Die Berufung des Klägers, mit der er neben der Anerkennung einer PTBS mit Persönlichkeitsstörung, Depression und Somatisierungsstörung als Schädigungsfolge nach dem StrRehaG nunmehr nur noch die Gewährung einer Beschädigtenrente entsprechend einer MdE/ einem GdS von (genau) 50 begehrt und dieses Begehren in zeitlicher Hinsicht auf die Zeit ab dem 1. Dezember 1999 begrenzt hat, ist zulässig, jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung von Schädigungsfolgen in Form einer PTBS mit Persönlichkeitsänderung, Depression und Somatisierungsstörung und Feststellung eines GdS bzw. einer MdE von 50 sowie Gewährung einer Beschädigten-Grundrente gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG i. V. m. §§ 30, 31 BVG. Bei dem Kläger liegen keine auf die Haft zurückzuführenden psychischen Störungen im vorgenannten Sinne vor (a). Der GdS bzw. die MdE erreicht keinen Grad von mehr als 25, so dass Anspruch auf Gewährung einer monatlichen Beschädigten-Grundrente gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG nicht besteht (b).
(a) Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG erhält ein Betroffener, der infolge einer Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG. Nach § 21 Abs. 5 Satz 1 StrRehaG genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Die Wahrscheinlichkeit ist dann gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht, wobei lediglich die Möglichkeit eines Zusammenhangs oder ein zeitlicher Zusammenhang nicht genügen. Nach der im Versorgungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung ist ferner zu beachten, dass nicht jeder Umstand, der irgendwie zum Erfolg beigetragen hat, rechtlich beachtlich ist, sondern beachtlich im vorgenannten Sinne sind nur die Bedingungen, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg diesen wesentlich herbeigeführt haben.
Vorliegend steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die beim Kläger bestehenden psychischen Störungen nicht mit der hier gebotenen Wahrscheinlichkeit auf die rechtsstaatswidrig erlittenen Haftzeiten in der ehemaligen DDR zurückzuführen sind.
Insbesondere bei Krankheiten, die auf seelischen Einwirkungen beruhen, bestehen – anders als bei Verletzungsfolgen – regelmäßig erhebliche Schwierigkeiten, den rechtlich nach den jeweiligen Entschädigungsgesetzen entscheidenden Vorgang – also das die Entschädigungspflicht auslösende Ereignis – als die wesentliche medizinische Ursache festzustellen. Es verbleibt meistens die Unsicherheit, ob nicht andere wesentlich mitwirkende Bedingungen für die Ausbildung einer seelischen Dauererkrankung vorhanden sind. Dies bedeutet, dass im Regelfall zahlreiche Möglichkeiten des Ursachenzusammenhangs bestehen. Wenn jedoch ein Vorgang nach den medizinischen Erkenntnissen – etwa fußend auf dem Erfahrungswissen der Ärzte – in signifikant erhöhtem Maße geeignet ist, eine bestimmte Erkrankung hervorzurufen, liegt die Wahrscheinlichkeit nahe, dass sich bei einem hiervon Betroffenen im Einzelfall die Gefahr einer Schädigung auch tatsächlich verwirklicht hat; die Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit. Feststellungen zur generellen Eignung bestimmter Belastungen als Auslöser von Schädigungsfolgen – fußend auf den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft – wurden im Bereich des sozialen Entschädigungsrechts in den AHP getroffen. Diese allgemeinen Festlegungen können, zumal die AHP sowohl für die Verwaltung als auch für die Gerichte eine gewisse Bindungswirkung hatten, nicht durch Einzelfallgutachten widerlegt werden. Die AHP hatten zwar keine Normqualität, wirkten in der Praxis jedoch wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit und hatten daher normähnlichen Charakter und waren wie untergesetzliche Normen heranzuziehen. Sie haben damit unter Berücksichtigung der herrschenden Leere in der medizinischen Wissenschaft eine verlässliche, der Gleichbehandlung dienende Grundlage für die Kausalitätsbeurteilung im sozialen Entschädigungsrecht geschaffen (so insgesamt BSG SozR 4-3800 § 1 Nr. 3 m. w. N.).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die AHP zum 01. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008 (VersMedV) ersetzt worden sind. Die Grundsätze zur Frage, wann von einer wesentlichen Verursachung eines Schadens durch ein bestimmtes Geschehen ausgegangen werden kann, sind unverändert geblieben. Insbesondere ist zum Ursachenbegriff hier weiterhin ausgeführt, dass Ursache im Sinne der Versorgungsgesetze die Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ist, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, sind sie versorgungsrechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen (und wie Ursachen zu werten), wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind; kommt einem der Umstände gegenüber dem anderen eine überragende Bedeutung zu, ist dieser Umstand allein Ursache im Sinne des Versorgungsrechtes (Teil C Nr. 1 b der Anlage zu § 2 VersMedV, S. 104). Außerdem behalten die Nummern 53 bis 143 der zuletzt einschlägigen AHP 2008, also auch deren Nr. 71 (S. 205 AHP 2008) zu Folgen psychischer Traumen, auch nach In-Kraft-Treten der VersMedV weiterhin Gültigkeit als antizipierte Sachverständigengutachten (vgl. zur Begründung zur VersMedV, Bundesrats-Drucksache 767/08 S. 4), als die sie nach der bereits genannten ständigen Rechtsprechung des BSG schon zuvor anzusehen waren (vgl. BSG SozR 4-3100 § 60 Nr. 4).
