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Entscheidung 26 Sa 349/13, 26 Sa 358/13


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 26. Kammer Entscheidungsdatum 20.06.2013
Aktenzeichen 26 Sa 349/13, 26 Sa 358/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 6c SGB 2, TV-BA, Art 12 Abs 1 GG, Art 9 Abs 3 GG

Leitsatz

1. Aus einer Unvereinbarkeit der maßgeblichen Regelung des § 6 c SGB II mit dem Grundgesetz folgte nicht die Nichtigkeit der Norm, weil sonst dem gesetzgeberischen Konzept der Überleitung der Arbeitsverhältnisse rückwirkend die Grundlage entzogen würde. Die Verfassungswidrigkeit folgte aus der fehlenden, aber notwendig gesetzlich zu verankernden Möglichkeit für die von der Überleitung betroffenen Arbeitnehmer, den Fortbestand ihrer arbeitsvertraglichen Bindungen zur BA geltend machen zu können. Zur Sicherstellung dieses Anspruchs und Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben stehen dem Gesetzgeber verschiedene Regelungsalternativen, wie etwa die Einräumung eines Widerspruchs- oder eines Rückkehrrechts zur Verfügung (vgl. BVerfG 25. Januar 2011 - 1 BvR 1741/09 - AP Nr. 146 zu Art 12 GG = NZA 2011, 400 = EzA Art 12 GG Nr. 48, Rn. 115).

2. Die Tarifverträge der BA galten zwischen der Klägerin und der BA kraft Bezugnahme in dem Arbeitsvertrag vom 7. Juli 2008 als Vertragsrecht.

3. Die arbeitsvertragliche Regelung ist nicht durch § 6 c Abs. 3 SGB II verdrängt worden. Der Wortlaut sieht zunächst wie § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB eine umfassende Weitergeltung der bisher geltenden Bestimmungen vor, allerdings "unbeschadet" des Satzes 3 des Absatzes 3. § 6 c Abs. 3 Satz 3 SGB II verweist bezüglich des anzuwendenden Tarifrechts auf die bei den Kommunen geltenden Tarifverträge. Die Vorschrift ist jedenfalls verfassungskonform dahin auszulegen, dass sie einer Weitergeltung der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifverträge der BA nicht entgegensteht.

4. Im Ergebnis kommt es hier nicht darauf an, ob der durch § 6 c Abs. 1 Satz 1 SGB II bewirkte Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Dahinstehen kann insoweit auch, ob die Übertragung bestimmter Aufgaben auf Kommunen als solche jedenfalls nach der Änderung der Verfassung durch Einfügung des § 91 e GG eine legitime Wahrnehmung der Organisationsgewalt des Bundes darstellt. Auch wenn durch die mit der gesetzlichen Regelung beabsichtigten Ziele die Zuweisung eines neuen Arbeitgebers rechtfertigen sollten, gölte das nicht für einen Eingriff in die mit der BA einzelvertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg a.d.H. vom 10.1.2013 - 2 Ca 741/12 - abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass sich der Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien für die Zeit ab dem 1.1.2012 nach dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für A. (TV-BA) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweiligen Fassung sowie den jeweils geltenden sonstigen Tarifverträgen für die Bundeagentur für A. für das Tarifgebiet Ost richtet.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die auf ihr Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifnormen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für Ansprüche auf Zulagen.

Die Klägerin war ab dem 15. Juni 2006 bei der Bundeagentur für A. (BA) P. beschäftigt. Mit Wirkung vom 1. Juli 2008 übertrug die BA der Klägerin auf Dauer die Aufgabe einer Sachbearbeiterin Leistungsgewährung im Bereich SGB II in der Agentur für A. P.. Einsatzort war die durch die BA und den Beklagten seinerzeit gebildete Arbeitsgemeinschaft (MAIA) in Brandenburg an der Havel. Der Arbeitsvertrag sah eine Bezugnahme auf die bei der BA jeweils geltenden Tarifverträge vor. Am 2. März 2011 begann ihr Mutterschutz. Zu diesem Zeitpunkt waren ihr die Abwesenheitsvertretung der Teamleiterin und die IT-Fachbetreuung übertragen. Mit Schreiben vom 29. und 30. März 2012 widerrief die BA die Übertragung der Abwesenheitsvertretung und die der IT-Fachbetreuung sowie die damit verbundenen Zulagen rückwirkend zum 1. März 2011 angesichts des Mutterschutzes. An die Mutterschutzzeit der Klägerin schloss sich nahtlos eine Elternzeit an.

