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Berufung; Referenzfilmförderung; Kinofilm "Unsere Erde"; Fernsehserie "Planet Erde"; Sperrfrist; Auswertung; verschiedene Fassungen des Films; Fernsehfassung; Bildmaterial; Laufzeit; Teile des Films; Herstellung des Films; Herstellung der Serie vor dem Film; Archivsituation; Umdeutung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 05.06.2013
Aktenzeichen OVG 6 B 13.12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 30 Abs 1 Nr 4 FFG 2004, § 30 Abs 6 FFG 2004, § 73 Abs 1 S 1 FFG 2010, § 48 VwVfG, § 49 VwVfG

Leitsatz

Ein Kinofilm kann durch Ausstrahlung einer Fernsehproduktion grundsätzlich nur dann ausgewertet werden, wenn der Kinofilm bei der Herstellung der anderen Produktion bereits existierte.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. November 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung eines Bescheides, mit dem die Auszahlung ihr zuerkannter Referenzfilmfördermittel bewilligt worden war, sowie gegen die Rückforderung der ausgezahlten Fördermittel.

Die Klägerin produzierte gemeinsam mit der BBC Worldwide Limited (BBCW), einer 100%igen Tochter der British Broadcasting Cooperation (BBC), auf der Grundlage eines im Dezember 2002 geschlossenen Koproduktionsvertrages den Kinofilm „Deep Blue”. Dieser Film beruht auf der zuvor produzierten, in Großbritannien bereits im September 2001 ausgestrahlten Fernsehserie der BBC „The Blue Planet” bzw. „Unser blauer Planet“ und verwendet Naturaufnahmen, die die BBC Natural History Unit (BBC NHU) für die TV-Serie erstellt hatte; ausweislich Nr. 1.1 des Koproduktionsvertrages besteht der Film zu 75 % – 85 % aus Bildern, die bereits in der Serie verwandt wurden. Die Serie wurde erstmals ab 8. Juli 2003 in der ARD ausgestrahlt. Der Kinofilm wurde am 29. Januar 2004 in den deutschen Kinos erstaufgeführt. Ab dem 2. März 2004 wurde die Fernsehserie erneut in verschiedenen unverschlüsselten Fernsehprogrammen ausgestrahlt.

Am 11. Januar 2005 schlossen die Klägerin und die BBCW einen Koproduktionsvertrag über die Herstellung des Dokumentarfilms „Planet Earth - The Movie” – später „Unsere Erde“. Gleichzeitig plante die BBC die Herstellung einer Fernsehserie „Planet Earth” bzw. „Planet Erde“. Zur Herstellung von Kinofilm und Fernsehserie erstellte die BBC NHU einen gemeinsamen Bilderpool, 70 % des in dem Kinofilm verwandten Bildmaterials des Films findet sich auch in der Serie. Die Fernsehserie wurde bereits im Februar 2006 in Großbritannien erstausgestrahlt, der Kinofilm wurde nach Angaben des Geschäftsführers der Klägerin im Mai 2007 fertiggestellt.

Auf den entsprechenden Antrag der Klägerin bewilligte die Beklagte dieser mit Zuerkennungsbescheid vom 31. März 2005 im Hinblick auf den Film „Deep Blue“ Referenzfilmfördermittel in Höhe von 668.373,47 Euro, die gemäß Nr. 1 des Bescheides innerhalb von zwei Jahren nach der letzten Zuerkennung zweckgebunden zur Finanzierung der Herstellung neuer programmfüllender Filme zu verwenden waren. Mit Auszahlungsbescheid vom 29. Juli 2005 bewilligte die Beklagte die ratenweise Auszahlung der Fördermittel für die Herstellung des zu fördernden Films „Unsere Erde“. Ein Zuerkennungsbescheid vom 30. März 2006 über die Bewilligung weiterer Referenzfilmfördermittel in Höhe von 5.965,77 Euro für den Film „Deep Blue“ wurde der Klägerin ausweislich eines Vermerks in der Akte nicht bekanntgegeben. Nachdem der Kinofilm „Deep Blue“ 35 Tage vor Ablauf der 24-monatigen Sperrfrist im unverschlüsselten Fernsehen gesendet worden war, hob die Beklagte mit Teilaufhebungsbescheid vom 13. Juni 2006 den Zuerkennungsbescheid vom 31. März 2005 in Höhe von 53.674,69 Euro auf, wogegen die Klägerin keinen Rechtsbehelf einlegte.

