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Wehrpflicht - Rentenberechnung - Beitrittsgebiet


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 22. Senat Entscheidungsdatum 23.02.2012
Aktenzeichen L 22 R 478/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 228a SGB 6, § 166 SGB 6, § 256a SGB 6, § 18 SGB 4

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 11. April 2011 und der Bescheid der Beklagten vom 21. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2008 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 08. Mai 2006 teilweise zurückzunehmen und die Rente des Klägers für die Zeit ab 01. Juni 2004 neu festzustellen unter Zugrundelegung der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch bei der Ermittlung des für die Beitragszeiten des Klägers zu berücksichtigenden Entgelts sowie unter Vervielfältigung dieses Entgelts mit den Werten der Anlage 10 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch für die Berechnung der Entgeltpunkte für die Beitragszeiten des Klägers und ihm ab 01. Juni 2004 die daraus resultierende höhere Rente und die gesetzlichen Verzugszinsen zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Wege der Neufeststellung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) höhere Rente. Er meint insbesondere, dass die als Pflichtbeitragszeit anerkannte Zeit seines Grundwehrdienstes nicht nach den übergangsrechtlichen Sonderbewertungsvorschriften „Ost“ (§§ 254 d, 256 a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -) zu bewerten sei, sondern unter Zugrundelegung von Entgeltpunkten (EP) anstelle von EP (Ost) und des aktuellen Rentenwerts anstelle des aktuellen Rentenwerts (Ost).

Der 1976 geborene Kläger leistete nach Beendigung seiner im Beitrittsgebiet erfolgten Schulausbildung in der Zeit vom 02. Oktober 1995 bis zum 30. September 1996 auch seinen Grundwehrdienst im Beitrittsgebiet (1. Panzergrenadierbataillon 421 in Brandenburg/Havel).

In Ausführung eines Anerkenntnisses der Beklagten in einem Rechtsstreit mit dem Kläger vor dem Sozialgericht Potsdam (Az.: S 14 R 573/05) gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 08. Mai 2006 (Dauer-)Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab 01. Juni 2004 (Antragsmonat) wegen eines Leistungsfalls vom 01. Oktober 2001. Den monatlichen (Brutto-) Betrag der Rente setzte sie für die Zeit ab 01. Juni 2004 auf 590,41 Euro fest unter Berücksichtigung von 28,8157 EP (Ost) – nach Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 0,892 noch 25,7036 EP (Ost) und eines monatlichen aktuellen Rentenwert (Ost) von 22,97 Euro. Ausweislich des Versicherungsverlaufs im Rentenbescheid (Anlage 2 Seite 1) lagen der Berechnung der Rente – neben 28,0480 EP (Ost) für beitragsfreie Zeiten als einzige Pflichtbeitragszeiten 12 Monate Wehrdienst (02. September 1995 bis zum 30. September 1996) mit einem Entgelt von insgesamt 39 480,00 DM, aus denen 0,7677 errechnet sind, zugrunde.

Mit Schreiben vom 22. und 25. August 2006 und 12. Dezember 2006 forderte der Kläger von der Beklagten die Neuberechnung seiner Rente. Er wehre sich gegen die Kürzung der Rente aufgrund der Tatsache, dass diese vor dem 63. Lebensjahr in Anspruch genommen worden sei. Dies sei nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) im Verfahren mit dem Az.: B 4 RA 22/05 R unzulässig.

Am 26. Februar 2007 ging bei der Beklagten ein vom Kläger als „Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X“ überschriebenes Schreiben ein, in dem dieser eine Neuberechnung seiner Rente nach „Westpunkten“ und Nachzahlung seit dem 01. Juni 2004 nebst Zinsen forderte.

Mit Bescheid vom 21. März 2007 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 08. Mai 2006 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Berechnung den gesetzlichen Vorschriften entspreche. Soweit der Kläger bemängele, dass die Zuordnung der EP als EP (Ost) verfassungswidrig sei, sei der Rentenversicherungsträger an die geltenden Gesetze gebunden.

Mit seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. März 2007 trug der Kläger vor, dass er seine Rentenansprüche vollständig nach der Wiedervereinigung erworben habe, somit keine „Ostrente“ zu zahlen sei. So viele Jahre nach der Wiedervereinigung dürfe eine Differenzierung in „Ost- und Westpunkte“ nicht mehr zulässig sein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 21.März 2007 zurück: Im Widerspruch werde eine Neufeststellung der Rente unter ausschließlicher Berücksichtigung von EP West begehrt. Dem könne nicht entsprochen werden. In der Zeit vom 02. Oktober 1995 bis 30. September 1996 seien aufgrund gesetzlicher Wehrpflicht Beitragszeiten im Beitragsgebiet zurückgelegt. Weitere Beitragszeiten seien nicht nachgewiesen. Beitragszeiten im Beitrittsgebiet erhielten EP (Ost) gemäß § 254 d Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Es seien ferner Zeiten der Schulausbildung und der Hochschulausbildung nachgewiesen. Ferner sei eine Zurechnungszeit zu berücksichtigen. Diese Zeiten erhielten gemäß § 263 a SGB VI EP (Ost), da ausschließlich mit EP (Ost) bewertete Beitragszeiten zurückgelegt worden seien. Eine Neufeststellung der Rente unter ausschließlicher Berücksichtigung von EP (West) sei daher nicht möglich.

Dagegen hat der Kläger am 25. Januar 2008 Klage beim Sozialgericht Potsdam (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er nur „Ostgeldpunkte“ erhalte, weil die Ableistung des Wehrdienstes im Beitrittsgebiet stattgefunden habe. Bei der Wehrpflicht handele es sich aber um einen Zwangsdienst, bei dem er keine Wahl bei der Zuweisung des Standortes gehabt habe. Er hätte den Wehrdienst lieber in Westdeutschland abgeleistet. Die Regelung des § 254 d SGB VI sei nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verfassungswidrig. Im Übrigen sei so viele Jahre nach der Wiedervereinigung eine Differenzierung in „Ost- und Westpunkte“ nicht mehr zulässig, da sich das Preisniveau weitgehend angeglichen habe. So würde auch im Osten das Arbeitslosengeld II auf Westniveau angehoben.

Das SG hat dem Vorbringen des Klägers als Antrag entnommen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2008 und Abänderung des Bescheides vom 08. Mai 2006 zu verurteilen, bei der Berechnung der Rente wegen voller Erwerbsminderung persönliche Entgeltpunkte West statt Ost zu berücksichtigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Urteil vom 11. April 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen des Urteils hat das SG ausgeführt, dass wegen der Ableistung des Wehrdienstes im Beitrittsgebiet gemäß § 254 d SGB VI zu Recht EP (Ost) zugrunde zu legen seien. Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG liege nicht vor, da der Kläger nicht „wegen der Wahl seiner Heimat“ diskriminiert werde. Denn unter „Heimat“ sei danach „die örtliche Herkunft eines Menschen nach Geburt oder Ansässigkeit im Sinne der emotionalen Beziehung zu einem geografisch begrenzten, den einzelnen mitbringenden Raum (Ort, Landschaft)“ zu verstehen. Hieran knüpfe das Gesetz nicht an. Soweit mit der Klage die Verletzung des Rechts auf Gleichheit vor dem Gesetz aus Art. 3 Satz 1, Abs. 3 GG gerügt werde, weise das Gericht auf die Entscheidung des BSG vom 14. März 2006 (Az.: B 4 RA 41/04 R) hin. In diesem Urteil habe das BSG festgestellt, dass gegen die Anwendung der Vorschriften der §§ 254 b, c und d sowie § 255 a und 256 a SGB VI keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden. Die Kammer folge diesen Entscheidungsgründen.

Gegen das ihm am 30. April 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05. Mai 2011 Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, dass der Aspekt der Bundeswehrzeit als Zwangsdienst in Ostdeutschland nicht ausreichend geprüft worden sei.

Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 11. April 2011 und der Bescheid der Beklagten vom 21. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2008 aufzuheben und

die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 08. Mai 2006 teilweise zurückzunehmen und seine Rente für die Zeit ab 01. Juni 2004 neu festzustellen und

ihm ab 01. Juni 2004 höhere Rente sowie Verzugszinsen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Nach richterlichem Hinweis trägt sie des Weiteren mit Schriftsatz vom 21. Februar 2012 zu erfolgten Rentenberechnungen vor, Beiträge für Wehrdienstleistende seien abhängig davon, ob der jeweilige Dienst in den alten Bundesländern oder im Beitrittsgebiet geleistet wurde, in der Zeit vom 01.01.1992 bis 31.12.1999 ausgehend von 80 Prozent monatlichen Bezugsgröße (West beziehungsweise Ost) zu entrichten.

Für die Rentenberechnung sei als Beitragsbemessungsgrundlage unabhängig von der Beitragsentrichtung einheitlich ein Wert in Höhe von 80 Prozent der Bezugsgröße (West) zu berücksichtigen.

Zeiten des gesetzlichen Wehrdienstes im Beitrittsgebiet ab 01.Januar 1992 erhielten Entgeltpunkte (Ost), obwohl als Beitragsbemessungsgrundlage 80 Prozent der für die alten Bundesländer geltenden Bezugsgröße zugrunde gelegt werden.

Dementsprechend sei die Rente des Klägers berechnet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten (Az.: Bezug genommen, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

Das SG hat die Klage insoweit zu Unrecht abgewiesen, als dem Kläger durchaus ein Anspruch auf Rücknahme nach § 44 Abs. 1 SGB X zusteht. Dem Kläger steht für die Zeit ab 01. Juni 2004 höhere Rente zu als die mit bindendem Rentenbescheid vom 08. Mai 2006 festgesetzte.

Die Beklagte hat die Rente des Klägers insoweit unzutreffend berechnet, als bei der Ermittlung der EP für zwölf Monate Pflichtbeitragszeiten „Wehrdienst“ anstatt der Werte der Bezugsgröße „Beitrittsgebiet“ nach § 18 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) Werte der Bezugsgröße „alte Bundesländer“ nach § 18 Abs. 1 SGB IV berücksichtigt worden sind; darüber hinaus sind die aus diesen Werten zu ermittelnden Entgelte zu Unrecht nicht mit den Werten der Anlage 10 des SGB VI (Werte zur Umrechnung der Beitragsbemessungsgrundlagen des Beitrittsgebiets) multipliziert („hoch gerechnet“) worden, bevor sie durch die Werte für die entsprechenden Durchschnittsentgelte der Anlage 1 des SGB VI dividiert worden sind.

Die EP für die Pflichtbeitragszeiten „Wehrdienst“ sind, wie die Beklagte und das SG zu Recht festgestellt haben, als EP (Ost) zu berücksichtigen und mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) zu multiplizieren.

Anspruch auf höhere Rente unter Berücksichtigung von EP und eines aktuellen Rentenwerts hat der Kläger nicht. Bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse im Gebiet der BRD werden persönliche Entgeltpunkte (Ost) und ein aktueller Rentenwert (Ost) für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente gebildet, die an die Stelle der persönlichen Entgeltpunkte und des aktuellen Rentenwertes treten, § 254 b SGB VI. Die anzuwendenden Sonderbewertungsvorschriften „Ost“ sind verfassungsgemäß.

Der Kläger verfolgt sein Begehren zulässigerweise mit einer Kombination aus zulässiger Anfechtungs-, Verpflichtungs- und (unechter) Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG). Er begehrt 1. die im Bescheid vom 21. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2008 getroffene Feststellung, es bestehe kein Anspruch auf Rücknahme der Feststellung zur Höhe der Rente aufzuheben (Anfechtungsklage), 2. die Beklagte zu verpflichten, die Feststellung zur Höhe der Rente im bindend gewordenen Bescheid vom 08. Mai 2006 zurückzunehmen (Verpflichtungsklage) und 3. die Beklagte zu verpflichten, eine höhere Dauerrente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab 01. Juni 2004 neu festzustellen und seitdem höhere Rente zu zahlen (eine die Verpflichtungsklage auf Neufeststellung konsumierende Leistungsklage; vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2006, B 4 RA 41/04 R, zitiert nach juris, dort Rz. 10).

Die Anfechtungsklage ist begründet, da die Beklagte zu Unrecht den Anspruch des Klägers auf Rücknahme der Regelung zur Höhe seiner Rente im Bescheid vom 08. Mai 2006 abgelehnt hat. Denn die Voraussetzung des § 44 Abs. 1 SGB X, der Anspruchsgrundlage für einen Anspruch auf Rücknahme dieser früheren bindenden Regelung ist, sind erfüllt.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, hat der Betroffene insoweit einen Anspruch gegen den Träger auf Rücknahme des Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit.

Die Beklagte hat das Recht insoweit unrichtig angewandt, als bei der Ermittlung der EP für 12 Monate Pflichtbeitragszeiten des Klägers, die allein aus der Absolvierung des Wehrdienstes im Beitrittsgebiet resultieren, Entgelte mit den Werten der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV (alte Bundesländer) gebildet worden sind und auch keine Multiplizierung („Hochrechnung“) der allein aus den Werten der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 2 SGB IV (Beitrittsgebiet) zu errechnenden Entgelte mit den entsprechenden Werten nach Anlage 10 des SGB VI stattgefunden hat. Die Beklagte hat auch zu Unrecht Sozialleistungen nicht erbracht, da die Rente des Klägers bei richtiger Berechnung höher ist als die bisher gezahlte.

Nach §§ 63 Abs. 6, 64 SGB VI ergibt sich der Wert des Rechts auf Rente (Monatsbetrag der Rente), indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen EP mit dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert, jeweils mit ihrem Wert bei Rentenbeginn, vervielfältigt werden. Diese Rentenformel gilt seit Überleitung des SGB VI zum 01. Januar 1992 auch im Beitrittsgebiet, wobei nach den übergangsrechtlichen Sonderbewertungsvorschriften „Ost“ (hier §§ 254 b, 254 d, 255 a SGB VI) besondere EP (Ost) und ein besonderer aktueller Rentenwert (Ost) einzustellen sind.

Die persönlichen Entgeltpunkte für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente ergeben sich, indem die Summe aller Entgeltpunkte für Beitragszeiten, beitragsfreie Zeiten mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt wird (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VI).

Zu den Beitragszeiten gehören nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Nach § 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VI besteht Versicherungspflicht für Personen in der Zeit, in der sie aufgrund gesetzlicher Pflicht Wehrdienst- oder Zivildienst leisten.

Ausweislich der Wehrdienstzeitbescheinigung vom 24. September 1996 hat der Kläger in der Zeit vom 02. Oktober 1995 bis zum 30. September 1996 Grundwehrdienst geleistet nach §§ 4 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1 Wehrpflichtgesetz, die gemäß Kapitel XIX Sachgebiet B Abschnitt Nr. 1 der Anlage 1 zum Einigungsvertrag (vom 31. August 1990, BGBl. II S. 889) ab dem 03. September 1990 auch im Beitrittsgebiet gelten. Insoweit hat die Beklagte eine Beitragszeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI anerkannt.

Nach § 166 Abs.1 Nr.1 SGB VI in der Fassung des Gesetzes vom 26. Mai 1994 sind beitragspflichtige Einnahmen bei Personen, die als Wehr- oder Zivildienstleistende versichert sind, 80 vom Hundert der Bezugsgröße.

Die Beklagte hatte hier die Bezugsgröße nach § 18 Abs. 2 SGB IV (Beitrittsgebiet) zu beachten, wie sich aus § 228 a Abs. 1 S. 1Nr. 1, S. 2 SGB VI ergibt.

