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Schmutzwasseranschlussbeitrag


Metadaten

Gericht VG Cottbus 6. Kammer Entscheidungsdatum 24.01.2012
Aktenzeichen VG 6 K 137/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen §§ 187ff BGB, § 57 Abs 2 VwGO, § 60 VwGO, § 70 VwGO, § 51 Abs 2 ZPO, § 85 Abs 2 ZPO, § 222 ZPO

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in der Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Kanalanschlussbeitrag.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks P-Straße, Flur X, Flurstück x in A..

Mit Bescheid vom 12. November 2010, zugestellt am 13. November 2010 zog der Beklagte die Klägerin für die Möglichkeit des Anschlusses des vorgenannten Grundstückes an die zentrale öffentliche Schmutzwasserentsorgungseinrichtung zu einem Kanalanschlussbeitrag in Höhe von 17.873,80 Euro heran.

Am 16. Dezember 2010 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Diesen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2011, zugestellt am 22. Januar 2011 zurück. Zur Begründung führt er aus: Der Widerspruch sei bereits unzulässig, da er verspätet eingelegt worden sei.

Am 24. Februar 2011 beantragte der Kläger beim Beklagten wegen der Versäumung der Widerspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung führte er aus: Er sei ohne Verschulden daran gehindert gewesen, die Widerspruchsfrist einzuhalten. Die Vereinsvorsitzende, Frau …, habe noch am 13. Dezember 2010 den Widerspruch gefertigt und den Mitarbeiter R. damit beauftragt, diesen noch am selben Tag bei der Stadt A. abzugeben. Herr R. sei seit Januar 2009 als Transport- und Außendienstmitarbeiter für den Verein tätig und in der Vergangenheit bereits mit der Übersendung wichtiger Post beauftragt worden. Bisher habe er die ihm übertragenen Aufgaben stets sorgfältig und fristgemäß ausgeführt. Dieser Mitarbeiter habe – wie beauftragt – den Widerspruch noch am selben Tag bei der Stadt A. abgeben wollen und zwar anlässlich einer Tour nach S. in der Mittagspause. Da der Mitarbeiter an diesem Tag mit dem Tourenplan in Verzug gewesen sei, habe er diese Erledigung vergessen und den Widerspruch erst am nächsten Tag im Rahmen seiner Außendienstmitarbeit abgesandt. Erst mit Erhalt des Widerspruchsbescheides habe er - der Kläger - von der Fristversäumnis erfahren und sich sogleich an seinen Prozessvertreter gewandt. Ggf. sei wegen der Versäumung der Widerspruchsfrist für die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages Wiedereinsetzung zu gewähren, da er erst nach Einholung rechtlichen Rates bei seinem Prozessbevollmächtigten am 9. Februar 2011 Kenntnis von der Möglichkeit, einen Widereinsetzungsantrag zu stellen, erhalten habe. Ihre Angaben zum Wiedereinsetzungsantrag versicherten die jeweiligen Mitarbeiter des Klägers an Eides statt.

Mit Schreiben vom 9. März 2011 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass dem Antrag auf Widereinsetzung nicht stattgegeben werden könne, da die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nach § 110 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) nicht vorlägen. Das Verschulden des Herrn R. sei gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 AO dem Verein zuzurechnen.