Ab September 2006 strahlten verschiedene nicht verschlüsselte deutsche Fernsehsender Folgen der Fernsehserie „Planet Erde” aus. Am 7. Februar 2008 startete der Kinofilm „Unsere Erde” in den deutschen Kinos, unmittelbar danach wurden erneut Folgen der Fernsehserie „Planet Erde“ im unverschlüsselten deutschen Fernsehen ausgestrahlt. Daraufhin hob die Beklagte mit Bescheid vom 10. April 2008 den Auszahlungsbescheid vom 29. Juli 2005 wegen einer Verletzung der Sperrfrist des § 30 Abs. 1 Nr. 4 FFG 2004 auf und forderte die Rückzahlung der bereits in Höhe von 550.000,00 Euro ausgezahlten Mittel. Den hiergegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch sowie ihren Antrag nach § 30 Abs. 7 FFG 2004, von Maßnahmen nach § 30 Abs. 6 FFG 2004 abzusehen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2008 zurück.

Die Klägerin hat am 10. Oktober 2008 Klage erhoben und im Wesentlichen vorgetragen: Die Ausstrahlung der Fernsehserie „Planet Erde“ stelle keine Auswertung des Kinofilms „Unsere Erde“ dar. § 30 FFG 2004 regele nicht den Fall, dass der geförderte Film und eine hiervon unabhängige Drittproduktion im Ergebnis teilidentisch seien. Die Filme und die Serien seien aus filmfachlicher Sicht nicht identisch. Zwar bauten Teile der Fernsehserie auf demselben Materialpool auf wie der Kinofilm, es gebe aber jeweils ein eigenes Drehbuch, Konzeption, Schnitt und Stil seien unterschiedlich, es gebe verschiedene Filmmusiken und gesprochene Texte, die Sprecher seien andere. Darüber hinaus habe die Klägerin die Auswertung nicht vorgenommen oder vornehmen lassen, sie habe ferner weder rechtliche noch tatsächliche Möglichkeiten gehabt, die Ausstrahlung der Fernsehserie zu verhindern oder zu steuern. Hierzu habe im Hinblick auf das Verhalten der Beklagten, die zunächst den Film „Unsere Erde“ wie auch das Vorläuferprojekt „Deep Blue“ als förderfähiges „aliud“ zu der jeweiligen Serie angesehen habe, auch keine Veranlassung bestanden, sie treffe also kein Verschulden. Es seien keine Fördergelder der Beklagten in die Fernsehproduktion geflossen, die gemeinsame Herstellung von Film und Serie habe vielmehr dazu geführt, dass der Film, der nur über ein Gesamtbudget von 12 Mio. Euro verfügte, ein Produktionsbudget von ca. 45 Mio. Euro zur Verfügung gehabt habe. Die Aufhebung der Zuwendungsbescheide sei darüber hinaus verfristet bzw. verwirkt. Der Beklagten sei bereits bei Erlass der Zuwendungsbescheide auf Grund der vorliegenden Unterlagen und der Berichte in der Fachpresse bekannt gewesen, dass der Kinofilm zum überwiegenden Anteil Bildmaterial enthalten würde, das auch in der Fernsehserie verwendet würde; die mehrfache Ausstrahlung der Serie im unverschlüsselten Fernsehen, teils an prominenten Programmplätzen, hätte der Beklagten auffallen müssen. Jedenfalls dem Antrag auf Absehen von Maßnahmen hätte die Beklagte stattgeben müssen, denn angesichts des überragenden Erfolgs des Kinofilms sei der Schutzzweck der Sperrfristenregelung, den Vorrang der Kinoauswertung zu sichern, nicht verletzt.

