Gericht | VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 07.11.2013 | |
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Aktenzeichen | 5 K 607/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger wendet sich gegen einen bergrechtlichen Grundabtretungsbeschluss, mit dem ihm der Besitz an seinem Grundstück entzogen und der Beigeladenen zur bergbaulichen Nutzung übertragen worden ist, und gegen die vorzeitige Einweisung der Beigeladenen in den Besitz dieses Grundstücks.
Der als Immobilienmakler tätige Kläger erwarb durch notariellen Kauf- und Abtretungsvertrag vom 25. November 2005 von Frau ... das Eigentum an dem ... qm großen Flurstück ... der Flur ... in der Gemarkung ... einschließlich der „Rechte an allen offenen Forderungen im Zusammenhang mit dem Abriss des Hauses auf dem Grundstück gegen die ... Zementwerke“ zu einem Kaufpreis von ca. 1.650,00 Euro. Es handelt sich um ein unbebautes, unerschlossenes Waldgrundstück, welches innerhalb des Abbaugebiets des von der Beigeladenen betriebenen Kalksteintagebaus Rüdersdorf liegt. Auf dem Grundstück befand sich zu DDR-Zeiten ein Haus, wobei es sich den Nachforschungen der Rüdersdorfer Zement GmbH – der Vorgängergesellschaft der Beigeladenen – zufolge um „ein kleines Wohnhaus mit nur einem unbedeutenden Nebengelass“ gehandelt haben soll, welches in den siebziger Jahren bzw. Anfang der 80er Jahre abgerissen wurde; nach Vermutungen der Beigeladenen im Zusammenhang mit einem Ministerratsbeschluss der DDR zur Teilortverlagerung Rüdersdorf. Die Rüdersdorfer Zement GmbH teilte dem Kläger mit Schreiben vom 29. Juli 2004 mit, es sei „sicher“, dass „der Abriss durch unser Vorgängerunternehmen, den VEB Zementwerke Rüdersdorf, selbst durchgeführt bzw. veranlasst und finanziert“ worden sei. Der Kläger und die Beigeladene gehen davon aus, dass das Grundstück damals unter staatlicher Verwaltung stand, nach Angaben der Beigeladenen durch die Gebäudewirtschaft Rüdersdorf. Seit dem Jahr 2004 hatten der Kläger und die Beigeladene bzw. die Rüdersdorfer Zement GmbH Verhandlungen über einen freihändigen Erwerb des Grundstücks bzw. einen Grundstückstausch oder eine Pachtmöglichkeit geführt, in dessen Verlauf die Beigeladene dem Kläger mit Schreiben vom 18. April 2008 einen Gesamtbetrag von 45.000,00 Euro unter Einbeziehung der von dem Kläger wegen des Abrisses des Hauses geltend gemachten Schadensersatzansprüche angeboten hatte, der Kläger hingegen mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 bzw. 30. Dezember 2009 einen Betrag in Höhe von 285.000,00 Euro forderte. Zuletzt bot die Beigeladene dem Kläger mit Schreiben vom 21. und 29. Juli 2009 an, das Grundstück zur Erledigung sämtlicher Ansprüche für 20.000,00 Euro (Variante 1) oder für 2.000,00 Euro zu erwerben, wobei davon die Geltendmachung weiterer Ansprüche wegen des früheren Gebäudes unberührt bleiben sollte (Variante 2). Des Weiteren wurde angeboten, das Grundstück zu pachten oder gegen ein anderes Grundstück zu tauschen. Durch Gutachten des Sachverständigen ... vom 13. April 2010 wurde der Verkehrswert des Grundstücks zum Stichtag 25. März 2010 auf 200,00 Euro geschätzt. Nachdem keine Einigung zwischen dem Kläger und der Beigeladenen erzielt werden konnte, entzog der Beklagte auf den Antrag der Beigeladenen vom 8. Oktober 2009 mit Grundabtretungsbeschluss vom 9. Juni 2010 dem Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung den Besitz an dem vorgenannten Grundstück und übertrug ihn der Beigeladenen zur bergbaulichen Nutzung zum Zwecke der Errichtung und Führung eines Gewinnungsbetriebs für Kalkstein im Tagebaubetrieb mittels Großgerätetechnik. Dem Kläger wurde aufgegeben, das damit im Zusammenhang stehende Betreten, Befahren, Verändern sowie die sonstigen Benutzungen durch Mitarbeiter oder Beauftragte der Beigeladenen für 30 Jahre zu dulden. Der Beigeladenen wurde zur Sicherung ihres Nutzungsrechts eine erstrangige beschränkt persönliche Dienstbarkeit für die Dauer von 30 Jahren eingeräumt. Ihr wurde weiter aufgegeben, dem Kläger eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 3,88 Euro pro Jahr zu leisten und darüber hinaus für die Belastung des Grundstücks mit einer Dienstbarkeit einen einmaligen Betrag von 50 Euro zu zahlen.
