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Urlaubsanspruch


Metadaten

Gericht VG Potsdam 2. Kammer Entscheidungsdatum 15.09.2011
Aktenzeichen 2 K 1609/08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 2 FeuerwArbZV BB, § 7 FeuerwArbZV BB, § 5 Abs 4 S 1 Nr 4 EUrlV BB 2009, § 5 Abs 6 EUrlV BB 2009, § 10 Abs 3 Nr 4 UrlV BB, § 10 Abs 6 UrlV BB, § 3 Abs 4 UrlV BB

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Im Übrigen wird die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2008 verpflichtet, dem Kläger für das Jahr 2008 zwei Zusatzurlaubstage für geleisteten Nachtdienst zu gewähren.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der 1971 geborene Kläger ist Brandmeister (A 7) und gehört zu den hauptamtlichen Kräften der Freiwilligen Feuerwehr der Beklagten. Er leistet mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 56 Stunden, davon 32 Stunden als Bereitschaftsdienst, Schichtdienst. Eine Schicht geht über 24 Stunden, wobei unter anderem der Zeitraum zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr als Bereitschafts(dienst)zeit festgelegt ist. Auch in dieser Bereitschaftsdienstzeit hat der Kläger an der Dienststelle anwesend zu sein.

Mit Schreiben vom 27. Dezember 2007 machte der Kläger u. a. geltend, ihm stehe nach § 10 der Erholungsurlaubsverordnung Brandenburg – EUrlV Bbg – Zusatzurlaub für geleisteten Nachtdienst zu. Die Beklagte traf mit Verfügung vom 15. Mai 2008 eine generelle „Regelung zum Erholungsurlaub, Feiertagsausgleich und Zusatzurlaub für Nachtarbeit“ und stellte sich auf den Standpunkt, dass die Voraussetzungen für einen Zusatzurlaub nach § 10 EUrlV Bbg nicht gegeben seien, da bei einer 24 Stundenschicht nur „theoretisch“ zehn Stunden Dienst in der Nacht geleistet würden; tatsächlich seien im Jahresdurchschnitt 2007 insgesamt lediglich etwa 140 Stunden (Einsatz-)Dienst zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistet worden, pro Beamten bzw. Beschäftigten rund zehn Stunden. Mit einer entsprechenden Begründung lehnte der Oberbürgermeister der Beklagten es mit Bescheid vom 9. Juni 2008 ab, dem Kläger den von ihm beanspruchten Zusatzurlaub für Nachtdienst zu gewähren. Dessen dagegen unter dem 11. Juni 2008 erhobenen Widerspruch wies der Oberbürgermeister der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2008, zugestellt am 29. Juli 2008, zurück.

Der Kläger verfolgt sein Begehren mit seiner am 28. August 2008 erhobenen Klage weiter. Klagegegenstand war ursprünglich auch die Bewilligung von 14 statt nur 13 Erholungsurlaubstagen; insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit in dem Erörterungstermin am 14. September 2011 übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte diesen Anspruch bereits im Zuge der Klageerwiderung anerkannt hatte. Der Kläger vertritt die Auffassung, Nachtdienst im Sinne von § 10 Abs. 6 EUrlV Bbg zu leisten und daher gemäß § 10 Abs. 3 EUrlV Bbg a. F. Zusatzurlaub beanspruchen zu können. Bei jahresdurchschnittlich 122 Schichten jeweils von und bis 6.45 Uhr leiste er mehr als 600 Stunden Nachtdienst. Dafür stünden gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 4 EUrlV Bbg vier Arbeitstage Zusatzurlaub zu, welche aufgrund des Schichtdienstes gemäß § 3 Abs. 4 S. 1 EUrlV Bbg auf zwei Schichten und damit zwei Zusatzurlaubstage umzurechnen seien.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2008 zu verpflichten, ihm für das Jahr 2008 zwei Urlaubstage für geleisteten Nachtdienst zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, eine reine Bereitschaftszeit sei für den Anspruch nach § 10 Abs. 3 EUrlV Bbg nicht ausreichend. Der planmäßige Dienst gehe lediglich von 6.30 Uhr bis 17.45 Uhr, die restliche Zeit würde der Kläger im Rahmen der Bereitschaftszeit „in Ruhe“ verbringen. Auch unter Berücksichtigung der verhältnismäßig geringen Belastung durch tatsächlichen (Einsatz-)Dienst zur Nachtzeit von jährlich durchschnittlich lediglich etwa 6 Stunden sei es sachgerecht, nur diese Stunden als Nachtdienst im Sinne der Erholungsurlaubsverordnung in Ansatz zu bringen. Den Belangen der Feuerwehrbeamten würde im Übrigen auch durch die Zahlung von Nachtzuschlägen (für die Einsatzzeiten) und die einschlägigen Arbeitszeitregelungen ausreichend Rechnung getragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Kammer entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden als Berichterstatter, §§ 87 a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Soweit der Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt wurde, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