Mit Schreiben vom 15. und 19. Dezember 2011 teilte die BA der Klägerin mit, dass ihr Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes zum 1. Januar 2012 auf den Beklagten übergehe. Mit Wirkung zum 01.01.2012 ließ das Bundesministerium für A. und S. 41 kommunale Träger (Optionskommunen) zur alleinigen Wahrnehmung der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitssuchende zu. Zu diesen kommunalen Trägern gehört auch der Beklagte. Die Elternzeit der Klägerin dauerte bis zum 3. Februar 2012. Sie setzte ihre Arbeit ab dem 4. Februar 2012 im Job-Center für den beklagten Landkreis fort. Der Beklagte zahlt der Klägerin seither Vergütung nach dem TVöD nach Maßgabe von Übergangsregelungen. Die Zulagen aus der Zeit vor der Schutzfrist berücksichtigt er dabei nicht. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung hätten der Klägerin bei dem Beklagten ohne die Ausgleichsbeträge nach ihrer Darstellung 2.580,92 Euro nach dem TVöD, nach den Tarifverträgen der BA hingegen 3.771,73 Euro brutto zugestanden.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Nichtberücksichtigung der anlässlich der Schutzfristen entzogenen Aufgaben und Zulagen sei diskriminierend. Im Übrigen seien die Funktionsstufen mangels einer Beteiligung des Personalrats auch gar nicht wirksam widerrufen worden. Im Übrigen dürfe der Beklagte Tariferhöhungen nicht abschmelzen. Hilfsweise hat sie sich darauf berufen, dass auf das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten die Tarifverträge der BA weiterhin Anwendung fänden. § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II sei verfassungswidrig. Das Tarifgehalt nach dem TVöD betrage nur 46,14 vH. ihres früheren Gehalts bei der BA. Bei Anrechnungen von Vergütungserhöhungen auf die Ausgleichszulage sei mit solchen für über zehn Jahre nicht mehr zu rechnen. Aufgrund der mit der BA vereinbarten Bezugnahme auf die Tarifverträge der BA gölten diese für sie jedenfalls weiter.

Hinsichtlich der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, auf das Arbeitsverhältnis finde der TVöD Anwendung. Die Ausgleichsabgabe sei nur bis zur Höhe des Entgelts im Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses zu gewähren. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin die Zulagen nicht beanspruchen können. Eine erneute Zuerkennung der früheren Funktionsstufen bei der BA hätte nur durch diese erfolgen können. Die Höhe der Ausgleichszulage variiere in Abhängigkeit vom jeweils nach dem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsentgelt. § 6c SGB II sei anzuwenden, solange er nicht wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben sei. Aus der vertraglichen Bezugnahme auf den TV-BA im Arbeitsvertrag ergebe sich nichts anderes. Denn bei dem TVöD handele es sich um einen den TV-BA ersetzenden Tarifvertrag iSd. Arbeitsvertrages.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass bei der Berechnung der Ausgleichszahlung die beiden durch die BA gezahlten Zulagen zu berücksichtigen gewesen wären. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Vergütungserhöhungen seien nach § 6c Abs. 5 SGB II anzurechnen. Der Hilfsantrag sei unbegründet. § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II sei nicht verfassungswidrig. Der Eingriff in Art. 12 GG sei gerechtfertigt. Die Vergütungsansprüche hätten sich aufgrund der Ausgleichsansprüche zunächst nicht verändert, nur Tariferhöhungen würden aufgezehrt. Das Interesse des übernehmenden Landkreises an einer gleichen Vergütung der Belegschaftsmitglieder müsse berücksichtigt werden. Im Übrigen gehe die gesetzliche Regelung über die Anwendung des bei dem Erwerber geltenden Tarifvertrages der Auslegung des Arbeitsvertrages über die Anwendung des Tarifvertrages vor. Es komme daher nicht darauf an, wie der mit der BA abgeschlossene Arbeitsvertrag auszulegen sei.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 26. Januar zugestellte Urteil am 25. Februar 2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, zweifelhaft sei bereits, ob das Arbeitsverhältnis angesichts der Elternzeit am Stichtag überhaupt auf den Beklagten übergegangen sei. Jedenfalls stehe ihr aber eine Vergütung nach dem TV-BA zu. Das ergebe sich schon aus dem Arbeitsvertrag. Die gesetzliche Regelung stehe dem nicht entgegen, zumal alles andere unverhältnismäßig wäre. Die Vergütung nach dem TVöD sei deutlich geringer als die nach dem TV-BA. Das ist unter den Parteien nicht streitig. Es hätte keiner Änderung des anzuwendenden Tarifrechts bedurft, um den Optionskommunen das nötige Personal zur Verfügung zu stellen. Zudem werde übergegangenen Arbeitnehmern sogar etwas abgeschnitten, wie der Anspruch auf die Pauschalzahlung 2012. Bei der Frage der Lohngestaltung habe der Personalrat mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber eine Tariflohnerhöhung nur teilweise auf übertarifliche Zulagen anrechne. Das sei hier aber nicht geschehen, was ebenfalls nicht streitig ist.

Hinsichtlich der jetzigen Hilfsanträge beruft sie sich darauf, dass anders als bei Beamten bei Angestellten nach dem Gesetz Vergütungserhöhungen nicht auf die Ausgleichszulage anzurechnen seien. Der Formulierung „jeweilig“ sei keine zeitliche Komponente zu entnehme. Gemeint sei das jeweilige Entgelt des jeweiligen Arbeitnehmers zum Zeitpunkt des Übergangs.

