Gericht | Dienstgericht Cottbus | Entscheidungsdatum | 20.11.2020 | |
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Aktenzeichen | DG 2/12 | ECLI | ECLI:DE:LGCOTTB:2020:1120.DG2.12.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Es wird festgestellt, dass die Disziplinarverfügung des Präsidenten des Verwaltungsgerichts ... vom 05.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2009 rechtswidrig war. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu 3/4 und der Kläger zu 1/4.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung und begehrt im Übrigen Rehabilitierung.
Der Kläger ist Richter am Verwaltungsgericht in .... Der Kläger führte mehrere verwaltungsgerichtliche Verfahren wegen Wasser- und Abwassergebühren, sowie -beiträgen gegen den Zweckverband ... ... (....). Im Rahmen eines dieser Verfahren wurde vor dem Oberverwaltungsgericht ein Vergleich zwischen dem Kläger und dem .... geschlossen. Im Nachgang dieses Verfahrens erschien in der ....Zeitung vom 04.06.2008 ein von Frau .... verfasster Artikel, in dem sich auch der Kläger äußerte. Über dem Artikel wurde ein Foto veröffentlicht, das den Kläger zeigte.
Der Präsident des Verwaltungsgerichts ... leitete aufgrund dieses Vorgangs mit Verfügung vom 28.07.2008 ein Disziplinarverfahren gegen den Kläger ein. Im Rahmen des Disziplinarverfahrens befragte der beauftragte Ermittlungsführer am 30.09.2008 Frau .... zur Mitwirkung des Klägers an dem Zustandekommen des Artikels. Der Richterrat beim Verwaltungsgericht ... gab am 20.01.2009 eine Stellungnahme ab.
Mit Disziplinarverfügung vom 05.03.2009 sprach der Präsident des Verwaltungsgerichts ... einen Verweis gegen den Kläger aus. Unterzeichnet wurde die Disziplinarverfügung vom seinerzeitigen Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts „in Vertretung“. Die Disziplinarverfügung wurde wie folgt begründet:
Der Kläger sei beim Verwaltungsgericht ... u.a. für Anschlussbeiträge für leitungsgebundene Einrichtungen sowie Abwasser- und Trinkwassergebühren aus den Landkreisen ... und ... zuständig. Im Hinblick auf die Berichterstattung in der ... Zeitung vom 04.06.2008 betreffend der Verfahren des Klägers gegen den .... habe die Verbandsvorsteherin des .... mit Schreiben vom 13.06.2008 die Ansicht geäußert, die im Zeitungsartikel wiedergegebenen Äußerungen des Klägers seien mit dem Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot nicht vereinbar. Mit Schreiben vom 15.07.2008 habe sich der Verbandsvorsteher des Zweckverbandes ... (Landkreis ...) dahingehend geäußert, dass einige der dem Kläger im Artikel zugeschriebenen Äußerungen als „Schlag in unser Gesicht und das aller Mitarbeiter“ empfunden würden.
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen habe der Kläger im Zusammenhang mit dem Artikel vom 04.06.2008 schuldhaft gegen die Dienstpflicht der Mäßigung verstoßen. Dieser Verstoß beziehe sich auf seine Reaktion auf den gerichtlichen Vergleich vom 28.05.2008, sein angekündigtes zukünftiges Verhalten gegenüber dem .... und vor allem auf das Foto im Kontext der Nichtzahlung von Gebühren an den ... Zwar stehe dem Richter zu, seine staatsbürgerlichen Rechte wahrzunehmen und Abgabenbescheide und Abgabensatzungen in gerichtlichen Verfahren überprüfen zu lassen. Auch sei von dem Recht auf Meinungsäußerung Kritik an der Rechtsauffassung und Vorgehensweise des Oberverwaltungsgerichts gedeckt, sofern sich der Richter hierbei an strenge Sachlichkeit halte. Diese sei mit dem im Artikel enthaltenen, bloßen Hinweis auf die „zweifelhafte Auffassung des Richters“ gewahrt. Ob der zusätzliche Hinweis auf den „Griff in die juristische Trickkiste“ die gebotene Sachlichkeit wahre, bedürfe keiner Entscheidung. Denn die erforderliche Mäßigung sei durch das nachträgliche Ärgern über die Zustimmung zu dem gerichtlichen Vergleich nicht mehr gewahrt. Die Öffentlichkeit könne von einem gestandenen Richter, der sich berufsmäßig mit Beitrags- und Gebührenrecht befasse, erwarten, dass dieser seine prozessualen Erklärungen überlegt abgebe. Ärgern bedeute dagegen emotionales Reagieren, das die gebotene Sachlichkeit und Distanz vermissen lasse. Noch schwerwiegender sei der Verstoß gegen das Mäßigungsgebot durch die Ankündigung des zukünftigen Verhaltens des Klägers gegen den ... Die gebotene Zurückhaltung sei überschritten mit den Äußerungen, zumindest mit dem Eindruck „seines juristischen Feldzuges gegen den ....“ und die „Suche nach Mitstreitern“. Zwar sei ein konsequentes prozessuales Vorgehen bis zu einer gerichtlichen Entscheidung über die Gültigkeit der Satzungen legitim. Dasselbe Vorgehen mit militärischen Begriffen zu kennzeichnen, schieße aber emotional über das Ziel hinaus. Dem Kläger sei es erkennbar nicht um die Wahrung seiner eigenen abgabenrechtlichen Interessen gegangen, sondern um eine darüber hinausgehende, möglichst umfassende Niederlage des ... Die insoweit hervorgehende Verbissenheit und einseitige Haltung müsse daher bei den Lesern Zweifel an der inneren Unabhängigkeit des Klägers bei der Bearbeitung von Fällen mit parallel gelagerten Problemen wecken. Schließlich sei vor allem das dem Artikel beigefügte Foto als ein Verstoß gegen das Mäßigungsgebot zu werten. Dieses stelle den Kläger in selbstherrlicher Pose dar. Es habe keinerlei Bezug zur Satzungs- und Altanschließerproblematik. Die Ichbezogenheit werde noch dadurch verstärkt, dass der Kläger auf dem Foto Wasser verbraucht, damit den Gebührentatbestand erfülle, gleichzeitig aber in dem Artikel ausgeführt werde, er habe noch nie Gebühren an den .... gezahlt. Der Kläger habe schuldhaft gehandelt. Ihm sei Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass die Gefährdung des Vertrauens in seine innere Unabhängigkeit vorsätzlich erfolgt sei.
Der Kläger legte gegen die Disziplinarverfügung mit Schreiben vom 13.03.2009 Widerspruch ein.
Der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 05.06.2009 zurück. Zur Begründung nahm er Bezug auf die Ausführungen in der angefochtenen Disziplinarverfügung.
Unter dem 11.06.2010 beantragte der Kläger beim Ministerium der Justiz die öffentliche Rehabilitierung im Hinblick auf das Disziplinarverfahren.
Mit Bescheid vom 12.10.2010 lehnte der Beklagte den Antrag auf öffentliche Rehabilitierung ab. Er begründete dies damit, dass eine Rehabilitierung grundsätzlich mit dem Eintritt des Verwertungsverbotes und der damit einhergehenden Entfernung sämtlicher auf das Disziplinarverfahren hindeutender Eintragungen in der Personalakte eintrete. Auch bestehe kein Anspruch auf öffentliche Rehabilitierung. Zum einen sei nicht klar, welche konkreten Maßnahmen der Kläger insoweit begehre. Zum anderen sei nicht festgestellt, dass die Einleitung und Durchführung des Disziplinarverfahrens rechtswidrig wäre. Im Hinblick auf eine öffentlichkeitswirksame Rehabilitierung bestehe aufgrund der Presseberichterstattung vom 01.07.2010 in der Zeitung ... kein Bedürfnis mehr. Es sei auch nicht plausibel, dass ein Folgenbeseitigungsanspruch auf Entschuldigungen durch ehemalige Amtsträger gerichtet sein könne.
Der Kläger hat am 17.06.2009 Klage erhoben.
In einer mündlichen Verhandlung vom 27.05.2010 schlossen die Beteiligten einen Vergleich, nach dem der Beklagte die Disziplinarverfügung und den Widerspruchsbescheid aufhebt und das behördliche Disziplinarverfahren eingestellt werde.