Zu den Folgen psychischer Traumen heißt es in Nr. 71 der AHP 2008: „(1) Durch psychische Traumen bedingte Störungen kommen sowohl nach lang dauernden psychischen Belastungen (z. B. in Kriegsgefangenschaft, in rechtsstaatswidriger Haft in der DDR) als auch nach relativ kurz dauernden Belastungen (z. B. bei Geiselnahme, Vergewaltigung) in Betracht, sofern die Belastungen ausgeprägt und mit dem Erleben von Angst und Ausgeliefertsein verbunden waren. Bei der Würdigung der Art und des Umfangs der Belastungen ist also nicht nur zu beachten, was der Betroffene erlebt hat, sondern auch, wie sich die Belastungen bei ihm nach seiner individuellen Belastbarkeit und Kompensationsfähigkeit ausgewirkt haben.“ Hierbei zeigen die genannten Beispielsfälle an, welchen Schweregrad die psychische Belastung erreicht haben muss, damit von einem Ursachenzusammenhang im vorstehenden Sinne ausgegangen werden kann. Dies verdeutlicht auch ein Blick auf den ICD 10. Eine PTBS wird dort als eine Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß beschrieben, die bei fast jedem eine tiefe Verzweifelung hervorrufen würde (ICD 10 – F 43).
Begründen nun nach Maßgabe dieser allgemeinen Erkenntnisse im Einzelfall Tatsachen einen derartigen Kausalzusammenhang, so ist eine bestärkte Kausalität – eine bestärkte Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs – gegeben, die wiederum nur widerlegbar ist, wenn eine sichere alternative Kausalität festgestellt wird. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn die psychische Erkrankung erst nach einer Latenzzeit manifest in Erscheinung tritt. Allerdings kann ein größerer zeitlicher Abstand zum schädigenden Ereignis – insbesondere gegen Ende der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen möglichen Latenzzeit – den Grad der Wahrscheinlichkeit mindern (vgl. BSG SozR 4-3800 § 1 Nr. 3).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die bei dem Kläger vorliegenden psychischen Störungen nicht wesentlich auf die erlittene Haft zurückzuführen sind. Tatsachen, die einen derartigen Kausalzusammenhang begründen, sind auch nicht im Sinne einer bestärkten Wahrscheinlichkeit gegeben. Vielmehr fehlt es vorliegend an den typischen Symptomen der Folgen psychischer Traumen, wie sie in Nr. 71 der AHP 2008 beschrieben sind. Dies ergibt sich für den Senat in erster Linie aus dem nachvollziehbaren und schlüssigem Gutachten der Ärztin für Psychiatrie Sch, die nach eigener Untersuchung des Klägers in sich stimmig und überzeugend dargelegt hat, dass die mit der Haft einhergehenden psychischen Belastungen keine Fortwirkung bzw. Chronifizierung in der Weise erfahren haben, dass durch sie eine PTBS ausgelöst worden wäre. Typische Verhaltensstörungen wie Alpträume und Meidungsverhalten zeigten sich im Anschluss an die Haftaufenthalte des Klägers nicht. Des Weiteren fehlt es an einem wiederholten Erleben des Traumas und sich aufdrängender Erinnerungen. Auch konnten insoweit keine Störungen mit Misstrauen, Rückzug, Motivationsverlust, dem Gefühl der Lehre und Entfremdung festgestellt werden (vgl. Nr. 71 Abs. 1 AHP 2008). Vielmehr sprechen die tatsächlichen Umstände dafür, dass sich infolge der Haft weder eine PTBS noch eine sonstige psychische Störung eingestellt hat, sondern der Kläger über eine hohe Kompensationsfähigkeit verfügt, die mit der Haft verbundenen psychischen Belastungen zu bewältigen. So ist der Kläger etwa in der Lage gewesen, trotz der Haftzeiten vom 27. Juli 1968 bis zum 26. Januar 1970 und vom 1. Mai 1971 bis zum 15. Januar 1973 unmittelbar im Anschluss an die zuletzt genannte Haftzeit eine Tätigkeit im Mauermuseum aufzunehmen, bei der er ständig mit den Zuständen in der DDR sowie den selbst erlittenen