Gericht | AG Bernau | Entscheidungsdatum | 30.11.2010 | |
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Aktenzeichen | 34 C 32/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 673,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus je 67,38 € seit dem 6.3.2009, 6.4.2009, 6.5.2009, 6.6.2009, 6.7.2009, 6.8.2009, 6.9.2009, 6.10.2009, 6.11.2009 und 6.12.2009 zu zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitwert: 2.637.- €
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf sog. Wohngeld in Anspruch. Der Beklagte nimmt die Klägerin wegen unberechtigt eingezogener Mieten in Anspruch.
Die Klägerin ist die Wohnungseigentümergemeinschaft …. Der Beklagte ist mit Beschluß des Amtsgerichts Hildesheim vom 16.2.2009 (Az: 50 IN 43/09) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn … bestellt worden. Auf Blatt 4 wird verwiesen. Vorangegangen war ein Beschluß des AG Hildesheim gemäß §§ 21, 22 InsO zur Sicherung der Masse. Dort wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. In Punkt 4 dieses Beschlusses heißt es: „ Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, Forderungen des Antragsgegners auf ein Treuhandkonto einzuziehen.“ Auf Blatt 45 wird verwiesen.
Der Insolvenzschuldner ist Inhaber der Wohnungseigentumseinheit Nr. … der klägerischen Wohnungseigentumsanlage. In der Eigentümerversammlung am 6.12.2008 beschlossen die Wohnungseigentümer unter TOP 5 den Gesamt- und Einzelwirtschaftsplan 2009. Auf Blatt 5 wird verwiesen. Nach dem Einzelwirtschaftsplan war für die Wohnungseigentumseinheit Nr. … eine monatliche Soll-Vorauszahlung in Höhe von 291.- € zu leisten. Der Beklagte zahlte lediglich 223,62 € in den streitgegenständlichen Monaten März bis Dezember 2009.
Die Verwalterin ist zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft berechtigt.
Die Wohnung des Gemeinschuldners ist an Herrn … vermietet. Die Klägerin vereinnahmte in der Zeit von September 2007 bis Juli 2008 und September 2008 bis Dezember 2008 Mieten. Zum Teil zahlte die Klägerin an den Beklagten die Mieten zurück, nämlich in einer Höhe von 5.401,66 € für den Zeitraum September 2007 bis Juli 2008. Diesen Betrag nahm die Klägerin im Wege der Zwangsvollstreckung durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß ein. Offen ist der Zeitraum von September 2008 bis Dezember 2008.
Mit Schriftsatz vom 4.10.2010 (Bl. 133) erklärte der Beklagte die Anfechtung nach §§ 131 ff. InsO.
Die Klägerin ist der Meinung, dass der Beklagte zur Zahlung verpflichtet sei. Es handele sich bei den Wohngeldschulden um Masseschulden, weil das monatliche Wohngeld nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden sei.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Widerklagend beantragt er, die Klägerin zu verurteilen, an den Kläger (richtig: an ihn, den Beklagten) 1.964,24 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins aus 491,06 € seit dem 18.9.2007, aus weiteren 491,06 € seit dem 16.10.2007, aus weiteren 491,06 € seit dem 16.11.2007 und aus weiteren 491,06 € seit dem 18.12.2007 zu zahlen.
Er trägt vor: die Klägerin mache mit Rechts- und Beratungskosten sowie sonstigen Verwaltungskosten Positionen geltend, die nicht in den Wirtschaftsplan eingestellt werden dürften. Die Klägerin habe Mieten des Mieters … unberechtigt eingezogen. Der Mieter … habe nicht freiwillig gezahlt, weil ihm nicht offengelegt worden sei, dass der Pfändungs- Überweisungsbeschluß keine Wirkung mehr entfaltet habe.
Der Beklagte erklärt die Anfechtung gemäß §§ 131 ff. InsO.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften verwiesen.
Klage
Die Klage ist gemäß § 43 Abs.1 Nr.1 WEG zulässig.
Die Klage ist auch begründet.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH WuM 2005,530) vom 2.6.2005 zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft führt vorliegend dazu, dass nunmehr der Verband Klägerin ist. Nach der Entscheidung des BGH ist zu differenzieren, in welchen Fällen die Gemeinschaft oder –wie bisher- die Wohnungseigentümer der richtige Verfahrensgegner ist/sind (vgl. Neumann in WuM 2006, 489 ff., 491). Bei hier vorliegenden Hausgeldansprüchen ist auch nach der WEG-Novelle 2007 der Verband richtiger Kläger (vgl. Roche in WuM 2007, 483 ff., 490).