Die Klage ist im Übrigen zulässig und begründet. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die – mangels Gewährung vom Kläger nicht bis Ende September 2009 genommenen – zusätzlichen Urlaubstage zwischenzeitlich verfallen wären. Vielmehr kann der Kläger unbeschadet dessen eine Aufstockung seines (aktuellen) Urlaubskontos im Wege der Folgenbeseitigung beanspruchen.

Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. März 2010 - OVG 4 N 68.08 - unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 2 C 4.05 -, juris Rn. 10 f.

Der Kläger hat einen Anspruch auf die Gewährung von zwei Zusatzurlaubstagen gemäß §§ 10 Abs. 3 Nr. 4 i. V. m. 3 Abs. 4 S. 1 EUrlV Bbg vom 10. Oktober 1994, GVBl. II S. 908, in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 31. März 1999, GVBl. II S. 156. Die Ablehnung dieses Anspruchs durch den Bescheid vom 9. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2008 ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO.

Gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 4 EUrlV Bbg erhält ein Beamter, der weder die Voraussetzungen des Absatzes 1 (Wechselschichtdienst) noch des Absatzes 2 (Schichtdienst zu erheblich unterschiedlichen Zeiten) erfüllt, vier Arbeitstage Zusatzurlaub, wenn er mindestens 600 Stunden Nachtdienst geleistet hat. Nachtdienst ist nach § 10 Abs. 6 EUrlV Bbg der dienstplanmäßige Dienst zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr. Diese – mit § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4, Abs. 6 der Erholungsurlaubs- und Dienstbefreiungsverordnung vom 16. September 2009, GVBl. II S. 618, übereinstimmenden – Voraussetzungen sind hier gegeben.

Der Kläger leistet mehr als 600 Stunden dienstplanmäßigen Dienst zur Nachtzeit. Bereits nach dem Wortlaut der genannten Bestimmungen besteht kein Raum dafür, die von ihm jeweils zwischen 17.45 Uhr und 6.00 Uhr geleistete Bereitschaftsdienstzeit außer Betracht zu lassen; denn § 10 Abs. 6 EUrlV bestimmt jeglichen „dienstplanmäßigen Dienst in dem Zeitraum zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr“ als „Nachtdienst“, ohne zwischen „aktiven“ Dienstzeiten und (bloßen) Bereitschaftsdienstzeiten oder sonst nach dem Grad der Belastungen des jeweiligen Dienstes zu differenzieren. Dass der Kläger in dem genannten Zeitraum „dienstplanmäßigen Dienst“ leistet, steht außer Frage. Der dienstplanmäßig bestimmte Bereitschaftsdienst ist nämlich Teil seiner wöchentlichen, auf Antrag gemäß § 4 Abs. 3 Arbeitszeitverordnung Feuerwehr - AZV Feu - vom 3. August 2007, GVBl. II S. 274 von 48 auf 56 Stunden erhöhten regelmäßigen Arbeitszeit, vgl. § 6 Abs. 3 AZV Feu. Entsprechendes gilt aktuell gemäß §§ 21 Abs. 4, 24 Abs. 2 der Verordnung über die Arbeitszeit für die Beamten des Polizeivollzugsdienstes, des feuerwehrtechnischen Dienstes und des Justizvollzugsdienstes des Landes Brandenburg (BbgAZVPFJ) vom 16. September 2009, GVBl. II S. 686. Diese Einordnung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit ist auch europarechtlich zwingend, da der Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit am Arbeitsort abgeleistet wird,

s. zu Art. 6 der Richtlinie 2003/88 vom 4. November 2003 (Amtsblatt L 299 S. 9) EuGH, Urteil vom 25. November 2010 – C-429/09 – Nr. 55 bis 57, juris.

