Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat | Entscheidungsdatum | 23.10.2013 | |
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Aktenzeichen | L 7 KA 86/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 101 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 5, § 103 SGB 5, § 24 ÄBedarfsplRL |
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. August 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1); die übrigen Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die klagende Kassenärztliche Vereinigung wendet sich gegen die dem Beigeladenen zu 1) vom Beklagten erteilte Sonderbedarfszulassung für den Versorgungsbereich internistische Rheumatologie.
Der im Jahre 1936 geborene Beigeladene zu 1) ist seit dem Jahr 1979 Facharzt für Innere Medizin und führt seit dem Jahr 1984 die Schwerpunktbezeichnung „Rheumatologie“. Er war von 1980 bis Juni 2004 für die vertragsärztliche Versorgung von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen ermächtigt, zunächst (bis April 2002) als Oberarzt bzw. Chefarzt der inneren-rheumatologischen Abteilung des I-Krankenhauses in B, danach als leitender Arzt des „Ambulanten Rheumazentrums Dr. S“ auf dem Gelände des Krankenhauses W in Berlin; seither arbeitet er an derselben Stelle als niedergelassener Rheumatologe privatärztlich.
Im September 2009 beantragte der Beigeladene zu 1) bei dem Zulassungsausschuss für Ärzte im Zulassungsbezirk Berlin seine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Facharzt für Innere Medizin/Rheumatologie im Rahmen des Sonderbedarfs. Für die Versorgung von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen bestehe im Zulassungsbezirk Berlineine andauernde Unterversorgung.
Die Klägerin vertrat gegenüber dem Zulassungsausschuss die Auffassung, dass ein Bedarf für eine Sonderzulassung nicht bestehe; in den letzten Jahren habe sich die Anzahl der Vertragsärzte mit der Zusatzbezeichnung Rheumatologie annähernd verdoppelt; derzeit seien im Zulassungsbezirk Berlin 33 internistische Rheumatologen und 32 Rheumatologen anderer Fachrichtungen (Orthopädie, Chirurgie) zugelassen.
Mit Beschluss vom 24. Februar 2010 (schriftlicher Bescheid vom 19. März 2010) lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte den Antrag des Beigeladenen zu 1) auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Facharzt für Innere Medizin/fachärztliche Versorgung im Rahmen einer Sonderbedarfsfeststellung für Rheumatologie ab. Es sei davon auszugehen, dass im Zulassungsbezirk Berlin elf Ärzte für internistische Rheumatologie gemäß § 24 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte zugelassen seien und zehn weitere Ärzte in „311er-Einrichtungen“ bzw. in MVZ tätig seien. Weil der Planungsbereich Berlin für die Zulassung von fachärztlich tätigen Internisten gesperrt sei, komme nur eine Zulassung unter dem Gesichtspunkt des Sonderbedarfs in Betracht. Die Voraussetzungen hierfür lägen jedoch nicht vor. Insbesondere bestehe kein besonderer Versorgungsbedarf. Der Planungsbereich Berlin sei in der Fachgruppe der fachärztlich tätigen Internisten mit 147,1% überversorgt. Die zurzeit niedergelassenen und die in 311er-Einrichtungen bzw. in MVZ tätigen Berliner Fachärzte für Innere Medizin/Rheumatologie sowie die an der AOK-Rheuma-Vereinbarung teilnehmenden Ärzte seien in der Lage, den bestehenden Versorgungsbedarf hinreichend zu decken.
Auf den hiergegen vom Beigeladenen zu 1) erhobenen Widerspruch trat der Beklagte in Ermittlungen zur Versorgungslage im Bereich der internistischen Rheumatologie ein. So ermittelte er zunächst, dass das Planungsgebiet Berlin über elf Facharztinternisten mit dem Schwerpunktbereich Rheumatologie, über neun hausärztliche Internisten mit dem Schwerpunktbereich Rheumatologie (davon vier in MVZ) sowie über 9,5 Rheumatologen in Kliniken (MVZ und 311er-Einrichtungen) verfügt. Sodann versandte der Beklagte Fragebögen zur Feststellung der Versorgungssituation auf dem Gebiet der internistischen Rheumatologie an die im Planungsgebiet tätigen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen internistischen Rheumatologen. Der Fragebogen erhob u.a. Auskunft über die Zahl der in der jeweiligen Praxis behandelten Patienten mit rheumatischen Erkrankungen sowie zur Praxisauslastung und zur Wartezeit der Patienten. 