei nicht 1998, sondern erst im Folgejahr 1999 erfolgt. Möglicherweise liege wegen Streitigkeiten mit der GbR über die Rechtswirksamkeit des BV auch überhaupt kein umsatzsteuerlicher Tatbestand vor.

Ende Januar 2003 legte die Klägerin demgemäß eine geänderte Umsatzsteuererklärung 1998 vor, in der sie keine Umsätze angab. Mit Umsatzsteuerbescheid 1998 vom 26. März 2003 folgte ihr der Beklagte verbunden mit dem Vorbehalt der Nachprüfung. Dem entsprechend wies er ein zu Gunsten der Klägerin bestehendes Umsatzsteuerguthaben in Höhe von 327.226,81 € aus.

Für das Folgejahr 1999 bezifferte die Klägerin ihre Umsätze nunmehr auf 4.303.942,- DM, die darauf entfallende Steuer auf 688.630,72 DM und den ihr gebührenden Vorsteuerbetrag auf 198.538,65 DM. Wiederum folgte ihr der Beklagte mit Umsatzsteuerbescheid 1999 vom 26. März 2003 verbunden mit dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach Verrechnung mit der vorangegangenen Umsatzsteuererstattung 1999 in Höhe von 76.646,74 € war die Klägerin nunmehr mit einem Nachzahlungsbetrag in Höhe von 327.226,80 € belastet. Diesen Betrag ließ sie über das ihr für das Streitjahr 1998 zustehende Guthaben tilgen.

Mit Bescheid vom 17. April 2003 änderte der Beklagte gegenüber der GbR deren Umsatzsteuerfestsetzung 1998. Hierdurch verlor sie in Höhe von 640.000,- DM den Vorsteuerabzug betreffend die von ihr gegenüber der Klägerin angeblich im Jahr 1998 in Höhe von 4 Millionen DM geleistete Anzahlung. Gleichfalls mit Bescheiden vom 17. April 2003 änderte der Beklagte gegenüber der GbR auch die Umsatzsteuerfestsetzungen 1999 bis 2001. Die der GbR danach gebührenden Umsatzsteuererstattungen beliefen sich auf 82.688,68 € (1999), 79.056,46 € (2000) und 30.254,67 € (2001).

Auf der Grundlage von § 173 AO änderte der Beklagte mit Umsatzsteuerbescheid 1999 vom 18. Juni 2003 auch gegenüber der Klägerin die zuletzt vom 2. Juni 2003 datierende Umsatzsteuerfestsetzung 1999. Nunmehr setzte er sie nach Umsätzen in Höhe von 303.942,- DM, einer hierauf entfallenden Steuer in Höhe von 48.630,72 DM und einem Vorsteuerabzug in Höhe von 198.538,65 DM auf ./. 149.908,- DM (= ./. 76.646,74 €) fest. Zur Begründung hieß es, dass der BV nichtig sei und daher nicht der Besteuerung unterfalle. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

Unter Hinweis darauf, dass sich am Vortage bei einer Besprechung die zwischen der Klägerin und der GbR aufgetretenen Unstimmigkeiten hinsichtlich der Wirksamkeit der Abtretungsanzeige vom 23. Dezember 1999 nicht hätte klären lassen, machte der Beklagte auf der Grundlage von § 218 Abs. 2 AO des Weiteren mit Abrechnungsbescheid zur Umsatzsteuer 1998 vom 25. Juni 2003 gegenüber der Klägerin einen ihr von Seiten der GbR zugebuchten und dann auf ihre Umsatzsteuer 1999 abgebuchten Rückforderungsbetrag in Höhe von 327.226,80 € geltend. Durch die Änderung der Steuerfestsetzung sei der rechtliche Grund für die Auszahlung der ihr abgetretenen Umsatzsteuerfestsetzung 1998 in Höhe von 327.226,80 € weggefallen.

Gegen den Abrechnungsbescheid zur Umsatzsteuer 1998 erhob die Klägerin mit Datum vom 4. Juli 2003 umgehend Einspruch. Sie führte zu dessen Begründung vornehmlich an, dass von einer Unwirksamkeit des zwischen der GbR und ihr zustande gekommenen BV betreffend das im Übrigen auch weiter fortgeführte Objekt A-Straße in N nicht gesprochen werden könne. Dem entsprechend seien nach Baufortschritt auch weitere Zahlungen an sie freigegeben worden. Deshalb gebühre ihr auch das ihr von Seiten der GbR abgetretene Vorsteuerguthaben in Höhe von 327.226,80 €.