Der Kläger hat am 19.11.2010 beantragt, das Verfahren fortzusetzen.
Der Kläger führt aus, das Verfahren sei nicht abgeschlossen, da gemäß § 61 Abs. 1 S. 2 des Landesdisziplinargesetzes (LDG) Vergleiche von Gesetzes wegen ausgeschlossen seien. Sofern man davon ausgehe, dass die materiellrechtliche Erklärung des Klägers eigenständig zu beurteilen sei, werde diese wegen arglistiger Täuschung angefochten.
Nach § 3 LDG sei das Dienstgericht auch für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag zuständig, da insoweit die entsprechende Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung angeordnet sei und damit alle Klagearten der Verwaltungsgerichtsordnung auch im Disziplinarverfahren vorkommen könnten.
Der Kläger habe auch ein entsprechendes Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Es bestehe zunächst eine erhebliche Wiederholungsgefahr, da der Kläger beabsichtige sich weiterhin im Hinblick auf den .... zu engagieren und als Teil einer Bürgerinitiative auch für deren Öffentlichkeitsarbeit zuständig sei. Zudem führe er auch weiterhin Klageverfahren gegen den ... Auch habe der aktuelle Präsident des Verwaltungsgerichts ... bereits mitgeteilt, aus seiner Sicht sei das Disziplinarverfahren zu Recht durchgeführt worden, im Hinblick auf weitere Äußerungen des Klägers sei nur wegen des noch laufenden Verfahren derzeit abgesehen worden. Zudem bestehe für den Kläger ein erhebliches Rehabilitierungsinteresse. Denn es sei von vornherein beabsichtigt gewesen den Kläger gegenüber der interessierten Öffentlichkeit und den Kollegen zu denunzieren und in seinem Ansehen zu beschädigen. Außerdem bestehe im Hinblick auf die vom Kläger angestrebten Strafverfahren gegen die handelnden Akteure ein Feststellungsinteresse aufgrund Präjudizialität.
Die Disziplinarverfügung sei nichtig, weil die absolut unzuständige Behörde gehandelt habe. § 17 Abs. 1 LDG bestimme, dass die Disziplinarbefugnisse vom zuständigen Dienstvorgesetzten ausgeübt werden. Dies sei der Präsident des Verwaltungsgerichts .... Dieser habe hier aber nicht gehandelt, sondern seine Befugnisse in unzulässiger Weise auf den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts ... übertragen. Dieser habe dann die Verfügung erlassen. Der Vizepräsident sei auch nicht vom Präsidenten des Verwaltungsgerichts hierzu beauftragt worden, hierfür fehle es an Anhaltspunkten. Der Präsident des Verwaltungsgerichts ... habe sich auch zu keinem Zeitpunkt für befangen erklärt. § 44 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg (VwVfGBbg a.F.) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. März 2004 (GVBl.I/04, [Nr. 05], S.78) sei nicht anwendbar, da dieses Gesetz gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 VwVfGBbg a.F. für Maßnahmen des Richterdienstrechts nicht anwendbar sei. Da es damit an spezialgesetzlichen Regelungen fehle, komme allein Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) zum Tragen.
Der Kläger trägt weiter vor, der Präsident des Verwaltungsgerichts ... sei nicht Dienstvorgesetzter. § 38 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sei im Lichte des § 26 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) dahingehend auszulegen, dass die Dienstaufsicht nicht die Einleitung von Disziplinarverfahren umfasse. Nach § 4 Abs. 2 S. 1 des Beamtengesetzes für das Land Brandenburg (LBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Oktober 1999 (GVBl.I/99, [Nr. 20], S.446) zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 4. Juni 2003 (GVBl.I/03, [Nr. 09], S.172, 177) sei Dienstvorgesetzter, wer für beamtenrechtliche Entscheidungen über die persönlichen Angelegenheiten der ihm nachgeordneten Beamten zuständig ist. Dies sei für den Kläger die Ministerin der Justiz. Dies ergebe sich aus der richterlichen Unabhängigkeit, da das hierarchische auf Weisungsbefugnissen beruhende System des Beamtengesetzes auf Richter prinzipiell nicht anwendbar sei und daher die oberste Dienstbehörde zuständig sei. Die oberste Dienstbehörde habe ihre Zuständigkeit hier auch nicht delegiert.
Auch der Widerspruchsbescheid sei nichtig, da auch der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg ebenfalls nicht zuständig gewesen sei. Insbesondere folge dessen Zuständigkeit nicht aus § 5 der Verordnung über richter- und beamtenrechtliche Zuständigkeiten in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanzgerichtsbarkeit und den Staatsanwaltschaften im Land Brandenburg (RuBZV).
Die Disziplinarverfügung sei zudem auch aus materiellen Gründen rechtswidrig. Die Verfügung sei bereits wegen Außerachtlassung objektiver Prüfungsmaßstäbe juristisch substanzlos. Dies ergebe sich aus einer Vielzahl von sprachlich unpräzisen Formulierungen und unbestimmten Begriffen. Die Verfügung berücksichtige das Recht des Klägers auf Meinungsfreiheit und die dazu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung nicht. Es handele sich bei den Äußerungen des Klägers im Rahmen des Artikels um eine politische Meinungsäußerung zu Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich berühren. Er engagiere sich bereits seit Jahren im Hinblick auf die Abgabenerhebung durch den ..., dessen Handeln Rechtmäßigkeitszweifeln unterliege. So sei er Mitglied einer Bürgerinitiative zu diesem Thema und habe an deren Mitgliedsversammlungen und anderen Veranstaltungen teilgenommen. Er habe sich auch in mehreren gerichtlichen Verfahren gegen Abgabenbescheide des ... gewandt und habe sich wiederholt an die Kommunalaufsichtsbehörden gewandt. Es habe auch bereits früher Berichterstattung in der Presse über die Klageverfahren des Klägers gegeben.
Auch sei dem Kläger die effektive Wahrnehmung seiner Verfahrensrechte durch den „wandelnden Tatvorwurf“ während des Ermittlungsverfahrens unmöglich gemacht worden, da sich die handelnden Personen nicht haben entscheiden können und wollen, was dem Kläger eigentlich zur Last gelegt werde. Dies sei anfangs der gesamte Inhalt des Zeitungsartikels, später einzelne Zitate hieraus und schließlich das Foto gewesen.
Es komme auch nicht darauf an, dass der Kläger im Einzelnen beweise, er habe die ihm zugeschriebenen Zitate nicht gemacht. Es reiche vielmehr aus, dass er diese in Abrede stelle. Im Sinne der verfassungsrechtlich garantierten Unschuldsvermutung hätte von einer Nichterweislichkeit ausgegangen werden müssen. Die Autorin des Artikels, Frau ..., habe auch bestätigt, dass es sich nicht um direkte Zitate des Klägers handele. Anhand der weiteren Aussage von Frau ....und auch im Übrigen, sei nicht bewiesen, dass der Kläger entsprechende Aussagen getätigt habe.
Im Hinblick auf das Foto, ergäbe sich aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums in Gesamtbetrachtung mit dem Artikel und der Gestaltung der Zeitungsseite allenfalls, dass der …... ...., der bei Trockenheit seine Pflanzen im Garten wässern muss, deshalb zu hohe Gebühren zahle, weil der .... die Bürger in rechtswidriger Weise zu hoch veranlage. Demgegenüber träfen die Annahmen der Disziplinarverfügung, das Foto zeige den Kläger wie er eine Leistung des .... in Anspruch nehme, für die er nicht zahle, schon deshalb nicht zu, weil der Kläger das zur Bewässerung seines Gartens benötigte Wasser nicht vom .... beziehe, sondern Regenwasser aus einer Zisterne benutze.
Es sei darüber hinaus festzustellen, dass gegen den seinerzeitigen Präsidenten des Verwaltungsgerichts ... kein Disziplinarverfahren geführt worden sei, obwohl dieser sich öffentlich zum Wiederaufbau des Stadtschlosses geäußert habe, wobei im Nachgang zu diesen Äußerungen sogar Verfahren zu diesem Thema bei der Kammer des Präsidenten des Verwaltungsgerichts ... anhängig gemacht worden seien. Daher werde ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung gesehen. Auch im Hinblick auf eine Vielzahl anderer Äußerungen, anderer Richter des Landes Brandenburg seien Disziplinarverfahren nicht eingeleitet worden.
