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Entscheidung 5 T 71/13


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 5. Zivilkammer Entscheidungsdatum 08.10.2014
Aktenzeichen 5 T 71/13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beschwerde vom 15. August 2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg (41 XVII 215/93) vom 15. August 2013 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 7. Juli 2011 wurde der Beschwerdeführer zum Betreuer bestellt. Er übte das Amt berufsmäßig aus. Der Betroffene ist mittellos und befindet sich nicht in einem Heim.

Der Betreuer beantragte unter Zugrundelegung eines Stundensatzes 44,00 EUR am 17. Oktober 2011, 6. Februar 2012, 20. April 2012, 14. Juli 2012, 10. Oktober 2012 und 9. Januar 2013 eine Vergütung in Höhe von jeweils 462,00 EUR. Diesen Anträgen entsprach das Amtsgericht im vereinfachten Verfahren gem. § 168 Abs. 1 S. 4 FamFG.

Der Bezirksrevisor beim Landgericht verlangte mit Schriftsatz vom 5. Juni 2013 die förmliche Festsetzung der Betreuervergütung für die zuvor genannten Zeiträume in Höhe von jeweils 351,75 EUR und die Rückforderung von seiner Ansicht nach überzahlter Beträge.

Der Betreuer wandte sich mit Schreiben vom 20. Juni 2013 gegen die Festlegung des Stundensatzes auf 33,50 EUR wie gegen die rückwirkende Festsetzung eines geringeren Stundensatzes für den Zeitraum 10. Juli 2011 bis 9. Januar 2013. Zur Begründung verwies der Betreuer auf die Entscheidung des Amtsgerichts Wedding vom 17. Februar 2012, AZ 53 XVII 159/10.

Das Amtsgericht Oranienburg setzte mit Beschluss vom 15. August 2013 eine Vergütung auf die Anträge des Betreuers vom 17. Oktober 2011, 6. Februar 2012, 20. April 2012, 14. Juli 2012, 10. Oktober 2012 und 9. Januar 2013 unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 33,50 EUR für den Zeitraum vom 10. Juli 2011 bis 9. Januar 2013 in Höhe von 2.110,50 EUR fest. Weiter setzte es auf auf die Anträge des Betreuers vom 16. April 2013 und 11. Juli 2013 unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 33,50 EUR für den Zeitraum vom 10. Januar 2013 bis 9. Juli 2013 die Vergütung in Höhe von 703,50 EUR gegen die Staatskasse fest. Zur Begründung führte das Amtsgericht u.a. aus, dass das Prüfungszeugnis der IHK Berlin als Geprüfter Pharmareferent lediglich einen Stundensatz von 27,00 EUR rechtfertigen könne. Die 2006 bestandene Prüfung an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie zum Rechtsökonom (VWA) und die 2009 bestandene Prüfung an derselben Einrichtung zum Betriebswirt (VWA) rechtfertigten einen Stundensatz von 33,50 EUR. Es handele sich bei beiden Studiengängen um berufsbegleitende Ausbildungen. Die Lehrveranstaltungen fänden 2 bis 3 x wöchentlich in der Zeit von 18:00 Uhr bis 21:15 Uhr und/oder samstags von 8:30 Uhr bis 15:45 Uhr statt. Die Ausbildung zum Rechtsökonom umfasse 6 Semester, die zum Betriebswirt 4 Semester. Allein unter Berücksichtigung des zeitlichen Umfangs der Ausbildungen reichten diese nicht an den Umfang eines Vollzeitstudiums an einer (Fach)Hochschule heran, so dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Stundensatzes gemäß § 4 Abs.1 S. 2 Ziff. 2 VBVG nicht vorlägen. Die Wertigkeit des an der Avans Hogeschool B.V. erworbenen Abschlusses als Bachelor of Business Administration könne nicht geprüft werden. Es lägen keine Unterlagen über Umfang und Inhalt der dem Abschluss vorgehenden Ausbildung vor. Eine Übersetzung des eingereichten Diploms der Avans Hogeschool B.V. durch das Gericht sei nicht zu veranlassen.

Gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 15. August 2013 wendet sich der Betreuer mit seiner Beschwerde vom gleichen Tag. Der Beschwerdeführer verweist auf die bisher divergierende Ansicht der Rechtspflegerin zur Anerkennung seiner beruflichen Qualifikation. Bezüglich des Bachelor-Abschlusses verweist er darauf, dass er die Bescheinigung der Bezirksrevisorin wie dem Amtsgericht auch in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt habe. Ergänzend wird auf die Beschwerdeschrift vom 15. August 2013 verwiesen (Blatt 141, 142 der Akte). Der Beschwerdeführer ergänzte seine Ausführungen zu seinen erworbenen Abschlüssen mit Schreiben vom 17. April 2014. Dazu wird auf Bl. 153 ff. Kostenheft verwiesen. Die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Neuruppin hat am 9. Januar 2014 erneut Stellung genommen.

Dem Beschwerdeführer wurde im Rahmen des Beschwerdeverfahrens Gelegenheit gegebenen zum Schreiben der Bezirkrevisorin vom 9. Januar 2014 Stellung zu nehmen, was mit Schreiben vom 17. April 2014 erfolgte. Insbesondere verwies der Beschwerdeführer auf die Eintragung des erworbenen Abschlusses “Bachelor of Business Administration” in die CROHO-Liste (Centraal Register Opleidingen Hoger Onderwijs), das niederländische Zentralregister für Ausbildungsabschlüsse. Auf das Ersuchen der Beschwerdekammer vom 11. Juni 2014 ist für den Beschwerdeführer zur Frage der Ausbildungsinhalte und deren Verwendbarkeit für die Aufgaben eines Betreuers nicht weiter Stellung genommen worden.

II.