29 Ärzte sandten den Fragebogen ausgefüllt zurück; von diesen gaben 21 Ärzte an, der Versorgungsbedarf im Bereich der internistischen Rheumatologie könne „nur durch die (unbefristete) Zulassung eines oder mehrerer (internistischer) Rheumatologen gedeckt werden“. Ebenfalls 21 Ärzte gaben an, die Wartezeit für einen Termin zur Erstuntersuchung betrage in der Regel zwei bis drei Monate. Zur Versorgungssituation in Berlin erbat der Beklagte außerdem eine Auskunft vom Deutschen Rheumaforschungszentrum Berlin, die dieses am 28. Juli 2010 durch Prof. Dr. Z erteilte. Darin heißt es u.a., dass der Versorgungsbedarf durch die in Berlin niedergelassenen internistischen Rheumatologen nicht gedeckt sei. Auszugehen sei als Untergrenze des Bedarfs von einem internistischen Rheumatologen je 50.000 Einwohnern. Dies seien bei 2,9 Mio. Erwachsenen 58 Ärzte; angesichts der Verschiebung der Altersstruktur zu einem hohen Anteil Älterer in Berlin seien 60 internistische Rheumatologen eine sinnvolle Anhaltszahl. Bei derzeit nur 29 zugelassenen (und weiteren fünf ermächtigten) internistischen Rheumatologen bestehe also eine Minderausstattung von 26 Ärzten. Auch die Wartezeit für einen Ersttermin liege in Berlin mit 5,6 Wochen über dem Bundesdurchschnitt (4,9 Wochen). Die Symptomdauer bis zum Ersttermin betrage in Berlin 32,8 Wochen, während sie in anderen Stadtstaaten bei nur 9,2 Wochen (Bremen) bzw. 22,3 Wochen (Hamburg) liege; gleichzeitig sei eine fachgerechte Früherkennung und -behandlung bei rheumatischen Erkrankungen besonders wichtig. Für eine angemessene Diagnosestellung und Therapieeinleitung sei der internistische Rheumatologe unverzichtbar. Er werde in der dauerhaften Betreuung z.B. dann gebraucht, wenn Therapien wegen Nebenwirkungen oder unzureichender Wirksamkeit umzustellen seien, während die dauerhafte Krankheitsbegleitung beim Hausarzt liege. Zu den Aufgaben des internistischen Rheumatologen gehöre auch die gezielte Indikationsstellung zur Therapie mit neuen hochwirksamen, aber auch sehr teuren Medikamenten und deren Überwachung. Schließlich erbat der Beklagte bei der Klägerin Auskunft über die Anzahl der in Berlin tätigen internistischen Rheumatologen und ihr Abrechnungsverhalten; die Klägerin übersandte daraufhin eine Liste von 20 vertragsärztlich tätigen internistischen Rheumatologen, die in den Quartalen II/09 bis I/10 die spezifisch internistisch-rheumatologischen EBM-Nummern 13690, 13691, 13692, 13700 und 13701 abrechneten. Um Auskunft bat der Beklagte auch den Vorsitzenden der Rheumatologiekommission der Klägerin; eine Antwort auf dieses Ersuchen erfolgte nicht. Wegen des Ergebnisses der Ermittlungen des Beklagten wird im Übrigen auf den Inhalt des Verwaltungsvorganges Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 8. Dezember 2010 (schriftlicher Bescheid vom 31. Januar 2011) entschied der Beklagte, den Beigeladenen zu 1) auf der Grundlage von § 24 Satz 1 Buchstabe b) der Bedarfsplanungsrichtlinie im Rahmen von Sonderbedarf zur Behandlung von Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen zur vertragsärztlichen Versorgung zum 1. Dezember 2010 zuzulassen. Die Zulassung erfolge mit der Maßgabe, dass für den Beigeladenen zu 1) nur die ärztlichen Leistungen abrechnungsfähig seien, die in Zusammenhang mit der Behandlung rheumatologischer Erkrankungen stehen. Gleichzeitig ordnete der Beklagte die sofortige Vollziehung des Beschlusses an. Zur Begründung bezog der Beklagte sich im Wesentlichen auf die Stellungnahme des Deutschen Rheumaforschungszentrums Berlin vom 28. Juli 2010, die eine für Berlin besonders ungünstige Versorgungslage dargestellt habe. Bei 2,9 Millionen erwachsenen Einwohnern in Berlin ergebe sich ein Bedarf an 58 internistischen Rheumatologen; demgegenüber verzeichne das Bundesarztregister lediglich 29 vertragsärztlich tätige und 5 ermächtigte internistische Rheumatologen. Zur Begründung seiner Entscheidung führte der Beklagte weiter an, die Klägerin habe ihm lediglich 20 vertragsärztlich tätige fachärztliche Internisten genannt, die rheumatologische EBM-Nummern abrechneten. Auch die Befragung der internistischen Rheumatologen zu ihrer Praxisauslastung und zur Wartezeit der Patienten belege eine Unterversorgung. Die Mehrheit der Befragten habe einen zusätzlichen Versorgungsbedarf gesehen. Mehr als die Hälfte der befragten Ärzte habe Wartezeiten für einen ersten Termin von drei Monaten angegeben. Bei einer Erkrankung, die eine frühzeitige Diagnostik und Behandlung erfordere, sei diese Wartezeit nicht hinnehmbar. Die Anhaltszahl von einem internistischen Rheumatologen je 50.000 erwachsenen Einwohnern sei nicht ansatzweise erreicht; selbst wenn ein internistischer Rheumatologe auf 100.000 erwachsene Einwohner Berlins kommen müsse, bestünde ein Bedarf von 29 Ärzten, der gegenwärtig ebenfalls nicht erreicht sei, weil in Berlin lediglich insgesamt 20 Ärzte rheumatologische EBM-Ziffern abrechneten. Damit liege insgesamt ein besonderer Versorgungsbedarf vor, wie er durch den Schwerpunkt internistische Rheumatologie umschrieben sei. Der Beigeladene zu 1) habe hierfür die erforderliche Qualifikation durch die entsprechende Facharztbezeichnung, verbunden mit dem Schwerpunkt Rheumatologie, nachgewiesen. Die Versorgung rheumakranker Menschen in Berlin sei nicht ausreichend sichergestellt. Für die Beurteilung des Bedarfs fielen orthopädische Rheumatologen aus, weil deren Leistungsspektrum sich eher auf die Behandlung der Folgen rheumatischer Erkrankungen bzw. die Linderung entsprechender Beschwerden beziehe. Internistische Rheumatologen hätten als Zielrichtung die jedenfalls zu Beginn der Erkrankung noch mögliche vollständige Heilung durch entsprechende Medikation. Gerade daher sei es erforderlich, ausreichende Behandlungsmöglichkeiten bei internistischen Rheumatologen vorzuhalten.