Auch stehe dem Kläger ein Anspruch auf öffentliche Rehabilitierung zu. Das Verhalten der Dienstvorgesetzten sei offensichtlich willkürlich gewesen. Es sei zu negativer Berichterstattung über den Kläger in der Presse gekommen. Auch habe der damalige Präsident des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg im Rahmen der Präsidentenrunde sämtliche damaligen Präsidenten der Verwaltungsgerichte des Landes Brandenburg und des Berliner Verwaltungsgerichts über den Artikel informiert und die Möglichkeit eines Disziplinarverfahrens erörtert. Auch habe der damalige Präsident des Verwaltungsgerichts ... Verbandsvorsteher von zwei Zweckverbänden über das Disziplinarverfahren informiert. Der Rehabilitierungsanspruch ergäbe sich aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn.
Der Kläger beantragt,
1. die Nichtigkeit der Disziplinarverfügung vom 05.03.2009 festzustellen,
2. die Nichtigkeit des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2009 festzustellen,
3. hilfsweise festzustellen, dass die Disziplinarverfügung vom 05.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2009 rechtswidrig war,
4. den Beklagten zu verpflichten, den Kläger im Hinblick auf das gegen ihn willkürlich eingeleitete Disziplinarverfahren öffentlich zu rehabilitieren. Der Beklagte soll sich in der Form der Anlage K 79 unter Darstellung der Vorgeschichte durch den Ministerpräsidenten Dr. Dietmar Woidke, hilfsweise durch die Ministerin der Justiz des Landes Brandenburg, Frau Susanne Hoffmann, weiterhin hilfsweise durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, ..., äußerst hilfsweise sich beim Kläger in gebotener Art und Weise entschuldigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte führt aus, auch wenn der Vergleich aufgrund des Vergleichsverbotes das Verfahren nicht habe beenden können, würden die materiellrechtlichen Erklärungen der Beteiligten unberührt bleiben. Diese seien auch weder aufgrund eines gesetzlichen Verbotes, noch aufgrund Anfechtung nichtig. Das Disziplinarverfahren sei im Übrigen abgeschlossen, da die Verfügungen aufgehoben und das Disziplinarverfahren eingestellt seien. Der Beklagte stelle die Aufhebung der Disziplinarverfügung und des Widerspruchsbescheides nicht in Frage.
Im Hinblick auf die beantragte Rehabilitierung, bestünden bereits Zweifel an der Zuständigkeit des Dienstgerichtes. Nachdem das (behördliche) Disziplinarverfahren beendet sei, bestehe für Entscheidungen „in Disziplinarsachen“, wie es § 67 Nr. 1 BbgRiG a.F. vorsehe, kein Raum mehr. Es sei auch nicht erkennbar, auf welcher Grundlage das Dienstgericht den Beklagten zu einer öffentlichen Rehabilitierung des Klägers verpflichten könnte. Ein solches Verfahren sehe das Disziplinargesetz nicht vor. Zudem sei der Kläger bereits durch die Einstellung des Disziplinarverfahrens rehabilitiert.
Für den Fortsetzungsfeststellungsantrag fehle ein Feststellungsinteresse. Es bestehe keine konkrete Wiederholungsgefahr. Zum einen knüpfe die Disziplinarverfügung nicht an die Klageverfahren des Klägers gegen den .... an. Zum anderen sei die Frage, ob ein Richter die Grenzen des Mäßigungsgebotes überschritten habe, eine die von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhänge. Ein Rehabilitierungsinteresse bestehe nicht, weil insoweit Nachwirkungen der erledigten Disziplinarverfügung nicht zu erkennen seien. Auch eine Präjudizialität im Hinblick auf die Strafanzeigen bestehe nicht, denn Präjudizialität komme nur bei den den Klägern selbst betreffenden Verfahren in Betracht. Die Strafgerichte seien an die Entscheidung des Dienstgerichts zur Rechtswidrigkeit einer Disziplinarverfügung nicht gebunden.
Die Auffassung des Klägers, dass der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg nicht zuständige Widerspruchsbehörde gewesen sei, werde geteilt. Die Disziplinarverfügung sei aber nicht nichtig. Zwar sei der Präsident des Verwaltungsgerichts ... der Dienstvorgesetzte des Klägers. Auch bestehe ein Delegationsverbot hinsichtlich der Ausübung der Dienstaufsicht. Jedoch schließe dieses eine Stellvertretung nicht aus. Hier habe der Präsident des Verwaltungsgerichts ... im Hinblick auf die als besonders ehrverletzend empfundenen Bewertungen und Verdächtigungen von Seiten des Klägers mitgeteilt, hiervon nicht unberührt geblieben zu sein und den weiteren Verlauf des Disziplinarverfahrens seinem Vertreter zu übertragen. Daher sei die Disziplinarverfügung ausweislich des Briefkopfs und der „in Vertretung“ geleisteten Unterschrift nicht vom Vizepräsidenten in dieser Eigenschaft, sondern vom Vizepräsidenten in Vertretung für den Präsidenten erlassen worden. Auch die Widerspruchentscheidung sei nicht wegen Unzuständigkeit der Widerspruchsbehörde nichtig. Insoweit sei § 44 VwVfGBbg entsprechend anwendbar. Es mangele an einem besonders schweren und offenkundigen Fehler. Die Handlung einer sachlich unzuständigen Behörde begründe einen solchen nicht. Zum anderen sei der Fehler nicht offensichtlich, da im Hinblick auf § 5 RuBZV auch abweichende Meinungen vertretbar sein können.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die jeweils Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
I. Der Rechtsweg zu den Dienstgerichten und die Zuständigkeit des Gerichtes ist gemäß § 67 Nr. 1 des Richtergesetzes des Landes Brandenburg in der aufgrund des Zeitpunktes des Erlasses der Disziplinarverfügung und der Klageerhebung maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 22.11.1996 (GVBl.I/96, [Nr. 26], S.322) zuletzt geändert durch Artikel 13 des Gesetzes vom 03.04.2009 (GVBl.I/09, [Nr. 04], S.26, 59) (BbgRiG a.F.) für die Entscheidung über den Rechtsstreit im Ganzen gegeben.
Hiernach entscheidet das Dienstgericht in Disziplinarsachen. Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich nach wie vor um eine Disziplinarsache in diesem Sinne.
1. Die ursprünglich angefochtene und durch den Beklagten zwischenzeitlich aufgehobene Verfügung vom 05.03.2009 enthielt einen Verweis und damit eine Disziplinarmaßnahme i.S.d. § 76 Abs. 1 BbgRiG a.F. i.V.m. §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 6 des Landesdisziplinargesetzes vom 18.12.2001 (GVBl.I/01, [Nr. 19], S.254) zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 03.04.2009 (GVBl.I/09, [Nr. 04], S.26, 57) (LDG a.F.). Handelte es sich der Sache nach bei Klageerhebung um eine Anfechtungsklage, so bleibt das Gericht auch nach Aufhebung der Disziplinarverfügung und Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) für diesen Rechtsstreit zuständig (dies stillschweigend annehmend: Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 23. November 2012 – 1 DGH 1/10 –, Rn. 75 - 76, juris). Soweit es den aufrechterhaltenen Antrag zur Nichtigkeitsfeststellung betrifft, handelt es sich ebenfalls ohne Weiteres um eine Disziplinarsache.