In seiner Einspruchserwiderung vom 14. Juli 2003 entgegnete ihr der Beklagte, dass sich im Abrechnungsverfahren die etwaige Nichtigkeit des BV nicht auswirken könne. Davon abgesehen sei gegenüber der GbR die Umsatzsteuer 1998 bereits mit Bescheid vom 17. April 2003 geändert worden. Die Nichtigkeit des BV habe dem gegenüber erstmals den  geänderten Umsatzsteuerbescheid 1999 vom 18. Juni 2003 bestimmt. Durch die Änderung der Umsatzsteuer 1998 gegenüber der GbR aber sei der rechtliche Grund für die Auszahlung des Vorsteuerguthabens in Höhe von 327.226,80 € entfallen. Dessen Rückerstattung schulde nach § 37 Abs. 2 AO der Leistungsempfänger. Dies sei im Falle einer Abtretung grundsätzlich der Abtretungsempfänger, hier mithin die Klägerin.

Zugleich ließ der Beklagte unter dem 14. Juli 2003 gegenüber der Klägerin auch einen Abrechnungsbescheid zur Umsatzsteuer 1999 ergehen. Hierdurch machte er die Umbuchung des Umsatzsteuerguthabens 1998 auf die Umsatzsteuer 1999 in Höhe von 327.226,80 € rückgängig. Hiergegen erhob die Klägerin ebenfalls umgehend Einspruch.

Mit Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2004 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Begründung entsprach dabei im Wesentlichen der vorangegangenen Einspruchserwiderung vom 14. Juli 2003.

Zur Begründung ihrer dagegen am 7. Januar 2005 eingereichten Klage nimmt die Klägerin ihr Vorbringen im Vorverfahren auf und hebt hervor, dass die Grundannahme des Beklagten, zwischen ihr und der GbR habe kein wirksamer BV bestanden, durch nichts belegt und vor allem unzutreffend sei. Dessen ungeachtet fehle es für den ihr gegenüber geltend gemachten Rückzahlungsanspruch auch an einem entsprechenden Rückforderungsbescheid. Nicht zuletzt habe der Beklagte das ihm zustehende Auswahlermessen, welchen von mehreren Rückzahlungsverpflichteten er in Anspruch nehme, fehlsam ausgeübt. Denn wegen des Vorenthaltens des Umsatzsteuerguthabens 1999 habe sie der Beklagte unbilligerweise in die Insolvenz getrieben.

Die Klägerin beantragt, abweichend vom Abrechnungsbescheid zur Umsatzsteuer 1998 vom 25. Juni 2003 ebenso wie vom Abrechnungsbescheid zur Umsatzsteuer 1999 vom 14. Juli 2003, beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2004, ein Guthaben aus Umsatzsteuer 1998 in Höhe von 327.226,80 € festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er stützt seine Rechtsverteidigung wiederholend und vertiefend auf die Begründung der Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2004, an der er festhält. Er hebt ergänzend hervor, ermessensgerechterweise gerade die Klägerin als Rückerstattungsverpflichtete in Anspruch genommen zu haben. Das ihr abgetretene Umsatzsteuerguthaben habe nach der durch Bescheid vom 17. April 2003 erfolgten Aufhebung der entsprechenden Umsatzsteuerfestsetzung bei der GbR nicht mehr bestanden. Unter diesen Umständen habe an erster Stelle die Klägerin den von ihr nicht mehr zu beanspruchenden, aber tatsächlich vereinnahmten Rückforderungsbetrag zurückzugewähren. Zum Zeitpunkt des Ergehens der Rückforderungsbescheide hätte sich auch noch keine Zahlungsunfähigkeit der Klägerin abgezeichnet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten ausgetauschten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die von dem Beklagten vorgelegten Steuerakten (1 Band Umsatzsteuer-, Gewerbesteuer- und Körperschaftsteuerakten; 1 Band Akten über die Gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen - § 47 KStG; 1 Band Betriebsprüfungsakte; 1 Band Bilanzakte; 1 Band Investitionszulageakten; 2 Bände Rechtsbehelfsakten; 1 Heftung Änderungsantrag Umsatzsteuer 2000; je 1 Heftung Umsatzsteuervorgang 1999, 2001) zur St.-Nr. … Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die angegriffenen Abrechnungsbescheide zur Umsatzsteuer 1998 und 1999, beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2004, erweisen sich wegen Ermessensfehlerhaftigkeit als rechtwidrig und verletzen die Klägerin insofern in ihren Rechten. Auf der anderen Seite ist das Ermessen des Beklagten nicht darauf reduziert, die Klägerin von der Rückforderung eines ihr abgetretenen, im Nachhinein entfallenen Umsatzsteuerguthabens zu verschonen und ihr gegenüber in entsprechender Höhe einen Guthabenbetrag festzusetzen (§ 100 Abs. 1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