Mit Beschluss vom 9. August 2010 wies der Beklagte die Beigeladene auf deren Antrag vom 14. Juli 2010 zu Lasten des Klägers unter Anordnung der sofortigen Vollziehung vorzeitig in den Besitz des vorgenannten Grundstücks mit Wirkung vom 16. August 2010 ein.
Am 29. Juni 2010 hat der Kläger gegen den Grundabtretungsbeschluss des Beklagten vom 9. Juni 2010 Klage erhoben und diese am 10. August 2010 auf die vorzeitige Besitzeinweisung vom 09. August 2010 erweitert.
Das erkennende Gericht hat mit Beschluss vom 16. August 2010 (VG 5 L 239/10) die Anträge des Klägers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die jeweiligen Anordnungen der sofortigen Vollziehung der Grundabtretung und der vorzeitigen Besitzeinweisung abgelehnt. Beschwerde gegen diese Entscheidung hat der Kläger nicht eingelegt.
Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, die Voraussetzungen des § 79 Abs. 2 Bundesberggesetz (BbergG) seien nicht erfüllt. Die Inanspruchnahme seines Grundstücks sei nicht notwendig gewesen. Die Betriebsführung sei auch unter Umfahrung seines Grundstücks möglich. Zudem sei unter dem Grundstück nur ein geringes Abbauvolumen vorhanden. Auch habe die Beigeladene sich nicht ernsthaft um den freihändigen Erwerb des Grundstücks zu angemessenen Bedingungen im Hinblick auf den illegalen Abriss des Hauses bemüht. Der Beklagte habe wegen dieser „Straftat“ nicht hinreichend ermittelt. Er habe die Angebote der Beigeladenen wegen deren Weigerung, fehlende Unterlagen vorzulegen, nicht überprüfen können. Im Hinblick auf die vorangegangenen „kriminellen Machenschaften“ diene die Grundabtretung jedenfalls nicht dem „Wohl der Allgemeinheit“.
Der Kläger beantragt (schriftlich) sinngemäß,
den Grundabtretungsbeschluss des Beklagten vom 09. Juni 2010 und den Beschluss des Beklagten über die vorzeitige Besitzeinweisung vom 9. August 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung vertieft er die Gründe des angefochtenen Grundabtretungsbeschlusses und des Beschlusses über die vorzeitige Besitzeinweisung. Die angefochtenen Beschlüsse seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für die Grundabtretung gemäß §§ 77 ff. BBergG lägen vor. Die Inanspruchnahme des Grundstücks sei im Sinne des § 77 Abs. 1 BBergG notwendig. Das Vorhaben der Beigeladenen entsprechend der in den Betriebsplänen dargestellten und zugelassenen Betriebsführung unter Inanspruchnahme des streitgegenständlichen Grundstücks erfülle diese Anforderungen. Das klägerische Grundstück selbst liege in vollem Umfang innerhalb der Abbaugrenze. Mithin komme es nicht darauf an, wie der Kläger meine, dass unter dem Grundstück nur ein geringes Abbauvolumen vorhanden sei. Soweit der Kläger geltend mache, dass die Betriebsführung auch unter Umfahrung seines Grundstücks möglich wäre, greife dieser Einwand nicht durch. Der Begriff der Notwendigkeit der Grundstücksbenutzung im Sinne des § 77 BBergG begründe für die Bergbaubehörde — an dieser Stelle — nicht die Pflicht, einen zugelassenen und betriebenen Tagebau darauf zu hinterfragen, ob möglicherweise eine andere als die zugelassene Betriebsführung oder gar eine Stilllegung des Betriebs unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten realisierbar oder sachgerecht sei. Ebenso bestehe kein Zweifel, dass die Grundabtretung aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen durch sinnvollen und planmäßigen Abbau der Lagerstätte notwendig sei. Die Allgemeinwohldienlichkeit der Kalksteingewinnung sei in den Gründen des Grundabtretungsbeschlusses ausführlich begründet worden. Dem sei der Kläger auch nicht substantiiert entgegengetreten.