Mit seiner am 22. Februar 2011 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Zur Begründung führt er aus: Die Klage sei zulässig. Dem Kläger sei wegen der Versäumung der Widerspruchsfrist die Widereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Für den Fall, dass der Wiedereinsetzungsantrag als nicht fristgemäß angesehen werde, sei dem Kläger wegen der Versäumung der Frist für die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Begründung für eine Wiedereinsetzung gemäß § 60 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) lägen vor. Bei der Frage, ob die Frist ohne Verschulden des Widerspruchsführers versäumt worden sei, sei darauf abzustellen, ob der Widerspruchsführer die Sorgfalt habe walten lassen, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten zumutbar sei. Eine Fristversäumnis sei insbesondere dann nicht von dem Widerspruchsführer zu verschulden, wenn für ihn eine Hilfsperson tätig geworden sei, welche mit der erforderlichen Sorgfalt ausgewählt, angeleitet und überwacht worden sei und deshalb bislang keinerlei Zweifel an der Zuverlässigkeit der Hilfsperson bestanden hätten. Genauso liege der Fall hier. Am 13. Dezember 2010 habe – wie bereits im behördlichen Verfahren ausgeführt - die Vereinsvorsitzende des Klägers, Frau …, ein Widerspruchsschreiben gegen den angefochtenen Beitragsbescheid gefertigt. Noch am selben Tag habe sie einen langjährigen Mitarbeiter des Vereins, Herrn R. beauftragt, das Widerspruchsschreiben an diesem Tag unmittelbar beim Beklagten im technischen Rathaus abzugeben. Herr R. habe die Abgabe des Widerspruchsschreibens am 13. Dezember 2010 nach der Mittagspause im Rahmen des anstehenden Außendienstes erledigen wollen. Da Herr R. an diesem Tag mit dem Tourenplan für den Außendienst in Verzug gewesen sei, habe er die Abgabe des Widerspruchsschreiben an den Beklagten jedoch versäumt und das Schreiben erst am nächsten Tag während des Außendienstes abgegeben. Herr R. sei seit Anfang des Jahres 2009 als Transport- und Außendienstmitarbeiter des Klägers tätig. Er habe sich seither als zuverlässiger Mitarbeiter erwiesen. Er sei vom Kläger für seine Funktion sorgfältig ausgewählt und in seinen konkreten Aufgabenbereich als Transport- und Außendienstmitarbeiter eingewiesen worden. Unter anderem sei Herr R. vom Kläger auch in der Vergangenheit schon mit der Übersendung wichtiger Postsendungen beauftragt worden. In die Qualität der von Herrn R. geleisteten Tätigkeit habe der Kläger auch einen stetigen Einblick. Für den Kläger habe es jedoch bis zu diesem, dem ersten Versehen des Mitarbeiters keinerlei Anlass gegeben, an der sorgfältigen und einwandfreien Arbeitsweise des Herrn R. zu zweifeln. Der Kläger habe sich daher auch hinsichtlich der Überbringung des Widerspruchsschreibens gegen den Beitragsbescheid uneingeschränkt auf eine ordnungsgemäße und insbesondere fristgemäße Weiterleitung durch den Mitarbeiter Herrn R. verlassen. Die nicht fristgemäße Abgabe des Widerspruchsschreibens durch Herrn R. sei deshalb in keiner Weise auf einen Organisationsmangel des Klägers zurückzuführen. Vielmehr handele es sich hier um ein einmaliges Versehen des Mitarbeiters, das für den Kläger aufgrund der bislang einwandfreien Arbeitsweise des Mitarbeiters nicht vorhersehbar gewesen sei. Die Vereinsvorsitzende des Klägers habe erst mit der Zustellung des Widerspruchsbescheides des Beklagten Kenntnis von der nicht fristgemäß erfolgten Einlegung des Widerspruchs erhalten. Daher sei der Kläger ohne sein Verschulden gehindert gewesen, fristgemäß Widerspruch gegen den Beitragsbescheid einzulegen, so dass der Beklagte verpflichtet gewesen sei, dem Kläger hinsichtlich der Versäumung der Widerspruchsfrist der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Zurückweisung des Antrages des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch den Beklagten sei demnach zu Unrecht erfolgt. Jedenfalls sei dem Kläger Wiedereinsetzung in die Frist für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrages zu gewähren. Der Kläger habe sich, nachdem er den Widerspruchsbescheid erhalten habe, zur rechtlichen Beratung an den Prozessbevollmächtigten gewandt. Erst im Rahmen dieser rechtlichen Beratung am 9. Februar 2011 habe der Kläger in Person der Vereinsvorsitzenden Kenntnis von der Möglichkeit eines Widereinsetzungsantrages erhalten. Deshalb habe der Antrag auf Widereinsetzung in den vorigen Stand auch erst ab diesem Zeitpunkt vom Kläger gestellt werden können. Dadurch, dass der Beklagte mit Bescheid vom 9. März 2011 über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Widerspruchsfrist in der Sache entschieden habe, sei dem Kläger zudem hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Stellung des Widereinsetzungsantrages antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden.