2. Der Rechtsweg zu den Dienstgerichten und die Zuständigkeit für den weiteren, prozessual auf § 76 Abs. 1 BbgRiG a.F. i.V.m. § 3 LDG a.F. i.V.m. § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO gestützten Rehabilitierungsantrag ergibt sich unter systematischen und teleologischen Erwägungen auch insoweit. Denn ist der Rechtsweg zu den Dienstgerichten unzweifelhaft für die Anfechtung einer Disziplinarverfügung und für die sich ggf. anschließende Fortsetzungsfeststellung eröffnet, so spricht der mit dem § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO beabsichtigte Konzentrationseffekt dafür, die Zuständigkeit desselben Gerichtes, das über die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verfügung entscheidet, auch für die Entscheidung über etwaig rückgängig zu machende Vollzugsfolgen anzunehmen. Denn Sinn des § 113 VwGO ist insoweit zu verhindern, dass ein Kläger wegen ein und derselben Maßnahme in mehrere Rechtsstreitigkeiten nacheinander gezwungen wird. Gleichzeitig soll das Gericht, das bereits einmal mit der zugrundeliegenden Sache beschäftigt war, sich auch das in dieser Sache gewonnene Wissen um die Sach- und Rechtslage nutzbar machen können. Ob diese Erwägungen auch greifen würden, wenn der Streit um die Rechtmäßigkeit der Disziplinarverfügung bereits beendet wäre, bedarf hier keiner Entscheidung, da der Kläger weiterhin sowohl die Feststellung der Nichtigkeit als auch der Rechtswidrigkeit begehrt, sodass das Gericht seine Annexzuständigkeit annimmt. Auch die Einwände des Beklagten hiergegen – namentlich, dass ein solches Verfahren das Disziplinargesetz nicht vorsehe – verfangen nicht, da § 3 LDG a.F. insoweit auf die Verwaltungsgerichtsordnung verweist und damit den § 113 VwGO voll in Bezug nimmt. Dass – wie § 3 LDG a.F. formuliert – § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO zu den Bestimmungen des Landesdisziplinargesetzes in Widerspruch stehe oder das Landesdisziplinargesetz etwas anderes bestimme, ist nicht ersichtlich.
II. Das Verfahren ist auf den Antrag des Klägers fortzusetzen und in der Sache zu entscheiden. Der gerichtliche Vergleich nach § 106 VwGO ist wegen Verstoßes gegen das Vergleichsverbot nach § 76 Abs. 1 BbgRiG a.F. i.V.m. § 61 Abs. 1 S. 2 LDG a.F. nicht wirksam und konnte daher nicht zur Beendigung des Verfahrens führen.
III. Die Klage hat indes nur mit ihrem Fortsetzungsfeststellungsantrag Erfolg.
1. Die Anträge sind zulässig.
a) Der Zulässigkeit der Anträge steht nicht der Vergleich vom 27.05.2010 entgegen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Prozessvergleich nach § 106 VwGO sowohl eine Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Prozessrechts richtet, als auch ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, für den die Rechtsregeln des materiellen Rechts gelten. Das bedeutet aber nicht, dass er in eine Prozesshandlung und in ein Rechtsgeschäft aufzuspalten ist, die getrennt nebeneinanderstehen. Vielmehr bildet er eine Einheit, die sich darin äußert, dass zwischen dem prozessualen und dem materiellrechtlichen Teil ein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Als Prozesshandlung führt er zur Prozess-, als materiellrechtlicher Vertrag zur Streitbeendigung (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Januar 1960 - BVerwG 7 C 91.58 - BVerwGE 10, 110 und vom 28. März 1962 - BVerwG 5 C 100.61 - BVerwGE 14, 103 sowie Beschluss vom 4. November 1987 - BVerwG 1 B 112.87 - NJW 1988, 662). Dies steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteile vom 10. März 1955 - II ZR 201/53 - BGHZ 16, 388, vom 15. April 1964 - I b ZR 201/62 - BGHZ 41, 310, vom 25. Januar 1980 - I ZR 60/78 - NJW 1980, 1753, und Beschluss vom 18. Januar 1984 - IV b ZR 53/83 - NJW 1984, 1465), des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteile vom 30. Mai 1956 - 2 AZR 178/54 - BAGE 3, 43, vom 9. Mai 1957 - 2 AZR 67/55 - BAGE 4, 84 und vom 16. März 1961 - 5 AZR 536/59 - JZ 1961, 452) und des Bundessozialgerichts (vgl. Urteile vom 26. April 1963 - 2 RU 228/59 - BSGE 19, 112 und vom 17. Mai 1989 - 10 RKg 16/88 - DVBl 1990, 214).
Zwangsläufige Folge der rechtlichen Doppelnatur eines gerichtlichen Vergleichs ist, dass sich der prozessuale und materiellrechtliche Vertrag in ihrer Wirksamkeit wechselseitig, wenn auch unterschiedlich, beeinflussen. Ist die Vergleichsvereinbarung materiell unwirksam, so verliert auch die Prozesshandlung ihre Wirksamkeit, da sie nur die Begleitform für den materiellrechtlichen Vergleich ist. Entbehrt der Vergleich der sachlich-rechtlichen Grundlage, so geht ihm auch die verfahrensrechtliche Wirkung der Prozessbeendigung ab.
Im umgekehrten Fall gilt dies nicht in gleicher Weise. Kommt ein wirksamer Prozessvergleich wegen eines Verfahrensmangels nicht zustande, so zieht das nicht ohne weiteres die Ungültigkeit des materiellrechtlichen Vertrages nach sich. Denn auch ein prozessual unwirksamer Vergleich kann als materiellrechtliche Vereinbarung eine von der Rechtsordnung anerkannte Funktion erfüllen. Ob er als außergerichtliches Rechtsgeschäft Bestand haben kann, richtet sich nach dem hypothetischen Willen der Beteiligten. Hätte der Beklagte nicht ohne den Vorteil der Beendigung des Prozesses und der Kläger nicht ohne den Erwerb eines Vollstreckungstitels im Vergleichsweg nachgegeben, so führt der formelle Mangel auch zur Nichtigkeit der materiellrechtlichen Abrede. War den Beteiligten dagegen entscheidend an einer verbindlichen materiellrechtlichen Regelung ihrer Rechtsbeziehungen gelegen, so lässt die Unwirksamkeit der Prozesshandlung die Gültigkeit der materiellrechtlichen Vereinbarung unberührt. Ob das eine oder andere zutrifft, hängt von der jeweiligen Interessenlage ab und ist im Wege der Auslegung des Vergleichs zu ermitteln. Eine Regel des Inhalts, dass die Vertragsparteien die Bereitschaft, für ihre Rechtsbeziehungen eine neue materiellrechtliche Grundlage zu schaffen, an die Wirksamkeit der Prozesshandlung zu knüpfen pflegen, besteht nicht (vgl. BGH, Urteile vom 3. Dezember 1980 - VIII ZR 274/79 - BGHZ 79, 71 und vom 24. Oktober 1984 - IV b ZR 35/83 - NJW 1985, 1962; BAG, Urteile vom 26. November 1959 - 2 AZR 242/57 - BAGE 8, 228 und vom 22. April 1960 - 5 AZR 494/59 - BAGE 9, 172; BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 1993 – 4 B 175/93 –, Rn. 8 - 9, juris).
Gemessen hieran ist hier von der Ungültigkeit auch des materiellen Vergleichsvertrages auszugehen. Dabei geht das Gericht davon aus, dass die Regelung des § 76 Abs. 1 BbgRiG a.F. i.V.m. § 61 Abs. 1 S. 2 LDG a.F. sowohl ein prozessuales als auch ein materiellrechtliches Vergleichsverbot enthält und damit der dennoch abgeschlossene Vergleich schon wegen des Entgegenstehens von Rechtsvorschriften nach § 54 S. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) bzw. Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot i.S.d. § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nichtig ist. Für diese Rechtsfolge spricht bereits der Charakter des Disziplinarverfahrens. Zwar handelt es sich auch bei diesem um eine Art des Verwaltungsverfahrens und nicht um ein „Sonderstrafrecht“. Gleichzeitig dient das Verfahren indes der Individualprävention und hat – in Fällen in denen nicht die Dienstenthebung im Raum steht – in erster Linie Ordnungsfunktion. Durch das Disziplinarverfahren soll zur künftigen Pflichterfüllung angehalten werden. Deswegen ist das Disziplinarrecht insgesamt und konsequent der Abdingbarkeit entzogen, da es zur Einhaltung der Dienstpflichten anhalten soll, die wiederum ebenfalls vom Dienstherren nicht abgedungen werden können, sondern sich aus dem Gesetz ergeben (vgl. zum Vorstehenden: Clausen/Benneke/Schwandt, Das Disziplinarverfahren, Rn. 15ff.). Dem entspricht es, dass § 33 Abs. 1 LDG eine Einstellung des Disziplinarverfahrens nur vorsieht, wenn das Disziplinarverfahren oder eine Disziplinarmaßnahme unzulässig ist, ein Dienstvergehen nicht erwiesen ist oder ein Dienstvergehen zwar erwiesen ist, eine Disziplinarmaßnahme jedoch nicht angezeigt erscheint. Dies dürfte wenig Raum für eine vergleichsweise Einigung lassen, da allenfalls die Frage, ob eine Disziplinarmaßnahme angezeigt ist, einen größeren Einschätzungsspielraum gewährt. Dass dieser allerdings im Wege gegenseitigen Nachgebens ausgefüllt werden könnte, dürfte fernliegen.