Im Übrigen wären ihr, wäre sie bei der BA weiterbeschäftigt worden, auch die Funktionen nebst Funktionsstufen mit Beendigung der Elternzeit wieder übertragen worden. Folgte man der Argumentation des Beklagten, hätte sie gar keinen Ausgleichsanspruch, da sie am 31. Dezember 2011 wegen der Elternzeit keinen Vergütungsanspruch hatte. Die Berücksichtigung einer fiktiven Entwicklung sei daher unumgänglich. So habe auch die Beklagte die während der Elternzeit bei der BA erfolgte Vergütungserhöhung fiktiv berücksichtigt. Die Zulagen würden deshalb nicht berücksichtigt, weil sie gerade angesichts der Schwangerschaft widerrufen worden seien. Andernfalls wäre sie mit den Zulagen in die Elternzeit gegangen. Der Beklagte hätte diese dann bei Übergang des Arbeitsverhältnisses auch berücksichtigt. Das gebiete auch eine unionrechtskonforme Auslegung. Wäre sie ein Mann, hätte es den Widerruf wegen der Mutterschutzfristen nicht gegeben.

Die Klägerin beantragt zuletzt nach mit Zustimmung des Beklagten erfolgter Umstellung von Haupt- und Hilfsanträge,

1.festzustellen, dass sich der Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien für die Zeit ab dem 1. Januar 2012 nach dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundeagentur für Arbeit (TV-BA und den diesen ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträgen in der jeweiligen Fassung sowie den jeweils geltenden Tarifverträgen für die Bundesagentur für Arbeit für das Tarifgebiet Ost) richtet,

hilfsweise,

2.festzustellen, dass ihr Anspruch auf Ausgleichszahlung nach § 6c Abs. 5 Satz 3 SGB II per 1. Januar 2012 insgesamt 1.063,28 Euro betrug,
3.den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere Vergütung in Höhe von 3.451,31 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 348,31 Euro seit dem 1. März 2012, aus jeweils 479,13 Euro seit dem 1. April und 1. Mai 2012 sowie aus jeweils weiteren 443,19 Euro seit dem 1. Juni, 1. Juli und 1. August 2012 sowie aus 371,71 Euro seit dem 1. September 2012 und aus 443,19 Euro seit dem 1. Oktober 2012 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Wegen § 6c Abs. 3 SGB II fänden ausschließlich die jeweils bei dem Beklagten geltenden Tarifverträge Anwendung. Zum Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses habe im Übrigen gerade kein Anspruch auf Zahlung einer Zulage bestanden, da die zusätzlichen Funktionen widerrufen gewesen seien. Dagegen habe sich die Klägerin auch nicht gewehrt. Maßgeblich für die Höhe der Ausgleichszulage sei allein auf den Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses abzustellen. Fiktive Entwicklungen bei der BA könnten nicht berücksichtigt werden. Angesichts des gesetzlich angeordneten Übergangs habe auch der Personalrat nicht mitbestimmen müssen.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien vom 24. März, 25. April. 29. April, 30. Mai und 11. Juni 2013 sowie auf das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 20. Juni 2013.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung ist aber unbegründet, da die zulässige Klage bereits nach dem Hauptantrag begründet ist.

1) Die Klage ist hinsichtlich des Hauptantrags zulässig. Insbesondere liegt das erforderliche Feststellungsinteresse vor. Es können als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Rahmen von § 256 ZPO auch einzelne Beziehungen oder Folgen eines einheitlichen Rechtsverhältnisses wie einzelne Rechte, Ansprüche und Pflichten Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrages als Gegenstand einer Feststellungsklage wird anerkannt, obwohl es sich nicht um das Rechtsverhältnis der Parteien insgesamt, sondern nur um einen rechtlichen Aspekt dieses Rechtsverhältnisses handelt. Auch die Frage, ob die betreffenden Tarifverträge Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden sind, ist eine Frage der Anwendbarkeit der Tarifverträge. Das nötige Feststellungsinteresse setzt voraus, dass durch die Entscheidung über die Anwendbarkeit der Tarifverträge eine sinnvolle und sachgemäße Erledigung der Streitpunkte herbeigeführt werden kann, dh., dass eine Vielzahl von Einzelfragen dem Streit der Parteien endgültig entzogen und so weitere einzelne Leistungsklagen vermieden werden können. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit der maßgeblichen Tarifverträge; sobald diese Frage geklärt ist, ist der entscheidende Teil der Unsicherheit über das Bestehen der Ansprüche der Klägerin entfallen (vgl. BAG 21. Februar 2001 - 4 AZR 18/00 - AP Nr. 20 zu § 4 TVG = NZA 2001, 1318 = EzA § 613a BGB Nr. 195, Rn. 29).

2) Die Klage ist auch begründet. Die Arbeitsbedingungen der Klägerin werden auch über den 31. Dezember 2011 hinaus durch das Tarifsystem der BA in seinen jeweiligen Fassungen bestimmt.

a) Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis.

aa) Es kann insoweit dahinstehen, ob der durch § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II bewirkte Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.

Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantiert neben der freien Wahl des Berufs auch die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Dazu zählt bei abhängig Beschäftigten auch die Wahl des Vertragspartners. Dies gilt in gleicher Weise für Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst. Das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG ist daher unbeschadet der Organisationsgewalt des Staates berührt, wenn der Gesetzgeber bestehende Arbeitsverhältnisse in der Weise normativ umgestaltet, dass er die Person des Arbeitgebers auswechselt (vgl. BVerfG 25. Januar 2011 – 1 BvR 1741/09 – AP Nr. 146 zu Art 12 GG = NZA 2011, 400 = EzA Art 12 GG Nr. 48, Rn. 69).