Der Kläger beantragt (sinngemäß)

den Beitragsbescheid des Beklagten vom 12. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10. November 2011 hat er insoweit die Auffassung vertreten, die Klage sei bereits wegen Versäumung der Widerspruchsfrist unzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte gemäß § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch den Vorsitzenden als Einzelrichter entscheiden, weil diesem durch Beschluss der Kammer vom 25. Juli 2011 der Rechtstreit zur Entscheidung übertragen wurde. Die Kammer konnte ferner gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im Wege des schriftlichen Verfahrens entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit – der Beklagte mit Schriftsatz vom 5. Juli 2011, der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10. November 2011 – einverstanden erklärt haben.

Die statthafte Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO) ist bereits unzulässig, weil der Kläger nicht innerhalb der von § 70 Abs. 1 VwGO vorgesehenen Frist von einem Monat nach Bekanntgabe des Beitragsbescheides vom 12. November 2010 gegen diesen Widerspruch eingelegt hat und der Beitragsbescheid daher in Bestandskraft erwachsen ist.

Der – mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene (vgl. hierzu Urteil der Kammer vom 23. Januar 2012 – 6 K 588/11 -, S. 6 ff. des E.A.) - Beitragsbescheid wurde dem Kläger ausweislich der im Verwaltungsvorgang befindlichen Postzustellungsurkunde am 13. November 2010 zugestellt. Der Mitarbeiter der Firma Regio Print- Vertrieb GmbH hat ausweislich der Postzustellungsurkunde das zuzustellende Schriftstück zu übergeben versucht und - weil die Übergabe in dem Geschäftsraum nicht möglich war - am genannten Tag "in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt". Damit gilt der Bescheid mit der Einlegung am 13. November als zugestellt. Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Zustellung hat der Kläger weder geltend gemacht noch sind diese sonst ersichtlich (vgl. auch hierzu Urteil der Kammer vom 23. Januar 2012, a.a.O., S. 5 f. des E.A.). Der Widerspruch des Klägers vom 13. Dezember 2010 ist ausweislich des Verwaltungsvorganges aber erst am 16. Dezember 2010 und damit nach Ablauf der Monatsfrist beim Beklagten eingegangen.Fristgerecht erhoben ist der Widerspruch nämlich nur dann, wenn er mit Wissen und Wollen des Widerspruchführers vor Ablauf der gesetzlichen Frist in den Machtbereich der zuständigen Behörde gelangt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1992 - 7 C 16/92 - BVerwGE 91, 334).

Dem Kläger war auf seinen Antrag hin auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren. Zwar ist das Verwaltungsgericht gemäß §§ 60 Abs. 4, 70 Abs. 2 VwGO zur Entscheidung über den vom Beklagten abgelehnten Wiedereinsetzungsantrag zuständig; für die Versäumung der Widerspruchsfrist gelten gemäß § 70 Abs. 2 VwGO die Vorschriften des § 60 Abs. 1 bis 4 VwGO entsprechend (vgl. Bier in Schoch u.a., VwGO Komm., § 60 Rn. 70). Ungeachtet der Frage, ob der Kläger vorliegend die Widerspruchsfrist ohne sein Verschulden nicht eingehalten hat, ist der Antrag vorliegend jedenfalls nicht gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses und damit nicht fristgerecht gestellt und sind die zu seiner Begründung dienenden Tatsachen nicht innerhalb dieser Frist vorgetragen worden.