Repressalien konfrontiert gewesen ist, ohne dass hierdurch psychische Belastungen hervorgerufen worden wären. Auch spricht gegen eine Traumatisierung bzw. psychische Störung infolge der erlittenen Haft, dass der Kläger nach seiner Verurteilung in der Bundesrepublik Deutschland mehrere Jahre in Amerika und Asien gelebt und dort finanziell abgesichert ein sorgenfreies Leben geführt hat. Dass der Kläger gerade wegen der erlittenen Haft in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung gewesen wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit er geltend macht, dass nunmehr durch die Lektüre der ihn betreffenden Stasi-Akten eine psychisch belastende Situation aufgetreten sein soll, kann angesichts des verstrichenen Zeitraums von mehr als 15 Jahren nach der letzten Inhaftierung weder von einer erstmaligen Traumatisierung noch von einer – mangels festgestellten Traumas – Retraumatisierung ausgegangen werden. Vielmehr lässt dieser große zeitliche Abstand ohne erkennbare Brückensymptome den ursächlichen Zusammenhang unwahrscheinlich erscheinen (vgl. Teil C Nr. 3 c der Anlage 2 zur VersMedV, S. 105). Dis bedeutet zugleich, dass die bei dem Kläger festgestellten psychischen Störungen, wie die Gutachterin Sch nachvollziehbar ausgeführt hat, nicht auf der mit der Haft einhergehenden Belastungssituation fußen, sondern ihren Ursprung in der Persönlichkeitsstruktur des Klägers haben.
Diese Einschätzung wird durch die Ausführungen des im erstinstanzlichen Verfahren mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. G bestätigt, der nicht nur Neurologe, sondern auch Psychiater ist und auf dem Gebiet der Beurteilung psychischer Folgeschäden von Traumata aufgrund von Weiterbildungsmaßnahmen über eine ausreichende Qualifikation verfügt. Auch er hat in seinem Gutachten nachvollziehbar dargelegt, dass es im Fall des Klägers an den für das Vorliegen einer PTBS typischen Symptomen – wie einem wiederholten Erleben des Traumas und sich aufdrängenden Erinnerungen – fehlt, und hat dementsprechend eine PTBS verneint. Entgegen der Auffassung des Klägers wird diese Einschätzung auch nicht durch die vom Rentenversicherungsträger eingeholten Gutachten der Neurologen und Psychiater Dr. Z und Dr. Sch in Frage gestellt, weil sie zwar eine psychische Traumatisierung infolge erlittener Haft bzw. eine PTBS diagnostiziert haben, ihre Gutachten jedoch eine andere Zielrichtung hatten und es an einer Kausalitätsbegutachtung anhand der hierfür zu beachtenden Kriterien fehlt. Aus demselben Grund kommt auch den Feststellungen der den Kläger behandelnden Ärzte keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Insbesondere sind die Äußerungen der Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin, Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch nicht geeignet, die Ausführungen der vom Beklagten bzw. dem Sozialgericht gehörten Sachverständigen zu widerlegen, zumal sich diese Ärztin letztlich darauf beschränkt hat mitzuteilen, dass Bedrohungen während einer mehrjährigen Haftzeit erfahrungsgemäß zu dem beschriebenen Krankheitsbild führen könnten.
Angesichts der für ihn eindeutigen Beweislage sieht der Senat keinen Anlass zu weiteren medizinischen Ermittlungen von Amts wegen, insbesondere zur Einholung eines weiteren Gutachtens.
(b) Scheidet mithin die Anerkennung zusätzlicher Schädigungsfolgen aus, bestehen gegen die vom Beklagten getroffene Feststellung des GdS/der MdE mit unter 25 allein aufgrund der bei dem Kläger vorliegenden Zahnschäden keine Bedenken. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG kommt damit zugleich ein Anspruch auf Gewährung einer Beschädigten-Grundrente nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht gegeben sind.