Unabhängig davon, kann nicht davon ausgegangen werden, dass nach dem hypothetischen Willen der Beteiligten der materiellrechtliche Vergleich hier auch ohne seinen prozessualen Gegenpart wirksam sein sollte. Insoweit kann zwar nicht auf die weitere Prozessentwicklung abgestellt werden, die davon geprägt ist, dass der Beklagte an den Regelungen des Vergleichs festhalten will, der Kläger diesen dagegen ablehnt. Aber auch im Hinblick auf die damalige Vergleichssituation erscheint es jedenfalls im Hinblick auf den Kläger klar, dass dessen Wille dahin ging, den Vergleich im Hinblick auf die prozessuale und die materiellrechtliche Wirkung gleichermaßen abzuschließen. Hierfür sprechen die Ausführungen des Gerichtes zum jeweiligen Prozessrisiko in der mündlichen Verhandlung vom 27.05.2010, die wiederum die Grundlage für die Vergleichsbereitschaft des Klägers bildeten. Auch im Hinblick auf den Beklagten erscheint es unwahrscheinlich, dass er die Verfügungen aus der damaligen Sicht aufgehoben hätte, wäre dies nicht auch Grundlage der Prozessbeendigung gewesen. Beiden Beteiligten ging es mithin nicht nur um die materiellrechtliche Lösung des Streites, sondern auch gleichermaßen um die Beendigung des Prozessverhältnisses.
b) Die Fortsetzungsfeststellungsklage, mit der die Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsakts festgestellt werden soll, ist nach §§ 42, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zulässig. Mit dieser Klageart soll es dem Kläger dann, wenn eine Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts wegen seiner Erledigung nicht mehr in Betracht kommt und die Anfechtungsklage wegen des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig wäre, ermöglicht werden, den Anfechtungsantrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts umzustellen, sofern er hieran ein berechtigtes Interesse hat (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 113, Rn. 95). Die darin liegende Klageänderung ist gemäß §§ 125 Abs. 1, 91 Abs. 1 VwGO zulässig.
Das erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Dazu genügt jedes nach vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 113, Rn. 129). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, auch wenn die Disziplinarverfügung vom Beklagten aufgehoben wurde.
Die von dem Kläger angestrebte Entscheidung ist jedenfalls in ideeller Hinsicht generell geeignet, seine Position zu verbessern (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 113, Rn. 130). Das Disziplinarverfahren des Klägers war durch Presseveröffentlichungen in der Öffentlichkeit bekannt geworden. Die im vorliegenden Verfahren gegen ihn erhobenen Vorwürfe sind im Kollegenkreis sowie offenbar in einigen Zweckverbänden diskutiert worden. Ihm muss deshalb die gerichtliche Klärung mit dem Ziel einer möglichen Rehabilitierung trotz der Aufhebung der Disziplinarverfügung offen stehen (Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 23. November 2012 – 1 DGH 1/10 –, Rn. 75 - 76, juris).
Die Aufhebung der Disziplinarverfügung beseitigt hier dieses Feststellungsinteresse nicht. Bei Erledigung des angefochtenen Verwaltungsakts eröffnet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO die Fortsetzungsfeststellungsklage, damit der Kläger nicht ohne Not um die Früchte seiner bisherigen Prozessführung gebracht wird, solange die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts seine Position verbessern kann (BVerwG, Urteile vom 28. April 1967 - BVerwG 4 C 163.65 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 36 S. 64 <66> und vom 24. Oktober 1980 - BVerwG 4 C 3.78 - BVerwGE 61, 128 <135>). Da die Vorschrift die Zurücknahme des Verwaltungsakts als Beispiel einer solchen Erledigung nennt, erfordert auch die Rücknahme wegen Rechtswidrigkeit eine Prüfung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses im konkreten Fall (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 1977 - BVerwG 1 C 27.75 - juris Rn. 26 f.). Entscheidungen, denen zufolge ein solches Interesse bei Aufhebung des Verwaltungsakts wegen Rechtswidrigkeit regelmäßig fehlt (BVerwG, Beschlüsse vom 5. September 1984 - BVerwG 1 WB 131.82 - BVerwGE 76, 258 <260> und vom 23. November 1995 - BVerwG 8 PKH 10.95 <8 C 9.95> - juris LS 2 und Rn. 6), schließen ein berechtigtes Feststellungsinteresse in solchen Fällen nicht kategorisch aus. Sie beschreiben vielmehr das Ergebnis seiner konkreten, auch in diesen Entscheidungen vorgenommenen Prüfung in der Mehrzahl der Fälle. Hat die Behörde die Rechtswidrigkeit erkannt, wird in der Regel kein wiederholter Erlass einer gleichartigen Verfügung drohen. Ein Feststellungsinteresse kann durch das ausdrückliche oder unmissverständliche Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit im Aufhebungsbescheid beseitigt worden sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 1977 a.a.O. Rn. 27; Beschluss vom 5. September 1984 a.a.O. S. 260 f.; BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 8 B 47/14 –, Rn. 13, juris).
So liegt es hier indes nicht. Denn der Beklagte hat weder mit der Aufhebung der Disziplinarverfügung und des Widerspruchsbescheides in der mündlichen Verhandlung am 27.05.2010 die Rechtswidrigkeit dieser (konkludent) eingeräumt, noch hält er diese nach seinem – ausdrücklich noch im Nachgang der Aufhebung – aufrechterhaltenen Vortrag überhaupt für gegeben.
c) Ist nach dem Vorstehenden Raum für eine Fortsetzungsfeststellungsklage im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der aufgehobenen Disziplinarverfügungen, besteht auch das Feststellungsinteresse für den weitergehenden Nichtigkeitsfeststellungsantrag des Klägers.
2. Die Klage ist mit den Hauptanträgen zu 1. und 2. (vgl. insoweit im Folgenden a) und dem weiteren Hauptantrag zu 4. (vgl. c) unbegründet. Sie ist allerdings im Hinblick auf den als Hilfsantrag gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag begründet (vgl. b).
a) Die Disziplinarverfügung und der Widerspruchsbescheid sind nicht nichtig. Maßstab ist insoweit § 44 VwVfGBbg a.F. Dieser ist jedenfalls entsprechend anwendbar. Dem Kläger ist zuzugeben, dass gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 VwVfGBbg Maßnahmen des Richterdienstrechts ausdrücklich vom Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes Brandenburg ausgenommen sind. Der weitergehenden Folgerung des Klägers, dass damit Art. 20 Abs. 3 GG direkt zum Tragen käme und daher ein rechtswidriger Verwaltungsakt wegen des sog. Nichtigkeitsdogmas (vgl. zum Nichtigkeitsdogma etwa Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 13. Juni 2006 – 3 Bf 294/03 –, juris; BVerwG, Urteil vom 21. November 1986 - BVerwG 4 C 22.83 - juris) stets nichtig wäre, vermag sich das Gericht nicht anzuschließen. Dies hat der Gesetzgeber mit dem Ausschluss des Anwendungsbereiches offensichtlich nicht beabsichtigt. Es entspricht der Rechtsprechung des Dienstgerichtes des Bundes, dass Normen der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder trotz der Ausnahme aus dem Anwendungsbereich teilweise entsprechend anwendbar sind. Dies gilt nach dieser Rechtsprechung just auch für die Regelungen über die Nichtigkeit (BGH, Urteil vom 16. März 1984 – RiZ (R) 6/83 –, BGHZ 90, 328-331).
Der Maßstab für die Nichtigkeit ist daher in Anlehnung an § 44 Abs. 1 VwVfG dahingehend zu bestimmen, dass ein Verwaltungsakt nichtig ist, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
Gemessen hieran ist weder die Disziplinarverfügung vom 05.03.2009 noch der Widerspruchsbescheid vom 05.06.2009 nichtig.
Die Disziplinarverfügung vom 05.03.2009 weist keine besonders schwerwiegenden Fehler auf, die offensichtlich sind.