Behoben im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist das Hindernis, sobald die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt oder ihr Fortbestehen von dem Beteiligten oder seinem Vertreter (§§ 51 Abs. 2, 85 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO i.V.m. § 173 VwGO) nicht mehr unverschuldet ist. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem dem Betroffenen oder seinem Prozessbevollmächtigten die Fristversäumung bekannt ist oder bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt bekannt sein musste (vgl. Bier, a.a.O. § 60 Rn. 52; Kopp/Schenke, VwGO Komm., 17. Aufl. 2011, § 60 Rn. 26 jew. m.w.N.). Dies war vorliegend mit der am 22. Januar 2011 erfolgten Zustellung des Widerspruchsbescheides, mit dem der Kläger auf die Verfristung seines Widerspruchs hingewiesen wurde, der Fall, so dass der erst am 24. Februar 2011 gestellte Wiedereinsetzungsantrag zu spät kam. Demgegenüber kommt es für den Lauf der Wiedereinsetzungsfrist entgegen der Auffassung des Klägers nicht darauf an, wann er durch Rücksprache mit seinem Prozessbevollmächtigten (erstmals) von der Möglichkeit, einen Wiedereinsetzungsantrag stellen zu können, Kenntnis erhielt. Nach Zugang des Widerspruchsbescheides war der Kläger als Rechtsunkundiger vielmehr verpflichtet, unverzüglich juristischen Rat einzuholen; dass er sich hierfür so lange Zeit ließ, dass bei Stellung des Antrages bereits ein Monat verstrichen war, geht zu seinen Lasten (vgl. insoweit noch unten die Ausführungen zur Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist für die Wiedereinsetzung). Selbst wenn man aber insoweit auf die Unkenntnis des Klägers, einen Widereinsetzungsantrag stellen zu können, abstellte, wäre die Wiedereinsetzungsfrist unter Zugrundelegung der insoweit für die Fristberechnung maßgeblichen Vorschriften des § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verstrichen, wobei auf die nachfolgenden Ausführungen zur Wiedereinsetzung in die Frist für die Wiedereinsetzung Bezug genommen wird.

Dem Kläger kann auch keine – ebenfalls beantragte - Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist für die Wiedereinsetzung gewährt werden. Er kann nicht damit gehört werden, dass er erst nach Einholung juristischen Rates am 9. Februar 2011 (vgl. Seite 6 der Klagebegründungsschrift) durch seinen Prozessbevollmächtigten von der Möglichkeit erfahren habe, einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen, wobei dahinstehen kann, ob bezogen auf diesen Zeitpunkt die Wiedereinsetzung fristgemäß beantragt worden wäre (vgl. insoweit die unterschiedlichen Daten der Faxzeilen). Zwar kommt bei Vorliegen der formellen und materiellen Voraussetzungen grundsätzlich eineWiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist für die Wiedereinsetzung in Betracht (vgl. BVerfG, Bechluss vom 6. Juni 1967 – 1 BvR 282/65 -, BVerfGE 22, 83; BVerwG, Beschluss vom 5. September 1985 – 5 C 33.85 -, DVBl 1986, 287; Beschluss vom 12. Juni 1997 – 3 C 43/96 -, Buchholz 310 § 60 Nr. 211; Bier, a.a.O., § 60 Rn. 5 und Rn. 53). Jedoch ist auch der diesbezügliche – zusammen mit dem eigentlichen Wiedereinsetzungsantrag gestellte – Antrag nicht innerhalb der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO (analog) gestellt worden und hat darüber hinaus der Kläger die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zu verschulden, so dass die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzung nicht vorliegen.

