Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 06.08.2015 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 10 UF 20/15 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 426 BGB, § 1361b Abs 3 BGB, § 113 Abs 1 FamFG, § 302 ZPO |
Macht ein Ehegatte gegen den anderen einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich geltend, kann über den ihm im Wege der Aufrechnung entgegengehaltenen Anspruch auf Nutzungsentschädigung gemäß § 1361b Abs. 3 BGB nicht im selben Verfahren entschieden werden. In Betracht kommt der Erlass eines Vorbehaltsbeschlusses.
1. Unter Zurückweisung der Beschwerde des Antragstellers im Übrigen wird der Beschluss des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 17.12.2014 dahin abgeändert, dass die Antragsgegnerin verpflichtet wird, an den Antragsteller 3.011,80 € zu bezahlen.
Die Entscheidung ergeht unter dem Vorbehalt der Entscheidung über die Aufrechnung der Antragsgegnerin wegen einer Forderung in Höhe von 5.280 € aus Nutzungsentschädigung für die Zeit vom 23.12.2013 bis einschließlich November 2014.
2. Von den Kosten der Verfahren beider Instanzen trägt die Antragsgegnerin 8/10 und der Antragsteller 2/10.
3. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.
4. Der Verfahrenswert wird auf 3.793,80 € festgesetzt.
I.
Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin für die Zeit ab der Trennung auf Gesamtschuldnerausgleich in Anspruch, die Antragsgegnerin hält ihm einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung entgegen, den sie auch im Wege des Hilfswiderantrags verfolgt.
Die Beteiligten sind seit dem 23.4.2013 getrennt lebende Eheleute. Sie sind Miteigentümer eines Einfamilienhauses, in welchem sie bis zum Auszug der Antragsgegnerin am 23.12.2013 gemeinsam gewohnt haben. Die Beteiligten haben gesamtschuldnerisch verschiedene Darlehen aufgenommen, die hieraus resultierenden Verpflichtungen bedient der Antragsteller allein. So hat er im Zeitraum Mai bis November 2013 acht Zahlungen von je 127,14 € auf die Verbindlichkeit bei der B… Bausparkasse gezahlt. Zwei Darlehen bei der …bank hat er im Zeitraum von April bis November 2013 mit jeweils acht Zahlungen in Höhe von 189,38 € und weiteren 436,43 € zurückgeführt.
Auf einen von der Antragsgegnerin abgeschlossenen Versorgungsvertrag mit dem Trink- und Abwasserzweckverband O… hat er im genannten Zeitraum 252 € gezahlt.
Für die gemeinsame Tochter hat er in jenem Zeitraum Schulgeld in Höhe von 1.060 € gezahlt. Den Schulvertrag hatten beide Beteiligten unterzeichnet.
Der Antragsteller hat vorgetragen, zur Zahlung von Trennungsunterhalt sei er – entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin – nicht verpflichtet. Er leiste vorrangigen Unterhalt für das gemeinsame minderjährige Kind und die Antragsgegnerin komme ihrer Erwerbsobliegenheit nicht hinreichend nach. Ein etwaiger Unterhaltsanspruch sei hinsichtlich in der Vergangenheit liegender Zeiträume überdies verwirkt. Von einer Doppelverwertung könne daher keine Rede sein.
Zur Zahlung der von der Antragsgegnerin begehrten – im Übrigen viel zu hoch bemessenen – Nutzungsentschädigung sei er nicht verpflichtet. Die Antragsgegnerin sei freiwillig ausgezogen, der Antragsgegner nutze auch lediglich seinen hälftigen Miteigentumsanteil.
Die Beschulung der Tochter an einer privaten Oberschule beruhe auf einem eigenmächtigen Entschluss der Antragsgegnerin.
Gegen den von der Antragsgegnerin im Wege der Hilfswiderklage geltend gemachten Nutzungsentschädigungsanspruch rechnet er mit seinen ab Dezember 2013 entstandenen Ansprüchen aus Gesamtschuldnerausgleich von monatlich 376,48 €, mithin einer bis November 2014 aufgelaufenen Forderung von 4.517,76 €, hilfsweise, für den Fall auf, dass das Gericht einen Nutzungsentschädigungsanspruch der Antragsgegnerin dem Grunde nach für beanspruchbar hielte.
Der Antragsteller hat beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, an den Kläger 3.793,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.1.2014 zu zahlen und den Hilfswiderantrag abzuweisen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag abzuweisen, und im Wege des Hilfswiderantrags, für den Fall dass das Gericht eine Aufrechnungsmöglichkeit als nicht gegeben ansieht, den Antragsteller zur Zahlung von 5.280 € an die Antragsgegnerin zu verpflichten.
Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, der Antragsteller, der sie am 23.12.2013 aus dem gemeinsamen Haus ausgesperrt habe, sei ihr zur Leistung von Trennungsunterhalt verpflichtet, zahle aber mit Hinweis auf die mit seinem Antrag geltend gemachten Belastungen nichts. Wegen des Verbots der Doppelverwertung könne er die Forderungen nicht geltend machen.