Mit Bescheid vom 27. August 2010 hob die Beklagte nach Anhörung der Klägerin auch den Zuerkennungsbescheid vom 31. März 2005 wegen Verstoßes gegen die Sperrfristen auf, weil die Fernsehserie „Unser blauer Planet“ bereits vor dem Kinostart des Films „Deep Blue“ im unverschlüsselten Fernsehen gesendet worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2011 wies sie den hiergegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch zurück, mit weiterem Bescheid vom 18. Oktober 2011 lehnte sie auch den Antrag der Klägerin nach § 30 Abs. 7 FFG 2004, von Maßnahmen auf Grund der Sperrfristverletzung abzusehen, ab. Der hiergegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 22. November 2011 stattgegeben; die von der Beklagten eingelegte Berufung hat der Senat mit Urteil vom 5. Juni 2013 zurückgewiesen.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 22. November 2011 den Bescheid der Beklagten vom 10. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2008 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 und 6 FFG 2004 lägen nicht vor, denn jedenfalls ein „Auswerten oder Auswerten-Lassen” durch die Klägerin als Referenzmittelempfängerin sei nicht anzunehmen. Dies setze voraus, dass der Fördermittelempfänger die Verwertungsrechte an dem ausgewerteten Film, hier an der Fernsehserie „Planet Erde” besitze und er diesen selbst ausgewertet oder zur Auswertung an einen Dritten weitergereicht habe. Die Klägerin sei indes nicht Herstellerin der Fernsehserie. Es sei auch nicht ersichtlich, dass ihre Verwertungsrechte an dem Kinofilm das Recht beinhalteten, auf die Auswertung der Fernsehserie im Fernsehen Einfluss zu nehmen. Es genüge nicht, dass die Klägerin keine Vereinbarung mit der BBC getroffen habe, um eine Ausstrahlung der Fernsehserie im deutschen Fernsehen vor Ablauf der Sperrfrist für den Kinofilm zu verhindern oder dass die BBCW mittelbar in den Genuss der Fördermittel gekommen sei und im Konzernverbund mit der BBC stehe. Dass die gewählte Vertragskonstruktion gewählt worden sei, um die Sperrfristregelung zu umgehen, sei nicht ersichtlich. Auch eine analoge Anwendung von § 30 Abs. 1 FFG auf die vorliegende Fallgestaltung oder eine Umdeutung des Aufhebungsbescheides in einen Rücknahme- oder Widerrufsbescheid sei nicht möglich.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend: Die Klägerin habe eine Sperrfristverletzung begangen, weil sie die Fernsehserie „Planet Erde” als Teil des geförderten Films „Unsere Erde” im Fernsehen vor Ablauf der Sperrfrist habe auswerten lassen. Die Sperrfristregelung gelte für sämtliche Fassungen des geförderten Films, auch für Fernsehfassungen. Ca. 70 % des Bildmaterials von Film und Serie seien unstreitig identisch, darüber hinaus stimmten auch Thematik, Reihen- und Schnittfolge in weiten Teilen überein. Die Auswertung der Serie müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Zwar sei die Sperrfristverletzung in den Vorgängerregelungen des § 30 FFG 2004 stets an die Inhaberschaft des dem Hersteller ausschließlich zustehenden Fernsehnutzungsrechts verknüpft gewesen. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Filmförderung und der Sperrfristenregelung müsse für eine Sperrfristverletzung jedoch genügen, wenn die Ausstrahlung im Fernsehen dem Förderungsempfänger zumindest zurechenbar sei, denn sonst wäre es insbesondere bei Gemeinschaftsproduktionen leicht, die Sperrfristenregelung durch Trennung von Förderungsempfänger und Inhaber der Verwertungsrechte zu umgehen. Auf schuldhaftes Verhalten komme es nicht an, ungeachtet dessen habe die Klägerin aber die Sperrpflichtverletzung wissentlich in Kauf genommen und damit schuldhaft gehandelt. Sie habe sowohl die tatsächliche als auch die rechtliche Möglichkeit gehabt, die Ausstrahlung der Fernsehserie zu verhindern und die Ausstrahlungstermine zu steuern. Es habe sich bei dem Kinofilm um eine internationale Gemeinschaftsproduktion von BBC, BBCW und der Klägerin gehandelt und es sei von vorneherein beabsichtigt gewesen, sowohl den Film als auch die Fernsehserie herzustellen; demgemäß hätte die Klägerin etwa im Rahmen des Koproduktionsvertrages sicherstellen können, dass die BBC bei der Ausstrahlung der TV-Produktion die Sperrfristen beachtet. Als Mitherstellerin des Kinofilms habe die Klägerin ferner zumindest gemeinschaftlich die Verwertungsrechte an diesem Film, also auch an Ausschnitten oder Einzelbildern des Films erworben. Der Widerruf sei im Übrigen weder verfristet noch verwirkt, denn sie habe erstmalig am 7. Februar 2008 Kenntnis von den eine Sperrfrist begründenden Tatsachen erlangt. Nachdem sie vollständige Tatsachenkenntnis gehabt habe, sei sie stets von einer Sperrfristverletzung ausgegangen, es habe keinen Richtungswechsel gegeben. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf das Absehen von Rückforderungsmaßnahmen nach § 30 Abs. 7 FFG 2004, die Beklagte habe das ihr insoweit zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. November 2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, der Bescheid vom 10. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2008 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Auszahlungsbescheides vom 29. Juli 2005 hat sich die Beklagte auf die Vorschrift des § 30 Abs. 6 des Filmförderungsgesetzes in der Fassung vom 22. Dezember 2003 (FFG 2004) gestützt. Diese Fassung ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, maßgeblich, weil gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 FFG in der aktuellen Fassung Ansprüche nach diesem Gesetz, die vor dem 1. Januar 2009 entstanden sind, nach den bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Vorschriften abgewickelt werden. Nach § 30 Abs. 6 Satz 1 FFG 2004 ist der Förderungsbescheid zu widerrufen oder zurückzunehmen, wenn die Sperrfristen verletzt werden, nach Satz 2 der Vorschrift sind bereits ausgezahlte Förderungsmittel zurückzufordern.