Es mag dahinstehen, ob mit einer teilweise in Rechtsprechung (vgl. BAG, Beschluss vom 23. Mai 1989 – 2 AZB 1/89 -, zit. nach juris) und Literatur (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 60 Rn. 8 unter Hinweis darauf, dass in diesem Fall die Verschuldensfrage besonders streng zu prüfen sei) vertretenen Auffassung davon ausgegangen werden kann, dass bei einem anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen die – hier unterstellte - fehlende Kenntnis davon, dass bei Fristversäumung Wiedereinsetzung beantragt werden kann, als Hinderungsgrund i.S.d. § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO überhaupt in Betracht kommt, ob es sich insoweit also um ein Ereignis bzw. eine Tatsache handelt, die die Fristwahrung schlechthin unmöglich macht oder die dafür erforderlichen Maßnahmen unzumutbar erscheinen lässt (vgl. Bier, a.a.o., § 60 Rn. 15 ff.). Denn jedenfalls war dieses Hindernis spätestens zwei Wochen nach Zustellung des Widerspruchsbescheides am 22. Januar 2011 behoben. Denn – wie ausgeführt - behoben im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist das Hindernis, sobald die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt oder ihr Fortbestehen von dem Beteiligten oder seinem Vertreter nicht mehr unverschuldet ist. Bezogen auf eine etwaige Unkenntnis vom Institut der Wiedereinsetzung maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt, in dem dem Betroffenen die Möglichkeit, einen Wiedereinsetzungsantrag stellen zu können, bekannt ist oder bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt unter Ausschöpfung aller zumutbaren Möglichkeiten bekannt sein musste. Letzteres war hier spätestens zwei Wochen nach Zustellung des Widerspruchbescheides der Fall, da der Kläger als Rechtsunkundiger verpflichtet war, unverzüglich juristischen Rat einzuholen, um sich die in seinen Angelegenheiten erforderlichen Rechtskenntnisse zu verschaffen. Eine Frist von zwei Wochen erscheint hierbei für die Beantwortung der Frage, wann ein unverzügliches Tätigwerden im geschilderten Sinne vorliegt, mehr als angemessen. Derjenige, der eine Frist versäumt hat, muss sich zeitnah zuverlässigen Rechtsrat darüber einholen, wie bei der Versäumung einer solchen Frist zu verfahren ist. Denn auch einem nicht juristisch Ausgebildeten muss sich aufdrängen, einen ihm unterlaufenen prozessualen Fehler unverzüglich korrigieren zu müssen (vgl. insoweit auch noch die Ausführungen unten zum Verschulden). War mithin das Hindernis gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB spätestens am 7. Februar 2011 behoben, war der erst am 24. Februar 2011 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist i.S.d. § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO unter Zugrundelegung der genannten Vorschriften zur Fristberechnung verfristet.

Unabhängig von vorstehenden Ausführungen war der Kläger auch nicht gemäß § 60 Abs. 1 VwGO ohne Verschulden verhindert, die Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO einzuhalten. Mangelndes Verschulden in diesem Sinne ist gegeben, wenn der Beteiligte diejenige Sorgfalt beachtet hat, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden bzw. einen Rechtsbehelf Einlegenden geboten ist und nach den Umständen des konkreten Falles zuzumuten war. Dabei muss sie/er sich – wie bereits ausgeführt - sowohl eigenes als auch ein Verschulden ihres/seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (vgl. Urteil vom 27. Februar 1976 - 6 C 74.74 - BVerwGE 50, 248, 254; Beschluss vom 26. Juni 1986 - 3 C 46.84 - BVerwGE 74, 289, 293 ff.; Beschluss vom 12. Juni 1997, a.a.O.). Mangelnde Rechtskenntnis entschuldigt ein Fristversäumnis regelmäßig nicht. Der Rechtsunkundige ist vielmehr – wie bereits ausgeführt – (insbesondere bei ihm nicht geläufigen Rechtsfragen) verpflichtet, unverzüglich juristischen Rat einzuholen, um sich die in seinen Angelegenheiten erforderlichen Rechtskenntnisse zu verschaffen. Er muss in Sonderheit erkennen, dass im Fall einer Fristversäumnis der zuständigen Stelle unverzüglich darzulegen ist, aus welchen Gründen die Frist nicht eingehalten werden konnte. Zumindest muss sich derjenige, der eine Frist versäumt hat, unverzüglich zuverlässigen Rechtsrat darüber einholen, wie bei der Versäumung einer solchen Frist zu verfahren ist. Denn auch einem nicht juristisch Ausgebildeten muss sich aufdrängen, einen ihm unterlaufenen prozessualen Fehler unverzüglich korrigieren zu müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 1995 – 1 C 38/93 -, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 200; Beschluss vom 14. September 1998 – 8 B 154/98 -, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 218; Beschluss vom 1. November 2001 – 4 BN 53/01 -, zit. nach juris; Beschluss vom 7. Oktober 2009 – 9 B 83/09 -, NVwZ-RR 2010, 36; Bier, a.a.O., § 6 Rn. 33; Czybulka in: Sodan/Ziekow, VwGO Komm., 3. Aufl. 2010, § 60 Rn. 83). Er muss insbesondere erkennen, dass es im Fall der Versäumung einer Rechtsmittelfrist nicht genügt, die versäumte Rechtshandlung alsbald nachzuholen oder – wie hier - bereits vorgenommen zu haben, weil hierdurch allein die Fristversäumnis nicht geheilt werden kann, dass vielmehr dem Gericht unverzüglich auch darzulegen ist, aus welchen Gründen die Frist nicht eingehalten werden konnte. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG schützt nicht denjenigen, der der Wahrnehmung seiner Rechte mit vermeidbarer Gleichgültigkeit gegenüber steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 1995, a.a.O.; Thüringer VerfGH, Beschluss vom 18. Juni 1998 – 19/95 -, zit. nach juris). Gemessen hieran handelte der Kläger schuldhaft, indem er mit der Einholung von Rechtsrat am 9. Februar 2011 (s.o.) so lange zuwartete, dass bei Stellung des Wiedereinsetzungsantrages (wie auch des Antrages auf Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzung) bereits – bezogen auf die Zustellung des Widerspruchsbescheides - ein Monat bzw. – bezogen auf den oben Seite 8f. geschilderten Zeitpunkt – mehr als zwei Wochen verstrichen waren. Der Kläger hätte sich vielmehr unmittelbar nach Erhalt des Widerspruchsbescheides und nicht erst am 9. Februar 2011 und damit deutlich mehr als zwei Wochen später – die Richtigkeit dieses Vortrages unterstellt - um juristischen Rat bemühen müssen. Die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages wäre dann fristgerecht möglich gewesen. Eine – wie auch immer geartete – zusätzliche Überlegungs- und Wartefrist war ihm demgegenüber nicht einzuräumen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 1995, a.a.O.; ferner auch Beschluss vom 16. Februar 1999 – 8 B 10/99 -, NVwZ-RR 1999, 472; Kopp/Schenke a.a.O., S. 60 Rn. 26 m.w.N.).