Zudem sei er verpflichtet, an sie für die Zeit ab dem 23.12.2013 monatliche Nutzungsvergütung in Höhe von 480 € zu zahlen, hierzu habe sie ihn mit ihm am 7.1.2014 zugegangenem Schreiben aufgefordert. Für die Zeit bis einschließlich November 2014 stünden ihr mindestens 5.280 € zu. Mit dieser Forderung rechne sie gegen die geltend gemachten Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 2.503,24 € sowie die Forderung von 252 € wegen der Zahlungen an den Trink- und Abwasserzweckverband auf.
Der Antragsteller habe das Schulgeld zu entrichten. Die Beteiligten hätten die Schule gemeinsam ausgewählt und sie sei mit ihrem monatlichen Nettoeinkommen von 713 € insoweit nicht leistungsfähig.
Das Amtsgericht hat den Antrag des Antragstellers abgewiesen, weil die Antragsgegnerin seinen Forderungen erfolgreich den Aufrechnungseinwand entgegen halten könne. Hinsichtlich des Schulgeldes habe er keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt und beantragt, unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 17.12.2014 die Antragsgegnerin zu verpflichten, an den Antragsteller einen Betrag in Höhe von 3.793,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.1.2014 zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Beschwerdegericht hat mündlich verhandelt und nach Widerruf eines im Termin geschlossenen Vergleichs – seiner Ankündigung folgend – ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden, weil nicht erkennbar ist, zu welchen besseren Erkenntnissen eine erneute mündliche Verhandlung führen könnte.
II.
Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.
1. Der Antragsteller hat Anspruch auf die aus der Beschlussformel ersichtliche Summe aus § 426 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 BGB. Der Anspruch des Antragstellers ist allerdings gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 302 ZPO unter den Vorbehalt der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung zu stellen (vgl. BGHZ 16, 124; Zöller/Greger, a. a. O., § 145 Rn 19 b; Zöller/Lückemann, a. a. O. vor §§ 17 – 17 b, Rn 11). Nach diesen Vorschriften kann das Gericht, wenn der Antragsgegner die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht hat und nur die Forderung des Antragstellers zur Entscheidung reif ist, diese unter Vorbehalt der Entscheidung über die Aufrechnung entscheiden.
Voraussetzung hierfür ist das Bestehen der Forderung des Antragstellers ohne Rücksicht auf die geltend gemachte Aufrechnung (Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 302, Rn 3).
Diese Voraussetzung ist im aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang zu bejahen.
a) Der Antragsteller hat als Gesamtschuldner die Forderungen der Banken aus den gemeinsam mit der Antragsgegnerin aufgenommenen Darlehen in Höhe von insgesamt 6.023,60 € allein beglichen (8 mal 127,14 € = 1.017,12 € an die B… Bausparkasse und 8 mal [189,38 € + 436,43] = 5.006,48 € an die …bank AG). Die Antragsgegnerin hat die Zahlungen nicht bestritten. Nach den genannten Vorschriften hat er Anspruch auf den hälftigen Gesamtschuldnerausgleich in Höhe von 3.011,80 €. Sein Antrag ist insoweit begründet.
b) Hinsichtlich des gezahlten Schulgeldes bleibt die Beschwerde ohne Erfolg. Nach dem unstreitigen Vortrag der Antragsgegnerin zu ihrem Nettomonatseinkommen von 713 € ist von der alleinigen Unterhaltspflicht des Antragstellers hinsichtlich des als Mehrbedarf geltenden Schulgeldes auszugehen, so dass der Antragsteller insoweit keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin hat. Das Kind hat aufgrund des gemeinsamen Entschlusses der Eltern ab der siebenten Klasse eine Privatschule besucht, der Mehrbedarf ist tatsächlich angefallen und vom Vater auch bezahlt worden. Wäre er – wie er meint – nicht zur Zahlung verpflichtet gewesen, so stünde einem Rückforderungsanspruch die von Amts wegen zu berücksichtigende rechtshindernde Einwendung des § 814 BGB entgegen.
c) Auch hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Rückzahlung der an den Trink- und Abwasserzweckverband O… entrichteten Beträge hat die Beschwerde keinen Erfolg. Einem Bereicherungsanspruch des Antragstellers steht die von Amts wegen zu beachtende rechtshindernde Einwendung des § 814 BGB entgegen. Denn dem Antragsteller war bei Bewirkung der Leistung bekannt, dass es sich um eine Schuld der Antragsgegnerin, die Vertragspartnerin war, handelte.