Die Klägerin hat einen Zahlungsanspruch aus § 16 WEG. Soweit der Beklagte einwendet, es handele sich um bloße Insolvenzforderungen nach § 38 InsO, die mit der Insolvenzquote zu befriedigen sei und nicht um sog. Masseschulden im Sinne von § 55 Abs.1 Nr.1 InsO, greift dieser Einwand, den das Gericht zunächst für beachtlich hielt, nicht. Das Gericht hatte in der mündlichen Verhandlung auf die Änderung seiner Auffassung hingewiesen. Zwar ist der Wirtschaftsplan 2009 am 6.12.2008, also vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 16.2.2009, beschlossen worden. Jedoch kommt es hierauf nicht an. Richtigerweise handelt es sich um Forderungen die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden sind, denn die Klägerin macht Forderungen erst seit März 2009 geltend. Die Wohnungseigentümer können die Fälligkeit der monatlichen Beitragsvorschüsse festlegen (vgl. KG Berlin 15.9.2000 Az: 24 W 747/99; Niedenführ § 16 Randnr. 152; Elzer in Riecke/Schmid, § 16 RN 235). Aus der Teilungserklärung (Bl. 52) ist nicht zu entnehmen, dass die WEG einen jährlichen Vorschuß der Beitragsvorschüsse am Anfang des Wirtschaftsjahres vereinbart hätten, was grundsätzlich zulässig wäre (vgl. Bärmann/Pick § 28 Randnr. 9). Aus dem Einzelwirtschaftsplan ergibt sich jedoch, dass man von monatlichen Vorauszahlungen ausgeht, wie dies auch die Regel ist. Denn auf Blatt 9 heißt es „Ihre neue Monats-Vorauszahlung auf volle EUR gerundet..“.
Jedenfalls sind die Beiträge aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht auf einmal zu zahlen (vgl. Bärmann aaO.). Nach der nunmehr vorgelegten Bestimmung in § 8 der Teilungserklärung ist nun eine monatliche Fälligkeit gegeben. Auch wenn weder die Teilungserklärung noch die Gemeinschaftsordnung eine Regelung betreffend die Fälligkeit von Wohngeldern enthalten hätte, wäre das Hausgeld nach § 28 Abs.2 WEG im Zeitpunkt ihres jeweiligen Abrufs durch den Verwalter fällig.
Nach § 8 Abs.4 der Teilungserklärung ist das Wohngeld jeweils bis zum 3. Werktag eines jeden Monats einzuzahlen. In dieser Regelung liegt zugleich der vereinbarte Abruf durch den Verwalter (KG vom 15.9.2000, 24 W 747/99).
Soweit der Beklagte rügt, dass der Wirtschaftsplan 2009 Positionen enthalte (Rechts- und Beratungskosten in Höhe von 800.- €, sonstige Verwaltungskosten in Höhe von 500.- €), kommt es auf diese Rüge nicht an. Denn in der Aufnahme der Rechts- und Beratungskosten liegt gleichzeitig eine Sonderumlage, die der Verwalter zur Abstimmung stellt (vgl. Bärmann/Pick § 28 Randnr. 5).
Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass die Klägerin nachdem er um Aufklärung hinsichtlich dieser Kosten gefragt hatte, diese hätte erklären können. Indes steht dem Beklagten ein Recht auf Einsicht in die Unterlagen der Klägerin zu, so dass er im hier vorliegenden Falle den beschwerlichen Weg der Akteneinsicht nehmen könne. Überdies ist die Wohnungseigentümerversammlung der Ort um ungeklärte Fragen anzubringen. Jedenfalls ist die Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan bestandskräftig, denn der Beschluß vom 6.12.2008 wurde nicht angefochten.
Widerklage
Der Widerklagantrag war zu korrigieren, denn der Beklagte verlangt Zahlung an sich, nicht an einen in diesem Prozeß nicht vorhandenen „Kläger“.