1. Es ist fraglich, ob § 30 Abs. 6 Satz 1 FFG 2004 überhaupt zur Rücknahme des Auszahlungsbescheides ermächtigt. Dem Wortlaut der Norm zufolge ist im Falle einer Sperrfristverletzung „der Förderungsbescheid“ zu widerrufen. Hierbei dürfte es sich um den Zuerkennungsbescheid handeln. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 FFG 2004 wird Referenzfilmförderung auf Antrag gewährt, nach § 25 Abs. 1 Satz 1 FFG 2004 werden die Förderungshilfen in den ersten drei Monaten nach dem Schluss eines Kalenderjahres den Herstellern der Referenzfilme durch Bescheid zuerkannt; die Förderung wird somit bereits mit dem Zuerkennungsbescheid bewilligt. Gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 FFG 2004 zahlt die Beklagte die Förderungshilfen aus, sobald nachgewiesen ist, dass sie eine den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechende Verwendung finden. Ob aus dem Umstand, dass im Rahmen der beantragten Auszahlung eine Prüfung der Förderfähigkeit des neuen Films und des Vorliegens eventueller Versagungsgründe nach § 26 FFG 2004 erfolgt, geschlossen werden kann, dass auch der Auszahlungsbescheid als Förderungsbescheid i. S. v. § 30 Abs. 6 Satz 1 FFG 2004 zu qualifizieren ist, kann indes dahinstehen.

2. Jedenfalls liegt keine die Aufhebung des Auszahlungsbescheides rechtfertigende Sperrfristverletzung vor. Gemäß § 30 Abs. 1 FFG 2004 darf derjenige, der u.a. Referenzfilmförderungsmittel nach diesem Gesetz in Anspruch nimmt, den geförderten Film oder Teile desselben zum Schutz der einzelnen Verwertungsstufen vor Ablauf der in Nrn. 1 bis 4 genannten Sperrfristen weder durch Bildträger im Inland oder in deutscher Sprachfassung im Ausland noch im Fernsehen oder in sonstiger Weise auswerten lassen oder auswerten; die Sperrfrist für die Auswertung durch nicht verschlüsseltes Fernsehen beträgt nach Nr. 4 der Regelung 24 Monate nach regulärer Erstaufführung des Films.