§ 228 a SGBVI lautet:

(1) Soweit Vorschriften dieses Buches bei Arbeitsentgelten, Arbeitseinkommen oder Beitragsbemessungsgrundlagen

1. an die Bezugsgröße anknüpfen, ist die Bezugsgröße für das Beitrittsgebiet (Bezugsgröße (Ost)),

2. an die Beitragsbemessungsgrenze anknüpfen, ist die Beitragsbemessungsgrenze für das Beitrittsgebiet (Beitragsbemessungsgrenze (Ost), Anlage 2a)

maßgebend, wenn die Einnahmen aus einer Beschäftigung oder Tätigkeit im Beitrittsgebiet erzielt werden. Satz 1 gilt für die Ermittlung der Beitragsbemessungsgrundlagen bei sonstigen Versicherten entsprechend. Zu den sonstigen Versicherten gehören Wehrdienstleistende (Hauck/Diehl, SGB VI § 228 a Rz 16). Eine Regelung zur Bezugsgröße enthält wie dargelegt § 166 Abs.1 Nr.1 SG B VI.

Der Begriff der Bezugsgröße ist in § 18 Abs. 1 SGB IV legal definiert.

§ 18 SGB IV besagt:

(1) Bezugsgröße im Sinne der Vorschriften für die Sozialversicherung ist, soweit in den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes bestimmt ist, das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag.

(2) Die Bezugsgröße für das Beitrittsgebiet (Bezugsgröße [Ost]) verändert sich zum 1. Januar eines jeden Kalenderjahres auf den Wert, der sich ergibt, wenn der für das vorvergangene Kalenderjahr geltende Wert der Anlage 1 zum Sechsten Buch durch den für das Kalenderjahr der Veränderung bestimmten vorläufigen Wert der Anlage 10 zum Sechsten Buch geteilt wird, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag.

(3) Beitrittsgebiet ist das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet.

Für das Beitrittsgebiet – das ist das Gebiet der Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie das frühere Berlin-Ost (vgl. Art. 3 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990, BGBl. II Seite 889) – wird gemäß § 18 Abs. 2 SGB IV somit eine gesonderte Bezugsgröße (Bezugsgröße [Ost]) errechnet, so dass zwei Bezugsgrößen vorhanden sind, deren unterschiedlicher territorialer Geltungsbereich zu beachten ist.

Dass dies bei Anwendung des § 166 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nicht gelten soll, ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Grundsätzlich beträgt die Beitragsbemessungsgrundlage von Wehr- oder Zivildienstleistenden – hier für die Jahre 1995 und 1996 – 80 v. H. der jeweiligen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB IV.

Zu Unrecht hat die Beklagte keine beitragspflichtigen Entgelte nach der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 2 SGB IV (Beitrittsgebiet) gebildet, sondern nach der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV (alte Bundesländer). Letzteres hat sie mit Schriftsatz vom 21. Februar 2012 vorgetragen. Dies entspricht dem Versicherungsverlauf, wonach in Anlage 2 Seite 1 des Rentenbescheides vom 08. Mai 2006 ausgewiesene und in der Anlage 3 Seite 1 (EP für Beitragszeiten) übernommenen beitragspflichtige Entgelte sich allein aus der Berechnung mit Werten der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV (alte Bundesländer) ergeben. Denn soweit die Beklagte für die Zeit von Oktober 1995 bis Dezember 1995 ein beitragspflichtiges Entgelt von 9 744,00 DM ausgewiesen hat, hat sie dies auf der Basis eines Wertes von monatlich 4 060 DM (Betrag gemäß § 2 Abs. 1 der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnng 1995, vom 12. Dezember 1994, BGBl. I Seite 3806), der Bezugsgröße im Sinne des § 18 Abs. 1 SGB IV für das Jahr 1995 ermittelt. Aus drei Monaten Pflichtbeiträgen für 1995 (Oktober bis Dezember 1995) ergibt sich unter Multiplikation mit der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV für diesen Zeitraum (4 060,00 DM) und des Betrages von 80 v. H. ein Wert von 9 744,00 DM (3 x 4 060 = 12 180 x 80 : 100 = 9 744,00 DM). Ebenso errechnet sich das für Januar 1996 bis September 1996 von der Beklagten ausgewiesene Entgelt von 29 736,00 DM als Ergebnis von neun Monaten (Grundwehrdienstzeit) multipliziert mit der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV (alte Bundesländer) für diesen Zeitraum (= 4 130,00 DM nach § 2 Abs. 1 der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 1996 vom 04. Dezember 1995, BGBl. I Seite 1577) und hiervon 80 v. H. (9 x 4 130 = 37 1170 x 80 : 100 = 29 736,00 DM). Maßgebend ist das durchschnittliche Arbeitsentgelt aller Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung während eines, nämlich des vorvergangenen Kalenderjahres vor dem Jahr, für das die Bezugsgröße gemäß § 17 Abs. 2 SGB IV verordnet wird. Danach wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung, zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung oder zur Vereinfachung des Beitragseinzugs zu bestimmen,

1. dass einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse oder ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, und steuerfreie Einnahmen ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten,

2. dass Beiträge an Direktversicherungen und Zuwendungen an Pensionskassen oder Pensionsfonds ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten,

3. wie das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen und das Gesamteinkommen zu ermitteln und zeitlich zuzurechnen sind,

4. den Wert der Sachbezüge nach dem tatsächlichen Verkehrswert im Voraus für jedes Kalenderjahr.

Dabei ist eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen.

Nach Absatz 2 bestimmt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Voraus für jedes Kalenderjahr durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Bezugsgröße (§ 18). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auch sonstige aus der Bezugsgröße abzuleitende Beträge zu bestimmen.

Auch aus § 3 Abs. 2 der Verordnung über die pauschale Berechnung und die Zahlung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Dauer eines aufgrund gesetzlicher Pflicht zu leistenden Dienstes (RV-Pauschalbeitragsverordnung, in der hier ab 01. Januar 1992 bis 31. Dezember 1998 gültigen Fassung) wird ersichtlich, dass nicht die Bezugsgröße zugrunde zu legen ist, die für den Wohnsitz des Grundwehrdienstleistenden maßgeblich ist, sondern diejenige des Gebiets, in dem der Dienst abgeleistet wird.

§ 3 Abs. 2 RV-Pauschalbeitragsverordnung lautet:

„Beitragsbemessungsgrundlage (§ 2 Abs. 2 Nr. 2) sind die aus der für das Kalenderjahr der Dienstleistung geltenden Bezugsgröße abgeleiteten beitragspflichtigen Einnahmen nach § 166 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch. Solange unterschiedliche Bezugsgrößen bestimmt sind, ist jeweils die Bezugsgröße des Gebietes anzuwenden, in dem die in § 1 genannten Personen ihren Dienst regelmäßig ableisten.“

Da der Kläger seinen Dienst ausweislich der Wehrdienstzeitbescheinigung vom 24. September 1976 ohne Unterbrechung beim 1. Panzergrenadierbataillon 421 in Brandenburg/Havel, also im Beitrittsgebiet, geleistet hat, ist die Bezugsgröße nach § 18 Abs. 2 SGB IV maßgeblich. Diese betrug für das Jahr 1995 nach § 2 Abs. 2 der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 1995 monatlich 3 290,00 DM, so dass sich ein beitragspflichtiges Entgelt für die Zeit von Oktober 1995 bis Dezember 1995 nicht von 9 744,00 DM, wie von der Beklagten zugrunde gelegt, sondern von 7 896,00 DM ergibt (3 x 3 290 x 80 : 100) ergibt; für die Monate Januar bis September 1996 betrug die monatliche Bezugsgröße nach § 2 Abs. 2 der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 1996 3 500,00 DM monatlich, woraus sich ein Entgelt des Klägers nicht von 29 736,00 DM, wie von der Beklagten zugrunde gelegt, sondern von 25 200,00 DM ergibt (9 x 3 500,00 DM x 80 : 100).