Auch lägen die Voraussetzungen vor, dass sich die Beigeladene ernsthaft vergeblich um eine gütliche Einigung bemüht habe (§ 79 Abs. 2 BBergG). Diese Voraussetzung fordere von der Beigeladenen nicht den unerschöpflichen Austausch und die Erfüllung der Einigungsvorstellungen des Klägers, sondern ein Angebot, das dem Verkehrswert bzw. den marktüblichen Konditionen für ein Nutzungsverhältnis entspreche. Der Abbruch der Verhandlungen nach mehrjähriger erfolgloser Unterbreitung zahlreicher Angebote könne der Beigeladenen nicht zum Nachteil angelastet werden. Dem Kläger sei u. a. mit Schreiben der Bevollmächtigten der Beigeladenen vom 29. Juni 2010 der separate Ankauf des Grundstücks für einen Preis von 2.000,00 Euro angeboten worden, mithin zum Zehnfachen des geschätzten Verkehrswertes lt. Gutachten. Weitere angemessene Angebote auch hinsichtlich eines Pachtvertrages bzw. Flächentausches seien der im Vorfeld des Grundabtretungsantrages geführten Korrespondenz zu entnehmen. Der Kläger sei jegliche durchgreifende Begründung schuldig geblieben, warum er nicht eines dieser angemessenen Angebote angenommen habe. Einer anderen Bewertung bedürfe es auch nicht deshalb, weil es sich, wie der Kläger anführe, um einen Sonderfall handle. Der Vortrag des Klägers erschöpfe sich in der Behauptung, dass mit dem Abriss des Gebäudes ein rechtswidriger Eingriff erfolgt sei. Weder liege ein Nachweis vor, dass der zu DDR-Zeiten erfolgte Abriss nicht legitimiert gewesen sei, noch dass der Beigeladenen ein rechtswidrig schuldhaftes Handeln anzulasten sei. Soweit der Kläger geltend mache, der Beklagte bzw. die Beigeladene wären gehalten gewesen, Ermittlungen hinsichtlich der von ihm behaupteten Schadensersatzansprüche durchzuführen, verkenne er die Rechtslage und Beweislast. Der Beklagte sei weder im Zuge der ihm obliegenden Aufklärung des Sachverhalts im Grundabtretungsverfahren, noch im Rahmen seiner sonstigen Zuständigkeiten dazu verpflichtet gewesen. Sowohl die Grundabtretung und vorzeitige Besitzeinweisung als auch die Zulassungen der Betriebspläne hätten unbeschadet der Forderungen des Klägers ergehen können. Die Betriebsplanzulassung sei als gebundene Entscheidung zu erteilen, wenn die Zulassungsvoraussetzungen des § 55 BBergG vorliegen und keine überwiegenden öffentlichen Interessen in Sinne des § 48 Abs. 2 BBergG die Beschränkung oder Versagung erfordern würden. Diese Zulassung setze nicht voraus, dass die Beigeladene bereits die Verfügungsgewalt über alle Grundstücke inne gehabt habe. Auch sei die für die Grundabtretung zu leistende Entschädigung zutreffend ermittelt worden. Für die Bemessung der Entschädigung im Grundabtretungsverfahren sei gemäß § 84 Abs. 5 BBergG der Zeitpunkt der Grundabtretung maßgeblich. Dass das durch den beauftragten Sachverständigen erstellte Gutachten für den maßgeblichen Zeitpunkt zutreffend sei, räume der Kläger selbst ein (Klageerweiterung vom 11.08.2010 S. 6 letzter Absatz). Die hypothetischen Erwägungen des Klägers könnten dagegen nicht zur Grundlage der Entscheidung gemacht werden. Vielmehr sei auf den tatsächlich vorliegenden Sachverhalt abzustellen, d.h. den Zustand des Grundstücks zum Zeitpunkt des Grundabtretungsbeschlusses.