Nach § 218 Abs. 1 Satz 1 AO sind Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) u.a. Steuerbescheide. Zu diesen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis rechnen insbesondere auch Steuerrückforderungen. So hat in den Fällen, in denen eine Steuer oder auch eine Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden ist, derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrages (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO). Im Falle unter anderem [u.a.] der Abtretung richtet sich dieser Rückforderungsanspruch nicht nur gegen den Leistungsempfänger, sondern darüber hinaus grundsätzlich auch gegen den Abtretenden (§ 37 Abs. 2 Satz 3 AO). Hierbei hat über Streitigkeiten, die einen Erstattungsanspruch im Sinne von § 37 Abs. 2 AO betreffen, die Finanzbehörde durch Verwaltungsakt, einen sog. Abrechnungsbescheid, zu entscheiden (§ 218 Abs. 2 AO).

Den angegriffenen Abrechnungsbescheiden zur Umsatzsteuer 1998 und 1999, beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2004, liegt insofern betreffend das der Klägerin von Seiten der GbR abgetretene, letztlich auf ihre Umsatzsteuer 1999 umgebuchte Umsatzsteuerguthaben 1998 zu Recht ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 327.226,80 € zu Grunde. Das streitgegenständliche Umsatzsteuerguthaben 1998, das die GbR der Klägerin abgetreten hatte, bestand nicht mehr, nachdem der Beklagte gegenüber der GbR als Abtretender, als sog. Zedentin, die maßgebliche Umsatzsteuerfestsetzung durch bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 17. April 2003 aufgehoben hatte. Hierdurch ging die Abtretung (gegenständlich) gleichsam ins Leere, so dass die Klägerin als Abtretungsempfängerin, d.h. als sog. Zessionarin, den ihr gleichwohl zugeschriebenen Abtretungsbetrag hiernach ohne rechtlichen Grund erhalten hat. Sie war daher hinsichtlich des zunächst bei der GbR entstandenen, ihr im Wege der Abtretung zugewandten und schließlich auf ihre Umsatzsteuer 1999 umgebuchten Umsatzsteuerguthabens 1998 ungerechtfertigt bereichert. Die Klägerin traf daher auf der Grundlage von § 37 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO grundsätzlich die Verpflichtung, dem Beklagten, auf dessen Rechnung die ungerechtfertigte Vereinnahmung des streitgegenständlichen Umsatzsteuerguthabens 1998 erfolgte, den entsprechenden Betrag zurückzuerstatten.

Mit der Rückerstattung der abgetretenen, später gegenstandslos gewordenen Umsatzsteuererstattung 1998 hätte nach § 37 Abs. 2 Satz 3 AO darüber hinaus aber auch die GbR als Zedentin belastet werden können. So richtet sich u.a. im Falle einer Abtretung der Rückforderungsanspruch ohne weitere Voraussetzungen auch gegen den Abtretenden.

Der Beklagten konnte aus diesem Grunde sein Rückerstattungsverlangen mit der Klägerin und der GbR gegenüber mehreren Rückforderungsverpflichteten geltend machen. Beide, die Klägerin und die GbR, schuldeten nebeneinander aus einem Steuerschuldverhältnis dieselbe Leistung, die der Beklagte als Rückerstattungsberechtigter indes nur einmal zu beanspruchen hatte. Die Klägerin und die GbR waren insoweit Gesamtschuldner im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 AO.

Die Auswahlentscheidung der Finanzbehörde, welchen von mehreren (Gesamt-)Schuldnern sie mit der von ihr beanspruchten Rückerstattung belastet, steht naturgemäß in ihrem Ermessen. Mangels näherer ausdrücklicher gesetzlicher Vorgaben zur Rangfolge der Inanspruchnahme hier der Verpflichteten nach § 37 Abs. 2 Satz 2 und 3 AO hat die Finanzbehörde dieses Ermessen nach § 5 AO entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und hierbei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Um aber dem Gericht eine Nachprüfung ihrer Ermessensausübung zu ermöglichen, hat die Finanzbehörde ihre tragenden Ermessenserwägungen im Rahmen der von § 121 Abs. 1 AO gebotenen Begründung eines (Steuer-)Verwaltungsaktes in dem entsprechenden Rückforderungsbescheid niederzulegen.