Soweit für die vom Gesetz abweichende Praxis der Rentenversicherungsträger angeführt wird, für die Ermittlung der Entgeltpunkte würden 80 Prozent der Bezugsgröße (West) zugrunde gelegt, dadurch erhielten alle Grundwehrdienstleistenden und Wehrübenden die gleiche Anzahl von Entgeltpunkten“ (Stahl, in Hauck/Haines, SGB VI, Kommentar, § 254 d Rz. 20), ist dies zwar zutreffend, widerspricht dies aber – wie ausgeführt - dem Gesetz, das an das „Beschäftigungslandprinzip“ anknüpft. Dadurch führt die Praxis der Rentenversicherungsträger im Ergebnis im Vergleich zu Grundwehrdienstleistenden in den alten Bundesländern zu niedrigeren Renten. Im Ergebnis wirkt sich der Grundwehrdienst im Beitrittsgebiet gegenüber dem Grundwehrdienst in alten Bundesländern Renten mindernd und damit ungleich gegenüber denjenigen Wehrdienstleistenden außerhalb des Beitrittsgebiets aus, solange der aktuelle Rentenwert (Ost) niedriger ist als der aktuelle Rentenwert, wenn von den Rentenversicherungsträgern bei Grundwehrdienstzeiten, die im Beitrittsgebiet abgeleistet werden, EP (Ost) zugrunde gelegt werden (vgl. Stahl, a. a. O., Rz. 21; ebenso Kommentar der gesetzlichen Rentenversicherung, § 254 d SGB VI Rz. 2.2 Seite 9).

Soweit gemeint wird, dass „wegen des niedrigen Alters der Wehrdienstleistenden es erst zum Rentenbezug komme, wenn die Angleichung der aktuellen Rentenwerte bereits erfolgt“ sei (Stahl, a. a. O., Rz. 20, ebenso Kommentar zur gesetzlichen Rentenversicherung, a. a. O., Nr. 2.2 Seite 9), ist im Fall des Klägers festzustellen, dass sich die Verfahrensweise der Rentenversicherungsträger schon jetzt negativ auswirkt, so dass es weder generell noch im vorliegenden Einzelfall einen rechtfertigenden Grund für die gesetzeswidrige Verfahrensweise der Rentenversicherungsträger gibt.

Soweit in der Kommentierung des Weiteren angemerkt wird, die Vorgehensweise sei erforderlich, weil in § 256 a SGB VI für Zeiten ab 01. Januar 1992 keine Regelung für Grundwehrdienstzeiten im Beitrittsgebiet vorgesehen sei (Stahl, a.a.O., § 254 d Rz. 20 Fußnote 8), entspricht dies nicht der Gesetzeslage.

Denn für die weitere Berechnung der EP des Klägers gilt § 256 a Abs. 1 SGB VI. Die Vorschrift lautet:

„Für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach dem 08. Mai 1945 werden Entgeltpunkte ermittelt, indem der mit den Werten der Anlage 10 vervielfältigte Verdienst (Beitragsbemessungsgrundlage) durch das Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Für das Kalenderjahr des Rentenbeginns und für das davor liegende Kalenderjahr ist der Verdienst mit dem Wert der Anlage 10 zu vervielfältigen, der für diese Kalenderjahre vorläufig bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden für Beitragszeiten aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II.

Nach Abs. 2 zählen als Verdienst der tatsächlich erzielte Arbeitsverdienst und die tatsächlich erzielten Einkünfte.“

Nicht aufgeführt wird, dass die Sätze 1 und 2 nicht anzuwenden sind für Zeiten nach dem 01. Januar 1992, in denen Personen aufgrund gesetzlicher Pflicht Wehrdienst im Beitrittsgebiet geleistet haben.

Die Ausnahmeregelung des § 256 a Absatz 4 SGB VI besagt, dass für Zeiten vor dem 01. Januar 1992, in denen Personen aufgrund gesetzlicher Pflicht mehr als drei Tage Wehrdienst oder Zivildienst im Beitrittsgebiet geleistet haben, für jedes volle Kalenderjahr 0,75 EP, für jeden Teilzeitraum der entsprechende Anteil zugrunde zu legen ist.

Dies beinhaltet nur, dass eine Gleichbehandlung von wehrdienstpflichtigen Personen, die in der Zeit vor dem 01. Januar 1992 Wehrdienst oder Zivildienst im Beitrittsgebiet geleistet haben, erfolgt, nicht aber dass andere ausgeschlossen sind von der Regelung.

Auch der Sinn und Zweck der Vorschrift widerspricht nicht der „Hochrechnung“ der auf der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 2 SGB IV (Beitrittsgebiet) beruhenden Entgelte für Grundwehrdienstleistende im Beitrittsgebiet. Denn bei geringerer Bezugsgröße nach § 18 Abs. 2 SGB IV im Vergleich zur Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV (alte Bundesländer) ist es genauso wie bei geringeren Einkommen in den neuen Bundesländern geboten, bis zur Angleichung der Bezugsgrößen nach Maßgabe der Anlage 10 des SGB IV die Entgelte „hoch zu rechnen“. Eine Lücke im Gesetz, was die Bewertung von Grundwehrdienstzeiten betrifft, die im Beitrittsgebiet abgeleistet werden, liegt nicht vor.

Ziel dieser Regelung ist es, die geringeren Einkommen in der ehemaligen DDR und - bis zur Angleichung der Einkommensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet - geringere Einkommen im Beitrittsgebiet auf vergleichbare Werte im bisherigen Bundesgebiet hoch zu werten (vgl. Diehl, in Hauck/Haines, SGB VI, Kommentar, § 256 a Rz. 6). Beitrittsgebiet ist das Gebiet der Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie das frühere Berlin-Ost (vgl. Art. 3 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990, BGBl. II Seite 889).

Der Kläger hat während der Ableistung seines Grundwehrdienstes Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach dem 08. Mai 1945 zurückgelegt, so dass EP nach dieser Vorschrift zu ermitteln sind, indem der erzielte Verdienst mit den Werten der Anlage 10 vervielfältigt und durch das Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Die nach der Bezugsgröße im Sinne § 18 Abs. 2 SGB IV hier ermittelten beitragspflichtigen Entgelte sind also zunächst mit dem jeweiligen Wert der Anlage 10 des SGB VI (Werte zur Umrechnung der Beitragsbemessungsgrundlage des Beitrittsgebiets) zu multiplizieren. Dies bedeutet, dass das beitragspflichtige Entgelt des Klägers für Oktober bis Dezember 1995 (7 896,00 DM) mit dem Umrechnungswert für 1995 aus der Tabelle Anlage 10 des SGB VI (1,2317) zu multiplizieren ist, so dass sich ein Wert von 9 725,50 DM für das Entgelt des Klägers aus Beitragszeiten im Jahre 1995 ergibt. Für die Zeit von Januar 1996 bis September 1996 errechnet sich auf diese Weise ein Wert von 30 766,68 DM (Entgelt von 25 200 DM x Umrechnungswert 1996=1,2209). Für die weitere Ermittlung der EP sind nach Maßgabe des § 256 a Abs. 1 Satz 1 SGB VI die so hoch gewerteten Entgelte des Klägers für die Jahre 1995 und 1996 durch das Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr zu dividieren, also für das Jahr 1995 durch 50 665,00 DM, für das Jahr 1996 durch 51 678,00 DM (Werte aus Anlage 1 des SGB VI - Durchschnittsentgelt in Euro/DM/Reichsmark). Daraus errechnen sich für die drei Beitragsmonate im Jahr 1995 0,1920 EP, für die Beitragszeiten im Jahr 1996 0,5954 EP, insgesamt 0,7874 EP für zwölf Monate Beitragszeit, also 0,0197 EP mehr als der von der Beklagten im Rentenbescheid ausgewiesene Wert (0,7677, Anlage 3 Seite 1 des Bescheides).

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

Die Beklagte ist nach wie vor gemäß §§ 254 b Abs. 1, 255 a SGB VI verpflichtet, besondere Entgeltpunkte (Ost) mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) und nicht mit dem aktuellen Rentenwert zu multiplizieren.

