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Entscheidung S 44 SF 316/12 E


Metadaten

Gericht SG Potsdam 44. Kammer Entscheidungsdatum 09.07.2013
Aktenzeichen S 44 SF 316/12 E ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Erinnerung gegen den Festsetzungsbeschluss vom 12. September 2012 wird zurückgewiesen.

2. Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Erinnerungsverfahren noch um die Höhe der dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu vergütenden Gebühren und Auslagen. Der Erinnerungsführer wurde in einem sozialrechtlichen Klageverfahren im Bereich des Grundsicherungsrechtes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) der Berufungsklägerin und Klägerin zu 1) im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in der II. Instanz beigeordnet. Der Erinnerungsführer legte darüber hinaus für die zwei Kinder der Berufungsklägerin und Klägerin zu 1) Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ein. Das Verfahren wurde von dem Landessozialgericht nur für die Berufungsklägerin und Klägerin zu 1), nicht jedoch für die Kinder angelegt. In der nichtöffentlichen Verhandlung schlossen die Berufungsklägerin und Klägerin zu 1) und der Berufungsbeklagte einen verfahrensbeendenden Vergleich.

Der Erinnerungsführer beantragte die Festsetzung von Kosten in Höhe von insgesamt 1097,18 Euro unter Berücksichtigung einer Verfahrensgebühr in Höhe von 320,- Euro zuzüglich einer Erhöhungsgebühr von 192,00 Euro nach Nr. 1008 VV RVG wegen der Vertretung mehrer Auftraggeber. Der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Potsdam setzte mit Beschluss vom 12. September 2012 die zu zahlenden Kosten fest und reduzierte die von der Staatskasse zu zahlenden Anwaltsgebühren auf insgesamt 725,90 Euro. Dabei sah der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle eine Verfahrensgebühr von 200,- Euro für billig an. Eine Erhöhungsgebühr lehnt er ab.

Gegen den Beschluss vom 12. September 2012 legte der Erinnerungsführerin am Beschwerde ein.

Der Erinnerungsgegner erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Die Bezirksrevisorin billigte dem Erinnerungsführer Kosten in Höhe von 856,00 Euro zu. Dies entspricht den beantragten gebühren mit Ausnahme der Erhöhungsgebühr nach 1008 VV RVG.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug

II.

Die Beschwerde des Erinnerungsführers vom 18. September 2012 gegen den Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 12. September 2012 ist als Erinnerung als das statthafte Rechtmittel auszulegen. Sie ist gemäß § 56 Abs. 2 RVG zulässig, aber nicht begründet.

Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch des Erinnerungsführers ist § 45 Abs. 1 RVG. Danach hat der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt in Verfahren vor Gerichten eines Landes Anspruch auf die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse.

Die Verfahrensgebühr war in Höhe von 310,00 Euro billig. Die Kammer schließt sich insoweit den Ausführungen der Bezirksrevisorin in ihrer Stellungnahme vom 17. April 2013 und des Erinnerungsführers an. Die Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren bestimmt sich nach Nr. 3204 VV RVG. Der Rahmen für die Verfahrensgebühr beläuft sich damit auf 50,- € bis 570,00 €. Hieraus ergibt sich eine Mittelgebühr in Höhe von 310,00 €. Die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG, die zu einer Verschiebung der Mindest- und Höchstgebühren führt, ist hier ebenfalls zunächst ebenfalls zuzubilligen, da sie bereits mit Einlegung der Berufung für die Kinder der Berufungsklägerin und Klägerin zu 1) entstanden ist.

Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass nur einem Kläger von mehreren Auftraggebern Prozesskostenhilfe gewährt wurde. Wie die Gebühren in einem solchen Fall festzusetzen sind, wird von der Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich gehandhabt. Bisher finden sich drei Ansätze:

a)Der beigeordnete Anwalt erhält ausschließlich die Erhöhungsgebühr (OLG Koblenz, Beschluss vom 16.04.2012, Aktenzeichen: 14 W 194/12; MDR 2004, MDR Jahr 2004 Seite 1206; OLG Koblenz, NJOZ 2001, NJOZ Jahr 2001 Seite 1728 = MDR 2001, MDR Jahr 2001 Seite 1261; so auch OLG Naumburg, 12. Zivilsenat, Rpfleger 2004, Seite 168, jew. m. w. Nachw.);
b)der beigeordnete Anwalt bekommt die Gebühren, als wenn er allein den Prozesskostenhilfeberechtigten Kläger vertreten hätte, d.h. die gesamten Gebühren ohne die Erhöhungsgebühr nach 1008 VV RVG (OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.07.2012, Aktenzeichen: 2 W 58/11 (RVG); OLG Bamberg, Beschluss vom 18.5. 2000, Aktenzeichen 3W3900 3 W 39/00; OLG München, MDR 2011, MDR Jahr 2011 Seite 326; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 20. Aufl., § 50 RVG Rdnr. 11; Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., § 48 RVG Rdnr. 65; Hartung, in: Hartung/Römermann/Schons, RVG, § 45 Rdnr. 70, jew. m.w. Nachw.) oder
c)unter Berücksichtigung aller Gebühren – einschließlich der Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG – erfolgte eine kopfteilige Festsetzung (vgl. OLG Jena, OLG-Report 2007, OLGR Jahr 2007 Seite 163 = BeckRS 2007, BECKRS Jahr 06090; OLG Köln, NJW-RR 1999, NJW-RR Jahr 1999 Seite 725; Rönnebeck, NJW 1994, NJW Jahr 1994 Seite 2273; OLG Köln, Beschluss vom 16.03.2012, Aktenzeichen: I-17 W 262/11, 17 W 262/11, OLG München, Beschluss vom 30.11.2010, Aktenzeichen: 11 W 835/09).

Bei der unter a) dargestellte Auffassung, die im Anschluss an den BGH (NJW 93, 1715) von einigen Gerichten geteilt wird, übersieht, dass der zitierte Beschluss des BGH (NJW 93, 1715) die Bewilligung der von einem Streitgenossen für das Revisionsverfahren beantragte Prozesskostenhilfe betraf und der BGH mit diesem Bewilligungsbeschluss die dem bedürftigen Streitgenossen gewährte Prozesskostenhilfe hinsichtlich der Anwaltsgebühren auf die Erhöhungsbeträge nach der damaligen Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO bzw. nunmehr nach Nr. 1008 VV RVG beschränkt hat. Eine solche Einschränkung enthält der Beschluss des Landessozialgerichtes, mit dem der Berufungsklägerin und Klägerin zu 1) Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Erinnerungsführers bewilligt worden ist, aber nicht.

Wird wie im vorliegenden Fall einem von mehreren Streitgenossen, die durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt vertreten werden, Prozesskostenhilfe ohne jede Einschränkung bewilligt, dann ist der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse nicht auf den 0,3 Mehrvertretungszuschlag nach Nr. 1008 VV-RVG beschränkt, sondern umfasst die vollen Anwaltsgebühren (§ 49 RVG), die durch die Vertretung des bedürftigen Beteiligten ausgelöst worden sind. Denn der Vergütungsanspruch bestimmt sich nach den Beschlüssen, durch welche die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist (§ 48 Abs. 1 RVG). Enthalten diese keine Beschränkung, dann gilt für den Vergütungsanspruch § 7 RVG. Danach erhält der Rechtsanwalt, der mehrere Auftraggeber als Streitgenossen in einem Rechtsstreit vertritt, die Gebühren in jeder Instanz nur einmal (§§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 2 Satz 2 RVG); jedoch schuldet jeder Auftraggeber diejenigen Gebühren und Auslagen, die er schulden würde, wenn der Rechtsanwalt nur in seinem Auftrag tätig geworden wäre (§ 7 Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 1 RVG).