Ein von der Klägerin im Hinblick auf die Aussetzung der Vollziehung dieses Beschlusses angestrengtes Eilverfahren (Sozialgericht Berlin, S 79 KA 107/11 ER) hatte keinen Erfolg (Beschluss vom 30. März 2011). Im Februar 2011 nahm der Beigeladene zu 1) seine vertragsärztliche Tätigkeit als internistischer Rheumatologe mit Praxissitz in Berlin- auf.
Die Klägerin hat gegen den Beschluss des Beklagten vom 8. Dezember 2010 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgebracht: Zu Unrecht habe der Beklagte angenommen, dass in dem Planungsbereich ein Versorgungsdefizit in Bezug auf internistische Rheumatologen bestehe. Derzeit – März 2011 – seien 27 Fachärzte für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Rheumatologie sowie 31 Fachärzte für Orthopädie mit dem Schwerpunkt Rheumatologie zugelassen. Hinzu kämen insgesamt 44 Ärzte, die an der AOK-Rheuma-Vereinbarung teilnähmen. Über die genannten Fachgruppen hinaus nähmen auch die jeweiligen Hausärzte und andere Facharztgruppen rheumatologische Versorgung wahr. Die Charité-Universitätsmedizin Berlin sei als Hochschulambulanz für Rheumatologie ermächtigt. Dies hätte bei Ermittlung des Versorgungsbedarfs nicht außer Betracht bleiben dürfen. Ins Auge zu fassen seien auch die im Land Berlin zur ambulanten Behandlung von rheumatologischen Erkrankungen nach § 116 b Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) bestimmten Krankenhäuser. Auch dies habe der Beklagte zu Unrecht außer Betracht gelassen.
Mit Urteil vom 22. August 2012 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Rechtlich beanstandungsfrei habe der Beklagte einen besonderen Versorgungsbedarf ermittelt. Bei der Beurteilung, ob in einem bestimmten Versorgungsbereich ein Versorgungsdefizit bestehe, habe der Beklagte einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum. Der Beklagte habe seine Bedarfsprüfung auf den Bereich der internistischen Rheumatologen beschränken dürfen. Zu Recht habe er insoweit angeführt, dass es für internistische Rheumatologen besondere Regelungen im einheitlichen Bewertungsmaßstab gebe und diese andere Behandlungsziele verfolgten als orthopädische Rheumatologen. Unter Mitwirkung der Klägerin habe der Beklagte ermittelt, dass nur 22 internistische Rheumatologen die im EBM-Ä aufgeführten Leistungen erbrächten. Zudem habe die von dem Beklagten durchgeführte Befragung der internistischen Rheumatologen ergeben, dass, insbesondere im Vergleich zu den anderen Stadtstaaten, lange Wartezeiten für einen Ersttermin bestünden und ein großer Teil der Befragten davon ausgehe, dass weiterer Versorgungsbedarf bestehe. Eine Wartezeit von etwa drei Monaten für einen ersten Termin habe der Beklagte rechtsfehlerfrei als zu lang bewerten dürfen. Damit habe der Beklagte die sich ihm aufdrängenden Ermittlungen angestellt und den dabei festgestellten Sachverhalt unter fehlerfreier Ausübung seines Beurteilungsspielraums dahingehend bewertet, dass ein qualitativ spezieller Versorgungsbedarf für Leistungen fachärztlich internistischer Rheumatologen bestehe. Zwar hätte der Beklagte die nach § 117 SGB V ermächtigte Hochschulambulanz der Charité und die beiden nach § 116 b Abs. 2 SGB V zur Behandlung schwerer rheumatologischer Erkrankungen bestimmten Kliniken der Charitégrundsätzlich bei der Bedarfsermittlung berücksichtigen müssen. Jedoch hätte sich durch solche Ermittlungen kein anderes Bild hinsichtlich der Bedarfslage ergeben. Für die beiden Einrichtungen nach § 116 b Abs. 2 SGB V weise der Beklagte nämlich zutreffend darauf hin, dass die Bestimmung jeweils nur zur Behandlung von Patienten mit schweren Verlaufsformen rheumatologischer Erkrankungen erfolgt sei. Die Zulassung des Beigeladenen zu 1) beruhe aber gerade auf der Erwägung, dass bereits im Frühstadium der Erkrankung mit der Behandlung eingesetzt werden müsse, damit der Eintritt schwerer Verläufe verhindert werde. Dies erfordere, dass gerade zur Diagnostik und Behandlung des Frühstadiums ausreichend Ärzte zur Verfügung stünden. Dieser Bedarf werde durch die Krankenhäuser nach dem Inhalt der Bestimmung im Sinne von § 116 b Abs. 2 SGB V gerade nicht gedeckt. Dasselbe gelte für die Hochschulambulanz nach § 117 SGB V, deren Betrieb nicht darauf ausgerichtet sei, rheumatologische Erkrankungen im erforderlichen Umfange im Frühstadium zu erkennen und zu behandeln.