Durch die Ausstrahlung der Fernsehserie „Planet Erde“ wurden der Kinofilm „Unsere Erde“ oder Teile desselben nicht im Sinne von § 30 Abs. 1 FFG 2004 ausgewertet. Dies würde schon begriffsnotwendig und nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift voraussetzen, dass der ausgewertete Film zum Zeitpunkt der Auswertung bereits existiert. Auch die Bestimmung in § 30 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 FFG 2004, wonach die Sperrfristen sämtlich erst mit der regulären Erstaufführung des Films im deutschen Kino zu laufen beginnen, legt ein derartiges Verständnis der Vorschrift nahe. Der Film „Unsere Erde“, den die Beklagte durch die Fernsehserie „Planet Erde“ ausgewertet sieht, lag zum Zeitpunkt der Produktion und erstmaligen Ausstrahlung der Fernsehserie jedoch noch gar nicht vor. Vielmehr ist die Serie vor dem Film hergestellt worden. Die Fernsehserie wurde in Großbritannien bereits im März 2006 ausgestrahlt, während der Kinofilm nach Angaben des Geschäftsführers der Klägerin erst im Mai 2007 fertiggestellt wurde. Ausweislich der Anlage zu dem am 10. Februar 2006 von der Klägerin und der Koproduzentin BBCW mit der Universum Film GmbH abgeschlossenen Distribution Deal Memorandum war der Film zu diesem Zeitpunkt noch nicht produziert, vielmehr ist unter der Überschrift „The Film“ angegeben: „Date of production: 2007“; auch der Regisseur („… A... … or such other Director …“) und der Komponist der Filmmusik („… G... or a composer of similar standing …“) standen noch nicht fest. Keine maßgebliche Bedeutung kommt bei dieser Sachlage dem Umstand zu, dass das Bildmaterial von Anfang an sowohl für den Film als auch für die Serie erstellt worden war, denn dieses ist noch nicht „der Film“. Die Serie enthält demnach nicht Teile des Kinofilms, sondern dieser besteht überwiegend aus Teilen der zuvor produzierten Fernsehserie. Weder die bereits vor der Erstaufführung des Kinofilms „Unsere Erde“ am 7. Februar 2008 erfolgten Ausstrahlungen der Fernsehserie „Planet Erde“ im unverschlüsselten Fernsehen noch die Ausstrahlungen der Serie nach dem Kinostart des Films stellen mithin Sperrfristverletzungen im Sinne des § 30 Abs. 1 FFG 2004 dar.

Soweit die Beklagte davon ausgeht, dass eine Sperrfristverletzung in einem Fall wie dem vorliegenden nur dann nicht anzunehmen sei, wenn der Film und die zuvor hergestellte Produktion das Material von einen unabhängigem Dritten gegen marktübliches Entgelt angekauft hätten, also eine „Drittarchivsituation“ vorliege, findet diese einschränkende Auslegung im Gesetzeswortlaut keine Stütze. Für die Frage, ob eine Auswertung des Kinofilms vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob das verwendete Material von einem Dritten angekauft wurde, sondern es ist allein entscheidend, ob es dem Kinofilm entnommen wurde.

Unbeschadet des Vorstehenden könnte etwas anderes hier auch nicht deshalb gelten, weil Kinofilm und Fernsehserie identisch wären. Zwar wird davon ausgegangen, dass die Sperrfristen des § 30 FFG 2004 für sämtliche Fassungen eines Films gelten, sofern nach Thema, Handlung und Gestaltung bei den verschiedenen Fassungen die Identität des Films gewahrt bleibt (vgl. von Have, a.a.O, § 30 Rn. 7; von Have/Schwarz in von Hartlieb/Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 4. Aufl. 2004 S. 355 Rn. 19). Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt die Serie „Planet Erde“ aber keine Fernsehfassung des Kinofilms dar. Zwar enthält der Film zu ca. 70 % Bildmaterial, das auch in der Fernsehserie verwandt worden ist. Die Serie besteht aber zum weit überwiegenden Teil aus Material, das nicht Bestandteil des Films ist. Das ergibt sich bereits aus der unterschiedlichen Länge von Film und Serie. Der Film hat eine Laufzeit von 99 Minuten, während die Serie in der deutschen Version aus elf Episoden mit einer Laufzeit von je 45 Minuten besteht, mithin eine Gesamtlaufzeit von über acht Stunden aufweist. Eine Produktion, die lediglich zu etwa 1/7 Material verwendet, das auch Gegenstand eines Kinofilms ist, stellt nicht lediglich eine andere Schnittfassung desselben Films dar. Bei dieser Sachlage ist nicht entscheidend, inwieweit sich Thema und Handlung von Film und Serie überschneiden.

Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die gewählte Vertragskonstruktion und Produktionsreihenfolge bewusst gewählt wurde, um die Sperrfristen zu umgehen und damit letztlich Fördergelder für die Produktion der nicht förderfähigen Fernsehserie zu erhalten. Die Herstellung des Films wurde in den vorliegenden Verträgen nicht davon abhängig gemacht, dass zuvor die Fernsehserie fertig produziert war. Wie sich aus Nr. 3.2 des Koproduktionsvertrages ergibt, sollte vielmehr mit der Produktion des Films erst begonnen werden, nachdem dessen Finanzierung sichergestellt war. Der Vorvertrag über den Vertrieb des Films in Deutschland, das Distribution Deal Memorandum mit der Universum Film GmbH, wurde aber, wie bereits erwähnt, erst am 10. Februar 2006 geschlossen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch nicht davon auszugehen, dass Fördergelder in die Produktion der Fernsehserie geflossen sind. Dagegen spricht schon, dass ausweislich des Finanzierungsplans in der Fassung vom 28. September 2009 (Förderakte GF 05037 Bl. V 136) allein der Film Herstellungskosten in Höhe von 12.023.587,35 Euro verursacht hat. Die der Klägerin gewährten Referenzfilmfördermittel in Höhe von zuletzt 614.698,00 Euro machten lediglich ca. 5 % des Gesamtbudgets des Films aus; allein die speziell für den Film komponierte und eingespielte Filmmusik hat, wie dem Kostenplan für den Film zu entnehmen ist, höhere Kosten verursacht (Komponist incl. Aufnahmen: 300.000,00 Euro, Musiker: 369.403,15 Euro, vgl. Förderakte GF 05037 Bl. V 129, 132). Demgemäß ist nicht entscheidend, ob die Klägerin, wie die Beklagte angenommen hat, bei Abschluss des Koproduktionsvertrages betreffend den Kinofilm Einfluss auf die Ausstrahlung der Fernsehserie hätte nehmen können.

3. Der Aufhebungsbescheid vom 10. April 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides kann schließlich, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht in einen Rücknahme- oder Widerrufsbescheid nach § 48 bzw. § 49 VwVfG umgedeutet werden. Ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Rücknahme oder einen Widerruf nach diesen Vorschriften vorgelegen haben, scheitert eine Umdeutung daran, dass Entscheidungen nach diesen Vorschriften im Ermessen der zuständigen Behörde stehen, die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden aber kein Ermessen ausgeübt hat. Wie sich aus Satz 1 der Begründung des Aufhebungsbescheides sowie Nr. II.5 des Widerspruchsbescheides ergibt, ist die Beklagte vielmehr davon ausgegangen, dass der Zuerkennungsbescheid wegen der vorliegenden Sperrfristverletzung zwingend aufzuheben war; lediglich im Rahmen der im Widerspruchsbescheid getroffenen Entscheidung über den Antrag der Klägerin nach § 30 Abs. 7 FFG 2004 hat die Beklagte Ermessen ausgeübt.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Zwar ist die hier streitentscheidende Norm des § 30 FFG 2004 mit Wirkung zum 1. Januar 2009 durch den neu gefassten § 20 FFG 2009 ersetzt worden. Die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit der sich im vorliegenden Verfahren stellenden Rechtsfrage, wann eine Auswertung des geförderten Films vorliegt, ist damit aber nicht entfallen, weil § 20 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 FFG in der derzeit geltenden Fassung vom 31. Juli 2010 wortwörtlich mit § 30 Abs. 1 1. HS, Abs. 6 FFG 2004 übereinstimmen, so dass sich diese Frage auch bei Anwendung der aktuell gültigen Norm in gleicher Weise stellt und richtungweisend geklärt werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2005 – 6 B 35.95 -, NVwZ-RR 1996, 712, Rn. 11 bei juris).