Die gerichtliche Nachprüfung einer Ermessensentscheidung ist in diesem Zusammenhang laut § 102 Satz 1 FGO darauf beschränkt zu überprüfen, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Keinesfalls darf das Gericht die der Finanzbehörde zukommende Ermessensausübung durch seine eigene Entscheidung ersetzen. Nur dann, wenn ausnahmsweise der Ermessensspielraum im konkreten Einzelfall derart eingeschränkt ist, dass lediglich eine Entscheidung ganz bestimmten, dem Klagebegehren entsprechenden Inhalts als ermessensgerecht in Betracht kommt (sog. Ermessensreduzierung auf Null), kann das Gericht ausnahmsweise eine Verpflichtung der Finanzbehörde zu einem bestimmten Vorgehen aussprechen.

Hat die Finanzbehörde ihr Ermessen (überhaupt) ausgeübt, kann sie ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen (§ 102 Satz 2 FGO). § 102 Satz 2 FGO ermöglicht es ihr jedoch nicht, Ermessenserwägungen im finanzgerichtlichen Verfahren erstmals anzustellen, die Ermessensgründe auszuwechseln oder vollständig nachzuholen (Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 11. März 2004 – VII R 52/02 – Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 205, 14, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2004, 579 Leitsatz 2).

An diesem Maßstab ist von einem im Sinne von § 102 Satz 1 FGO beachtlichen Ermessensausübungsfehler auszugehen: das Fehlen jeglichen Ermessenshinweises legt einen Ermessensausfall nahe, d.h., dass der Beklagten von seinem (Auswahl-)Ermessen überhaupt keinen Gebrauch gemacht und daher sein Ermessen in dieser Beziehung nicht zweckentsprechend ausgeübt hat. So sind die angegriffenen Abrechnungsbescheide nicht als Ermessens(-ausübungs-)Bescheide ausgewiesen. Weder klingt in ihnen das Wort Ermessen an noch wird in anderer Weise deutlich, dass der Beklagte davon ausging, nach eigener Entscheidung den einen oder anderen von mehreren Verpflichteten in Anspruch nehmen zu können. Zwar benennen die beiden Bescheide die Beteiligten des Abtretungsverhältnisses. Indes sind sie nicht nebeneinander etwa auch mit Verweis auf die verschiedenen Bestimmungen von § 37 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 AO als Rückzahlungsverpflichtete aufgeführt. Ebenso wenig ist den angegriffenen Abrechnungsbescheiden zu entnehmen, welche Umstände den Beklagten im Einzelfall bewogen haben sollten, die Auswahlentscheidung anstelle der GbR zu Lasten der Klägerin ausfallen zu lassen.

Die Auswahlentscheidung lag nach den Verhältnissen des Streitfalls auch nicht derart auf der Hand, dass sie geradezu naturgesetzlich gegen die Klägerin vorgezeichnet war und sich von daher eine nähere Begründung einer gleichsam selbstverständlichen Ermessenentscheidung erübrigt haben sollte. § 37 Abs. 2 AO bezeichnet (ausdrücklich) kein Rangverhältnis, nach dem die mehreren Verpflichteten nach Satz 2 und Satz 3 dieser Bestimmung heranzuziehen sind. Eine derartige Reihenfolge ist auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Rechtsgerechtigkeit abzuleiten. Zwar kann dafür, den Rückforderungsanspruch gegen den Zessionar, hier die Klägerin, zu richten, angeführt werden, dass er die Leistung ohne Rechtsgrund tatsächlich vereinnahmt hat und insofern durch die Zahlung selbst unmittelbar ungerechtfertigt bereichert ist. Auch das Interesse an einer möglichst effektiven, schnellen Rechtsdurchsetzung kann es nahelegen, eine ungerechtfertigte Bereicherung bei dem Leistungsempfänger rückgängig zu machen, der den ihm nicht gebührenden (Vermögens-)Vorteil tatsächlich innehat. Auf der anderen Seite sind aber auch bei dem Abtretenden, hier der GbR, die Verhältnisse damit zu beschreiben, dass er mit der Abtretung eine gegen ihn gerichtete Forderung beglichen hat, er mithin die später weggefallene Abtretungsforderung für sich zahlbar gemacht hat und damit ebenfalls in gleicher Höhe unmittelbar ungerechtfertigt bereichert ist.