Auch der Beschluss über die vorzeitige Besitzeinweisung sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen für seinen Erlass lägen vor. Die erforderliche Rechtmäßigkeit der Grundabtretung sei gegeben. Darüber hinaus sei die sofortige Ausführung der Grundabtretung aus den im § 79 BBergG genannten Gründen des Allgemeinwohls dringend geboten gewesen. Die Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks sei im Geltungszeitraum des aktuellen Hauptbetriebsplanes für den Tagebau Rüdersdorf vorgesehen. Der tatsächliche Abbaufortschritt stelle sich so dar, dass im Zeitpunkt der vorzeitigen Besitzeinweisung die Grundstücke im Umfeld bereits in Anspruch genommen worden seien und der Sicherheitsabstand zu dem klägerischen Grundstück bereits erreicht worden sei, so dass die Inanspruchnahme unmittelbar bevorgestanden habe und diese sowohl aus sicherheitstechnischen Gründen als auch aus Gründen der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen mittels sinnvollem und planmäßigen Abbau der Lagerstätte zwingend erforderlich gewesen sei. Der Kläger habe auch nichts vorgetragen, was die Annahme der dringenden Notwendigkeit der Inanspruchnahme des Grundstücks in Zweifel ziehen könne.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der angefochtene Grundabtretungsbeschluss des Beklagten wie auch sein Beschluss über die vorzeitige Besitzeinweisung seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Zur Begründung verweist die Beigeladene auf die Gründe des Beschlusses der Kammer vom 16. August 2010. Gründe, die im vorliegenden Hauptsacheverfahren eine andere Entscheidung des erkennenden Gerichts rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Sie seien insbesondere weder vom Kläger substantiiert vorgetragen noch aus sonstigen Umständen heraus ersichtlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, den Vortrag der Beteiligten sowie den vom Beklagten eingereichten Verwaltungsvorgang (3 Ordner) verwiesen.
Die Sache konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung gem. § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) verhandelt und entschieden werden, weil dieser rechtzeitig unter Hinweis auf diese Folge seines Ausbleibens geladen wurde. Die Verhandlung war auch nicht gem. § 173 VwGO in Verbindung mit § 227 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) zu vertagen. Der Kläger, der nach dem Vorbringen in seinem Schriftsatz vom 06. November 2013 krankheitsbedingt an der Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung gehindert war, hatte eine Aufhebung des Termins nicht beantragt, sondern vielmehr um „Entscheidung nach Aktenlage“ gebeten.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Grundabtretungsbeschluss des Beklagten vom 9. Juni 2010 und der Beschluss über die sofortige Besitzeinweisung vom 09. August 2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
I.
Der Grundabtretungsbeschluss des Beklagten vom 09. Juni 2010 ist rechtmäßig.
Die angefochtene Grundabtretung stützt sich auf § 77 Abs. 1 Bundesberggesetz (BBergG). Hiernach kann nach den Vorschriften des BBergG auf Antrag des Unternehmers eine Grundabtretung durchgeführt werden, soweit für die Errichtung oder Führung eines Gewinnbetriebes oder Aufbereitungsbetriebes einschließlich der dazugehörigen, in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Tätigkeiten und Einrichtungen die Benutzung des Grundstücks notwendig ist.
Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Grundabtretung sind gegeben.
Der Beklagte war für die Durchführung des Grundabtretungsverfahrens gemäß § 142 BBergG i.V.m. § 1 Abs. 1 Bergbehördenzuständigkeitsverordnung vom 10. November 2005 (GVBl. II S. 526), zuletzt geändert durch Verordnung vom 10. März 2009 (BVBl. II S. 120), zuständig.
Die Beigeladene hat den nach § 105 BBergG i. V. m. § 64 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) erforderlichen schriftlichen Antrag mit Schreiben vom 08. Oktober 2008 gestellt. Sie ist Unternehmer im Sinne der §§ 77 Abs. 1, 4 Abs. 5 BBergG. Die Beigeladene ist als Bergwerkseigentümerin des Bergfeldes ... für den Bodenschatz Kalkstein im Berggrundbuch beim Amtsgericht Cottbus eingetragen.
Der Kläger hat zu dem Antrag auf Grundabtretung mit Schreiben vom 31. Dezember 2009 Stellung genommen. Eine mündliche Verhandlung fand am 28. Januar 2010 statt unter Teilnahme des Klägers und Vertretern der Beigeladenen.