Darauf, dass der Beklagte mit seinem Schreiben vom 9. März 2011 die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages nicht auf die nicht fristgemäße Stellung desselben, sondern auf ein von ihm angenommenes Verschulden des Klägers stützte, kommt es nicht an; insbesondere ist die Annahme des Klägers, der Beklagte habe sich im Sinne einer sachlichen Bescheidung über die Verfristung des Wiedereinsetzungsantrages hinweggesetzt mit der Folge, dass es auf eine fristgemäße Antragstellung nicht (mehr) ankomme, nicht tragfähig. Da gemäß § 70 Abs. 2 VwGO die Vorschrift des § 60 Abs. 5 VwGO keine Anwendung findet, ist selbst eine von der (Widerspruchs-)Behörde gewährte Wiedereinsetzung für das Gericht nicht bindend. Ob der Widerspruch rechtzeitig erhoben worden ist und ob dem Widerspruchsführer ggf. Wiedereinsetzung zusteht, ist eine die Zulässigkeit der Klage betreffende (Vor-)Frage, über die das Gericht selbständig zu befinden hat; dies gilt auch für das Vorliegen der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des § 60 VwGO (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 60 Rn. 34; Bier, a.a.O., Rn. 69 jew. m.w.N.)

§ 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO ist in einem Fall wie dem vorliegenden, indem die Rechtshandlung vor Wegfall des Hindernisses bereits vorgenommen worden war, nicht einschlägig. Jedenfalls wird infolge der genannten Vorschrift nur der Widereinsetzungsantrag ersetzt. Die für die Wiedereinsetzung erheblichen Tatsachen müssen dem Gericht also auch bei dieser Variante innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist mitgeteilt und glaubhaft gemacht werden (vgl. Bier, a.a.O., § 60 Rn. 66). Dies ist vorliegend nicht geschehen, da die Mitteilung und Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe zusammen mit dem – nicht fristgerecht gestellten - Wiedereinsetzungsantrag erfolgten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).