Der Wert des Rechts auf Rente (so genannter „Monatsbetrag der Rente“) bei Rentenbeginn bestimmt sich nach der Rentenformel der §§ 63 Abs. 6, 64 SGB VI als Produkt der Summe der Entgeltpunkte, dem Zugangsfaktor, dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert, jeweils mit ihrem Wert bei Rentenbeginn. Die Rentenformel gilt seit der Überleitung des SGB VI zum 01. Januar 1992 auch im Beitrittsgebiet, wobei nach den übergangsrechtlichen Sonderbewertungsvorschriften „Ost“ - den §§ 254 b, 254 d und 255 a, 256 a SGB VI - besondere Entgeltpunkte (Ost) und ein besonderer aktueller Rentenwert (Ost) einzustellen sind (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2006, B 4 RA 41/04, veröffentlicht in juris). Die Vorschriften zum aktuellen Rentenwert (Ost) lauten:

§ 254 b:

(1) Bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland werden persönliche Entgeltpunkte (Ost) und ein aktueller Rentenwert (Ost) für die die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente aus Zeiten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet gebildet, die an die Stelle der persönlichen Entgeltpunkte und des aktuellen Rentenwerts treten.

(2) Liegen der Rente auch persönliche Entgeltpunkte zugrunde, die mit dem aktuellen Rentenwert zu vervielfältigen sind, sind Monatsteilbeträge zu ermitteln, deren Summe den Monatsbetrag der Rente ergibt.

§ 254 c:

Renten, denen ein aktueller Rentenwert (Ost) zugrunde liegt, werden angepasst, indem der bisherige aktuelle Rentenwert (Ost) durch den neuen aktuellen Rentenwert (Ost) ersetzt wird.

§ 254 d Abs. 1 Nr. 2 SGB VI:

„An die Stelle der ermittelten Entgeltpunkte treten Entgeltpunkte (Ost) für Pflichtbeitragszeiten im Beitrittsgebiet und der gesetzlichen Pflicht zur Leistung von Wehrdienst oder Zivildienst oder aufgrund des Bezuges von Sozialleistungen.

Die Vorschrift bestimmt, welche EP mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) zu (§ 255 a SGB VI) vervielfältigen sind. Sind also - wie hier - Wehrdienstzeiten aufgrund gesetzlicher Wehrpflicht im Beitrittsgebiet zurückgelegt worden, treten an die Stelle der nach § 256 a ermittelten EP EP (Ost). Deshalb sind die EP (Ost) des Klägers mit dem aktuellen Rentenwert (Ost), der am 01. Juni 2004, dem Zeitpunkt des Rentenbeginns, 22,97 Euro betrug (§ 1 Abs. 2 der Rentenanpassungsverordnung 2003 vom 04. Juni 2003, BGBl. I S. 784; Rentenanpassungen fanden danach bis zum Rentenbeginn des Klägers nicht statt; vgl. auch Stahl, a. a. O., § 255 a Rz. 17, Tabelle des aktuellen Rentenwerts [Ost]), zu multiplizieren.“

§ 255 a

(in der Fassung des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 09. Dezember 2004, BGBl. I Seite 3242, gültig vom 01. Januar 2005 bis 11. Dezember 2006):

(1) Der aktuelle Rentenwert (Ost) beträgt am 30. Juni 2005 22,97 Euro. Er verändert sich zum 01. Juli eines jeden Jahres nach dem für die Veränderung des aktuellen Rentenwertes geltenden Verfahren. Hierbei ist jeweils die für das Beitrittsgebiet ermittelte Bruttolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer maßgebend. § 68 Abs. 2 Satz 2 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die für das Beitrittsgebiet ermittelte beitragspflichtige Bruttolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer ohne Beamte einschließlich der Bezieher von Arbeitslosengeld zugrunde zu legen ist.

(2) Der aktuelle Rentenwert (Ost) ist mindestens um den Vom-Hundert-Satz anzupassen, um den der aktuelle Rentenwert angepasst wird.

(3) Abweichend von § 68 Abs. 4 werden bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Anzahl der Äquivalenzrentner und die Anzahl der der Äquivalenzbeitragszahler für das Bundesgebiet ohne das Beitrittsgebiet und das Beitrittsgebiet getrennt gerechnet. Für die weitere Berechnung nach § 68 Abs. 4 werden die jeweiligen Ergebnisse anschließend addiert. Für die Berechnung sind die Werte für das Gesamtvolumen der Beiträge aller in der allgemeinen Rentenversicherung versicherungspflichtig Beschäftigten, der geringfügig Beschäftigten (§ 8 Viertes Buch) und der Bezieher von Arbeitslosengeld eines Kalenderjahres, das Durchschnittsentgelt nach Anlage 1, das Gesamtvolumen der Renten abzüglich erstatteter Aufwendungen für Renten und Rententeile eines Kalenderjahres und eine Regelaltersrente mit 45 Entgeltpunkten für das Bundesgebiet ohne das Beitrittsgebiet und für das Beitrittsgebiet getrennt zu ermitteln unter Berechnung zugrunde zu legen. Im Beitrittsgebiet ist dabei als Durchschnittsentgelt für das jeweilige Kalenderjahr der Wert der Anlage 1 dividiert durch den Wert der Anlage 10 zu berücksichtigen und bei der Berechnung der Regelaltersrente mit 45 Entgeltpunkten der aktuelle Rentenwert (Ost) zugrunde zu legen.

Unter Berücksichtigung dieser Vorschriften hat die Beklagte im Bescheid vom 08. Mai 2006 für die vom Kläger im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten 25,7036 EP (Ost) ermittelt und diese mit dem damals (01. Juni 2004) aktuellen Rentenwert (Ost) in Höhe von monatlich 22,97 Euro multipliziert, was einen Monatsbruttobetrag der Rente von 590,41 Euro ergab.

Da für die Beitragszeiten des Klägers ein höherer EP-Betrag als der von der Beklagten im Rentenbescheid vom 08. Mai 2006 zugrunde gelegte zu berücksichtigen ist (0,7874 EP anstatt 0,7677 EP), der mit einem aktuellen Rentenwert (Ost) von 22,97 Euro zu multiplizieren ist, ergibt sich ein höherer Monatsbruttobetrag der Rente des Klägers. Denn die der Ermittlung des Gesamtleistungswertes hier zugrunde zu legenden EP (Ost) für Beitragszeiten – andere EP für Beitragszeiten liegen hier nicht vor – , bestimmen gemäß § 263 a SGB VI auch den Wert der EP für die beim Kläger im Übrigen allein noch anerkannten beitragsfreien Zeiten.

Die hier maßgeblichen Sonderregelungen für das Beitrittsgebiet in den §§ 254 d, 255 a SGB VI über EP (Ost) und einen besonderen aktuellen Rentenwert (Ost) waren nach dem Urteil des BSG vom 14. März 2006 (B 4 RA 41/04 R) im Hinblick auf die besondere Ausnahmesituation nach der Wiedervereinigung nicht verfassungswidrig. Dem schließt sich der Senat an. An dieser Rechtslage hat sich auch bis zum Rentenbeginn des Klägers 01. Juni 2004 nichts geändert, wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 15. Dezember 2011 (Az.: L 22 R 688/11) festgestellt hat. Die Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist, wie in § 254 b SGB VI vorausgesetzt, noch nicht erfolgt.