Gegen das ihr am 5. September 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. September 2012 Berufung eingelegt. Zu Unrecht habe der Beklagte bei Ermittlung des Bedarfs die Arztgruppe der orthopädischen Rheumatologen außer Betracht gelassen. In den Weiterbildungsvorschriften für Rheumatologie seien zwar Unterschiede zwischen den Regelungen für Internisten und denen für Orthopäden normiert. Angesichts der im Verhältnis zu den niedergelassenen internistischen Rheumatologen größeren Zahl niedergelassener orthopädischer Rheumatologen sei aber davon auszugehen, dass die Behandlung rheumatischer entzündlicher Erkrankungen insgesamt in größerem Umfange von den orthopädischen Rheumatologen wahrgenommen werde. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Betreuung der Rheumakranken typischerweise nur von den internistischen Rheumatologen wahrgenommen werde. Im Planungsbezirk Berlin-Bundeshauptstadt seien derzeit (im November 2011) 29 orthopädische und 30 internistische Rheumatologen tätig. Auch hätten nicht außer Acht gelassen werden dürfen, wie viele Rheumatologen an der Rheumavereinbarung mit der AOK teilnehmen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. August 2012 sowie den Beschluss des Beklagten vom 8. Dezember 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, internistische und orthopädische Rheumatologen pflegten unterschiedliche Therapieansätze. Die internistischen Rheumatologen betrieben in verstärktem Maße Labordiagnostik und spezifische medikamentöse Therapie, anders als orthopädische Rheumatologen, deren Inanspruchnahme regelmäßig erst bei bereits erheblichen und mit der typischen orthopädischen Diagnostik feststellbaren Gelenkschäden erfolge. Zudem sei das Diagnose- und Behandlungsangebot von Orthopäden und Internisten in Bezug auf rheumatische Erkrankungen schon unter Berücksichtigung des Zugangs zu diesen Fachgruppen nach der Weiterbildungsordnung unterschiedlich, auch wenn die gleiche Erkrankung behandelt werde. Es komme zur Behandlung unterschiedlicher Krankheitsbilder in unterschiedlichen Krankheitsstadien mit unterschiedlichen Ansätzen.
Auch der Beigeladene zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte zum Eilverfahren S 79 KA 107/11 ER sowie des Verwaltungsvorganges des Beklagten und des Verwaltungsvorganges der Klägerin Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Der Beschluss des Beklagten vom 8. Dezember 2010 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zu Recht hat daher das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen.
1. Zulassungen sind in Planungsbereichen, für die der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen – wie hier – gemäß § 103 Abs. 1 und 2 SGB V wegen Überversorgung Zulassungsbeschränkungen angeordnet hat, für die davon betroffenen Arztgruppen nur im Wege der Praxisnachfolge (§ 103 Abs. 4 SGB V), der Sonderzulassung zur Ausübung belegärztlicher Tätigkeit (§ 103 Abs. 7 SGB V) oder aufgrund besonderen (lokalen oder qualifikationsbezogenen) Versorgungsbedarfs (§ 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V) möglich. Auf einen solchen Sonderbedarf stützt der Beklagte die Zulassung des Beigeladenen zu 1) zur vertragsärztlichen Versorgung.
In solchen Planungsbereichen, in denen Neuzulassungen wegen Überversorgung beschränkt sind, lässt das Gesetz nur ausnahmsweise die Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze zu, nämlich gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V dann, wenn diese zur Wahrung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung unerlässlich sind. Die Vorgabe solcher Ausnahmeregelungen dient dem Ziel, im Einzelfall sicherzustellen, dass angeordnete Zulassungssperren das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht unverhältnismäßig beschränken und die Versorgung der Versicherten gewährleistet bleibt; die Beschränkungen gelten deshalb dann nicht, wenn in der konkreten örtlichen Situation ein Versorgungsdefizit besteht. Dies im Einzelnen zu konkretisieren, hat der Gesetzgeber gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 SGB V dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) übertragen, der dementsprechend in seiner „Richtlinie über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung“ (Bedarfsplanungsrichtlinie, ÄBedarfsplRL) die Voraussetzungen für solche ausnahmsweisen Besetzungen zusätzlicher Vertragsarztsitze festgelegt hat (§ 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V i.V.m. §§ 24 bis 26 ÄBedarfsplRL a.F. bzw. §§ 36 und 37 ÄBedarfsplRL in der seit dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung) . Gegen die Übertragung der Befugnis zur Normkonkretisierung auf den GBA bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken, zumal der Gesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß der Regelung präzise vorgegeben und damit die wesentlichen Fragen selbst entschieden hat (zum Ganzen siehe Bundessozialgericht, Urteil vom 2. September 2009, B 6 KA 34/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11)2. Von den Tatbeständen des § 24 Satz 1 Buchst. a) bis e) ÄBedarfsplRL a.F. kam vorliegend allein eine qualifikationsbezogene (Sonderbedarfs-)Zulassung des Beigeladenen zu 1) nach § 24 Satz 1 Buchst. b) in Betracht. Zu Recht hat der Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen dieses Tatbestandes angenommen und dem Beigeladenen zu 1) eine auf seinen Schwerpunktbereich beschränkte Sonderbedarfszulassung erteilt.