Dies führt nach der herrschenden Rechtsprechung dazu, dass der beigeordnete Rechtsanwalt einen Vergütungsanspruch in Höhe derjenigen Gebühren und Auslagen hat, die angefallen wären, wenn er nur die bedürftige Partei im Rechtsstreit vertreten hätte. In der Sozialgerichtsbarkeit wird diese Berechnungsweise den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. Im Gegensatz zum Zivilrecht ergibt sich bei den im Sozialrecht anfallenden Gebühren keine Diskrepanz bei der Abrechnung des Rechtsanwalts als Wahlanwalt oder beigeordneter Anwalt, so dass bei einem kopfteiligen Festsetzung der Prozesskostenhilfegebühren, die anderen Streitgenossen keinen Ausgleichsanspruch aus dem Innenverhältnis nach § 426 BGB mehr haben. Die Argumentation mit der Gefahr des Ausgleichsanspruches besteht im Sozialrecht nicht, da die Bruchteile bei gleichem Streitgegenstand gleich sind. Dagegen ergibt sich durch die Differenz der Wahlanwaltsgebühren gegenüber den Prozesskostenhilfegebühren eine Differenz, die zu einem höheren Ausgleichsanspruch führen könnte. Das Landgericht Berlin hat in seiner Entscheidung vom 27. Februar 1996, (Az.: 84 T 50/96 = NJW-RR 1997, 382,383) daher den Anspruch gegen die Staatskasse insoweit beschränkt, als dass es die Prozesskostenvergütung in Höhe des Bruchteils der nach der Wahltabelle abrechenbaren Gesamtkosten (inklusive Mehrvertretungszuschlag und Vergütung für über die berechnenden Gesamtkosten hinausgehenden Tätigkeiten) gekappt hat.

Die Ansicht, die dem prozesskostenhilfeberechtigten Beteiligten die gesamten Gebühren ohne Erhöhungsgebühr zubilligen möchte, verkennt aber, dass ein dann gegebenenfalls vorhandener Ausgleichanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB des prozesskostenhilfeberechtigten Beteiligten gerade nicht auf die Staatskasse übergeht. Die Staatskasse kann dementsprechend einen Ausgleichsanspruch nach Bruchteilen gegenüber den Beteiligten, den nicht Prozesskostenhilfe gewährt wurde, nicht geltend machen. § 59 RVG ist auf Ansprüche im Innenverhältnis mehrerer Streitgenossen nicht anwendbar (vgl. Beck'scher Online-Kommentar RVG, Sommerfeldt/Sommerfeldt, Stand: 15.08.2012, § 59 Rdnr. 27). Diese Auffassung würde hier dazu führen, dass über die Prozesskostenhilfe, d.h. aus der Staatskasse, die Rechtsanwaltskosten zum größten Teil für die andern Auftraggeber mitbezahlt werden. Deshalb ist hier aufgrund der gleichen Ansprüche des auch nur einem Streitgenossen beigeordneten Anwalts gegen jeden einzelnen Streitgenossen eine kopfteilige Gewährung für alle Beteiligte sachgerecht.

Es ergibt sich unter Zugrundelegung der beantragten und als billig anerkannten gebühren von insgesamt 1097,18 Euro einen aus der Staatskasse zu vergütenden Anteil in Höhe von 365,73 Euro. Da dieser Anteil geringer ist als die bereits festgesetzten Gebühren, war die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 56 Abs. 2 S. 3 RVG; die Erinnerungsentscheidung ergeht gemäß § 56 Abs. 2 S. 2 RVG gerichtskostenfrei.

Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht anfechtbar, weil das Normengefüge der §§ 172 ff. SGG den Normen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vorgeht (vgl. hierzu: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Dezember 2006, Az.: L 8 B 4/06 SO SF; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.03.2011, Az.: L 10 SF 186/10 BE)