Der erkennende Senat hat hierzu in diesem Urteil ausgeführt:

„Die von der Beklagten bei der Zugrundelegung des aktuellen Rentenwertes (Ost) im angegriffenen Rentenbescheid beachteten gesetzlichen Vorgaben sind nicht verfassungswidrig. Die Differenzierung nach aktuellem Rentenwert und aktuellem Rentenwert (Ost) verstößt nicht gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz und ebenso wenig gegen das (einfach-)rechtliche Angleichungsgebot des Art. 30 Abs. 5 S. 3 Einigungsvertrag.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Anwendung eines aktuellen Rentenwertes (Ost) im Urteil vom 14. März 2006 (B 4 RA 41/04 R, veröffentlicht in juris) ausgeführt (dort Rn. 20, 21, 25):

‚b) Durch den "aktuellen Rentenwert" (§ 68 SGB VI) bzw den aktuellen Rentenwert (Ost)" (§ 255a SGB VI) wird erstmals der Geldwert des Rechts auf Rente bei Rentenbeginn bestimmt und seine Anpassung an die Lohn- und Gehaltsentwicklung der aktiven Beschäftigten ("Rentnerlohnprinzip") angebunden. Die "Anpassung" des aktuellen Rentenwerts (Ost) dient zur Erfüllung von zwei verschiedenen rechtlichen Vorgaben, zum einen - wie "im Westen" - der Aktualisierung des "Rentnerlohnprinzips", zum anderen des "Angleichungsgebots" des EinigVtr.

Das durch die Rentenreform 1957 eingeführte Alters- oder Rentnerlohnprinzip (dazu und zur weiteren Entwicklung: BSGE 90, 11, 16 ff, 25 f = SozR 3-2600 § 255c Nr 1 S 6 f, 16 f) hält das Rentenniveau (dynamisch) "in der Nähe" des Entgelts der aktiven Versicherten. Während der aktuelle Rentenwert bei seiner Einführung am 1. Januar 1992 an das bestehende Gehaltsniveau von 1984 anknüpfte, richtet sich der aktuelle Rentenwert (Ost) und dessen Anpassung nach den Einkommensverhältnissen im Beitrittsgebiet und deren Veränderungen (§§ 254b, 254c, 255a SGB VI). Er wurde aber anfänglich (1992) in Abhängigkeit vom aktuellen Rentenwert (§ 68 Abs 1 SGB VI) für das "alte Bundesgebiet" festgesetzt, nämlich nach dem Verhältnis, in dem eine fiktive sog verfügbare Standardrente im Beitrittsgebiet und eine solche im alten Bundesgebiet im Dezember 1991 zueinander gestanden hätten (§ 255a Abs 1 SGB VI). Er wurde danach im Grundsatz nach dem Quotient der Entwicklung der versicherten Arbeitsentgelte im Beitrittsgebiet angehoben (§ 255a Abs 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung des Zweiten SGB VI-Änderungsgesetzes vom 2. Mai 1996 <BGBl I 659>).

Zwar werden in dem seit 1992 bundeseinheitlichen System der gesetzlichen Rentenversicherung die Vorleistungen von Versicherten zT ungleich behandelt, soweit wegen einer niedrigeren Beitragsbemessungsgrenze im Beitrittsgebiet Arbeitsverdienste nicht in gleicher Höhe wie "im Westen" versichert sind (und insoweit bei der "Hochwertung auf West-Niveau" ausfallen). Ebenso wird das Rentnerlohnprinzip ungleich ausgestaltet, weil auf das im Beitrittsgebiet niedrigere Niveau der Entgelte der aktiven Versicherten abgestellt wird. Das Gesetz differenziert insoweit jeweils materiell danach, dass die Wirtschaft im Beitrittsgebiet deutlich weniger an Roherträgen erwirtschaftet als die im "alten Bundesgebiet", also auch entsprechend weniger zur Finanzierung der aktuellen Rentner beiträgt, sodass "Beitragstransfers" und "Steuertransfers" an die Rentner im Beitrittsgebiet notwendig sind. Daher wird die (gleichgestellte) Vorleistung der Versicherten zum Rohertrag der Wirtschaft im Beitrittsgebiet niedriger bewertet; aus diesem Grunde ist auch der Durchschnitt der versicherten Arbeitsverdienste der aktiven Versicherten im Beitrittsgebiet, in dessen Nähe der "Rentnerlohn" liegen muss, ebenfalls geringer.’

Zwar hat das BSG darin eine ungleiche Ausgestaltung der subjektiven Rechte der Versicherten und Rentner und damit eine Beeinträchtigung des Rechts auf (System-)Gleichheit gesehen, dies jedoch für die Dauer des entscheidungserheblichen Zeitpunkt im Juli 2000 für gerechtfertigt gehalten. Es hat dazu ausgeführt (Rn. 27, 28 bei juris):

‚Das Recht des Klägers ist nicht verletzt (dh: rechtswidrig beeinträchtigt), weil die Ungleichbehandlung (gemessen am materiellen Differenzierungskriterium des Gesetzes) auf einem vernünftigen Grund von hinreichendem Gewicht beruht (vgl BVerfGE 100, 138, 174; 101, 54, 101; 107, 218, 244). Die Sonderregelungen für EP aus im Beitrittsgebiet erbrachten Vorleistungen und diejenigen für das Rentnerlohnprinzip im Beitrittsgebiet waren im Hinblick auf den Gleichheitssatz jedenfalls am 20. Juli 2000 durch die unterschiedlichen Roherträge der Wirtschaft im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet gerechtfertigt. Die Ausgaben der Rentenversicherung werden vor allem durch die Beiträge der Arbeitgeber finanziert, die sie allein und in voller Höhe aus ihrem Privatvermögen bezahlen müssen und dafür allein mit ihrem Privatvermögen haften, auch wenn sie das abdingbare und auflösend bedingte Recht haben, sich bis zur Hälfte ihrer Beitragsschuld aus dem Arbeitslohn der Versicherten zu refinanzieren. Grundsätzlich erfüllen sie ihre Beitragsschuld, indem sie die Beiträge aus den Roherträgen ihres Unternehmens bezahlen. Entscheidend für die Finanzierung der Rentenversicherung sind daher (jedenfalls seit 1957) die Roherträge der Wirtschaftsunternehmen in Deutschland. Schwankungen nach Branchen oder Regionen sind dabei grundsätzlich unerheblich, nicht aber ein durch Kriegsfolgen bedingtes Zurückbleiben eines durch diese geprägten besonderen Wirtschaftsraums. Die gesetzlichen Unterschiede sind auf die besondere Ausnahmesituation nach der Wiedervereinigung (vor dem Hintergrund des Staatsbankrotts der DDR) und der damit - auch im Bereich der Rentenversicherung - zu bewältigenden Gesamtaufgaben des Staates zurückzuführen (vgl BVerfGE 107, 218, 243). Demnach rechtfertigt der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz als Gebot der sachgerechten Differenzierung die im Grunde systemwidrige Ungleichbehandlung zwischen der Bewertung der im Beitrittsgebiet und der im "alten Bundesgebiet" erbrachten wirtschaftlichen Vorleistung und des Maßstabs des Rentnerlohns, jedenfalls bis zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse im Bundesgebiet.

Die übergangsrechtliche Sonderbewertungsvorschrift des § 254b Abs 1 SGB VI stellt in Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sicher, dass die Teilhabeberechtigung aus Beitrittsgebietszeiten unter Wahrung des Verhältnisses der im Beitrittsgebiet versicherten Arbeitsentgelte zum Durchschnittsentgelt der dort Beschäftigten im jeweiligen Kalenderjahr gewonnen wird (EP <Ost>); ebenso wird gewährleistet, dass das Systemversprechen gemäß den aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen der versicherten Beschäftigten im Beitrittsgebiet (aktueller Rentenwert <Ost>) erfüllt wird (vgl BSG SozR 3-2600 § 256a Nr 2 S 7 f). Maßgebend für die übergangsrechtliche Sonderbewertung ist bis zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse im Bundesgebiet die Überlegung, dass der Geldwert von Renten im Beitrittsgebiet auch bei bundesgesetzlich durch Aufwertung und Hochrechnung auf "West-Niveau" gleichgestellter Vorleistung dem im übrigen Bundesgebiet geltenden Geldwert erst dann entsprechen soll, wenn (auch) die Lohn- und Gehaltssituation im Beitrittsgebiet an die im übrigen Bundesgebiet angeglichen ist (vgl BT-Drucks 12/405 S 111). Dadurch wird zum einen eine Überlastung der Arbeitgeber und der aktiven Versicherten verhindert und zum anderen gesichert, dass die Rentner "Ost" auch bis zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse an der Entwicklung der Löhne und Gehälter der aktiven Versicherten im Beitrittsgebiet nach dem Alterslohnprinzip teilhaben (vgl BSGE 90, 11, 26 = SozR 3-2600 § 255c Nr 1 S 17; dazu auch: BSG SozR 4-2600 § 93 Nr 2 RdNr 38; BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - B 4 RA 27/05 R, Umdruck RdNr 71, zur Veröffentlichung vorgesehen).’