a) Der Senat würdigt den vorliegenden Fall anhand der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses des Berufungsausschusses. Daher sind für die rechtliche Würdigung die Vorschriften der ÄBedarfsplRL in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung maßgebend. Auch für die Beurteilung der Sachlage ist allein auf die Erkenntnisse abzustellen, die der Berufungsausschuss am 26. Januar 2011 zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat. Denn der Beigeladene zu 1) ist auf der Grundlage des für sofort vollziehbar erklärten Beschlusses des Beklagten vom 8. Dezember 2010 seit Februar 2011 vertragsärztlich tätig und hat insoweit weit reichende Dispositionen getroffen; seine Fallzahlen entsprechen denen der vertragsärztlich tätigen Berufskollegen. Ein im Hinblick auf die sofortige Vollziehung der Zulassung von der Klägerin angestrengtes Eilverfahren hatte keinen Erfolg. Daher genießt der Beigeladene zu 1) dergestalt Vertrauensschutz, dass jedwede gegebenenfalls zu seinem Nachteil zwischenzeitlich eingetretene Änderung der Sach- oder Rechtslage außer Betracht bleiben muss. Zwar hat das Bundessozialgericht herausgestellt (a.a.O., Rdnr. 26 bis 28), dass in Zulassungsstreitigkeiten selbst dann alle Tatsachen- und Rechtsänderungen bis zur mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz zu berücksichtigen sind, wenn Gegenstand des Rechtsstreits die Klage einer Kassenärztliche Vereinigung gegen die Entscheidung des Berufungsausschusses ist; zugleich hat das Bundessozialgericht aber betont (a.a.O., Rdnr. 28), dass in Ausnahmefällen die Berücksichtigung nachteiliger Änderungen verwehrt ist, wenn ein Arzt auf eine Entscheidung aufgrund einer bestimmten früheren Sach- oder Rechtslage, die ihm Zulassungschancen bot, vertrauen durfte. So liegt es zur Überzeugung des Senats im vorliegenden Fall angesichts der vom Beklagten gerichtsfest angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit seiner Zulassungsentscheidung.
Unabhängig davon bleibt festzustellen, dass die ÄBedarfsplRL in der seit dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung aus Sicht des Beigeladenen zu 1) zu keiner Verschlechterung der Rechtslage geführt hat. Denn § 37 ÄBedarfsplRL n.F. enthält insoweit keine maßgeblichen Änderungen gegenüber dem zuvor geltenden § 24 Satz 1 Buchst. b) ÄBedarfsplRL a.F. Nach alter wie nach neuer Rechtslage erfordert die Prüfung eines qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs das Vorliegen einer bestimmten Qualifikation des Bewerbers, die gerade auch in einer Schwerpunktbezeichnung liegen kann; außerdem bedarf es nach wie vor der Feststellung eines besonderen Versorgungsbedarfs vor dem Hintergrund eines bestehenden Versorgungsdefizits.
b) Nach § 24 Satz 1 Buchst. b) ÄBedarfsplRL a.F. ist ein besonderer Versorgungsbedarf in einem Bereich erforderlich, „wie er durch den Inhalt des Schwerpunkts, einer fakultativen Weiterbildung oder einer besonderen Fachkunde für das Facharztgebiet nach der Weiterbildungsordnung umschrieben ist“. Voraussetzung ist dabei nach Buchst. b) Satz 2, „dass die ärztlichen Tätigkeiten des qualifizierten Inhalts in dem betreffenden Planungsbereich nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen und dass der Arzt die für den besonderen Versorgungsbedarf erforderlichen Qualifikationen durch die entsprechende Facharztbezeichnung sowie die besondere Arztbezeichnung oder Qualifikation (Schwerpunkt, fakultative Weiterbildung, Fachkunde) nachweist“. Eine mögliche Leistungserbringung in Krankenhäusern bleibt dabei außer Betracht (§ 24 Satz 1 Buchst. b Satz 3). Mit anderen Worten: Die Sonderbedarfszulassung nach § 24 Satz 1 Buchst. b) ÄBedarfsplRL a.F. erfordert die Feststellung einer besonderen Qualifikation des Arztes und eines dementsprechenden Versorgungsbedarfs; letzterer muss dauerhaft bestehen und sich grundsätzlich auf die gesamte Breite des Schwerpunkts erstrecken (vgl. dazu Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 19).
aa) Die besondere Qualifikation des Beigeladenen zu 1) im Bereich der internistischen Rheumatologie ist zwischen den Beteiligten unumstritten und bedarf daher keiner weiteren Erörterung.
bb) Rechtsfehlerfrei hat der Beklagte auch einen besonderen Versorgungsbedarf angenommen bzw. im Planungsbereich Berlin – Bundeshauptstadt ein Versorgungsdefizit im Bereich der internistischen Rheumatologie festgestellt.
(1) Bei der Beurteilung, ob bzw. inwieweit die bereits zugelassenen Ärzte eine ausreichende Versorgung gewährleisten oder ob in diesem Versorgungsbereich der Versorgungsbedarf nicht gedeckt ist, verfügen die Zulassungsgremien in weitem Umfang über einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum (st. Rspr., vgl. hierzu und zum Folgenden nur Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 15 bis 18). Ihre Beurteilung ist durch das Zusammenspiel einer Vielzahl von Faktoren geprägt. Einen Beurteilungsspielraum haben die Zulassungsgremien zunächst bei der Bewertung, Gewichtung und Abwägung der ermittelten Tatsachen. Sie haben einen Beurteilungsspielraum aber auch - und vor allem - bei der schlussfolgernden Bewertung, ob und inwieweit der Versorgungsbedarf bereits durch das Leistungsangebot der zugelassenen Ärzte gedeckt ist oder ob noch ein Versorgungsbedarf besteht. Liegen Leistungsangebote von Ärzten vor, so ist bei der Frage der Deckung des Versorgungsangebots deren Erreichbarkeit mit zu berücksichtigen; den Versicherten - das gilt auch für Fälle von Kindern - sind weitere Wege umso eher zuzumuten, je spezieller die betroffene Qualifikation ist.