Weiterhin gaben im Streitfall Aspekte der möglichst einfachen und schnellen Realisierung des Rückforderungsanspruchs des Beklagten keine mehr oder weniger zwingende Veranlassung, die Klägerin als Abtretungsempfängerin mit der Rückerstattung zu belasten. Anhaltspunkte dafür, dass nur sie, nicht aber auch etwa die GbR zum Zeitpunkt des Ergehens der Abrechnungsbescheide Mitte 2003 zahlungsfähig gewesen sein und deshalb hinreichende Gewähr geboten haben sollte, den Rückforderungsbetrag auch tatsächlich aufbringen zu können, sind nicht zu erkennen. Im Gegenteil hatte der Beklagte gegenüber der GbR kurz zuvor mit Umsatzsteuerbescheiden 1999 bis 2001 jeweils vom 17. April 2003 Umsatzsteuerguthaben in Höhe von 82.688,68 (1999), 79.056,46 € (2000) und 30.254,67 € (2001), zusammen gerechnet in Höhe von 191.999,81 €, fällig gestellt. Allein hierdurch wäre im Wege der Verrechnung ein Anteil von rund 60 vom Hundert (v.H.) des streitgegenständlichen Rückforderungsbetrages gegenüber der GbR realisierbar gewesen.

Eine regelmäßig vorrangige Inanspruchnahme des Abtretungsempfängers vor dem Abtretenden ist nach Auffassung des Senats schließlich nicht dadurch geboten, dass § 37 Abs. 2 Satz 3 AO Ausnahmecharakter zukommen (so aber: Brockmeyer/Ratschow, in: Klein, AO, 10. Aufl. 2009, § 37 AO Rn. 31) oder aber § 37 Abs. 2 Satz 3 AO als eine Art (verkappte) Haftungsvorschrift Anlass geben sollte, den Abtretenden erst nachrangig in Anspruch zu nehmen (so aber: Finanzgericht – FG – Berlin, Urteil vom 21. Dezember 1999 – 7 K 7262/98 – Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2000, 403, 404; grundsätzlich [wohl] ebenso: FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. September 2003 – 1 V 52/03 – Deutsches Steuerrecht – DStR – 2005, 292, 293). Für eine solchermaßen einschränkende Anwendung von § 37 Abs. 2 Satz 3 AO gibt der Gesetzeswortlaut nichts her. Für den Regelfall lässt sich auch nicht ohne Weiteres begründen, warum von vornherein der Abtretungsempfänger im Verhältnis zum Abtretenden „näher dran“ sein sollte, die Rückforderung zu leisten. Unter diesen Umständen ist von einer grundsätzlichen Gleichrangigkeit der Rückforderungsverpflichtungen auf der Grundlage von § 37 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 AO auszugehen (ebenso: FG Düsseldorf, Urteil vom 2. März 2007 – 18 K 4115/06 – nicht veröffentlicht, zitiert nach juris Rn. 24).

Hiernach ist im Streitfall bezogen auf die Auswahlentscheidung, gegenüber der Klägerin oder der GbR die Rückerstattung geltend zu machen, von einem Ermessensausfall auszugehen. Dies schließt es aus, dass der Beklagte etwaige Ermessenserwägungen im vorliegenden Rechtsstreit darlegen bzw. nachholen konnte.

Die Klägerin musste mit ihrer Klage jedoch scheitern, soweit sie anstelle des ihr gegenüber geltend gemachten Rückforderungsbegehrens spiegelbildlich die Festsetzung eines entsprechenden Guthabens aus der Umsatzsteuer 1998 beansprucht. Eine Einengung des dem Beklagten zustehenden (Auswahl-)Ermessens, dass er seinen Rückforderungsanspruch rechtmäßiger Weise anstatt gegen die Klägerin nur gegen die GbR richten könnte, ist ebenso wenig begründbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO, 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung – ZPO – analog.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Es ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt und es liegen auch weder einheitliche instanzgerichtliche Entscheidungen noch übereinstimmende Kommentierungen dazu vor, ob im Falle einer Abtretung ein Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO im Verhältnis zum Abtretenden im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 3 AO vorrangig gegen den Abtretungsempfänger im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 2 AO zu richten ist und sich gegebenenfalls bei Inanspruchnahme des Abtretungsempfängers eine nähere Begründung der so getroffenen Auswahlentscheidung erübrigt.