Die sich aus § 77 BBergG ergebenden weiteren Voraussetzungen einer Grundabtretung liegen ebenfalls vor. Die mit Beschluss des Beklagten vom 9. Juni 2009 verfügte Grundabtretung des streitgegenständlichen Grundstücks soll die Beigeladene in die Lage versetzen, das Grundstück zum Abbau von Kalkstein zu nutzen. Die Grundabtretung dient damit ohne Zweifel der Fortführung eines Gewinnungsbetriebs i. S. von § 77 Abs. 1 BBergG.
Die Benutzung der Grundstücke ist auch notwendig i. S. von § 77 Abs. 1 und Abs. 2 BBergG zur Fortführung des Betriebs. Sie entspricht, was § 77 Abs. 2 BBergG als ein Beispiel für die Notwendigkeit der Grundstücksbenutzung hervorhebt, einer technisch und wirtschaftlich sachgemäßen Betriebsplanung, weil ohne die Inanspruchnahme des Grundstücks die Fortführung des Tagebaus gemäß den zugelassenen Betriebsplänen nicht möglich ist. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Urteil vom 29. Juni 2006 (Garzweiler II) entschieden hat (BVerwG 7 C 11.05, BVerwGE 126, 205) „ist durch den bestandskräftigen Rahmenbetriebsplan festgestellt, dass das Vorhaben einer technisch und wirtschaftlich sachgemäßen Betriebsplanung und Betriebsführung entspricht und die Benutzung der Grundstücke für das Abbauvorhaben unter diesem Gesichtspunkt notwendig ist." Für das streitgegenständliche Grundstück liegen bereits seit mehreren Jahren bestandskräftige Rahmen- und Hauptbetriebsplanzulassungen vor. Das Grundstück liegt innerhalb des Abbaufeldes. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es als „Insel“ isoliert umfahren werden könnte. Im Übrigen stellt sich die Frage, ob eine Umfahrung des Grundstücks technisch und wirtschaftlich möglich ist, in diesem Zusammenhang nicht. Der Begriff der Notwendigkeit der Grundstücksbenutzung im Sinne des § 77 BBergG begründet für die Bergbaubehörde — an dieser Stelle — nicht die Pflicht, einen zugelassenen und betriebenen Tagebau darauf zu hinterfragen, ob möglicherweise eine andere als die zugelassene Betriebsführung oder gar eine Stilllegung des Betriebs unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, realisierbar oder sachgerecht wäre. (OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 28.09.2000 - 4 B 130/00, juris, Rn 29). Gegenstand der Notwendigkeitsprüfung nach § 77 BBergG ist vielmehr das konkrete, dem Antrag zu Grunde liegende Vorhaben, wie es sich aus den zugelassenen Betriebsplänen ergibt. Demgemäß beurteilt sich die Notwendigkeit der Inanspruchnahme fremder Grundstücke nicht nach einer abstrakt-theoretischen, sondern aus der aus der Sicht des Betriebsplanes technisch und wirtschaftlich sachgemäßen Möglichkeit ihrer Nutzung (vgl. OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 28. September 2000 – 4 B 130/00 a.a.O.). Dass die Grundabtretung für eine technisch und wirtschaftlich sinnvolle Betriebsführung und Ausbeutung der Lagerstätte erforderlich ist, hat der Kläger im Übrigen nicht substantiiert in Zweifel gezogen.
Die Grundabtretung dient dem Wohl der Allgemeinheit i. S. des § 79 Abs. 1 BBergG. Die Zulässigkeit der Grundabtretung als einer Enteignung (zu Gunsten Dritter) fordert mit Blick auf Art. 14 Abs. 3 Grundgesetz - GG eine Gesamtabwägung der im Einzelfall für die Grundstücksinanspruchnahme streitenden öffentlichen Belange mit den gegebenenfalls entgegenstehenden Allgemeinwohlinteressen unter Einbeziehung der von der Inanspruchnahme des Grundstücks berührten privaten Belange. Eine solche, auch die gegebenenfalls entgegenstehenden öffentlichen Belange einbeziehende Entscheidung kann auch der Private verlangen, dessen Eigentum für das Vorhaben in Anspruch genommen werden soll; denn ein Vorhaben, das zwar dem gesetzlich bestimmten Enteignungszweck dient, dem aber überwiegende anderweitige öffentliche Belange entgegenstehen, dient nicht dem Allgemeinwohl, so dass dafür eine Enteignung nicht zulässig ist (BVerwG, NVwZ 1991, 987 = ZfB 132, 129 [136f.]; s. auch BVerwGE 74, 109 [110f.] = NJW 1986, 2449 m. w. Nachw.).