Soweit die Zulassungsgremien z.B. dem Umfang der Leistungserbringung durch die bereits zugelassenen Ärzte entscheidende Bedeutung beimessen, muss ihr Beurteilungsergebnis auf ausreichend fundierte Ermittlungen gegründet sein. Ihnen obliegt es, diejenigen Ärzte bzw. Praxen, die solche Leistungen möglicherweise bereits erbringen bzw. erbringen können, zu befragen und deren Angaben, da diese interessenorientiert sein könnten, anhand ihnen zugänglicher weiterer Unterlagen - insbesondere der so genannte Anzahlstatistiken - zu verifizieren (vgl. hierzu auch Bundessozialgericht, Urteil vom 29. Juni 2011, B 6 KA 34/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 28). Soweit ein Versorgungsbedarf auch Bereiche umfasst, in denen die Leistungserbringung eine medizinisch-technische Ausstattung und/oder zusätzliche persönliche Qualifikationen erfordert, ist zu ermitteln, ob der Bewerber darüber verfügt. Bei der Bewertung, Gewichtung und Abwägung der ermittelten Tatsachen im konkreten Einzelfall haben sie allerdings, wie ausgeführt, einen Beurteilungsspielraum. Einen Beurteilungsspielraum haben sie hingegen nicht bei der Frage, wie weit sie ihre Ermittlungen erstrecken. Denn der Umfang ihrer Ermittlungen ist durch § 21 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) vorgegeben; die Ermittlung des Sachverhalts muss das nach pflichtgemäßem Ermessen erforderliche Maß ausschöpfen, d.h. so weit gehen, wie sich weitere Ermittlungen als erforderlich aufdrängen. In diesem Bereich ist kein Raum für die Annahme eines Beurteilungsspielraums.
Die Ermittlungen der Zulassungsgremien zur Bedarfsdeckung müssen sich dabei an der Versorgungsrealität ausrichten. Deshalb kommt Angaben über die Zahl der im betroffenen Planungsbereich zugelassenen Vertragsärzte und deren Fallzahlen allenfalls indizielle Aussagekraft zu. Wenn z.B. Ärzte bei Anwendung eines statistischen Fallzahlvergleichs nicht ausgelastet sind, zusätzliche Patienten aber nicht versorgen wollen, besteht lediglich ein potenzielles, nicht aber ein reales Versorgungsangebot. Nur eine Versorgung, die den Versicherten tatsächlich zur Verfügung steht, kann ihren Versorgungsbedarf decken. Solange die Versorgung nicht real gewährt wird oder jedenfalls eine Bereitschaft dazu besteht, ist eine Versorgungslücke gegeben, die der Deckung durch Sonderbedarfszulassungen - oder notfalls durch Ermächtigungen - zugänglich ist.
Bei der Bewertung der Leistungserbringung und der Leistungsangebote anderer Ärzte als der zugelassenen Vertragsärzte ist eine differenzierende Bewertung geboten. Wie in § 24 Satz 3 ÄBedarfsplRL a.F. ausdrücklich bestimmt ist, hat eine Leistungserbringung in Krankenhäusern außer Betracht zu bleiben. Aber nicht nur die stationären Leistungen der Krankenhäuser, sondern auch deren ambulante Leistungen sind unberücksichtigt zu lassen, soweit diese Leistungserbringung gegenüber derjenigen der niedergelassenen Ärzte nachrangig ist. So müssen Versorgungsangebote von Krankenhausärzten, die gemäß §§ 116 SGB V, 31a Ärzte-ZV ermächtigt wurden, bei der Prüfung eines Versorgungsbedarfs für Sonderbedarfszulassungen außer Betracht bleiben, weil die Versorgung aufgrund solcher Ermächtigungen nachrangig ist gegenüber der Versorgung durch niedergelassene Vertragsärzte. Aus dem gleichen Grund der Nachrangigkeit sind auch Versorgungsangebote aufgrund von Ermächtigungen z.B. gemäß § 31 Abs. 1 Buchst. a) Ärzte-ZV, § 116a, § 119a SGB V unberücksichtigt zu lassen. Anderes gilt indessen für Ermächtigungen, die bedarfsunabhängig erteilt werden, wie z.B. im Falle des § 117 SGB V, wonach Hochschulambulanzen nach Maßgabe der Erfordernisse von Forschung und Lehre - unabhängig von einem durch die Vertragsärzte gedeckten oder nicht gedeckten Versorgungsbedarf - zur Erbringung ambulanter vertragsärztlicher Leistungen ermächtigt werden. Die hierdurch erfolgende Bedarfsdeckung ist zu berücksichtigen und kann bei der Prüfung und Feststellung, ob ein nicht gedeckter Versorgungsbedarf besteht, zur Ablehnung einer Sonderbedarfszulassung führen.
(2) Bei Zugrundelegung all dieser Maßstäbe hat der Beklagte auch zur Überzeugung des Senats von seinem Beurteilungsspielraum rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht und die gesetzlichen Vorgaben hinreichend beachtet, indem er ein Versorgungsdefizit für den Bereich der internistischen Rheumatologie angenommen hat. Insbesondere hat der Beklagte seine Ermittlungen auf ausreichend fundierte und fehlerfrei eingegrenzte Ermittlungen gegründet.