Ob der Eingriff in Art. 12 GG gerechtfertigt ist, kann bei der Frage, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, dahinstehen. Der Verfassungsverstoß führte nicht zur Nichtigkeit der gesetzlichen Regelung. Aus einer Unvereinbarkeit der maßgeblichen Regelung des § 6c SGB II mit dem Grundgesetz folgt nicht die Nichtigkeit der Norm, weil sonst dem gesetzgeberischen Konzept der Überleitung der Arbeitsverhältnisse rückwirkend die Grundlage entzogen würde. Die Verfassungswidrigkeit folgte aus der fehlenden, aber notwendig gesetzlich zu verankernden Möglichkeit für die von der Überleitung betroffenen Arbeitnehmer, den Fortbestand ihrer arbeitsvertraglichen Bindungen zur BA geltend machen zu können. Zur Sicherstellung dieses Anspruchs und Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben stehen dem Gesetzgeber verschiedene Regelungsalternativen, wie etwa die Einräumung eines Widerspruchs- oder eines Rückkehrrechts zur Verfügung (vgl. BVerfG 25. Januar 2011 – 1 BvR 1741/09 – AP Nr. 146 zu Art 12 GG = NZA 2011, 400 = EzA Art 12 GG Nr. 48, Rn. 115).

bb) Es kann auch dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II für einen gesetzlichen Übergang des Arbeitsverhältnisses vorgelegen haben. Dagegen spricht – unabhängig von der Frage, ob die Regelung mit der Verfassung und Unionsrecht in Einklang zu bringen ist –, dass die Klägerin zum vorgesehenen Zeitpunkt – anders als es der Wortlaut des Gesetzes vorsieht – die relevanten Aufgaben bereits seit über einem dreiviertel Jahr im Zusammenhang mit Schutzfrist und Elternzeit nicht wahrgenommen hatte (vgl. dazu Sächsisches LAG 28. Februar 2013 – 9 Sa 407/12, Rn. 31; LAG Sachsen-Anhalt 18. September 2012 - 1 BvR 2965/10, Rn. 37, die den Übergang des Arbeitsverhältnisses in einem solchen Fall ablehnen; vgl. zur Auslegung auch LAG Baden-Württemberg 8. Oktober 2012 - 1 Sa 22/12).

Die Klägerin kann sich aber jedenfalls jetzt nicht mehr darauf berufen, keine Arbeitnehmerin des Beklagten zu sein. Dies führte im Übrigen auch – wie sie selbst feststellt – zur Erfolglosigkeit ihrer Klage. Eine negative Feststellungsklage auf die Feststellung des Nichtbestehens eines Arbeitsverhältnisses zum Beklagten hat sie bis zuletzt nicht erhoben. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sie Ansprüche gegen die BA geltend gemacht hätte. Die Klägerin hat sich in Kenntnis der gesetzlichen Regelung über ein Jahr nicht darauf berufen, weiter bei der Bundesagentur beschäftigt zu sein. Die Parteien haben vielmehr das Arbeitsverhältnis ungeachtet der gesetzlichen Regelung fortgesetzt. Es ist davon auszugehen, dass die Parteien die Klägerin insoweit jedenfalls nicht anders stellen wollten, als die kraft Gesetzes übergegangenen Personen.

b) Die Tarifverträge der BA galten zwischen der Klägerin und der BA kraft Bezugnahme in dem Arbeitsvertrag vom 7. Juli 2008 als Vertragsrecht.

aa) Es kann dahinstehen, ob der TV-BA und die ihn ergänzenden Tarifverträge aufgrund einer Tarifbindung der Klägerin auch normativ galten. Dies änderte nichts an ihrer vertraglichen Geltung für die damaligen Parteien des Arbeitsverhältnisses. Die Wirkung einer Bezugnahmeklausel wird nicht dadurch berührt, dass der in Bezug genommene Tarifvertrag noch aus einem weiteren rechtlichen Grund für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgebend ist.

bb) Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, aber zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Erklärung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Dies gilt auch für dynamische Verweisungsklauseln (vgl. BAG 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - AP Nr. 53 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = NZA 2007, 965 = EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 35, Rn. 24).

cc) Die Auslegung der Klausel ergibt, dass § 2 des Arbeitsvertrages eine unbedingte zeitdynamische Verweisung auf die „jeweiligen tariflichen Bestimmungen für die Bundesagentur“ enthält.

(1) Eine einzelvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf die jeweils geltenden tariflichen Bestimmungen ist jedenfalls dann, wenn die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge nicht in einer für die Arbeitnehmerin erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, eine konstitutive Verweisungsklausel, die durch einen Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder einen sonstigen Wegfall der Tarifgebundenheit nicht berührt wird („unbedingte zeitdynamische Verweisung“) (vgl. BAG 22. Oktober 2008 – 4 AZR 793/07 - AP Nr. 67 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = NZA 2009, 323 = EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 40, Rn. 21).

Eine individualvertragliche Klausel, die ihrem Wortlaut nach ohne Einschränkung auf einen bestimmten Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung verweist, ist im Regelfall dahingehend auszulegen, dass dieser Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung gelten soll und dass diese Geltung nicht von Faktoren abhängt, die nicht im Vertrag genannt oder sonst für beide Parteien ersichtlich zur Voraussetzung gemacht worden sind.