Der Beklagte hat keinen Zahlungsanspruch aus § 812 Abs.1 BGB. Die Klägerin hat zwar etwas, nämlich die Mieten des Mieters … für den Zeitraum September 2008 bis Dezember 2008 in einer monatlichen Höhe von 491,06 € (d.s. 1.964,24 €), ohne rechtlichen Grund erlangt. Der rechtliche Grund fehlt, weil die Klägerin nicht forderungszuständig für die Mieten war. Der ursprünglich vorhandene Pfändungs- und Überweisungsbeschluß entfaltete jedenfalls für den hier geltend gemachten Zeitraum keine Wirksamkeit mehr, so dass selbst wenn der Mieter … freiwillig gezahlt haben sollte, die Klägerin das Geld zu Unrecht vereinnahmte. Dies erfolgte nicht durch Leistung des Beklagten. Der Mieter … zahlte seine Miete in der fälschlichen Vorstellung er tilge seine Mietschuld, obwohl er richtigerweise an den Beklagten als demjenigen der Forderungszuständig für Forderungen des Gemeinschuldners war, hätte zahlen müssen. Der Beklagte ist auch für den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 16.2.2009 –Bl. 4) forderungszuständig. Denn nach Punkt 4 des Beschlusses vom 11.12.2008 des AG Hildesheim ist der Beklagte ermächtigt, Forderungen des Antragsgegners (der Gemeinschuldner) einzuziehen. Jedoch gilt der Vorrang der Leistungskondiktion. Dies gilt auch im Mehrpersonenverhältnis (vgl. Palandt-Sprau § 812 Randnr. 54 ff.). Grundsätzlich ist Gläubiger des Kondiktionsanspruchs der Leistende, also vorliegend der Mieter …, Schuldner ist der Leistungsempfänger, also die Klägerin. Nur ausnahmsweise läßt die Rechtsprechung einen Durchgriff zu, mit der Maßgabe, dass sich eine schematische Behandlung verbietet (vgl. Palandt aaO.). Es gibt bei den sog. Dreiecksverhältnissen drei Fallgestaltungen zu unterscheiden, die aber sämtlichst nicht eingreifen. Dies ist der Anweisungsfall, Zahlung fremder Schulden, Vertrag zugunsten Dritter. Vorliegend hatte der Leistende, der Mieter …, keinerlei Beziehung zum Beklagten oder überhaupt Kenntnis von ihm. Ein Anweisungsverhältnis (1. Fallgestaltung) zwischen dem Beklagten und dem Mieter … bestand schon nicht. Der Mieter … wollte nicht fremde Schulden, sondern eigene Mietschulden zahlen (2. Fallgestaltung). Ein Vertrag zugunsten Dritter besteht ebenfalls nicht.
Soweit der Beklagte die (streitgegenständlichen) Zahlungen des Mieters … nach §§ 131 ff. InsO anficht, weil die Klägerin eine Sicherung bzw. Befriedigung etwa für ausstehende Salden aus den Jahresabrechnungen erhalten hatte, ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin diese Zahlungen des Mieters …, die sie vereinnahmt hat, hierauf verrechnet. Wenn sie dies täte, wäre dies tatsächlich als Leistung des Insolvenzschuldners anzusehen. In dem Fall richtet sich der Anfechtungsanspruch des Verwalters in der Regel ausschließlich gegen den Dritten (die Klägerin), sofern für diesen die Zuwendung als Leistung des Gemeinschuldners erkennbar war (BGHZ 142, 284 ff., 287). Das ist aber nicht der Fall. Denn die Klägerin konnte nicht davon ausgehen, dass die Zahlungen des Mieters als Leistung des Gemeinschuldners zu werten sind.
Soweit der Beklagte nun im Schriftsatz vom 2.11.2010 die Schreiben des Gemeinschuldners vom 26.4.2006 (Bl. 157) und 7.3.2006 (Bl. 158) vorlegt, mag eine andere Bewertung gegeben sein. Indes war dieser Vortrag gemäß Beschluß des erkennenden Gerichts vom 9.11.2010 nicht zu berücksichtigen. Denn dieser Vortrag ist nach § 296 Abs.2 ZPO verspätet und würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögern. Der Beklagte hätte dies schon früher vortragen können. Denn die Klägerin hatte immer wieder mitgeteilt, dass der Mieter … die Zahlungen unaufgefordert freiwillig leistete. Der Beklagte kann nicht kurz vor dem Termin Schreiben des Gemeinschuldners „aus dem Hut zaubern“.
Vorsorglich wird die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie die streitgegenständlichen Mieten an den Mieter auskehren muß. Der Mieter ist gegenüber dem Beklagten als Insolvenzverwalter zahlungsverpflichtet.
Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 286 ff. BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.