Zu Recht hat der Beklagte für die Ermittlung des Versorgungsbedarfs lediglich die vertragsärztlich tätigen internistischen Rheumatologen in seine Befragung einbezogen und nicht auch die orthopädischen Rheumatologen. Das Vorbringen der Klägerin, auf das sie ihre Berufung maßgeblich stützt, geht insoweit fehl. Um die Tätigkeitsbereiche der beiden verschiedenen Facharztrichtungen vergleichen zu können, nimmt der Senat die Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Berlin in den Blick. Der Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie hat eine 72monatige Weiterbildungszeit abzuleisten, davon 36 Monate Rheumatologie, davon wiederum sechs Monate obligat in einem rheumatologisch-immunologischen Labor. Ziel der Weiterbildung ist der Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten insbesondere auch auf dem Gebiet der immunsuppressiven und –modulatorischen medikamentösen Therapie entzündlich-rheumatischer Systemerkrankungen. Die orthopädische Rheumatologie erfordert dagegen eine 36monatige Weiterbildungszeit; sie zielt auf die medikamentöse Therapie nur unkomplizierter Fälle und im Übrigen primär auf Vorbeugung, Erkennung und operative Behandlung von Gelenk-, Wirbelsäulen- und Weichteilmanifestationen bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, auf die Durchführung rheumaorthopädischer Operationen und physikalische Therapiemaßnahmen. All dies belegt grundlegend unterschiedliche Herangehens- und Behandlungsweisen der verschiedenen Facharztgruppen. Lediglich die internistischen Rheumatologen in die Befragung einzubeziehen, die überdies (wie auch die orthopädischen Rheumatologen) über eigene Abrechnungsnummern nach dem EBM-Ä verfügen, ist daher frei von Beurteilungsfehlern.
Durfte der Beklagte danach seine Erhebung auf eine Befragung der internistischen Rheumatologen beschränken, hat diese Befragung ein eindeutiges Ergebnis erbracht: Ganz überwiegend (21 von 29 Antwortenden) hat die Befragung unvertretbar lange Wartezeiten für einen Ersttermin ergeben, die gerade wegen der Notwendigkeit frühzeitiger medikamentöser Therapie ein Versorgungsdefizit belegen. Zudem haben ebenfalls 21 von 29 Antwortenden die Notwendigkeit gesehen, weitere internistische Rheumatologen zuzulassen, um das Versorgungsdefizit zu beheben.
Der Beklagte musste auch keinen Anlass sehen, an der Richtigkeit der Angaben der befragten internistischen Rheumatologen zu zweifeln; deren Angaben bedurften keiner weiteren Objektivierung bzw. Verifizierung etwa durch Anzahlstatistiken (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 29. Juni 2011, B 6 KA 34/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 28 f.). Denn es ist nichts dafür zu erkennen, dass diejenigen Ärzte, die über lange Wartezeiten von bis zu drei Monaten berichten und eine Neuzulassung weiterer internistischer Rheumatologen für wünschenswert halten – immerhin jeweils 21 von 29 antwortenden Ärzten -, interessengeleitet handeln und ihre Angaben nicht der tatsächlichen Versorgungssituation entsprechen. Grundsätzlich kann nämlich davon ausgegangen werden, dass niedergelassene Vertragsärzte in einer Befragung wie der vorliegenden tendenziell eher dergestalt interessengeleitet antworten, dass sie die Konkurrenz durch andere Ärzte derselben Fachrichtung gering halten wollen, um eigene Fallzahlen und Umsätze stabil zu halten. Wenn dann aber mehr als vier Fünftel aller antwortenden Ärzte zu lange Wartezeiten für die Patienten beklagen und Bedarf an weiteren Fachkollegen sehen, spricht dies für sich. Zu Recht hat der Beklagte daher die 29 Antworten der befragten Fachärzte keiner weiteren Verifizierung unterzogen. Im Übrigen wäre diese Verifizierung auch schwerlich möglich, da insbesondere den Angaben zur Wartezeit für eine erstmalige Vorstellung beim internistischen Rheumatologen Wahrnehmungen zugrunde liegen, die ausschließlich in die Sphäre der befragten Ärzte fallen.
Frei von Rechtsfehlern hat der Beklagte sich für seine Annahme eines Versorgungsdefizits auch auf die Auskunft des Deutschen Rheumaforschungszentrums Berlin vom 28. Juli 2010 gestützt. Auch diese Stellungnahme, die von einer anerkannten Forschungseinrichtung der Leibniz-Gemeinschaft stammt und ein erhebliches Versorgungsdefizit beschreibt, ist ohne Weiteres in der Lage, die Sachentscheidung des Beklagten zu tragen. Nicht weiter in Frage stellen musste der Beklagte den errechneten Bedarf von mindestens 58 internistischen Rheumatologen, basierend auf der Annahme, für je 50.000 erwachsene Einwohner sei ein internistischer Rheumatologe erforderlich. Zum einen basiert diese Annahme nämlich auf einem Memorandum der größten einschlägigen medizinischen Fachgesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, die die „Anhaltszahl“ von 50.000 nachvollziehbar wissenschaftlich begründet hat (http://dgrh.de/anhaltszahlen00.html); zum anderen liegt die tatsächliche Anzahl internistischer Rheumatologen im Planungsbezirk Berlin - Bundeshauptstadt so weit unter 58 – nur 20 Ärzte rechnen die internistischen Rheumatologen vorbehaltenen EBM-Nummern ab -, dass es nicht entscheidend darauf ankam, ob die Zahl 50.000 gegebenenfalls zu niedrig gegriffen war. Vor allem aber beschrieb auch das Deutsche Rheumaforschungszentrum Berlin anhand empirisch gewonnnen Zahlenmaterials überlange Wartezeiten auf einen Ersttermin: Die Symptomdauer bis zum Ersttermin betrage 32,8 Wochen, während sie in anderen Stadtstaaten nur 9,2 Wochen (Bremen) bzw. 22,3 Wochen (Hamburg) betrage; gleichzeitig sei eine fachgerechte Früherkennung und –behandlung bei rheumatischen Erkrankungen besonders wichtig. Das Deutsche Rheumaforschungszentrum Berlin sah für Berlin „besonders ungünstige“ Werte. Ohne Weiteres durfte der Beklagte diese wissenschaftlich fundierte Auskunft einer anerkannten Forschungseinrichtung zur Grundlage seiner Entscheidung machen; dies ist von seinem Beurteilungsspielraum gedeckt.