Die Klausel ist mit dem gewählten Wortlaut vom Arbeitgeber gestellt worden. Er hat deshalb auch die Rechtsfolgen einer solchen Erklärung und deren mögliche Risiken zu tragen. Will er die unmittelbar aus dem Wortlaut folgenden Rechtswirkungen vermeiden, kann und muss er selbst dafür sorgen, dass entsprechende Vorbehalte in einer für seinen Vertragspartner, den Arbeitnehmer, hinreichend erkennbaren Form zum Ausdruck kommen (vgl. BAG 22. Oktober 2008 – 4 AZR 793/07 - AP Nr. 67 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = NZA 2009, 323 = EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 40, Rn. 24).

(2) In Anwendung dieser Grundsätze bei der Vertragsauslegung erweist sich die Verweisungsklausel in § 2 des Arbeitsvertrages vom 7. Juli 2008 bereits nach ihrem eindeutigen Wortlaut als eine unbedingte zeitdynamische Bezugnahme auf das Tarifwerk der BA in seiner jeweiligen Fassung, wobei die Geltung nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses mit der BA abhängig ist.

(a) Nach dem Wortlaut der Bezugnahmeklausel „bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung“. Dass dies nur so lange gelten soll, wie ein Arbeitgeber tarifgebunden ist, und dass dies aus der Tarifgebundenheit der Rechtsvorgängerin des Beklagten bei Vertragsschluss folgt, ist dem Wortlaut der Klausel nicht zu entnehmen (vgl. auch BAG22. Oktober 2008 – 4 AZR 793/07 - AP Nr. 67 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = NZA 2009, 323 = EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 40, Rn. 28).

(b) Auch sonstige Umstände, die für eine Einschränkung des Vertragswortlauts sprechen könnten, sind nicht erkennbar. Mögliche Motive der Vertragsparteien können für sich genommen keinen entscheidenden Einfluss auf die Auslegung der Verweisungsklausel haben (vgl. BAG 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - 4 AZR 652/05 - AP Nr. 53 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = NZA 2007, 965 = EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 35, Rn. 29, 32; 22. Oktober 2008 – 4 AZR 793/07 - AP Nr. 67 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = NZA 2009, 323 = EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 40, Rn. 30).

Dass ein Wechsel des Aufgabenträgers, also lediglich eine Änderung der Anbindung der Aufgaben an einen anderen Hoheitsträger ohne wesentliche Änderung der Arbeitsinhalte und zudem am selben Ort, das Ende der vereinbarten Arbeitsbedingungen bedeuten sollte, ergibt sich aus der Bezugnahme nicht. Allein dem Umstand, dass es sich bei den in Bezug genommenen Tarifverträgen um Haustarifverträge der BA handelte, musste die Klägerin nicht entnehmen, dass sich an deren Geltung nur deshalb etwas ändern sollte, weil sie dieselbe Tätigkeit nicht mehr bei einer gemeinsamen Einrichtung der BA und des Beklagten, sondern bei einem Job-Center des Beklagten ausüben würde. Eine gesetzliche Regelung, die für diesen Fall die Anwendung eines anderen Tarifvertrages vorsah, gab es zudem noch nicht. Nach der Rechtsprechung des BAG kann eine solche Bezugnahme selbst bei einem Betriebsübergang nach § 613a BGB, der oft noch mit ganz anderen Veränderungen verbunden ist, nicht entnommen werden, dass sich der Inhalt des Arbeitsvertrages ändern solle.

(3) Auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. März 2006 (C-499/04 - [Werhof] EuGHE I 2006, 2397) und die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem Verfahren C-426/11 (Alemo-Herron) können der wortlautorientierten Auslegung der Verweisungsklausel nicht entgegen stehen.

Zwar führt allein der Umstand, dass ein Übergang kraft Gesetzes erfolgen sollte, nicht zur Unanwendbarkeit der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (Richtlinie 2001/23/EG) (vgl. dazu EuGH 29. Juli 2010 - C-151/09 - [UGT-FSP] EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 4, Rn. 25, mwN.). Vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/23/EG sind aber nach deren Art. 1 Nr. 1 c Satz 2 Übergänge bei der Übertragung von Aufgaben im Zuge einer Umstrukturierung von Verwaltungsbehörden oder bei der Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer Behörde auf eine andere ausgenommen. Jedenfalls gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass hier eine Einheit auf den Beklagten übergegangen wäre. Vielmehr sieht die gesetzliche Regelung die Überleitung einzelner Arbeitsverhältnisse erfahrener Belegschaftsmitglieder vor. Die in Frage stehende Auslegung der streitgegenständlichen Verweisungsklausel hat danach keine europarechtlichen Bezüge.