Die Disziplinarverfügung ist nicht schon deshalb fehlerhaft, weil sie nicht durch die zuständige Behörde, nämlich den Präsidenten des Verwaltungsgerichts ... erlassen wurde. Gemäß § 38 Abs. 1 VwGO übt der Präsident eines Gerichts die Dienstaufsicht über die Richter, Beamten, Angestellten und Arbeiter aus (vgl. Schmidt-Räntsch, Deutsches Richtergesetz, Kommentar, 6. Auflage, § 26 Rn. 4 i. V. m. Rn. 13), im Falle eines am Verwaltungsgericht tätigen Richters also der Präsident des Verwaltungsgerichts (vgl. Sächsisches Dienstgericht für Richter, Urteil vom 18. April 2013 – 66 DG 9/10 –, Rn. 34, juris). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 26 DRiG. Vielmehr entspricht es der Rechtsprechung des Dienstgerichtes des Bundes, dass die dienstaufsichtsführende Stelle befugt ist, die Maßnahmen zu ergreifen, die für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens erforderlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 03. Januar 1969 – RiZ (R) 6/68 –, BGHZ 51, 280-290, Rn. 30; vgl. Schmidt-Räntsch, Deutsches Richtergesetz, Kommentar, 6. Auflage, § 26 Rn. 40).
Die Auffassung des Klägers, der Begriff der Dienstaufsicht in § 38 Abs. 1 VwGO umfasse vor dem Hintergrund der richterlichen Unabhängigkeit nicht auch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens, überzeugt nicht. Denn zum einen berührt nicht jede Disziplinarmaßnahme schon die richterliche Unabhängigkeit. Zum anderen gibt der Wortlaut des § 38 Abs. 1 VwGO, der neben Richtern auch Beamte, Angestellte und Arbeiter benennt, keinerlei Anhalt dafür, dass für Verwaltungsrichter ein Sonderregime gelten sollte, mithin die Dienstaufsicht von der Befugnis, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, getrennt und abweichend bei der obersten Dienstbehörde angesiedelt werden sollte. Darüber hinaus zeigt ein Vergleich etwa mit § 15 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG), dass für die Arbeitsgerichtsbarkeit eine solche abweichende Regelung getroffen wurde, da die Geschäfte der Verwaltung und der Dienstaufsicht dort die zuständige oberste Landesbehörde führt. Hätte der Gesetzgeber die Dienstaufsicht daher einer obersten Landesbehörde vorbehalten wollen, hätte er in der Verwaltungsgerichtsordnung eine § 15 ArbGG vergleichbare Regelung schaffen können. Davon hat er erkennbar abgesehen. Ob der Landesgesetzgeber eine von § 38 VwGO abweichende Regelung im Landesrecht treffen dürfte, erscheint demgegenüber zweifelhaft (vgl. zu einer entsprechenden sächsischen Regelung für die Arbeitsgerichtsbarkeit: BGH, Urteil vom 18. Februar 2016 – RiSt (R) 1/15 –, juris; Sächsisches Dienstgericht für Richter, Urteil vom 18. April 2013 – 66 DG 9/10 –, juris).
Soweit hier die Verfügung - wie sich eindeutig aus dem Briefkopf und der Unterzeichnung „in Vertretung“ ergibt - durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts ... in Vertretung für den Präsidenten und nicht durch den Präsidenten selbst erlassen wurde, ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden. Dem steht weder das sich aus § 18 Abs. 1 LDG ergebende Delegationsverbot (zur auf die BDO bezogenen Rechtsprechung zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens bei Beamten vgl. ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Beschluss vom 15. August 1972 - BVerwG 1 DB 10.72 - <BVerwGE 46, 14>; BVerwG, Beschluss vom 02. Juni 1995 – 1 DB 7/95 –, Rn. 6, juris; weiter zum Streitstand: VG Wiesbaden, Teilurteil vom 25. Februar 2013 – 28 L 118/13.WI.D –, Rn. 27, juris, m.w.N.) entgegen noch der Umstand, dass es keinerlei formale Entscheidung über den Befangenheitsantrag des Klägers gegen den Präsidenten des Verwaltungsgerichts ... gegeben hat. Denn auch wenn gemäß § 21 Abs. 1 VwVfG im Falle der Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich der Leiter einer Behörde eine Anordnung in Bezug auf die Mitwirkung des für befangen erklärten Mitarbeiters zu treffen hat, so bedarf es nach § 21 Abs. 1 Satz 2 VwVfG einer solchen Anordnung ausdrücklich dann nicht, wenn die Besorgnis der Befangenheit den Leiter der Behörde selbst betrifft und sich dieser der Mitwirkung enthält (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 29.01.1985 -7 B 4/85 -, Rn 12, juris).
So liegt der Fall hier. Denn der Präsident des Verwaltungsgerichtes hatte unter dem 26.09.2008 erklärt, dass er sich gehindert sehe, im Disziplinarverfahren weiter tätig sein zu können und die Angelegenheit an den Vizepräsidenten des Gerichts abgeben werde. Da somit ein Vertretungsfall vorlag und der Präsident durch seinen Vizepräsidenten vertreten wird (vgl. Schoch/Schneider/Bier/Stelkens/Schenk, 37. EL Juli 2019, VwGO § 38 Rn. 18), ist ein schwerwiegender Fehler – hier nicht ersichtlich.
Ob die Disziplinarverfügung vom 05.03.2009 materiellrechtlich an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet, weil ein Sachverhalt zugrunde gelegt worden ist, der nach dem Ergebnis der Beweiserhebung nicht als wahr hätte unterstellt werden dürfen, oder weil rechtswidrig ein Verstoß gegen das Mäßigungsgebot festgestellt worden ist (zu beidem s. unten 2b)), kann im Ergebnis offenbleiben, weil diese Fehler jedenfalls nicht offensichtlich i.S.d. § 44 VwVfG sind.
Gleiches gilt für den Widerspruchsbescheid. Es spricht Einiges dafür, dass er an einem schwerwiegenden Fehler leidet, da der Präsident des Oberverwaltungsgerichts - insoweit auch zwischen den Beteiligten nicht im Streit - für das Widerspruchsverfahren nicht zuständig war. Allerdings war auch dieser Fehler nicht offenkundig. Insoweit regelt § 42 Abs. 2 S. 1 LDG, dass der Widerspruchsbescheid durch die oberste Dienstbehörde, mithin das Ministerium der Justiz zu erlassen ist. Zwar kann die oberste Dienstbehörde gemäß § 42 Abs. 2 S. 2 LDG ihre Befugnis delegieren. Eine solche Delegation ist hier aber nicht erfolgt. § 5 Abs. 1 RuBZV regelt, dass die der obersten Dienstbehörde zustehende Befugnis zur Entscheidung über den Widerspruch eines Richters, eines Beamten, eines Richters oder eines Beamten im Ruhestand, eines früheren Richters oder eines früheren Beamten und der Hinterbliebenen gegen den Erlass oder die Ablehnung eines Verwaltungsaktes, gegen eine Maßnahme der Dienstaufsicht (§ 26 des Deutschen Richtergesetzes) oder gegen die Ablehnung eines Anspruchs auf eine Leistung auf den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg übertragen wird, soweit er selbst oder ihm nachgeordnete Behörden die mit dem Widerspruch angefochtene Entscheidung erlassen haben (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 des Beamtenrechtsrahmengesetzes, § 71 Abs. 3 des Deutschen Richtergesetzes). Gemäß § 5 Abs. 3 RuBZV ist in anderen Fällen für die Entscheidung über den Widerspruch und die Vertretung des Landes das Ministerium der Justiz zuständig. Eine Auslegung im Vergleich zu § 1 Abs. 2 Nr. 6 RuBZV, nach der für die Beamten des einfachen, des mittleren und des gehobenen Dienstes die Befugnis zum Erlass eines Widerspruchsbescheides im Disziplinarverfahren gemäß § 42 Abs. 2 LDG auf den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts übertragen wird, soweit die Beamten in seinem Geschäftsbereich tätig sind, ergibt, dass § 1 Abs. 2 Nr. 6 RuBZV allein eine speziellere Regelung und nur für die benannten Beamtengruppen enthält. Demgegenüber soll § 5 RuBZV für Richter keine Delegation nach § 42 Abs. 2 LDG darstellen, sondern beschränkt sich auf dienstaufsichtliche Maßnahmen, die auf § 26 DRiG gestützt werden. Da die einschlägigen Vorschriften zur Zuständigkeit im Widerspruchsverfahren somit zumindest unklar sind, ist vorliegend nicht von einem offenkundigen, schwerwiegenden Fehler auszugehen.
b) Die Disziplinarverfügung vom 05.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2009 war indes rechtswidrig, § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO.