Die beiden nach § 116b Abs. 2 SGB V zur Behandlung „schwerer rheumatologischer Erkrankungen“ bestimmten Kliniken der Charité (Campus Mitte und Campus Benjamin Franklin) musste der Beklagte bei Ermittlung des Versorgungsbedarfs im Bereich der internistischen Rheumatologie nicht maßgeblich einbeziehen. Nachvollziehbar hat der Beklagte insoweit ausgeführt, dass das Versorgungsdefizit im ambulanten vertragsärztlichen Bereich insbesondere zu langen Wartezeiten auf einen Ersttermin führe, gleichzeitig aber eine möglichst frühzeitige Versorgung neu an Rheuma Erkrankter besonders erforderlich sei, um einen zuverlässigen Heilungserfolg herbeiführen zu können. Weil aber die beiden Kliniken der Charité nur über eine Bestimmung zur Behandlung schwerer rheumatologischer Erkrankungen verfügen, wäre ihre Einbeziehung in die Erhebung zur Versorgungssituation im Bereich der allgemeinen internistischen Rheumatologie sachfremd. Davon abgesehen haben die beiden nach § 116b SGB V tätigen Kliniken offensichtlich keinen maßgeblichen Einfluss auf die Versorgungssituation, weil es sonst nicht zu den belegten langen Wartezeiten im Bereich der internistischen Rheumatologen käme. Die Zulassung des Beigeladenen zu 1) erfolgte gerade in der Absicht, überlange Wartezeiten bei Erstvorstellungen aufgrund einsetzender Rheumakrankheit abzusenken; damit zielt die Sonderbedarfszulassung auf einen Umstand, der die beiden nach § 116b SGB V tätigen Kliniken nicht betrifft, denn die dortige hoch spezialisierte spezialärztliche Versorgung zielt insbesondere auf langjährig und schwer erkrankte Patienten.
Etwas anderes gilt in Bezug auf die nach § 117 SGB V ermächtigte rheumatologische Hochschulambulanz der Charité: Sie ist grundsätzlich bei der Ermittlung des Versorgungsbedarfs zu berücksichtigen [s.o. 2. b) bb) (1)]. Allerdings besteht die Ermächtigung gemäß § 117 Abs. 1 Satz 2 SGB V nur in dem für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang, so dass auch der Betrieb der Hochschulambulanz nicht darauf ausgerichtet sein kann, die Versorgungssituation in einer Millionenstadt maßgeblich zu beeinflussen bis hin zu einer ins Gewicht fallenden Verringerung der Wartezeiten für Patienten in vertragsärztlichen Praxen. Der Senat schließt insoweit aus, dass der Beklagte, hätte er die nach § 117 SGB V ermächtigte rheumatologische Hochschulambulanz der Charité in seine Beurteilung einbezogen, zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können; denn angesichts der erheblichen Versorgungslücke zwischen mindestens 58 benötigten internistischen Rheumatologen und den nur 20 tatsächlich zur Verfügung stehenden rheumatologische EBM-Ziffern abrechnenden Ärzten ist undenkbar, dass allein eine Hochschulambulanz in der Lage wäre, diese evidente und gravierende Versorgungslücke zu schließen, zumal die in der Ambulanz tätigen Klinikärzte neben der Ambulanz auch noch den stationären Bereich abzudecken haben und die Kapazität zur ambulanten Versorgung von Patienten daher von vornherein begrenzt ist.
Zu Recht hat das Sozialgericht insoweit auch betont, dass den befragten internistischen Rheumatologen das Vorhandensein der Einrichtungen der ambulanten Hochschulmedizin bewusst gewesen sein muss; gleichwohl haben sich die befragten Ärzte aber so geäußert wie oben dargestellt. Seine Erklärung findet dies darin, dass die Hochschulmedizin auf weit fortgeschrittenem Niveau mit überwiegend schwer erkrankten Problemfällen arbeitet, was der Beigeladene zu 1) in der mündlichen Verhandlung nachdrücklich bestätigt hat, während das vom Beklagten beurteilungsfehlerfrei erkannte Versorgungsdefizit auf anderer Ebene liegt, nämlich in der flächendeckenden und zeitnahen Betreuung gerade auch neu erkrankter Patienten mit leichten und mittelschweren Verlaufsformen, also der „Normalfälle“, die den Weg in die Hochschulmedizin in der Regel gerade nicht finden.
cc) Keinen Zweifel hegt der Senat schließlich daran, dass der rechtsfehlerfrei belegte Versorgungsbedarf auch dauerhaft besteht und sich auf die gesamte Breite des Schwerpunkts internistische Rheumatologie erstreckt. Gegenteiliges ist weder behauptet noch sonst ersichtlich.
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf§ 197a Absatz 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Absatz 2 SGG nicht vorliegen.