(4) Eine Einschränkung der negativen Koalitionsfreiheit kann im hier behandelten Zusammenhang nicht angenommen werden. Denn die negative Koalitionsfreiheit schützt den Arbeitgeber allenfalls davor, normativ an Tarifverträge gebunden zu werden, die von einem Verband abgeschlossen werden, in dem er nicht Mitglied ist. Eine solche Bindung besteht vorliegend jedoch nicht. Der Beklagte ist aufgrund der vertraglichen Bezugnahmeklausel nicht normativ an einen (fremden) Tarifvertrag gebunden, sondern lediglich schuldrechtlich an eine Vereinbarung in einem von seiner Rechtsvorgängerin geschlossenen Arbeitsvertrag. Die Wirksamkeit der individualvertraglichen Inbezugnahme von Tarifverträgen in ihrer jeweiligen Fassung als Ausdruck privatautonomer Gestaltungsmacht berührt weder die negative Koalitionsfreiheit dessen, der das Arbeitsverhältnis vertraglich der einschlägigen tarifvertraglichen Ordnung unterstellen wollte und dies auch durch Zustimmung des Arbeitnehmers zum Vertragsschluss erreicht hat, noch diejenige der Personen, die aufgrund eigener Entschließung – hier infolge der Option - in diese Rechtsposition eingetreten sind (vgl. BAG 22. Oktober 2008 – 4 AZR 793/07 - AP Nr. 67 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = NZA 2009, 323 = EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 40, Rn. 19).

(5) Bei dem TVöD handelt es sich entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht um einen den TV-BA ersetzenden Tarifvertrag iSd. der Bezugnahmeklausel. Ersetzt werden der TV-BA und die ihn ergänzenden Tarifverträge durch Tarifverträge der BA, nicht durch solche anderer Tarifpartner.

c) Die arbeitsvertragliche Regelung ist nicht durch § 6c Abs. 3 SGB II verdrängt worden. Der Wortlaut sieht zunächst wie § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB eine umfassende Weitergeltung der bisher geltenden Bestimmungen vor, allerdings „unbeschadet“ des Satzes 3 des Absatzes 3. § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II verweist bezüglich des anzuwendenden Tarifrechts auf die bei den Kommunen geltenden Tarifverträge. Die Vorschrift ist jedenfalls verfassungskonform dahin auszulegen, dass sie einer Weitergeltung der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifverträge der BA nicht entgegenstehen.

aa) Die durch Gesetz vollzogene Zuweisung eines anderen Arbeitgebers durch § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II beinhaltet einen Eingriff in das Recht auf die freie Wahl des Arbeitsplatzes.

Die betroffenen Personen sind dadurch in ihrer Berufsfreiheit betroffen, dass anstelle der BA eine Kommune in die Position des Arbeitgebers einrückt, mit dem sie arbeitsvertraglich verbunden sein soll. Da mit dem Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes weder ein Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes eigener Wahl noch eine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz verbunden ist und das Grundrecht auch keinen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust eines Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen gewährt, obliegt dem Staat hinsichtlich des durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesses des Arbeitnehmers auf Achtung der ausgeübten Arbeitsplatzwahl allerdings grundsätzlich lediglich eine Schutzpflicht, der er insbesondere im Kündigungsrecht nachgekommen ist (vgl. BVerfGE 84, 133, 146 f.; 85, 360, 372 f.; 92, 140, 150; 97, 169, 175).

Anders als bei der Ausgestaltung privatgeschäftlicher Betriebsübergänge greift der Gesetzgeber im vorliegenden Fall unmittelbar durch Gesetz in die freie Wahl des Arbeitsplatzes ein, indem aufgrund der Regelung in § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II der Beklagte zum Arbeitgeber wird. Ein Eingriff ist dabei bereits die durch das Gesetz unmittelbar vollzogene Überleitung aus dem Dienst der BA in den Dienst des Beklagten, denn schon dadurch wird den Arbeitnehmern ohne ihre Zustimmung ein anderer als der gewählte Arbeitgeber zugewiesen. Dieser Eingriff erschöpft sich nicht darin, dass dem betroffenen Personenkreis ein neuer, von ihm nicht frei gewählter Arbeitgeber aufgedrängt wird. Wenn nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II der Beklagte in die Arbeitgeberstellung einrückt, bedeutet dies zugleich, dass die BA als bisherige Arbeitgeberin unmittelbar kraft Gesetzes von den Arbeitsverträgen gelöst wird, durch die sie bislang verbunden war. Den betroffenen Arbeitnehmern wird also die von ihnen gewählte Arbeitgeberin entzogen.

bb) Im Ergebnis kommt es hier nicht darauf an, ob der durch § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II bewirkte Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Dahinstehen kann insoweit auch, ob die Übertragung bestimmter Aufgaben auf Kommunen als solche jedenfalls nach der Änderung der Verfassung durch Einfügung des § 91e GG eine legitime Wahrnehmung der Organisationsgewalt des Bundes darstellt. Auch wenn durch die mit der gesetzlichen Regelung beabsichtigten Ziele die Zuweisung eines neuen Arbeitgebers rechtfertigen sollten, gölte das nicht für einen Eingriff in die mit der BA einzelvertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen. § 6c Abs. 3 SGB II ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass in einzelvertraglich begründete Ansprüche nicht eingegriffen wird. Auf die Frage, ob das bei Feststellung einer Verfassungswidrigkeit der Norm und der Einräumung eines Rückkehrrechts ggf. anders zu sehen wäre, kommt es nicht an.