Der vom Beklagten dem Kläger zur Last gelegte Verstoß gegen das Mäßigungsgebot lag nicht vor. Gemäß § 39 DRiG hat der Richter sich innerhalb und außerhalb seines Amtes, auch bei politischer Betätigung, so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird.
Gemäß Art. 97 Abs. 1 GG sind die Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Sie sind, soweit sie Recht sprechen, an Weisungen nicht gebunden. Diese Vorschrift dient in erster Linie dem Schutz der rechtsprechenden Gewalt vor Eingriffen durch die Legislative und die Exekutive (BVerfGE 12, 67 <71>). Sie enthält eine Teilkonkretisierung des in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verankerten Gewaltenteilungsprinzips im Hinblick auf die Dritte Gewalt und gleichzeitig eine Wiederholung des Art. 20 Abs. 3 GG, nach dem die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden sind. Neben der in Art. 97 Abs. 1 GG ausdrücklich garantierten sachlichen Unabhängigkeit und der in Art. 97 Abs. 2 GG institutionell gesicherten persönlichen Unabhängigkeit ist dem Begriff der richterlichen Tätigkeit wesentlich, "daß sie von einem nicht beteiligten Dritten ausgeübt wird". Neutralität, Unparteilichkeit und Distanz sind mit dem Begriff des Richters im Sinne von Art. 97 GG untrennbar verknüpft, wie er sich auch aus dem Rechtsstaatsprinzip, dem Gebot der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 und 3 GG), aus Art. 92 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergibt (BVerfGE 3, 377 <381>; 4, 331 <346>; 21, 139 <145 f.>; 26, 186 <198>; 42, 64 <78>; 60, 253 <296>). Die Unabhängigkeit ist insoweit verpflichtende Aufgabe des Richters, dem gemäß Art. 92 GG die rechtsprechende Gewalt anvertraut ist. Sie begründet eine entsprechende Verantwortung und einen entsprechenden Pflichtenkreis, der andersartig ist und weitreichender sein kann als der eines weisungsgebundenen Beamten. Der Richter muss bei der rechtsprechenden Tätigkeit stets in der Lage sein, frei von außerrechtlichen Einflüssen, Zwängen und Rücksichtnahmen Gesetz und Recht Geltung zu verschaffen.
§ 39 DRiG konkretisiert die mit der Rechtsstellung des Richters verbundene Pflicht zur Zurückhaltung und Mäßigung. Nach dieser Vorschrift, die unter Heranziehung der dargestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben auszulegen ist, hat der Richter sich innerhalb und außerhalb seines Amtes, auch bei politischer Betätigung, so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird. Unabhängigkeit ist dabei nicht nur im Sinne der Unabhängigkeit von den Prozessbeteiligten, insbesondere der Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung von Richtern (vgl. u.a. § 54 VwGO, §§ 41 f. der Zivilprozessordnung (ZPO)) zu verstehen, sondern - wie sich aus den vorangehenden Ausführungen ergibt - in weit umfassenderem Rahmen im Sinne einer äußeren und inneren Unabhängigkeit, also im Sinne von Neutralität, Unparteilichkeit und Distanz. Sie fordert Offenheit und Freiheit der Rechtsprechung gegenüber Staat und Gesellschaft, gegenüber Wertvorstellungen und Ideologien sowie Ausgewogenheit. Voreingenommenheit, Vorurteile und auch Abhängigkeiten von nichtstaatlichen Institutionen und Kräften (u.a. von Verbänden, der Presse, den Parteien und Kirchen) sind mit ihr unvereinbar. Diese innere und äußere Unabhängigkeit des Richters und das Vertrauen in diese Unabhängigkeit werden vom Gesetz als selbstverständlich vorausgesetzt. Der Richter darf durch sein Verhalten keinen gegenteiligen Eindruck erwecken. Seine subjektive Überzeugung, unabhängig zu sein, schließt allein einen Verstoß gegen § 39 DRiG nicht aus. Maßgebend ist vielmehr das Vertrauen derer, die sich an dem Begriff der Unabhängigkeit in dem dargelegten Sinne orientieren. Ebenso wie eine wegen überspitzter Anforderungen und Empfindlichkeiten nicht mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben und der gesetzlichen Regelung zu vereinbarende Einbuße an Vertrauen unbeachtlich ist, müssen "schlechte Sitten" außer Betracht bleiben.
Die sich aus Art. 97 GG ergebenden, in § 39 DRiG konkretisierten Pflichten eines Richters sind mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar, nach dem jeder das Recht hat, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Art. 97 GG gewährleistet dem Richter die Unabhängigkeit nicht als subjektives Recht, als Richterprivileg im Sinne eines zusätzlichen Grundrechts. Die Unabhängigkeit dient vielmehr allein dem Interesse an einer funktionsfähig, intakten, rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Rechtsprechung. Der Richter kann sich deshalb bei Ausübung seines Amtes nicht auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen. Er genießt vielmehr als Staatsbürger wie jeder andere Staatsbürger den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Der Richter muss allerdings auch außerhalb seines amtlichen Pflichtenkreises der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die in das Richteramt gesetzt werden. Der Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist ihm insoweit gewährleistet, als es mit den sich aus seinem Richteramt ergebenden Pflichten vereinbar ist, wobei die rechtlich begründeten Grenzen des Art. 5 GG im Lichte des durch sie begrenzten Grundrechts auszulegen sind (vgl. hierzu die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zu den durch Art. 33 Abs. 5 GG gedeckten Regelungen des Beamten- und Disziplinarrechts: BVerfGE 39, 334 <366 f.> mit umfangreichen Nachweisen; BVerfG, Vorprüfungsausschuss, Beschluss vom 30. August 1983 - 2 BvR 1334/82 - <NJW 1983, 2691>; BVerwGE 47, 330 <355 f.>; 52, 313 <328>; 61, 176 <177 f.>).
Außerdienstliche Meinungsäußerungen eines Richters in der Öffentlichkeit stehen hiernach grundsätzlich unter dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG. Als Staatsbürger kann der Richter seine Auffassungen in Wort, Schrift und Bild äußern und verbreiten, und zwar unabhängig davon, ob andere die von dem Richter vertretene Meinung für richtig oder falsch halten. Staat und Gesellschaft können an unkritischen Richtern kein Interesse haben. Der Richter kann sich, soweit kein unmittelbarer Bezug zu konkreten, von ihm zu entscheidenden Rechtsstreitigkeiten besteht, mit der gebotenen Sachlichkeit und Distanz in Wort und Schrift u.a. in Zeitschriften, in Referaten, bei Kolloquien usw. zu jedem Thema, auch zu rechtspolitischen Fragen äußern. Auch die Erwähnung des Richteramts ist in der Regel erlaubt (vgl. § 10 Abs. 1 BbgRiG i.V.m. § 69 Abs. 3 S. 1 LBG; ferner auch § 46 DRiG i.V.m. § 86 Abs. 2 Satz 1, 2 BBG und entsprechende Vorschriften anderer Länder), ebenso wie ein Richter, dessen Rechtsstellung in der Öffentlichkeit bekannt ist, nicht von Meinungsäußerungen ausgeschlossen ist (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1987 – 2 C 72/86 –, BVerwGE 78, 216-223, Rn. 11 - 14).
An diesen Maßstäben ausgerichtet, verstoßen die Äußerungen des Klägers im Zeitungsartikel vom 04.06.2008 und auch das dem Artikel beigefügte Foto nicht gegen die Pflicht des Klägers zur Mäßigung. Die für die gegenteilige Auffassung in der Disziplinarverfügung bemühten Argumente des Beklagten verfangen nicht. Dabei ist zunächst festzustellen, dass die dem Kläger vorgeworfenen Äußerungen nach dem Ergebnis der Beweiserhebung diesem schon nicht zwingend zurechenbar waren, weil die vom Ermittlungsführer als Zeugin vernommene Journalistin ausgesagt hatte, die Angaben des Klägers im Interview in eigenen Worten wiedergegeben zu haben.