Auch in seiner Entscheidung vom 13. November 2008 (B 13 R 129/08 R, veröffentlicht in juris) wird vom BSG zwar eine fortschreitende Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen den alten Bundesländern und dem Beitrittsgebiet gesehen, aber unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur "Beamtenbesoldung Ost" vom 12.Februar 2003 (BVerfGE 107, 218, 248 ff, 250) davon ausgegangen (a.a.O., Rn. 82 in juris),

‚dass sich die allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse, darin eingeschlossen das allgemeine Preis- und Lohnniveau, nach wie vor in den neuen Ländern erheblich von denen in den alten Ländern unterscheiden. Es ist nicht ersichtlich, dass sich hieran seither wesentlich etwas geändert hätte, wie auch am verbliebenen Unterschied zwischen dem aktuellen Rentenwert und dem aktuellen Rentenwert (Ost) abzulesen ist (Berechnungsmethode:§ 255a Abs 1 SGB VI.’

Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an. Dies gilt auch insoweit, als das BSG das Angleichungsgebot des Art. 30 Abs. 5 Satz 3 des Einigungsvertrages („Im Übrigen soll die Überleitung von der Zielsetzung bestimmt sein, mit der Angleichung der Löhne und Gehälter in dem in Artikel 3 genannten Gebiet an diejenigen in den übrigen Ländern auch eine Angleichung der Renten zu verwirklichen.“) zum Zeitpunkt des 20. Juli 2000 nicht verletzt gesehen hat.

Festzustellen ist, dass das die Ungleichbehandlung rechtfertigende Differenzierungskriterium der „unterschiedlichen Roherträge der Wirtschaft im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet“ nach wie vor Bestand hat und erfüllt ist. Bei dem hierzu anzustellenden Vergleich stellt der Senat dabei nicht auf den Vergleich einzelner Bundesländer untereinander ab, sondern auf die jeweiligen Durchschnittswerte aller „Alt-“Bundesländer bzw. aller „Neu-“Bundesländer. Dies entspricht der Konzeption des Gesetzgebers und ist nach wie vor verfassungsgemäß.

Die Unterschiedlichkeit der „Roherträge“ der Wirtschaft lässt sich zunächst einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE im Bundestag und der Fraktion selbst vom 13. Juli 2010 entnehmen (BT-Drucksache 17/2572, dort Seite 4). Danach haben sich die Bruttolöhne und Gehälter je Arbeitnehmer von 1991 bis 2009 für West- und Ostdeutschland so entwickelt, dass - wenn man die Bruttolöhne und Gehälter je Arbeitnehmer in Gesamtdeutschland = 100 setzt - die Bruttolöhne und Gehälter je Arbeitnehmer in Westdeutschland 1991 einen Wert von 109,8, in Ostdeutschland hingegen einen von 56,4 erreichten. Bis 2009 haben sich die Werte wie folgt verändert: Westdeutschland liegt mit 103,0 über dem gesamtdeutschen Durchschnitt, während Ostdeutschland jetzt einen Wert von 82 erreicht. Der Angleichungsprozess ist bis zum Jahr 1995 sehr dynamisch verlaufen (Ostdeutschland hatte bereits 1995 einen Wert von rund 78 erreicht, seitdem ist die Annäherung jedoch nur noch in kleinen Schritten vorangegangen; vgl. Tabelle Anlage 1 der BT-Drucksache 17/2572). Die Bruttolöhne und Gehälter je Arbeitnehmer betrugen in den alten Bundesländern 2009 je Arbeitnehmer 28 479 Euro, in den neuen Bundesländern nur 22 667 Euro (vgl. Tabelle Anlage 1 der BT-Drucksache 17/2572).

Auch bei sonstigen wichtigen wirtschaftlichen Leistungsgrößen haben sich die neuen Bundesländer zwar weiter dem Niveau der alten Bundesländer angenähert, ohne es indes zu erreichen. So stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner in den neuen Bundesländern von 42,9 % im Jahr 1991 auf 73,0 % des westdeutschen Niveaus im Jahre 2009 (vgl. Tabelle 2.1 „Wichtige gesamtwirtschaftliche Daten im Ost-West-Vergleich“, auf Seite 3 der im „Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2010“, herausgegeben vom Bundesministerium des Innern, veröffentlichten „Regionaldaten“). Im „Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2010“ (herausgegeben vom Bundesministerium des Innern) – Jahresbericht 2010 – wird für den Zeitraum von 2000 bis 2008 zwar von einem „nachhaltigen Wachstumskurs“ (Seite 76) berichtet, wobei das BIP je Einwohner in den neuen Bundesländern in diesem Zeitraum um 3,7 Prozentpunkte auf knapp 71 % des westdeutschen Durchschnittsniveaus gestiegen ist; pro Kopf gerechnet hat sich das BIP zwischen 2000 und 2008 in den neuen Bundesländern um 14,5 %, in den Alt-Bundesländern dagegen nur um 9,2 % erhöht. 2009 ist das BIP je Einwohner infolge der schwächeren Betroffenheit Ostdeutschlands durch die Wirtschafts- und Währungskrise auf 73 % des westdeutschen Niveaus gestiegen (Seite 76); es betrug je Einwohner in den neuen Bundesländern im Jahre 2009 22 702,00 Euro und in den alten Bundesländern 31 086,00 Euro (vgl. Tabelle 2.1 „Wichtige gesamtwirtschaftliche Daten im Ost-West-Vergleich“, auf Seite 3 der im Jahresbericht 2010 veröffentlichten „Regionaldaten“). Auch die Vergleichsdaten (zitiert nach der Tabelle 3 Seite 77 des „Jahresberichts 2010“) für die Entwicklung der Produktivität (in Ostdeutschland im Jahre 2000 76 % des westdeutschen Niveaus, im Jahre 2009 81 % des westdeutschen Niveaus), der Bruttowertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes pro Erwerbstätigem (im Jahre 2000 72 % des westdeutschen Niveaus, 85 % des westdeutschen Niveaus in 2009), der Exportquote (im Jahre 2000 56 %, in 2009 73 % des westdeutschen Niveaus), der Selbständigenquote (84 % des westdeutschen Niveaus in 2000, 106 % im Jahr 2009) oder des Kapitalstocks pro Beschäftigtem (für das Jahr 2000 78 % des westdeutschen Niveaus, 85 % im Jahr 2009) zeigen den „strukturellen Konvergenzprozess“ (Tabelle 3 S. 76 des „Jahresberichts 2010“) an, der aber noch nicht zum Ziel des gleichen Standards geführt hat.