Die Beschwerde ist statthaft gemäß § 58 Abs. 1 FamFG und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG beim Amtsgericht eingegangen. Ebenso ist der in vermögensrechtlichen Angelegenheiten gemäß § 61 Abs. 1 FamFG für die Zulässigkeit der Beschwerde erforderliche Gegenstandswert von 600 € erreicht.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die bisherige Praxis des Amtsgerichts dem Beschwerdeführer eine Vergütung von 44,00 € je Stunde zu gewähren, hat kein schützenswertes Vertrauen des Beschwerdeführers darauf begründet, dass er weiterhin den ihm zuvor im Verwaltungsverfahren zugebilligten Stundensatz von 44,00 € erhält (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Februar 2012, XII ZB 230/11, XII ZB 231/11 und XII ZB 232/11 -, juris; vgl. auch Zimmermann in FamRZ 2013, 165, 168). Zudem wird die Anweisung der Vergütung durch den Rechtspfleger, die ohne förmliches Beschlussverfahren erfolgt ist, wirkungslos, wenn in einem Festsetzungsverfahren nach § 168 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 292 Abs. 1 FamFG eine Entscheidung ergeht (Keidel, FamFG, 16. Aufl., § 168 Rn 5). Die Festsetzung der Vergütung im Verwaltungsverfahren ist deshalb ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht geeignet, ein schutzwürdiges Vertrauen in die Beständigkeit der ausgezahlten Vergütung zu begründen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 20. Januar 2006, FGPrax 2006, 116).

Ob der Berufsbetreuer die Voraussetzungen für eine erhöhte Vergütung gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 VBVG erfüllt, unterliegt einer wertenden Betrachtungsweise (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2013 – XII ZB 429/13 –, juris). Die Würdigung durch das Amtsgericht ist durch das Beschwerdegericht in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht darauf zu überprüfen, ob die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt worden sind.

Besondere und für die Betreuung nutzbare Kenntnisse im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG sind solche, die über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehen und den Betreuer in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen. Angesichts der Pflichten des Betreuers auf den Willen des Betreuten einzugehen, um seine Wünsche zu erkennen und ihnen weitgehend zu entsprechen (§ 1901 Abs. 2, Abs. 3 BGB), sind unter anderem Fachkenntnisse, die den Umgang mit und das Verständnis für die besondere Situation von psychisch Kranken oder Behinderten fördern, als für die Betreuung nutzbar anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2013 – XII ZB 429/13 Rn. 12–, juris). Ein erhöhter Stundensatz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG ist aber nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat. Erforderlich ist vielmehr, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist. Davon ist auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet und dadurch das erworbene betreuungsrelevante Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht (a.a.O.; BGH, BGH, Beschluss vom 16. Januar 2014 Rn. 4 – XII ZB 525/13 - juris-).

Der vom Beschwerdeführer erworbene Abschluss an der Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie als Rechtsökonom (VWA) im Jahr 2006 und der Abschluss als Betriebswirt (VWA) im Jahr 2009 ist nicht mit einer abgeschlossenen Ausbildung an einer Hochschule vergleichbar. Zur Begründung wird insoweit auf die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes verwiesen, so auf den Beschluss vom 11. Dezember 2013 XII ZB 355/12 und den Beschluss vom 30. Oktober 2013, VII ZB 23/13 - jeweils juris, deren Ausführungen sich die Kammer anschließt. Nach der Beschreibung der Ausbildung zur Erreichung der vorgenannten Abschlüsse sind keine Anhaltspunkte für eine Gleichwertigkeit des für die Ausbildung erforderlichen Zeitaufwandes bzw. des Umfangs und Inhalts des Lehrstoffes festzustellen. Die Ausbildung des Beschwerdeführers zur Erreichung der Abschlüsse erfolgte 2 bis 3 Mal wöchentlich abends zwischen 18.00 Uhr und 21.15 Uhr und/oder samstags zwischen 8.30 Uhr und 15.45 Uhr. Bereits der Zeitumfang weist keine vergleichbare Nähe zu einem Hochschulstudium auf. Gleiches gilt für die zweifelsohne breitgefächerten Themenbereiche der Ausbildung über Business Basics bis hin zum Projektmanagement.

Dies gilt ebenfalls für das Diplom der Avans Hoogeschool, welches der Beschwerdeführer am 2. November 2011 verliehen bekommen hat und ihn berechtigt den Grad „Bachelor of Business Administration” zu führen. Die auch hier vorzunehmende wertende Betrachtung führt nicht dazu, dass nach Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG ein erhöhter Stundensatz gerechtfertigt ist. Die Ausbildung des Beschwerdeführers hatte lediglich am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt. Dies ergibt sich aus dem Vortrag der Beschwerdeführers in den weiteren Beschwerdeverfahren, die bei der Kammer anhängig sind und auf die im Rahmen der Feststellung des Sachverhalts zurückzugreifen war, nachdem durch den Beschwerdeführer bzw. seine Verfahrensbevollmächtigten von der eingeräumten Möglichkeit des ergänzenden Vortrages kein Gebrauch gemacht worden ist und auch sonst nichts weiter festzustellen war. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ausbildung in ihrem Kernbereich auf eine Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse ausgerichtet ist. Davon wäre nur auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und dadurch das erworbene betreuungsrelevante Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht. Die Ausbildung erstreckt sich über 14 Veranstaltungen pro Semester und hat Inhalte wie strategisches Marketing, Produktentwicklung, internationale Finanzstrategien bis zur Ergebnis- und Prozesskontrolle zum Inhalt. Dies lässt nicht erkennen, dass ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet war, das für die Betreuung nutzbar ist.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei, gleiches gilt für das Erinnerungsverfahren (§ 11 Abs. 4 RPflG, § 134 GNotKG).