Unabhängig davon ist auch durch die vom Beklagten beanstandete Passage im Zeitungsartikel vom 04.06.2008 „Im Nachhinein ärgert er sich, dass er dem Vergleich zustimmte“ die Verpflichtung des Klägers zur Mäßigung unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit nicht verletzt. Zum einen darf sich auch ein Richter als Privatperson ärgern. Zum anderen dürfte sich das Ärgern – so der Kläger einem solchen Ausdruck verliehen haben sollte – maßgeblich auf ihn selber beziehen, da seine Zustimmung zu dem Vergleich conditio sine qua non für dessen Wirksamkeit war. Dem Richter ist es nicht verwehrt sich über sein eigenes Verhalten in einem privaten Prozess zu ärgern und diesem Ausdruck zu verleihen. Herabsetzende Äußerungen gegenüber Dritten, sei es dem ...., sei es dem verhandelnden Richter am Oberverwaltungsgericht waren damit indes auch unter Berücksichtigung des Kontextes in keiner Weise verbunden.
Soweit es die Passage betrifft: „Der …... .... will seinen juristischen Feldzug gegen den Zweckverband fortsetzen“, stammt diese Formulierung nicht vom Kläger und ist ihm auch nicht als Zitat zugewiesen. Dass er ankündigt eine weitere „Normenkontrollklage“ gegen die seit Januar 2008 geltende Trinkwassergebührensatzung einzureichen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Auch ein Richter darf Rechtsstreitigkeiten gegen eine Satzung führen und dies öffentlich kommunizieren. Soweit es die ihm als Zitat zugeschriebene Passage „und suche dafür noch Mitstreiter“ betrifft, ist nicht festzustellen, dass diese tatsächlich von ihm stammt. Insoweit hat die Autorin des Zeitungsartikels, Frau ....schon vor dem Ermittlungsführer mitgeteilt, die Zitate seien von ihr redaktionell bearbeitete und von den juristischen Formulierungen „übersetzte“ Aussagen.
Soweit es das Foto betrifft, ist auch damit das Mäßigungsgebot nicht verletzt. Dieses zeigt den Kläger dabei, wie er seinen Garten mit einem Wasserschlauch wässert. Eine selbstherrliche Pose vermag das Gericht demgegenüber nicht zu erkennen. Soweit es den Kontext betrifft, ist auch damit das Mäßigungsgebot nicht überschritten. Der Kläger hat – was unstreitig ist und insoweit im Artikel auch objektiv zutreffend wiedergegeben wurde – zum Zeitpunkt des Erscheinens des Artikels noch nie Wassergebühren an den für ihn zuständigen Zweckverband – den .... – gezahlt. Der vom Beklagten daraus gewonnene Eindruck, dass das Foto den Kläger beim Verbrauch von Leistungen zeige, für die er letztlich nicht bezahle, ist aber zu weitgreifend. Das Foto ist erkennbar der Versuch, die Problematik der ansonsten wenig plastischen Materie des Abgabenrechts bildlich zu illustrieren. Dafür bietet sich der Wasserverbrauch aus naheliegenden Gründen eher an als die Abwasserentsorgung. Das ist in der hier geschehenen Form nicht zu beanstanden. Der vom Beklagten gewonnene Eindruck eines „selbstherrlichen“ Klägers, der sich kostenlos mit Wasser versorge, wird zudem auch durch den letzten Satz des Artikels relativiert, der im direkten Kontext mit der Frage steht, warum der Kläger bisher nie Wassergebühren gezahlt habe: nämlich weil er alle Bescheide (erfolgreich) angefochten hat. Damit war der Kläger auch nicht verpflichtet entsprechende Gebühren zu zahlen. Die Grenze zum Hohn war dabei nicht überschritten.
Soweit der Kläger zusätzlich einwendet, auf dem Bild nehme er gar nicht die Wasserversorgungsleistung des .... in Anspruch, vielmehr erfolge die Bewässerung seines Gartens über aufgefangenes Regenwasser aus Zisternen, spielt dies indes keine Rolle. Maßgeblich ist nämlich nicht, was objektiv geschehen ist, sondern wie seine Äußerung objektiv betrachtet wahrgenommen werden kann. Dem Leser des Zeitungsartikels und damit der Öffentlichkeit ist indes diese zusätzliche Tatsache nicht bekannt.
c) Dem Kläger steht indes nicht der weitere, prozessual auf § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO gestützte Anspruch auf weitere öffentliche Rehabilitierung zu. Insoweit genügt die festgestellte Rechtswidrigkeit der Disziplinarverfügung vollständig zur Rehabilitierung des Klägers. Einer weiteren (öffentlichen) Äußerung oder Entschuldigung o.Ä. bedarf es nicht, um den Kläger zu rehabilitieren. Dass es im Übrigen Vollzugsfolgen der Disziplinarverfügung gäbe, die rückgängig gemacht werden könnten oder müssten, ist nicht ersichtlich. Auch vermag das Gericht für den insoweit geltend gemachten Anspruch keine Anspruchsgrundlage zu erkennen. Soweit der Kläger sich auf die Fürsorgepflicht (vgl. § 45 BeamtStG) beruft, bildet diese keine Anspruchsgrundlage im Verfahren vor dem Dienstgericht.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 73 Abs. 1 BbgRiG, 78 Abs. 4 LDG, 155 Abs. 1 S. 1 VwGO. Dabei wurde berücksichtigt, dass die Überprüfung der Disziplinarverfügung für den Kläger im Mittelpunkt des Interesses stand.
IV. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 73 Abs. 1 BbgRiG i.V.m. § 3 LDG i.V.m. § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
V. Gemäß § 73 Abs. 1 BbgRiG i.V.m. § 65 Abs. 2 LDG ist der Antrag auf Zulassung der Berufung der statthafte Rechtsbehelf ist. Gemäß § 65 Abs. 1 LDG steht den Beteiligten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts über eine Disziplinarklage die Berufung an das Oberverwaltungsgericht zu. Gemäß § 65 Abs. 2 LDG steht im Übrigen den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts nur zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. Die §§ 124 und 124a der Verwaltungsgerichtsordnung sind anzuwenden. Das Urteil betrifft keine Disziplinarklage (vgl. zum Begriff § 73 Abs. 1 BbgRiG i.V.m. § 35 LDG). Daher ist der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Maßgabe, dass anstelle des Verwaltungsgerichts das Dienstgericht und anstelle des Oberverwaltungsgerichts der Dienstgerichtshof die zuständigen Gerichte sind, statthafter Rechtsbehelf.
Dieser Einschätzung steht auch nicht die Regelung des § 66 Nr. 1 BbgRiG entgegen, wonach der Dienstgerichtshof über Berufungen gegen Urteile des Dienstgerichts entscheidet. Denn hier liegt ein Fall des § 66 Nr. 2 BbgRiG vor, nach dem der Dienstgerichtshof in den sonstigen Fällen, in denen nach den Vorschriften dieses Gesetzes und den danach anzuwendenden Verfahrensgesetzen das Gericht des zweiten Rechtszugs zuständig ist, entscheidet.
Dem steht ferner auch nicht die Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2000 – RiZ (R) 4/99 –, BGHZ 144, 123-133) und des Brandenburgischen Dienstgerichtshofs für Richter (Brandenburgischer Dienstgerichtshof für Richter, Urteil vom 28. April 2008 – DGH 2/07 –, Rn. 14, juris) entgegen, da diese die zulassungsfreie Berufung nur im Hinblick auf Prüfungs- und Versetzungsverfahren (vgl. § 80 DRiG, §§ 65 Nr. 2-4, 80ff. BbgRiG) für statthaft erklärt und dies im Wesentlichen mit der nach § 80 Abs. 2 DRiG stets zuzulassenden Revision begründet. Dieses Argument greift für Disziplinarverfahren nicht, vgl. § 81 DRiG. Ferner spricht für die Auffassung, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung im vorliegenden Verfahren statthaft ist, der daraus folgende und vom Gesetzgeber durch den Verweis des § 73 Abs. 1 BbgRiG auf das Landesdisziplinargesetz beabsichtigte weitgehende Gleichlauf zwischen Disziplinarverfahren betreffend Richter einerseits und Beamten andererseits.