Dies gilt auch für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung. Auch dort ist es zu einem Anpassungsprozess gekommen, der aber noch nicht zu einer vollständigen Angleichung geführt hat. Im Ergebnis (vgl. Seite 106 des „Jahresberichts 2010“) hat sich die Relation der Renten Ost von 40,3 % des Westniveaus am 01. Juli 1990 auf 88,7 % seit dem 01. Juli 2009 verbessert; die monatlich verfügbare Rente in den neuen Bundesländern stieg von 344,00 Euro auf rund 977,00 Euro, in den alten Bundesländern stieg sie im selben Zeitraum von 852,00 Euro auf rund 1 111,00 Euro (Seite 105 des „Jahresberichts 2010“). Der aktuelle Rentenwert (Ost) beträgt seit dem 01. Juli 2009 24,13 Euro; der entsprechende Wert im Westen beträgt 27,20 Euro. Der Hochwertungsfaktor für das Jahr 2010 beträgt 1,1889. Die durchschnittlichen Zahlbeträge bei den Versichertenrenten (tatsächliche Renten nach SGB VI und nach RÜG) liegen in den ostdeutschen Ländern sowohl bei den Männern mit durchschnittlich 1 019,00 Euro als auch bei den Frauen mit 700,00 Euro über denjenigen in den alten Ländern mit durchschnittlich 969,00 Euro für Männer und 500,00 Euro für Frauen (Stand: 31. Dezember 2009). Diese im Vergleich zu den verfügbaren Renten günstigere Ost-West-Relation der durchschnittlichen Versichertenrentenzahlbeträge resultiert aber nicht aus einer Angleichung der Bruttolöhne und –gehälter, sondern vor allem aus den überwiegend geschlossenen Erwerbsbiografien der heutigen Rentnerinnen und Rentner in den ostdeutschen Bundesländern; diese tragen insbesondere bei den Frauen zu höheren durchschnittlich verfügbaren Versichertenrenten bei (Seite 105, 106 des Jahresberichts 2010).

Für die Verfassungsmäßigkeit der Festlegung unterschiedlicher aktueller Rentenwerte auch zum heutigen Zeitpunkt spricht im Übrigen die Hochwertung der erzielten Entgelte im Beitrittsgebiet mit den Werten der Anlage 10 zum SGB VI, mit denen eine nachteilige Wirkung der geringeren Arbeitsverdienste in den neuen Bundesländern bei einer späteren Rente verhindert wird. Dadurch wird sichergestellt, dass ein Durchschnittsverdiener Ost bei Erreichen einheitlicher Einkommensverhältnisse und dann gleich hohen aktuellen Rentenwerten auch für die vor Erreichen einheitlicher Einkommensverhältnisse liegenden Beitragszeiten einen gleich hohen Rentenbetrag erhält wie ein Durchschnittsverdiener in den alten Bundesländern. Hierzu ist von der Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion selbst vom 13. Juli 2010 (BT-Drucksache 17/2572) folgendes Beispiel gegeben (Seite 4):

‚Das rentenrechtliche Durchschnittsentgelt betrug im Jahre 2008 in den alten Ländern rund 31 000,00 Euro und in den neuen Ländern rund 26 000,00 Euro. Bei der Berechnung der Entgeltpunkte werden die 26 000,00 Euro auf 31 000,00 Euro hoch gewertet. Ein Versicherter aus Hannover hat also im Jahre 2008 mit einem Jahresverdienst von 31 000,00 Euro brutto einen Entgeltpunkt erworben. Dagegen erreichte im Jahr 2008 ein Beschäftigter im Magdeburg mit einem Jahresverdienst von nur 26 000,00 Euro durch die Hochwertung ebenfalls einen Entgeltpunkt, allerdings einen Entgeltpunkt (Ost). Durch die Hochwertung des Arbeitsentgelts wird erreicht, dass das geringere Lohnniveau in den neuen Ländern nicht zu verfestigten niedrigeren Entgeltpositionen für die Zukunft führt. Durch das Zusammenspiel von Hochwertung und aktuellem Rentenwert (Ost) wird für Rentnerinnen und Rentner mit vergleichbarer Erwerbsbiografie in den alten und neuen Ländern ein gleich hohes Rentenniveau hergestellt. Die Renten Ost folgen damit den Löhnen Ost: Solange die Löhne Ost geringer als die Löhne West sind, sind auch die aktuellen Rentenwerte (Ost) geringer als die aktuellen Rentenwerte West. Bei gleichem relativem Lohnniveau hingegen sind vergleichbare Renten in Ost und West gleich hoch, und dies, obwohl zum Zeitpunkt des Erwerbs der Rentenansprüche das Lohnniveau Ost noch unter dem Westniveau lag. Die Hochwertung nach Anlage 10 SGB VI ist kein Instrument, das darauf ausgerichtet ist, Altersarmut zu begegnen. Sie stellt im System der lohn- und beitragsbezogenen Rentenversicherung sicher, dass den Versicherten in den neuen Ländern Nachteile beim Erwerb der Entgeltpunkte in den neuen Ländern aufgrund des dort niedrigeren Lohnniveaus nicht entstehen und sich im Zusammenwirken mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) ein gleich hohes Rentenniveau wie in den alten Ländern einstellt.’

Hinzu kommt, dass durch die Hochwertung mit den Werten der Anlage 10 trotz des niedrigeren aktuellen Rentenwerts in den neuen Bundesländern das Verhältnis von Beitragshöhe zu Rentenertrag in den neuen Bundesländern höher ist. Hierzu heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion selbst vom 13. Juli 2010 (BT-Drucksache 17/2572 Seite 11):

‚In den neuen Ländern wird bei gleicher Beitragsleistung (in Euro) im Vergleich zu den alten Ländern für das Jahr 2008 eine um rund 4 % höhere Rentenanwartschaft (in Euro) erworben. Dieser Wert ergibt sich, indem die Relation der aktuellen Rentenwerte (2008: 87,9 %) und die Relation der durchschnittlichen Versichertenentgelte gemäß den Anlagen 1 und 10 SGB VI (2008: 84,3 %) ins Verhältnis gesetzt werden.

Für das Jahr 2009 liegt bisher nur das vorläufige Entgelt gemäß SGB VI vor. Dieses wurde mit der Rechengrößenverordnung im Herbst 2008 ausgehend vom endgültigen Entgelt 2007 mit der doppelten Lohnwachstumsrate des Jahres 2007 festgelegt. Auf Basis des vorläufigen Entgelts ergibt sich eine Ost-West-Relation von 84,3 %. Da die Relation der aktuellen Rentenwerte zum 01. Juli auf 88,7 % gestiegen ist, beträgt der „Vorteil“ für die im Jahr 2009 erworbenen Anwartschaften somit rund 5 %. Für im Jahr 2010 erworbene Anwartschaften ergibt sich auf Basis der vorläufigen Entgelte ebenfalls ein Wert von rund 5 %, da sich die Entgeltrelation nur geringfügig und die aktuellen Rentenwerte gar nicht ändern.

Auf Basis der vom Statistischen Bundesamt im März 2010 gemeldeten Lohnentwicklung 2009 für die Rentenanpassung zum 01. Juli 2010 ergäbe sich für das Jahr 2009 eine Relation der Versichertenentgelte von 85,4 %. Die Löhne Ost hätten sich also den Löhnen West angeglichen, was jedoch auf den Rückgang der Westlöhne basiert. Der „Vorteil“ beträgt danach für das Jahr 2009 nur noch rund 4 %. Der endgültige Wert kann allerdings erst berechnet werden, wenn das endgültige Versichertenentgelt im Herbst durch die Rechengrößenverordnung festgelegt wird. Dabei werden die im August gemeldeten Daten des Statistischen Bundesamtes verwendet.’

Im Ergebnis werden somit bei gleichen Löhnen in den neuen Bundesländern höhere Rentenanwartschaften erworben als in den Alt-Bundesländern.

Zudem sorgt die Vorschrift des § 255 a Abs. 2 SGB VI (oben zitiert) dafür, dass es ausgeschlossen ist, dass sich das Verhältnis des aktuellen Rentenwertes (Ost) zum aktuellen Rentenwert verschlechtert. Denn diese Schutzklausel gewährleistet, dass der aktuelle Rentenwert (Ost) mindestens um den Prozentsatz angehoben wird, um den der aktuelle Rentenwert angepasst wird. ...“

Daran hält der Senat fest.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits. Der Anteil des Unterliegens des Klägers fällt nicht erheblich ins Gewicht.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da die vorliegende Entscheidung von der Praxis der Rentenversicherungsträger in Fällen, in denen der Wehrdienst im Beitrittsgebiet abgeleistet worden ist, abweicht. Insoweit hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).