Die danach gebotene Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange ergibt, dass der Beklagte im Grundabtretungsverfahren zutreffend die Gemeinwohldienlichkeit der Grundstücksinanspruchnahme angenommen hat. Sie dient der Sicherung der Rohstoffversorgung durch den planmäßigen und sinnvollen Abbau heimischer Energieträger, der Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur sowie der Erhaltung von Arbeitsplätzen (vgl. § 79 Abs. 1 BBergG). Die Beigeladene hat plausibel aufgezeigt, dass sich ihre Abbauverluste bei Aussparung des Grundstücks auf 3,7 Mio. t Kalkstein belaufen würden, was vier Jahresfördermengen entsprechen würde. Dem stehen keine überwiegenden öffentlichen Belange anderer Art oder private Interessen gegenüber.
Entgegen der Ansicht des Klägers hat sich die Beigeladene als Grundabtretungsbegünstigte auch gemäß § 79 Abs. 2 Nr. 1 a) BBergG um den freihändigen Erwerb des Grundstücks zu angemessenen Bedingungen bemüht. Dabei ist grundsätzlich vor allem der aktuelle Verkehrswert des Grundstücks maßgeblich, was sich aus § 85 Abs. 1, Abs. 2 BBergG ergibt. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass weitere Schadensersatzansprüche außerhalb des Grundabtretungsverfahrens grundsätzlich außer Betracht zu bleiben haben. Gleichwohl hat die Beigeladene bzw. deren Rechtsvorgängerin in den seit 2004 geführten Verhandlungen in ihren Angeboten auch die (vermeintlichen) Ansprüche des Klägers, der ein unbebautes Waldgrundstück erworben hat, auf Schadensersatz in Bezug auf den zu DDR-Zeiten erfolgten Abriss des auf dem Grundstück befindlichen Gebäudes mit einbezogen und Angebote bis zu 45.000,00 Euro gemacht, während das Grundstück zum Zeitpunkt der Grundabtretung nur einen Wert von 200,00 Euro hatte. Soweit der Kläger moniert, ihm seien Unterlagen vorenthalten worden, ist darauf hinzuweisen, dass vorliegend nicht pauschal unterstellt werden kann, dass die Beigeladene bewusst Unterlagen unterschlägt, da die Beigeladene selbst zum damaligen Zeitpunkt nicht involviert war und möglicherweise aussagekräftige Dokumente bzgl. des Abrisses nicht mehr vorhanden sind. Im Übrigen ist der Kläger, der Ansprüche auf Schadensersatz geltend macht, selbst darlegungs- und beweispflichtig. Die bislang vorliegenden Informationen lassen jedenfalls nicht den Schluss zu, dass durch den Abriss des Hauses durch einen Rechtsvorgänger der Beigeladenen eine unerlaubte Handlung bzw. eine Straftat begangen wurde. Zwar hat die Rüdersdorfer Zement GmbH gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 29. Juli 2004 eingeräumt, der Abriss sei durch ihren Vorgänger VEB Zementwerke Rüdersdorf veranlasst und finanziert worden. Insoweit sind jedoch die näheren Umstände nicht bekannt. Erwähnt wurde durch die Beigeladene, dass der Abriss möglicherweise im Zusammenhang mit einer durch einen Ministerratsbeschluss der DDR angeordneten Teilstandortverlagerung stand und somit auf Anordnung „höherer Stellen“ erfolgte. Soweit das Gebäude unter staatliche Verwaltung stand, ist davon auszugehen, dass ein Abriss nur auf Veranlassung des staatlichen Verwalters bzw. mit dessen Zustimmung erfolgen konnte. Insoweit käme ein Anspruch gemäß § 13 VermG gegen den staatlichen Verwalter in Betracht. Die Preisvorstellungen des Klägers, der bei seinem Angebot von 285.000,00 Euro offensichtlich auch entgangene Mieterträge für 25 Jahre einbezogen hat, erscheinen allerdings weit überzogen. Es liegen überhaupt keine Unterlagen über Größe, Zustand und Beschaffenheit des Hauses vor. Die Rüdersdorfer Zement GmbH erwähnt in ihrem Schreiben vom 25. Februar 2005, es habe sich um „ein kleines Wohnhaus mit nur unbedeutendem Nebengelass“ gehandelt, was an einem Mietshaus mit erheblichen Mieteinnahmen zweifeln lässt. Der Kammer ist zudem bekannt, dass in einer Vielzahl von Fällen in der ehemaligen DDR Eigentümer auf ihr Eigentum an Mietshäusern verzichteten, weil die damaligen staatlich festgesetzten Niedrigmieten die Kosten (insbesondere für die Instandhaltung) nicht deckten.