2. Soweit das Amtsgericht die Auffassung vertritt, die im Verfahren erklärte Aufrechnung mit dem streitigen, nicht rechtskräftig festgestellten Nutzungsentschädigungsanspruch führe zur Abweisung des Antragstellers mit seiner Forderung, hält dies rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche der Antragsgegnerin sind nach Grund und Höhe nicht zur Entscheidung reif.
a) Diese Ansprüche sind – anders als die Gesamtschuldnerausgleichsansprüche des Antragstellers – nicht zivilrechtlicher Art. Das auf Zahlung von Nutzungsentschädigung während der Trennungszeit gerichtete Verfahren ist als Ehewohnungssache gemäß § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG den Vorschriften des FamFG unterworfen, in welchem der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Bei dem Streit um die Gesamtschuldnerausgleichsansprüche des Antragstellers handelt es sich demgegenüber um eine Familienstreitsache gemäß §§ 112 Nr. 3, 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG (Keidel/Giers, FamFG, 18. Aufl., § 266, Rn 15, 25). Für sie gelten gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG im Wesentlichen die Verfahrensvorschriften der ZPO und damit insbesondere der Beibringungs- und der Dispositionsgrundsatz. Die im Wege der Aufrechnung einander gegenübergestellten Ansprüche unterliegen damit der Bewertung nach unterschiedlichen Verfahrensmaximen, die, wie im Falle unterschiedlicher Rechtswegzuständigkeiten, nicht miteinander zu vermischen sind (vgl. Zöller/Greger, a. a. O., § 145, Rn 19 b). Denn die Unterschiedlichkeit der Verfahrensordnungen hindert nach ihrem Sinn und Zweck eine Prüfung und Entscheidung der Gegenforderung (vgl. Zöller/Greger, a. a. O., § 145, Rn 19 a; OLG Brandenburg, B. v. 20.2.2013 – 3 UF 95/12 – juris).
b) Bei der Aufrechnung handelt es sich auch nicht nur um einen „rechtlichen Gesichtspunkt“ im Sinne des § 17 Abs. 2 GVG, der eine Entscheidung im selben Verfahren ermöglichte, sondern um ein selbstständiges Gegenrecht, das dem durch den Antrag bestimmten Verfahrensgegenstand einen weiteren selbstständigen Gegenstand hinzufügt (vgl. Zöller/Lückemann, a. a. O., § 17 GVG, Rn 10; BAG NJW 08, 1020).
c) Die Ansprüche der Antragsgegnerin sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Abweisungsreife zur Entscheidung reif. Weder ist feststellbar, dass die Aufrechnung unzulässig sein könnte, noch dass die Gegenforderung nicht bestehen kann.
Die Entscheidung über Grund und Höhe der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung kann damit im vorliegenden Verfahren nicht zur Entscheidungsreife gelangen. Daher kann über die Wirksamkeit der Aufrechnung im vorliegenden Verfahren derzeit nicht abschließend entschieden werden.
3. Das Beschwerdegericht übt sein nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 302 ZPO eröffnetes Ermessen zugunsten des Erlasses eines Vorbehaltsbeschlusses aus. Eine Vorbehaltsentscheidung wird den Interessen der Beteiligten gerecht. Der Antragsteller hat ein berechtigtes Interesse am Erlass einer Entscheidung über seinen Anspruch, da das Verfahren – ohne Berücksichtigung der Aufrechnungserklärung – entscheidungsreif wäre. Die Antragsgegnerin hat es ihrerseits in der Hand, ihre Interessen durch die rasche Einleitung eines weiteren Verfahrens auf Feststellung ihrer zur Aufrechnung gestellten Nutzungsentschädigungsansprüche zu wahren und die Ergebnisse dieses weiteren Verfahrens in das erstinstanzlich durchzuführende (Zöller/ Vollkommer, a. a. O., § 302 Rn 8) Nachverfahren einzuführen. Sofern die Antragsgegnerin ein solches Verfahren einleitet, wird das Nachverfahren wegen Vorgreiflichkeit dieses anderen Verfahrens über die Gegenansprüche auszusetzen sein (vgl. hierzu BGHZ 16, 124; 21, 29; Zöller/Greger, a. a. O., § 145 Rn 19 a). Sofern sie die ihr vom Amtsgericht zweckmäßigerweise im Rahmen des Nachverfahrens zu setzende Frist zur Einleitung eines solchen Verfahrens versäumt, wird dies im Nachverfahren unter dem Gesichtspunkt der Verspätung zu würdigen sein (vgl. Zöller/Greger, a. a. O., § 145, Rn 19 a).
5. Über den Hilfsantrag der Antragsgegnerin ist nicht zu entscheiden. Die innerprozessuale Bedingung, unter die sie ihn gestellt hat, ist nicht eingetreten. Das Gericht sieht die Aufrechnungsmöglichkeit als gegeben an, es sieht sich lediglich aus den dargelegten Gründen gehindert, im vorliegenden Verfahren selbst über die zur Aufrechnung gestellte Forderung zu entscheiden.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 Abs. 1 FamFG, 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit folgt aus § 116 FamFG.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf §§ 40 Abs. 1, 35, 39 FamGKG.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.