Das schon nach dem Wortlaut von § 10 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 6 EUrlV Bbg geboten erscheinende, sich danach jedenfalls aber aufdrängende Verständnis des nächtlichen Bereitschaftsdienstes als „Nachtdienst“ entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung. Diese dient ersichtlich dem Ausgleich der durch Nachtdienst verursachten besonderen Belastungen.

Vgl. BAG, Urteil vom 23. März 2011 - 10 AZR 661/09 -, juris Rn. 14.

Solchen Belastungen ist auch der Kläger ausgesetzt, da er den nächtlichen Bereitschaftsdienst an der Dienststelle zu verrichten und sich dort überdies infolge des Schichtdienstes jeweils 24 Stunden am Stück aufzuhalten hat. Im Übrigen liegt es in der Natur der Sache, dass der Einsatzdienst der Feuerwehr nur zu einem geringen Teil aus tatsächlichen Einsätzen besteht,

vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Mai 2011 - OVG 4 N 138.09 - unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 C 17.09 -, juris Rn. 14 f.,

so dass der nächtliche Bereitschaftsdienst qualitativ dem tagsüber geleisteten Dienst angenähert ist bzw. – hinsichtlich des tagsüber geleisteten Bereitschaftsdienstes (17.45 Uhr bis 20.00 Uhr) – sogar vollständig entspricht. Ein qualitativ erheblicher Unterschied besteht zwar in Bezug auf die Zeit des sog. Bereitschaftsschlafens,

vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 1. Februar 1996 - 4 S 946/95 -, juris, Rn. 23 m. w. N.,

jedoch ändert dies nichts daran, dass mit dem nächtlichen Bereitschaftsdienst insgesamt gesehen im Vergleich zu dem tagsüber geleisteten (Bereitschafts-)Dienst besondere Belastungen für Feuerwehrbeamte wie den Kläger einhergehen.

Diese besonderen Belastungen sind auch nicht etwa anderweitig ausgeglichen. Die besonderen arbeitszeitrechtlichen Regelungen – insbesondere die Ruhezeiten nach § 7 AZV Feu – zielen nicht auf einen (besonderen) Ausgleich der mit den nächtlichen Bereitschaftsdienst einhergehenden Belastungen, sondern generell auf den Ausgleich der die Belastungen des alle Tage einer Woche als Arbeitstage (s. § 2 AZV Feu) umfassenden Schichtdienstes. Abgesehen hiervon hat der Verordnungsgeber ungeachtet der spezifischen arbeitszeitrechtlichen Regelungen für Feuerwehrbeamte davon abgesehen, eine diese berücksichtigende differenzierende Regelung in § 10 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 6 EUrlV Bbg zu treffen. Vor diesem Hintergrund wäre es in dem hier maßgeblichen Zusammenhang auch unerheblich, wenn der nächtliche Bereitschaftsdienst als solcher,

vgl. BAG, Urteil vom 23. März 2011, a. a. O., Rn. 15,

besonders vergütet würde, was allerdings tatsächlich nicht der Fall ist.

Die dem Kläger daher nach § 10 Abs. 3 Nr. 4 EUrlV für das Jahr 2008 zustehenden vier Zusatzurlaubstage vermindern sich aufgrund der gegebenen Verteilung der Arbeits- und Freischichten gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 EUrlV auf zwei Urlaubstage bzw. -schichten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und entspricht im Übrigen hinsichtlich des nach § 161 Abs. 2 VwGO für erledigt erklärten Teils der Kostenübernahmeerklärung der Beklagten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung i. V. m. § 167 VwGO. Gründe zur Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor. Die Sache hat zwar eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, bedarf jedoch aufgrund der eindeutigen Rechtslage keiner weitergehenden Klärung in einem Berufungsverfahren.

B e s c h l u s s :

Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes auf 441,37 Euro – dem sich bei einem Ansatz des Endgrundgehaltes des Klägers zum Zeitpunkt der Klageerhebung ergebenden „Wert“ von 6 Urlaubstagen bzw. 3 Urlaubsschichten – festgesetzt, wobei der Wert des erledigten Teils 147,12 Euro und der durch das vorstehende Urteil entschiedene Teil 294,25 Euro beträgt.