(1) Es gibt allerdings hier – ebenso wie bei dem der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Januar 2011 (1 BvR 1741/09 – AP Nr. 146 zu Art 12 GG = NZA 2011, 400 = EzA Art 12 GG Nr. 48) zugrunde liegenden Sachverhalt – keine Anhaltspunkte dafür, dass Aufgabenübertragungen, wie sie hier vorgenommen worden sind, stets nur unter Zurückstellung berechtigter Arbeitnehmerbelange am Erhalt des von ihnen gewählten Arbeitsplatzes erfolgreich durchgeführt werden könnten.

Unter Berücksichtigung des mit der Regelung verbundenen Ziels (vgl. dazu eingehend LAG Baden-Württemberg 8. Oktober 2012 - 1 Sa 22/12) könnte aber der Eingriff in die Rechte der Arbeitnehmer durch Zuordnung zu einem anderen Arbeitgeber uU. noch keine unangemessene Beeinträchtigung darstellen (so LAG Sachsen-Anhalt 18. September 2012 - 1 BvR 2965/10, Rn. 37). Durch die Nichteinräumung eines Widerspruchsrechts sollten die Arbeitsverhältnisse möglichst vieler Arbeitnehmer auf die Kommunen übertragen werden, um die Jobcenter mit ausreichend qualifiziertem Personal auszustatten. Für dieses Ziel kann § 6c SGB II evtl. jedenfalls teilweise noch als geeignet und erforderlich angesehen werden.

(2) Unverhältnismäßig, weil nicht erforderlich, wäre aber eine Änderung der vertraglich zwischen den betroffenen Arbeitnehmern und der BA vereinbarten Arbeitsbedingungen. Die mit der gesetzlichen Regelung verfolgten Ziele können - auch vor dem Hintergrund des § 91e GG - ohne weiteres bei Weitergeltung der mit der BA vertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen erreicht werden. Für den Beklagten sind damit im Ergebnis keine zusätzlichen Kosten verbunden. Diese werden ihm anlässlich der Wahrnehmung der Aufgaben erstattet. Im Ergebnis entlastete der Bund sich bei einer anderen Sichtweise ausschließlich selbst. Eine erwünschte Angleichung der Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter in den Job-Centern rechtfertigte als solche neben den Eingriffen durch den Wechsel des Arbeitgebers keine Anwendung der bei den Kommunen geltenden Arbeitsbedingungen.

(a) Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass hier ein nicht unerheblicher Eingriff in die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer bereits durch die Zuweisung des neuen Arbeitgebers vorliegt.

(aa) Sie haben keine Möglichkeit, sich dem durch einen Widerspruch zu entziehen. Auch ein Rückkehrrecht ist ihnen nur für den Fall der Rückübertragung der Aufgaben und auch insoweit nur in eingeschränktem Umfang eingeräumt worden. Den betroffenen Personen bleibt also nur die Eigenkündigung, wenn sie dem entgehen wollen. Eine Eigenkündigung des Arbeitsverhältnisses hat aber neben dem vorrangig zu berücksichtigenden Verlust von Erwerbseinkommen auch negative sozialrechtliche Konsequenzen, soweit etwa § 144 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB III bei Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitnehmer die Verhängung einer Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld vorsieht. Damit besteht ein erheblicher - vom Gesetzgeber auch gewollter - tatsächlicher Druck, den Arbeitsplatz bei dem neuen Arbeitgeber zu behalten. Noch einschneidender als die gesetzliche Bestimmung eines neuen Arbeitgebers ist der damit verbundene Verlust des alten Arbeitgebers.Die Überleitung der Arbeitsverhältnisse bewirkt eine Loslösung der BA von eingegangenen arbeitsvertraglichen Bindungen, ohne dass bei einem entgegenstehenden Willen der Arbeitnehmer die Einhaltung kündigungsrechtlicher Vorschriften, die in gesetzgeberischer Umsetzung der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Schutzpflicht entstanden sind, sichergestellt werden muss. Dadurch wird dem Arbeitnehmer ein erhebliches Maß an Bestandsschutz entzogen.

(bb) Im Hinblick auf seine durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Entscheidungsfreiheit kann der gesetzliche Eingriff in die Freiheit der Wahl, seinen Vertragspartner beizubehalten, zudem regelmäßig nicht damit gerechtfertigt werden, dass beim gewählten Vertragspartner Beschäftigungsmöglichkeiten wegfallen und der Arbeitnehmer möglicherweise mit einer betriebsbedingten Kündigung rechnen müsste. Grundsätzlich gewährleistet Art. 12 Abs. 1 GG dem Arbeitnehmer das Recht, solche Risiken selbst abzuwägen und über sie nach eigener Einschätzung frei zu entscheiden. Entsprechendes gilt für die Frage, wie nachteilig der Verlust des bisherigen, durch den frei gewählten Arbeitgeber gekennzeichneten Arbeitsplatzes gegenüber dem Arbeitsplatz bei dem neuen Arbeitgeber ist. Die diesbezüglichen künftigen Entwicklungen sind insoweit zu wenig vorhersehbar und die Risiken zu wenig vergleichbar, als dass es angemessen und zumutbar wäre, dem Arbeitnehmer diese Entscheidungsfreiheit abzusprechen und an seiner Stelle gesetzlich zu entscheiden. Da diese Entscheidung dem Arbeitnehmer überlassen bleibt und eine betriebsbedingte Kündigung sich im Einzelfall rechtfertigen muss, überschreitet ein unmittelbarer Ausschluss des Rechts des Arbeitnehmers, sich für die Beibehaltung des bisherigen Arbeitgebers - mit allen damit verbundenen Risiken - zu entscheiden, in der Regel den Maßstab des Angemessenen.