Sofern der Kläger gleichwohl weitere Ansprüche auf Schadensersatz zu haben glaubt, bleibt es ihm unbenommen, diese auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen.
Nach alledem kann der Kläger der Beigeladenen nicht vorhalten, sie habe sich in sechs Jahren in Anbetracht der Umstände und ihrer - daran gemessen - sehr großzügigen Angebote nicht ernsthaft um einen freihändigen Erwerb des Grundstücks zu angemessen Bedingungen bemüht. Soweit sich der Kläger im Hinblick auf das Angebot in Höhe von 45.000,00 Euro „genötigt“ fühlt, ist dies nicht nachvollziehbar.
Die Beigeladene hatte auch glaubhaft gemacht, dass das Grundstück gemäß § 79 Abs. 2 Nr. 2 BBergG innerhalb angemessener Frist zum Abbau von Kalkstein verwendet wird. Im Übrigen ist das Grundstück des Klägers mittlerweile für den Kalkabbau verwendet worden.
II.
Auch der Beschluss des Beklagten über die vorzeitige Besitzeinweisung vom 9. August 2010 ist rechtmäßig.
Gemäß § 97 Abs. 2 BBergG kann die zuständige Behörde den Grundabtretungsbegünstigten auf Antrag schon vor Abschluss des Verfahrens in den Besitz des betroffenen Grundstücks einweisen, wenn die sofortige Ausführung des Vorhabens aus den in § 79 BBergG genannten Gründen des Wohls der Allgemeinheit dringend geboten ist. Hierbei setzt die vorzeitige Besitzeinweisung voraus, dass dem Eigentümer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist.
Die danach erforderlichen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen sind gegeben.
Die Beigeladene hat den nach § 105 BBergG i. V. m. § 64 VwVfG erforderlichen schriftlichen Antrag am 14. Juli 2010 gestellt. Der Kläger hat hierzu mit Schriftsatz vom 30. Juni 2010 Stellung genommen. Einer mündlichen Verhandlung bedurfte es nicht (vgl. OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 28. September 2000 – 4 B 130/00, juris, Rn. 24).
Die Zuständigkeit des Beklagten zum Erlass der vorzeitigen Besitzeinweisung ergibt sich aus § 142 BBergG i.V.m. § 1 Abs. 1 Bergbehördenzuständigkeitsverordnung vom 10. November 2005 (GVBl. II S. 526), zuletzt geändert durch Verordnung vom 10. März 2009 (GVBl. II S. 120). Der vorzeitigen Besitzeinweisung steht im Übrigen nicht entgegen, dass bereits ein Grundabtretungsbeschluss ergangen ist, weil das Grundabtretungsverfahren erst dann im Sinne von § 97 Satz 1 BBergG abgeschlossen ist, wenn der Grundabtretungsbeschluss bestandskräftig ist (vgl. OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 28. September 2000 – 4 B 130/00, a. a. O.) Daran fehlt es hier, weil die Klage gegen den Grundabtretungsbeschluss anhängig ist.
Die vorzeitige Besitzeinweisung gemäß § 97 BBergG ist ebenso wie die Grundabtretung nur aus Gründen des Allgemeinwohls gemäß § 79 BBergG zulässig. Sie setzt voraus, dass die Grundabtretung aller Voraussicht nach zum Erfolg führt.