(cc) Es kommt hinzu, dass der Bund sich durch die Regelung zwar nicht eigene Kündigungen erspart. Er ermöglicht es aber der BA - als einer bundesunmittelbaren Körperschaft des öffentlichen Rechts – sich ohne Kündigungen von einem Teil der Belegschaft zu lösen. Im Ergebnis entlastet das den Bundeshaushalt.

(dd) Zudem war der Gesetzgeber sich selbst hinsichtlich der Erforderlichkeit eines uneingeschränkten Übergangs der Arbeitsverhältnisse offenbar nicht sicher. Das kommt dadurch zum Ausdruck, dass er die Möglichkeit einer Rückführung von mindestens zehn vH. der betroffenen Arbeitnehmer ausdrücklich vorgesehen hat.

(b) Vor diesem Hintergrund wäre jedenfalls eine gesetzliche Regelung, die zusätzlich auch noch inhaltlich in die mit dem bisherigen Arbeitgeber vertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen eingriffe, unverhältnismäßig. Dem kann hier durch verfassungskonforme Auslegung des § 6c Abs. 3 SGB II abgeholfen werden, indem die Regelung so verstanden wird, dass jedenfalls kein Eingriff in einzelvertraglich vereinbarte Arbeitsbedingungen erfolgt.

(aa) Sollte der Wortlaut des § 6c Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB II so zu verstehen sein, dass nicht nur ein – ohne Eigenkündigung – nicht zu vermeidender Arbeitgeberwechsel herbeigeführt wird, sondern in diesem Zusammenhang auch vertraglich begründete Ansprüche aberkannt werden, wäre dies unverhältnismäßig. Die Festlegung des TVöD als erheblich ungünstigeres neues Vertragsrecht und die damit einhergehende Vergütungsreduzierung war jedenfalls nicht erforderlich um die vorrangigen Ziele, nämlich die Ausstattung der Job-Center mit qualifiziertem Personal und die Vermeidung eines Personalüberhangs bei der Beklagten zu erreichen. Eine etwa vorgesehene Gleichbehandlung mit bei den Kommunen vorhandenem Personal rechtfertigte einen derartigen Eingriff nicht. Ein solches Ziel kann angesichts der Übergangsregelung ohnehin für einen sehr langen Zeitraum nicht erreicht werden. Angesichts der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der Rückführung der Aufgaben zur BA ist auch unklar, ob ein solches Ziel überhaupt jemals erreicht werden könnte. Die Rückführung wäre zudem wiederum mit einem Wechsel der Vergütungsregelung und sonstiger Arbeitsbedingungen verbunden. Der Gesetzgeber hat ein solches Ziel aber auch gar nicht formuliert. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 226/10, S. 30 f., zu § 6c Abs. 3 SGB II) findet sich nur zu den Rechtsfolgen der Regelung folgende Formulierung: „Dabei ist zu berücksichtigen, dass die bei dem neuen Träger geltenden tarifvertraglichen Regelungen auf alle übergehenden Arbeitsverhältnisse Anwendung finden.“ Eine weitergehende Begründung gibt es nicht.

Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch von dem der Entscheidung des BAG vom 2. März 2006 (8 AZR 124/05 - AP Nr. 25 zu § 419 BGB Funktionsnachfolge = NZA 2006, 848 = EzA § 613a BGB 2002 Nr. 48) zugrunde liegenden. Dort war gerade keine Änderung der Arbeitsbedingungen durch Gesetz geregelt worden. Im Gegenteil: Die bisher maßgeblichen tariflichen Regelungen sollten weiter Anwendung finden. Es war sogar ein über § 613a BGB hinausgehender Änderungsschutz geregelt.

(bb) Im Ergebnis bliebe es bei einer durch die Übertragung der Aufgaben auf die Kommunen verringerten Kostenlast des Bundes. Allein die Reduzierung des Kostenvolumens rechtfertigt aber die Vergütungsreduzierung nicht. Der Bund kann sich nicht durch eine gesetzliche Regelung einseitig durch Eingriff in die Verträge des qualifizierten Personals von der durch Tarifsteigerungen verursachten Kostenlast befreien.

(cc) Ob die Regelung bei einer anderen Auslegung zudem gegen den Gleichheitssatz verstieße (ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der übergeleiteten im Verhältnis zu den verbliebenen Personen), kann danach dahinstehen.

3. Die Hilfsanträge sind danach nicht zur Entscheidung angefallen.

III. Über die Berufung des Beklagten war nicht mehr zu befinden. Die Berufung der Beklagten hat sich mit der Umstellung von Haupt- und Hilfsanträgen erledigt. Darin lag hinsichtlich der erstinstanzlich zugesprochenen Beträge eine Klagerücknahme, der der Beklagte auch zugestimmt hat. Diese ließ das erstinstanzliche Urteil insoweit gegenstandslos werden.

IV. Der Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Klagerücknahme betraf keine zusätzliche Kosten auslösende Streitgegenstände.

V. Die Kammer hat angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der relevanten Rechtsfragen die Revision zugelassen.