Das Vorhaben der Beigeladenen erfüllt – wie oben dargelegt - die gesetzlichen Anforderungen der Grundabtretung gemäß §§ 77, 79 BBergG. Die Benutzung des Grundstücks des Klägers ist für die Führung des Gewinnungsbetriebs der Beigeladenen im Sinne des § 77 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 BBergG notwendig, da das Vorhaben einer technisch und wirtschaftlich sachgemäßen Betriebsplanung oder –führung entspricht und die Bereitstellung unternehmenseigener Grundstücke nicht möglich oder zumutbar ist. Die Grundabtretung dient – wie oben dargelegt - dem Wohl der Allgemeinheit im Sinne des § 79 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BBergG, insbesondere der Sicherung der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen durch sinnvollen und planmäßigen Abbau der Lagerstätte. Die Grundabtretung ist – aus den oben genannten Gründen - auch im Übrigen rechtmäßig.
Die sofortige Ausführung des die Grundabtretung erfordernden Vorhabens ist aus Gründen des Allgemeinwohls nach § 79 Abs. 1 BBergG dringend geboten. Die Voraussetzungen sind gegeben, wenn die Arbeiten überhaupt keinen Aufschub dulden und durch eine Verzögerung die Verwirklichung des mit der Grundabtretung verbundenen Zwecks überhaupt unmöglich oder jedenfalls sehr in Frage gestellt wäre. Auch zeitliche Erwägungen können die vorzeitige Besitzeinweisung dringend gebieten, ebenso wie erhebliche Mehrkosten, welche entstehen würden, wenn die Beigeladene die beabsichtigten Maßnahmen nicht sofort ausführt (vgl. Boldt/Weller, BBergG, § 97 Rn. 3). Vorliegend ist die sofortige Ausführung des Vorhabens der Beigeladenen insbesondere aus Gründen des sinnvollen und planmäßigen Lagerstättenabbaus zur Versorgung des Marktes mit Rohstoffen sowie wirtschaftlichen Gründen dringend geboten. Die Beigeladene hat die Dringlichkeit der Inanspruchnahme des Grundstücks des Klägers hinreichend glaubhaft gemacht. Der Zeitpunkt ergibt sich aus den Planungen der Beigeladenen, insbesondere dem aktuellen Hauptbetriebsplan für den Tagebau Rüdersdorf, welcher innerhalb seines räumlichen Geltungsbereiches und Geltungszeitraumes bis 30. September 2010 die Inanspruchnahme des streitgegenständlichen Flurstücks vorsieht. In dem Besitzeinweisungsantrag wurde nochmals dargelegt, dass die westliche Böschungsoberkante des 1. Abraumschnittes die Sicherheitslinie bereits erreicht habe, so dass bei planmäßiger Fortführung eine sofortige Inanspruchnahme des Grundstücks erfolge und für die Gewährleistung der öffentlichen und betrieblichen Sicherheit während des Abbauprozesses zum beantragten Zeitpunkt die Maßnahmen zur Vorbereitung der bergbaulichen Inanspruchnahme gemäß Ziffer 1 des Grundabtretungsbeschlusses begonnen werden müssen. Sofern dies nicht erfolgen würde, wäre die sachgerechte und planmäßige Weiterführung des Tagebaus zur Sicherung der o.g. Allgemeinwohlinteressen nicht möglich.
Die rechtmäßige Grundabtretung und die vorzeitige Besitzeinweisung verletzten den Kläger auch nicht in seinen Rechten. Die gesetzliche Regelung der bergrechtlichen Grundabtretung (§§ 77 ff. BBergG) als einer Enteignung entspricht den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG jedenfalls insoweit, als die Enteignung für die Errichtung und die Führung eines Gewinnungsbetriebs zum Zweck der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen unter Berücksichtigung eines sinnvollen und planmäßigen Lagerstättenabbaus zugelassen ist (BVerwG, Urteil vom 14.12.1990 — 7 C 5.90). Diese Gründe des Allgemeinwohls werden durch das Vorhaben der Beigeladenen erfüllt. Im konkreten Fall sind die betroffenen öffentlichen und privaten Belange abgewogen und festgestellt worden, dass die geschützte Rechtsposition des Klägers nachrangig ist. Es sind keine überwiegenden Bestands- und Nutzungsinteressen ersichtlich, die den Erhalt des Grundstücks erfordern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO), weil die Beigeladene einen Antrag auf Abweisung der Klage gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO)
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe, die Berufung nach § 124 a VwGO zuzulassen, sind nicht ersichtlich.